Während des französischen Wahlkampfs um das Präsidentenamt war Frankreich ständig in den deutschen Medien präsent. Der Kandidat Emmanuel Macron wurde als demokratischer Hoffnungsträger hochgejubelt und zum Liebling der Bundesregierung. Er versprach Europa voranzutreiben und Frankreich zu reformieren. Mit seinen europäischen Vorschlägen ist die Bundesregierung nun nicht mehr so zufrieden, mit seinen Reformen in Frankreich schon. Wird von deutscher Seite doch schon seit Jahren gefordert, dass in allen EU-Staaten Reformen nach deutschem Vorbilde durchgesetzt werden. Von den Kämpfen der französischen Arbeiter gegen diese massiven Angriffe auf ihre Rechte hört man hier in den Medien aber nur wenig.
Zehntausende auf den Straßen und im Streik
So demonstrierten erst vor ein paar Tagen, am 26. Mai, Zehntausende gegen den Präsidenten der Reichen, wie Macron inzwischen betitelt wird, und seine Maßnahmen. Am 22. Mai streikten die Beschäftigten im öffentlichen Dienst zusammen mit den Eisenbahnern, demonstrierten mit Studenten und anderen von Reformen Betroffenen in über 130 französischen Städten. Die Eisenbahner streiken seit Anfang April. Sie wussten von Anfang an, dass es ein harter und langwieriger Kampf wird, weshalb die Gewerkschaften beschlossen haben, immer zwei Tage zu streiken und fünf zu arbeiten, das aber über Monate hinweg (in Frankreich gibt es kein Streikgeld!). Denn Macron macht Ernst.
gegen die Vernichtung erkämpfter Errungenschaften Er hat es im letzten Sommer bereits geschafft, handstreichartig ein Gesetzespaket
durchzupeitschen, das eine Lockerung des Kündigungsschutzes, eine weitere Umgehung der gesetzlichen 35-Stunden-Woche durch betriebliche Vereinbarungen und eine Senkung der bisher üblichen Abfindungssummen vorsah. Nun will er im öffentlichen Dienst u.a. 120.000 Arbeitsplätze vernichten und einen unbezahlten Krankheitstag wieder einführen. Vor allem aber soll die Front der kampferprobten Eisenbahner durchbrochen werden, um eine Bahnreform durchzuboxen und durch eine solche Schwächung der Gewerkschaften den Weg für noch weitere "Reformen", wie eine geplante Rentenreform, frei zu machen. Seit 1995, als die Eisenbahner unterstützt von großen Teilen der Bevölkerung wochenlang das Land lahm legten und die damals schon geplanten Angriffe zurückgezogen werden mussten, hat sich keine Regierung mehr an die Eisenbahner und ihre erkämpften Rechte herangetraut. "Die 150.000 Cheminots (Eisenbahner) verkörpern Frankreichs letzte und mächtigste Gewerkschaftsfestung ein schlafender Riese, der (
) es nicht mag, wenn ihm eine Regierung auf den Zehen herumtanzt, so die Frankfurter Rundschau vom 26. Februar 2018. Es ist vor allem die linke Gewerkschaft CGT, die unter den Eisenbahnern verankert ist und "bei der Staatsbahn seit dem Zweiten Weltkrieg als sie Eisenbahnzüge der Nazis sabotierte den Ton angibt".
Bluten für den Konkurrenzkampf der Konzerne [file-periodicals#205]Nun soll also die französische Staatsbahn nach deutschem Vorbild in eine Aktiengesellschaft umgewandelt und 9.000 "unrentable" Schienenkilometer stillgelegt werden. Vor allem aber will Macron das erkämpfte Personalstatut der Eisenbahner für alle Neueinstellungen schleifen Errungenschaften zum Ausgleich für ständig wechselnde Schichten an wechselnden Einsatzorten wie ein früherer Rentenbeginn, ein hoher Kündigungsschutz, Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen 35-Stunden-Woche. Die französische Bahn soll, wie ganz Frankreich also die französischen Kapitalisten und ihre Konzerne - "wettbewerbsfähiger" werden. Lt.
Frankfurter Rundschau sind die Betriebskosten der französischen Staatsbahn (SNCF) um rund ein Viertel höher als bei der Deutschen Bahn. Und genau die steht natürlich schon bereit. "Die SNCF hat
mächtige Widersacher zu fürchten, allen voran die Deutsche Bahn (DB), die schon ICE-Züge bis nach Paris unterhält und seit langem ein waches Auge auf den französischen Markt hat."
Für diesen Konkurrenzkampf um Märkte sollen also nun die französischen Bahnkolleginnen und -kollegen bluten. Dafür soll die "letzte Gewerkschaftsbastion" geschliffen werden. Jeder Gewerkschafter weiß, was das bedeutet. Kann sich Macron weiter durchsetzen, werden sich Bahn und andere Konzerne hierzulande wieder neue "Wettbewerbsvorteile" verschaffen müssen. Dann wird es auch hier wieder heißen, die Arbeitskosten müssten gesenkt werden und weitere "Reformen" seien dringend nötig. Von daher kämpfen die französischen Kolleginnen und Kollegen auch für uns. Ihnen gebührt unsere Solidarität.