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Von secarts

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arischer Jüngling mit historischen Anleihen.
Unser brauner Freistaat hat in den letzten Monaten ein sicheres Gespür entwickelt, um in die Schlagzeilen zu geraten: Nach dem Triumph der NPD bei der Landtagswahl, der die Faschisten auf einen Schlag zur viertstärksten Fraktion in die ehrwürdigen Hallen der Demokratie katapultierte, reißt die Flut ärgerlicher, peinlicher und brisanter Nachrichten aus Sachsen nicht ab.
Pöbelte sich zunächst der Milchbartträger und Reichshobbyhistoriker Jürgen "W." Gansel mit seinem "Bombenholocaust" in die Feuilletons, ging der Kelch mit trüber Suppe nun an den örtlichen CDU-Nachwuchs "Junge Union Sachsen und Niederschlesien" weiter.
Was ist geschehen? Die Youngster-Konservativen aus der Jungen Union (Slogan: "black is beautiful") loten wieder einmal ihr Verhältnis zur Nation aus. Das ist zwar keineswegs neu, aber immer wieder unterhaltsam. Nutzen wir die moderne Technik, um uns selbst ein Bild zu machen. Und zwar auf der Homepage der "Jungen Union Sachsen & Niederschlesien":
Über den Button "ich bin stolz auf unser Land - und du?" gelangt man postwendend zum "Leitantrag Torgau", mit "ein Wert für sich: Deutschland" übertitelt.
Ein reizendes Gedichtchen von Fichte stimmt den biederen Staatsbürger sofort auf das Dräuende ein: "Du sollst an Deutschlands Zukunft glauben / An Deines Volkes Aufersteh'n...". Nun ja, machen wir einfach mal. Es kann ja noch lustig werden!

"Was hält das deutsche Volk zusammen?", ist die Überschrift des ersten Absatzes. Ich kann mir förmlich vorstellen, wie sich zwei Junge-Union-Knallköpfe nach dem Politik-LK in der Milchbar trafen und das Folgende zurechtstoppelten:

"Zu den Grundlagen unseres Gemeinwesens zählt der negative Gründungsmythos der Bundesrepublik. Dieser besteht im demokratischen Grundkonsens des 'Nie wieder' von Diktaturen jeglicher Art." [Zeile 14/15]

Da habt ihr aber gut aufgepasst, Jungs! In der Politik-Klausur würdet ihr für den Anforderungsbereich 1, nämlich der Stoff-Rezeption, eure 9 Punkte so gut wie sicher haben!

"Positive Gemeinschaftserlebnisse hatten die Deutschen als die Nationalmannschaft die Fußballweltmeisterschaft 1954 gewann und im sichtbar werdenden Prozess eines steten wirtschaftlichen Aufschwunges in der alten Bundesrepublik." [Zeile 17-19]

Mal abgesehen vom vergessenen Komma nach "Deutschen", kann ich auch diesem Satz einiges abgewinnen: mehr "positive Erlebnisse" als die gewonnene Fußballweltmeisterschaft hatte frühe die BRD in ihrem revanchistischen Muff wirklich nicht zu bieten.

"Doch abgesehen vom Glücksmoment der Nation am 3. Oktober 1990, und da auch nur in Teilen der Gesellschaft, zeigte sich seither nie, wie die Deutschen zu ihrem Vaterland stehen." [Zeile 19-21]

Nein, ich will hier keine bindende Altershöchstgrenze für den ersten selbst erlebten Orgasmus postulieren. Lassen wir den Jungs von der JU noch etwas Zeit, dann werden sie selbst wissen, was "Glücksmomente" sein können.

"Sinnfällig wird dies angesichts der Versuche politische Begriffe umzupolen und zu stigmatisieren – aus dem "deutschen Volk" wird die "Bevölkerung", aus den "Deutschen" die "Mehrheitsgesellschaft ohne Migrationshintergrund"." [Zeile 30-32]

Genau so ist es, und nicht anders. Deswegen ist ja Schröder z.B. auch nicht der "deutsche Bundeskanzler", sondern der "Bundeskanzler der Mehrheitsgesellschaft ohne Migrationshintergrund"...

