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Von secarts

Seit einer Woche ist das Sammelsurium bunter Spam-E-Mails um eine Variante reicher: ein "fassungsloser Leser" schickt Links oder auch Bilder durch die Gegend, mit denen er auf eine grauenhafte Geschichte aufmerksam machen möchte: "ACHTUNG dies ist das schrecklichste was ich bis heute gesehen habe! Leute mit schwachen Nerven sollten sich das nicht anschauen und Kinder sollten diese Bilder auf gar keinen Fall sehen!!!".

Der Link führt ausnahmsweise nicht zu obskuren Viagra-Shops, sondern auf die Webseite china-intern.de. Die dort aufrufbare Geschichte handelt von angeblichen Kannibalismus-Fällen in der Volksrepublik China - abgetriebene Föten würden in "speziellen Restaurants" hinter dem Code "Kottelett" (gebratenes Baby) und "Kottelett H" (Babysuppe) verborgen als Gericht angeboten, so der O-Ton. "Reiche Kaufleute, Geschäftsleute, korrupte chinesische Politiker und Staatsbeamte" gehörten zu den Kunden; auch das ehemalige Staats- und Parteioberhaupt Jiang Zemin zähle Fötensuppe zu seinen Leibgerichten. Garniert wird die schröckliche Geschicht mit 13 gruseligen Bildern, die "vor drei Jahren" in einem öffentlichen Restaurant in Foshan (Provinz Guangdong) mit versteckter Kamera aufgenommen worden seien...

Das Lustige an der Geschichte:
sie stimmt nicht.


Großbildansicht 1041933831_p.jpg (9.1 KB)
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Kunst-Kannibalismus: Zhu Yu bei seiner Performance "eating people"
Die Bilder (wirklich harter Tobak!), die den "Kannibalismus-Fall" belegen sollen und angeblich drei Jahre alt sind, stammen aus dem Jahr 2001. Auf den Bildern zu sehen ist der Beijinger Performance-Künstler Zhu Yu; es handelt sich um Aufnahmen aus einem Videoclip, mit dem die Kunstaktion "eating people" des genannten Künstlers aufgenommen wurde.

Im Jahr 2003 brachte der britische Fernsehsender Channel 4 eine Dokumentation über Zhu Yu und sein umstrittenes Kunstverständnis; der Beijinger Künstler behauptete, den abgetriebenen Fötus aus einem Krankenhaus gestohlen zu haben, um ihn in seiner Performance-Show zu verspeisen. Nach unzähligen Anzeigen nahm sich Scotland Yard der Sache an und untersuchte Videoband und Bilder; das Resultat: es handelt sich nicht um einen echten Fötus, sondern um eine gebratene Ente, der ein Puppenkopf aufgesetzt wurde.

Kurz nach der Performance-Show folgte die erste Welle mit Gruselgeschichten: in Taiwan würden angeblich in einem "Spitzenrestaurant" Babyföten verspeist. Verschiedene "Hoax"-Info-Seiten (hier, hier) haben die Geschichte daraufhin bereits widerlegt. Nun lebt diese "urban legend" wieder auf - diesmal mit prononciert politischem Hintergrund. Es geht, wieder einmal, gegen die VR China.

Zunächst interessant ist die Frage, woher die Spam-E-Mails, die auf den China-Intern-Artikel verweisen, stammen.
Wenig überraschend: mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von china-intern.de selbst. In verschiedensten Foren zum Thema Spam taucht die dubiose Webseite immer wieder auf; seit einigen Jahren scheint die Seite, deren Inhalte ausschließlich aus antichinesischer Propaganda bestehen, bevorzugt über E-Mail-Spam für sich zu werben.

Der Denic-Eintrag gibt genaueren Aufschluß über die Personen, die hinter china-intern.de stecken: Der Registrant zeichnet im Übrigen auch für die beiden Seiten www.falungong.de und www.swastika-info.com verantwortlich. Im Gegensatz zu china-intern.de, das als "unabhängige Seite" auftritt, sind die beiden anderen Seiten direkt der in der VR China verbotenen Sekte Falun Gong zugeordnet.
Über die nicht zimperlichen Methoden der menschenverachtenden Sekte habe ich gelegentlich berichtet; diese per Spam verbreitete Gruselgeschichte stellt jedoch einen neuen Höhepunkt dar, was die Hetze der Politsekte in Deutschland betrifft.

