Verdi-Vorsitzender Frank Bsirske bejubelt den Anfang März nach drei Verhandlungsrunden und vielen Warnstreiks (siehe auch Auf Draht vom 26. Februar) vereinbarten Abschluss für die knapp eine Million Beschäftigten der Länder, der auch auf die Beamten und Pensionäre
angewendet werden soll: "Das ist das beste Ergebnis seit vielen Jahren und ein guter Tag für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes." Wirklich?
7,3 Milliarden höhere Personalkosten bedeutet dieser Tarifabschluss für die Länder nach Angaben ihres Verhandlungsführers, des Berliner Finanzsenators Matthias Kollatz von der SPD. Hört sich viel an, ist aber angesichts sprudelnder Steuereinnahmen durchaus verkraftbar. Seit 2014 erwirtschaften die Bundesländer jedes Jahr Überschüsse. 11,1 Milliarden Euro letztes Jahr, im Jahr davor sogar 12,1 Milliarden Euro. In den vergangenen fünf Jahren stiegen die Steuereinnahmen der Länder von 254 auf 312 Milliarden. Die prognostizierte Steuerschätzung geht von einem weiteren Anstieg der Steuereinnahmen auf 352 Milliarden Euro bis 2021 aus, die vereinbarte Laufzeit des Tarifabschlusses.
Acht Prozent Gehaltserhöhung beklagt der Steuerzahlerbund und so mancher kleinbürgerlicher Meckerer. Wirklich? Die acht Prozent gibt es auf 33 Monate verteilt. Die Kolleginnen und Kollegen werden das schon bald zu ihrem Leidwesen im Geldbeutel spüren. Rückwirkend zum 1. Januar dieses Jahres gibt es 3,2 Prozent mehr. Doch schon der zweite Schritt, noch mal 3,2 Prozent zum 1. Januar 2020, wird weit weniger wirken.
Rechnet man die Inflationsrate dazu, wird die Hälfte der Erhöhung durch die Teuerung aufgezehrt. Und die 1,4 Prozent im Januar 2021 dürften unter dem Strich sogar zu Reallohnverlusten führen! "Ein fauler Kompromiss" nennt Bsirskes Heimatblatt, die Hannoversche Allgemeine, den Tarifabschluss (Hannoversche Allgemeine, 4. März 2019).
"Verdi kann stolz die Prozentzahl acht hochhalten. Viele Beschäftigte werden das schon bald auf ihrem Konto zu spüren bekommen", schreibt das Blatt weiter. Stolz sein können auf jeden Fall die Kolleginnen und Kollegen, die sich an den Warnstreiks aktiv beteiligt haben. 700 gingen am 14. Februar auf die Straße bzw. trafen sich vor dem Nymphenburger Schloss, 2.000 dann am 26. Februar zu Beginn der Verhandlungen. Sie hatten es nicht leicht, sind sie doch in den Betrieben und Verwaltungen in der Minderheit.
40.000 erwerbstätige Mitglieder hat Verdi im Bereich der Länderbeschäftigten, dies entspricht einem Organisationsgrad von fünf Prozent. Sie haben für 813.000 Tarifbeschäftigte, 1,2 Millionen Beamte und 900.000 Versorgungsempfänger (Pensionäre) diesen Abschluss erkämpft. Etliche Kolleginnen und Kollegen zogen eine Krankmeldung der Streikbeteiligung vor. Damit haben sie zwar zur gewollten Einschränkung des Betriebsablaufs beigetragen, aber nicht zu machtvolleren Aktionen.
Nicht akzeptabel sind jedoch die Kommentare jener Kolleginnen und Kollegen bezüglich des Ergebnisses, die sich zum Streikbruch entschlossen haben. Sie haben jetzt gut zwei Jahre Zeit darüber nachzudenken, was es heißt, solidarisch zu sein. Bis 2021 läuft der Tarifvertrag, sofern er nicht in der bis zum 10. April (Redaktionsschluss dieser Ausgabe war der 7. April) laufenden Mitgliederbefragung von den Mitgliedern doch noch abgelehnt wird.
Letztendlich gilt: Nach der Tarifrunde ist vor der Tarifrunde. Jetzt gilt es, die Zögerlichen in den Belegschaften und den Personalräten für die Gewerkschaften zu gewinnen, um 2021 ein besseres Ergebnis zu erzwingen.
Aus: Auf Draht, Betriebszeitung der Gruppe KAZ und DKP München, 9. April 2019