Und nun gibt es wieder einen großen Sprung im Text - der Lehrer würde hier einen roten Kringel machen, weil der innere Faden nicht ohne Weiteres erkennbar ist. Aber wir sind ja hier glücklicherweise nicht in der Schule, sondern in der "Jungen Union Sachsen und Niederschlesien". Da mag das erlaubt sein. Also weiter, zum Kapitel "Wir sind stolz auf unser Land, und das hat seine Gründe":

"Gerade wir Sachsen haben allen Grund zum Stolz. Besser als in vielen anderen Bundesländern sind wir die neuen Herausforderungen angegangen und haben Ergebnisse erreicht, die sich sehen lassen können." [Zeile 44-46]

Jaja, die Sachsen wieder. Da lebt noch Widukinds Geist! In der Tat kann Sachsen stolz sein: auf die NPD-Fraktion zum Beispiel, und den dicken Sachsen-Göring Holger Apfel. So was gibt's kein zweites Mal in unserer "Mehrheitsgesellschaft ohne Migrationshintergrund"!

"Das Selbstverständnis der Deutschen ist das eines Volkes, nicht das einer politischen Nation." [Zeile 55-57]

Ja, da haben wir unseren neuen europäischen Freunden und Verbündeten tatsächlich einiges vorraus. Das wissen auch die Lümmel aus der Jungen Union:

"Ein wesentliches Element unseres Selbstverständnisses manifestiert sich im Artikel 116 des Grundgesetzes, welcher die deutsche Staatsangehörigkeit nach dem Abstammungsprinzip festschreibt." [Zeile 58/59]

Dies ist, bedauerlicherweise, wirklich so. Ein deutscher Schäferhund unter den Urgroßeltern reicht für gewöhnlich aus, um "heim ins Reich" geholt zu werden.

"Offenbar meint ein kleiner Teil der Gesellschaft, dass sich die Deutschen dieser Tradition erwehren sollten. Diesem Teil kommt auch kein Bekenntnis zur Nation über die Lippen, oder sie behalten beim Ertönen der Nationalhymne die Hände in den Hosentaschen." [Zeile 62-64]

Ja, diese bösen Leute aber auch! DIE HÄNDE IN DEN HOSENTASCHEN, beim Erklingen unserer Hymne! Deutsche Frauen, Deutscher Wein! Es kommen einem die Tränen der Wut und Verzweiflung! Nehmt euch alle einen Strick, das Abendland geht unter!!!

"Dies äußert sich vielfach in der Hemmung, die Nationalhymne zu entsprechenden Ereignissen und Anlässen zu singen." [Zeile 67/68]

Ja, das ist leider die Wahrheit. Aber: seien wir doch bitte mal ehrlich, ist das nicht einem Jeden von uns, unabsichtlich natürlich, schon einmal passiert? Ich beginne mit der Selbstkritik: neulich, beim Bäcker, habe ich nach dem Bezahlen von drei Mohnbrötchen VERGESSEN, die Hymne anzustimmen. Und, das Schlimmste: die Bäckereifachverkäuferin hat das nichtmal gestört! So weit ist es schon mit unserem Land gekommen! Gibt es überhaupt noch Hoffnung?

"Dies muss sich ändern – die deutsche Nationalhymne muss wichtiger Bestandteil der Lehrpläne für Deutsch und Musik an unseren Schulen sein." [Zeile 72-74]

Das könnte helfen, ist aber, mit Verlaub, noch nicht genug: die Nationalhymne gehört natürlich auch noch in den Physik-, Kunst- und Biologieunterricht. Am Besten kombiniert mit einem Morgengebet und Fahnenschwur vor dem Bild des Bundespräsidenten im "Super-Horst-Kostüm". Und das Ganze wird dann gefilmt und als dadaistischer Klamauk in die USA verkauft, damit können unsere chronisch klammen Schulen ihren Etat aufbessern!

"Die integrale Funktion von Flaggen zeigt sich in Deutschland meist leider nur beiSportereignissen und Siegerehrungen." [Zeile 76/77]

Liebe Freunde aus Sachsen und Niederschlesien, bitte gießt das Kind nicht mit dem Bade aus: nur weil's bei euch so ist, muss es nicht in der ganzen "Mehrheitsgesellschaft ohne Migrationshintergrund" so sein. Ich z.B. nutze seit längerem eine deutsche Fahne als Bodenlappen in der Küche, um meinen Nationalstolz selbst bei den niedersten Verrichtungen niemals zu vergessen. Das funktioniert! Versucht's doch auch mal!