Seit Jahren tingeln die Falun-Gong-Anhänger mit Gräuelmärchen über ominöse "Folter-KZs", Kindsmorde, Menschenfresserei und Organraub, die angeblich in China gegen den Kult angewandt werden, durch die Lande. Die Propaganda von Falun Gong dreht sich traditionell kaum um religiöse Inhalte, sondern beinahe ausschließlich um politische Attacken gegen die VR China. Ein ganzer Strauß Webseiten, die gratis verteilte Tageszeitung "Neue Epoche" und verschiedenste Happenings, bei denen Anhänger der Sekte Fotowände aufbauen, um über die "Menschenrechtsverletzungen" zu "informieren", sind die Methoden, derer sich die antichinesische Organisation bedient. Mail-Spam mit widerwärtigen, von vorne bis hinten erlogenen Bezichtigungen und Behauptungen, deren latent rassistischer Unterton kaum zu übersehen ist, kommt nun auch noch dazu.

Nachdem die drei von besagtem Webmaster betriebenen Seiten www.china-intern.de, www.falungong.de und www.swastika-info.com kurze Zeit nach Veröffentlichung eines ganz und gar ungewohnt um sachliche Darstellung bemühten Artikels in Spiegel Online für einen Tag offline waren, sind sie nun wieder da - nicht jedoch der umstrittene Artikel:
anscheinend ist den Falun-Gong-Leuten selbst aufgegangen, dass sie mit derart leicht überprüf- und widerlegbaren Ammenmärchen die Effektivität ihrer gesamten Propaganda gefährden. Im online gestellten Antwortbrief, den sie an SPIEGEL Online in dieser Sache verschickten, wird indirekt zugegeben, dass es sich bei dem Mann auf den "vor drei Jahren" von einem "Journalisten" mit einer "versteckten Kamera" aufgenommenen Bildern um besagten Aktionskünstler Zhu Yu handele - allerdings sei er tatsächlich Kannibale...
Wie dem auch sei - sicher wird es nicht nur in Deutschland, sondern auch in China den einen oder anderen Menschen mit kannibalistischen Neigungen geben. Zhu Yu habe, um seinen Trieb befriedigen zu können, einen abgetriebenen Fötus aus einem Krankenhaus stehlen müssen, wie china-intern.de nach diesem weniger der Einsicht, denn der Vertuschung geschuldeten Umschwenk nun schreibt. Menschenfleisch in "öffentlichen Restaurants"? Fötensuppe als "Leibspeise hoher KP-Funktionäre"? Oder doch nur die hanebüchene Story eines Kleinkünstlers mit Geltungsdrang, die von interessierten Kreisen um - bezahlte oder ehrenamtliche - Lügner in eine rassistische, weil pauschal der Kultur eines Landes Toleranz gegenüber "Menschenfresserei" unterstellende Hetzgeschichte umgebogen wurde?

Die modernen "Protokolle der Weisen von Zion"; diesmal nicht gegen Juden, sondern gegen China. Diese niederste Art von Stimmungsmache - nicht nur gegen ein der Falun-Gong-Sekte verhasstes politisches System, sondern gegen eine ganze Nation - ist und bleibt widerwärtig. Und genausowenig wie die einstigen Verfasser des russischen Klassikers des Antisemitismus scheren sich diese Apologeten der neuen antichinesischen Stimmungsmache um Wiederlegungen - wenn man nur lange genug mit Schmutz um sich wirft, wird schon etwas hängen bleiben, scheint das Motto solcher Menschen zu sein.
Wie gut zu wissen, dass die kriminelle Vereinigung Falun Gong, die hinter dieser Hetze steckt, wenigstens in der VR China verboten ist.

 
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  Kommentar zum Artikel von 127723:
Dienstag, 01.08.2006 - 00:28

haha, ...und ich bin drauf reingefallen. Bin in jugendlichem Alter auf rotten.com auf diese Bilder gestoßen (dort sind übrigens noch bessere Fotos von dem "Kanibalen").

Jaja, so schließt sich der Kreis.