"Es ist die Pflicht der Politik, ein Angebot zur Identifikation zu schaffen. Das Vaterland, die Heimat und die hier lebenden Menschen sind die besten Grundlage dafür." [Zeile 92-94]

Eine schöne Idee. Mein Vaterland, dir schenk' ich meine Treu'! und "die Heimat" ist natürlich auch nicht übel. Bei "den hier lebenden Menschen" sollten wir natürlich schon nach "Migrationshintergrund" differenzieren, sonst kommen wir noch in Teufels Küche. Der "hier" (z.B. in Berlin-Kreuzberg) lebende Türke könnte dann zum Beispiel von uns verlangen, die türkische Hymne vor der türkischen Flagge zu singen. Denn Berlin ist schließlich eine der größten türkischen Städte weltweit. Also, aufgepasst, ihr frechen jungen Dachse von der JU! Und nie den Migrationshintergrund vergessen!

"Werte und Tugenden wurden diskreditiert, anstatt sie als ein Fundament der Gesellschaft zu stärken. Ehrlichkeit, Disziplin und Fleiß, Verlässlichkeit und Treue – das sind Werte, die vermittelt und gelebt werden müssen, um von den Menschen des Landes gemeinschaftliche Anstrengungen abverlangen zu können." [Zeile 150-153]

"Meine Ehre heißt Treue", war der Leitspruch der SS. Und Leute, die so ein scharf auf's "s" betontes "Disssziplin" ständig im Munde führen, kriegen meistens keinen hoch. Aber egal, brauchen sie ja auch nicht. Es gibt schließlich noch andere "Glücksmomente".

"Vielfach entspricht die Realität nicht mehr dem bisherigen Familienbild der Union." [Zeile 164]

Na, was fällt denn der Realität da bloß wieder ein?! Husch husch, schnell wieder dem Bild der Union anpassen, sonst kommt der dicke Helmut und es gibt was hinter die Löffel!

"Auf dieser Basis sind Visionen für die Zukunft des Landes möglich, wenn sie den Menschen erst den Rahmen bieten in dem diese Visionen Wirklichkeit werden können." [Zeile 208/209]

Auf welcher Basis jetzt? Der Nationalhymne, der Flagge, dem Familienbild der Union oder der Disssziplin? Na, vielleicht einer bunten Mischung aus Allem. Und wenn wir schon mal dabei sind, könnten wir auch gleich noch Mallorca überfallen und ein neues "Großdeutsches Reich" gründen. Natürlich ohne "Migrationshintergrund", dafür aber inklusive Niederschlesien, damit der Name endlich mal stimmt. Und dann kriegt jeder 'ne Milch gratis - Mann, das wird TÖFTE!

Schließen wir, ganz im Sinne der "Jungen Union", mit dem Abschlußzitat des "Torgauer Antrags":

"Wir sind stolz auf unser Land.
Und Du?"
[Zeile 212]




 
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  Kommentar zum Artikel von secarts:
Samstag, 30.04.2005 - 19:40

"Das im GG noch Reste (oder vielleicht auch mehr) einer völkischen Nationenvorstellung stecken ist, wenn man die Entstehungszeit bedenkt, nicht soo überraschend, oder? Das Volk als metaphysische Komponente wurde erst in den 1960er und 1970er endgültig innerhalb der Wissenschaften dekonstruiert." - Moritz

Das mag stimmen - aber insb. für Deutschland. Das deutsche Nationenverständnis war - und ist, in einigen Kreisen - gänzlich anders begründet als z.B. in Frankreich oder England. Es ging weniger um gemeinsame Grenzen, die es so ja auch nicht gab, sondern um Sprach- und Kulturgemeinschaft, die an und für sich erstmal wertneutral ist, später aber gerne zu völkischen Konzepten aufgeblasen wurde. Sehr klar herauskristallisiert hat sich dies u.a. 1848 und danach (Stichwort, um mal Lokalpatriot zu bleiben: Gebrüder Grimm, die gezielt "völkisches Schriftgut" der "Deutschen" bewahren wollten, um den "Volkscharakter" zu retten) und auch wieder 1871. Dieser europäische Sonderweg hängt natürlich ganz unmittelbar mit der Ermangelung anderer Legitimationsmöglichkeiten, wie z.B. historisch kontinuierlich mehr oder weniger identischer Reichsgrenzen zusammen; auch die trübe Tradition gescheiterter brügerlicher Revolutionen würzt das Süppchen noch mit - im Endeffekt ist das völkische Nationsverständnis mit bürgerlicher Aufklärung schwer zu verbinden.

"Allerdings ist die Definition im GG nach meiner Auffassung nicht expansiv oder revanchistisch."

Nun, zitieren wir den betreffenden Artikel GG 116/1 doch einfach mal hier rein:
Deutscher im Sinne dieses Grundgesetzes ist vorbehaltlich anderweitiger gesetzlicher Regelung, wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder als Flüchtling oder Vertriebener deutscher Volkszugehörigkeit [hervorgehoben von mir] oder als dessen Ehegatte oder Abkömmling in dem Gebiete des Deutschen Reiches nach dem Stande vom 31.Dezember 1937 Aufnahme gefunden hat.
Der Terminus "Volkszugehörigkeit" ist etwas ganz anderes als etwa "Staatsbürger" oder "Bürger des Deutschen Reiches". Und für "Volkszugehörigkeit" kann es meines Erachtens lediglich metaphysische Definitionen geben, denn letztenendes bleibt immer ein unbewiesenes (und unbeweisbares) Konstrukt als Basis, dass sich wahlweise nach kultureller Identität (die schwer bis gar nicht nachweisbar ist) oder historischer Kontinuität (die Deutschland vor 1971 nicht hat) oder Beidem richtet.
"Revanchistisch" in dem Sinne, dass es von Deutschen besiedelte Gebiete außerhalb der Staatsgrenzen einzuverleiben gilt, ist dieser Artikel sicherlich per se nicht. Tangiert werden von dieser fragwürdigen Definition allerdings viele "deutsche Minderheiten" vor allem in Osteuropa, die trotz jahrhundertelangem Aufenthalt in diesen Ländern, verbunden mit Übernahme von Wirtschaftsweise, Sprache und Kultur längst assimiliert sind - genauso wie die Nachkommen polnischer Auswanderer im Ruhrgebiet z.B. auch, die heute auch niemand mehr "Polen" nennt, nur weil sie Grabowsky heißen. Was z.B. an diesen "Rußlanddeutschen", die kein Wort Deutsch können, mehrheitlich russische Vorfahren haben und russische Namen tragen, "deutscher" sein soll als ein einem Nachkommen türkischer Einwanderer, der hier geboren und aufgewachsen ist, muss man mir erstmal plausibel erklären.
Nach welchen Gesetzen jemand im "Deutschen Reiche nach dem Stande von 1937" Aufnahme erhalten hat, wird schwerlich diskutiert werden müssen, denke ich. Die faschistische Definition von "Volksdeutschen" und "Reichsdeutschen" ist nun wirklich der allerklarste Ausdruck völkischer Schule.


 B Kommentar zum Artikel von Bierchen:
Samstag, 30.04.2005 - 19:12

Also ich bin noch nicht völlig überzeugt:

Mir scheint in dem diskutierten Text eine Definition von Abstammungsgemeinschaft impliziert, die nicht von dem GG intendiert ist. Das im GG noch Reste (oder vielleicht auch mehr) einer völkischen Nationenvorstellung stecken ist, wenn man die Entstehungszeit bedenkt, nicht soo überraschend, oder? Das Volk als metaphysische Komponente wurde erst in den 1960er und 1970er endgültig innerhalb der Wissenschaften dekonstruiert. Bei vielen Historikern auch mal gut 20-30 Jahre später. Nicht auch zuletzt aufgrund der personellen Kontinuitäten in der Wissenschaft.

Allerdings ist die Definition im GG nach meiner Auffassung nicht expansiv oder revanchistisch. Die Formulierung im Text schon viel eher. IMO wird da bewußt terminologisch seichter Boden gesucht, um eine bestimmte politische Zielgruppe ins Visier zu nehmen. Ich habe bisher btw. noch keinen Hinweis auf der HP gefunden, warum die JU diesen Doppelnamen trägt. Vielleicht kann mir diesen Hinweis jemand schicken??
Oder ist die JU Sachsen die Jugendorganisation unserer Vertriebenenverbände??

Moritz



  Kommentar zum Artikel von secarts:
Freitag, 29.04.2005 - 20:47

@Stephan: "wieder stolz sein dürfen" ist ganz sicher eine Komponente - soziale Demagogie ist die zweite.
Wer sich dieses unsägliche "Papier", dass den Stoff, auf den es geschrieben wurde nicht wert ist, bis zum Ende antut, wird schnell merken, dass hinter dem Gefasel von "Motivation der Deutschen zu gemeinsamen Leistungen", "Identitässtiftung über das politische Alltagsgeschehen hinaus" und "verbindender nationaler Symbole" der Versuch steckt, soziale Verwerfungen, die an Diskrepanz ständig zunehmen und durch "Verfassungspatriotismus" alleine tatsächlich bald kaum mehr gedeckelt werden dürften, mit nationaler Tünche zu überdecken - ein altbekanntes und brandgefährliches Spiel...

@Moritz: sicher kann jeder, dem dies in den Sinn kommt, die deutsche Staatsbürgerschaft an den Nagel hängen, dies ist gar nicht die Aussage des betreffenden Artikels des GG. Wichtig ist der Fakt, wie man die Staatsbürgerschaft bekommt - und hier geht Deutschland (zumindest unter den großen westeuropäischen Staaten) einen Sonderweg: deutscher Staatsbürger ist, wer deutsche Vorfahren hat - und nicht etwa in Deutschland geboren wurde oder sich hier eine gewisse Zeit, 20 Jahre oder so, aufgehalten hat. Mit diesem juristischen Hintergrund findet z.B. die "Einbürgerung" der sog. "Rußlanddeutschen" statt - eigentlich ein Unding, wenn man bedenkt, dass viele dieser Leute kein Wort Deutsch können und lediglich dank einer deutsch Ur-Ur-Urgroßmutter Anrecht auf den Pass erlangen. Andere, die deren Familie seit zwei Generationen hier leben und arbeiten und die fließend Deutsch sprechen und obendrein hier geboren sind, bekommen die Staatsbürgerschaft nicht mit einer solchen Selbstverständlichkeit.
Nun kann man sich drüber streiten, was es mit diesem "deutschen Sonderweg" auf sich hat - für mich steht er zutiefst in einer deutsch-völkischen Tradition der Nationsdefinition als "Volksgemeinschaft", also eines metaphysischen Konstrukts, der es an allen soziologischen und historischen Beweißen entbehrt.


  Kommentar zum Artikel von Stephan:
Freitag, 29.04.2005 - 17:15

Moritz, wenn Du die Begriffe "modern" interpretierst, erhälts Du sicher eine andere Aussage, die auf mehr Zustimmung stoßen könnte. Der Kontext, in dem hier diese Unterscheidung Volk/Nation gesetzt wurde, läßt leider in meinen Augen soch wohlwollende Interpretation kaum zu. Gerade die positiven Dinge der Zeitgeschichte tangieren doch die Unionistas so gut wie überhaupt nicht - die WM 54 und der Aufschwung sind Nationprägend, kein Kniefall oder 68-Bewegung mit Aufarbeitung des Nationalsozialismus.
Ich verstehe solche Äußerungen eher als revanchistisch, man will wieder stolz sein dürfen - auch im Alltag - und die dunklen Flecken endlich übersehen dürfen. Und deutsch ist, wer deutsch ist - nicht, wer hier wohnt, arbeitet oder Kinder in die Welt setzt - die dann folglich auch nicht deutsch sind. Schwierigleiten mit der WM 2006 (Stichworte: Bastürk, Kovac, Altintop, Fathi, Ailton, ...) werden da offensichtlich in Kauf genommen.


  Kommentar zum Artikel von bierchen:
Donnerstag, 28.04.2005 - 20:58

Irgendwie hat der den Rest geschluckt...

ärgerlich.

Also eine Abstammungsgemeinschaft ist unser Staat sicher nicht. Ich kann meine Staatsbürgerschaft freiwillig abgeben, wenn ich eine andere annehme. Niemand zwingt mich deutscher Staatsbürger zu sein. Deutscher (Volksangehöriger) bin ich zum Glück eh nicht, weil ich mich nicht dazu zähle.

Die geschichtsphilosophischen Annahmen sind grotesk. Billigster Bauernfang. Ich werfe mal als Stichwort "metaphysische Konstante Volk in der Geschichtsentwicklung" und teleologische Geschichtsauffassung in die Menge.

Ferner ist deutsche Zeitgeschichte sicher komplexer.... als 1954 und 1990. Was ist mit 68, was mit dem Kniefall Brandts? Was ist mit den jüngsten Kriegen? u.v.a.m. Solche Simplifizierungen sind leeres Geschwätz!!!!

Moritz


  Kommentar zum Artikel von bierchen:
Donnerstag, 28.04.2005 - 20:49

Ganz bittere Rhetorik. Mir machen eher solche Vorstellungen als unsere Geschichte Probleme mich mit unserer Bevölkerung ähnlich zu identifizieren wie mit unserer Verfassung.

"Das Selbstverständnis der Deutschen ist das eines Volkes, nicht das einer politischen Nation." [Zeile 55-57]

Mich würde sehr stark Interessieren, wieviele Personen, die obige Begriffe modern differenzieren können, auch dieser Aussage zustimmen würden....

"Ein wesentliches Element unseres Selbstverständnisses manifestiert sich im Artikel 116 des Grundgesetzes, welcher die deutsche Staatsangehörigkeit nach dem Abstammungsprinzip festschreibt." [Zeile 58/59]
sec.:
Dies ist, bedauerlicherweise, wirklich so. Ein deutscher Schäferhund unter den Urgroßeltern reicht für gewöhnlich aus, um "heim ins Reich" geholt zu werden.




  Kommentar zum Artikel von Klemens:
Mittwoch, 27.04.2005 - 22:17

hehe. Hab mich beim text auch weggeschmissen vor lachen. der text selbst ist ja schon satire, dazu noch die kommentare. köstlich, diese lümmel.


  Kommentar zum Artikel von bajazzo:
Dienstag, 26.04.2005 - 01:31

Dieser Text ist der Oberkracher! Ich habe mir diesen "Leitantrag" mal durchgelesen, und habe noch immer Brechreiz...
Rechtschreibfehler und Muff wie zu Opas Zeiten... krass, daß die junge Union sowas veröffentlicht, das könnte genausogut auf einer NPD-Seite stehen. Aber selbst die vermeiden manche von den Wörtern, die hier auftauchen... echt krank.
Am allergeilsten ist aber dieser Typ im Bild... wo hast du den her? Ist der echt? Ich hab mich weggeschmissen!!!


  Kommentar zum Artikel von Stephan:
Montag, 25.04.2005 - 22:06

Es ist natürlich nicht leicht, man lebt in Sachsen.Alle wählen da CDU und alle sind Mitglied in der CDU. Letzteres ist von größerer Beständigkeit, ein schlechtes Zeichen für die Karriereplanung - ohnehin ein fragiles Gebilde. Da gilt es aufzufallen, aber nicht unangenehm, die Konkurrenten sollen, wenn möglich, sich negativ positionieren, was aber in zehn Jahren immer noch negativ sein soll, wenn sich ein Wind gedreht oder ein Furz verduftet hat. Gar nicht so einfach für einen jungen Mann aus dem Tal der Ahnungslosen. umal eine Bundeskarriere wegen des Akzents fast ausgeschlossen ist - das Ohr wählt mit!

Es wird ja noch schlimmer, im Dorf ist man ja nicht der Coolste, nur weil man in Papis Partei ist. Die wahrhaft Harten, die immer die geilen Schnitten abschleppen, sind ja noch weiter rechts, die reden nicht so geschwollen von Migrationshintergründen (außer diesem einen Spieler hier, der auf zwanzig Generationen Eichsfeld zurückblicken kann, und gegen den ich trotzdem fast immer verliere, haben den ja wohl fast alle) faseln, die klatschen die Fidschis einfach weg, da können die Bräute staunen. Die dürfen auch ficken, wegen denen weint kein Matzinger oder Jesuskind. Da sucht man sich schon einige Ersatzbefriedigungen, und wenn man selbst nichts kann und Papi sowieso der Größte ist, bleibt die Deutschtümelei.

Hat ja einige Vorteile: Ernsthaft kann niemand etwas dagegen sagen, auch in zehn Jahren nicht, innerparteiliche Konkurrenz, der Hauptfeind Nummer Eins, kann auch nicht offen f´dagegen wettern, fiele doch jede Kritik entweder als "undeutsch" oder "wir sind ja keine Rechten" durchs Raster. Konkrete Forderungen oder Versprechungen kann auch keiner daraus ableiten, die Nationalhymne wird bereits in der Schule gelehrt, das fordert sich quasi wie von selbst.