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Von Ivan

Großbildansicht oblast_tjumen.png (27.6 KB)
© by Wikipedia Großbildansicht oblast_tjumen.png (27.6 KB)
die Lage des Oblast Tjumen in Rußland
Die Aufzeichnungen sind aus der Gegend ca. 2000 Kilometer östlich von Moskau. Die Durchschnittstemperatur ist in den letzten sieben Tagen etwa Minus 13 Grad, heute sind es Minus Zwanzig... bei Sonnenschein. Die Stadt Tjumen bildet den südlichen Rahmen des Regierungsbezirks, des Oblast, der östlich vom Uralgebirge ca. sechs Mal größer ist als die BRD. Die Stadt blüht; 600.000 Einwohner geben ihr ungefähr die Größe Nürnbergs. Der Reichtum des Oblast rührt wohl von den hiesigen Öl- und Gasgewinnungen aus dem Norden der Region. Hier ist der ursprüngliche Sitz des bekannten Energieunternehmens Gazprom. Nordsibirien findet in einer Entfernung von ca.2000 km sein geografisches Ende am Nördlichen Eismeer.

sozialkulturelle und ökonomische Betrachtungen

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© by Ivan Großbildansicht p1010266.jpg (66.7 KB)
Eiskunstwerke in Tjumen
Handwerker sägen und schleifen in diesen Tagen munter an Eisblöcken mitten in der Stadt. Diese Eisbaukunst hat wohl Tradition und sie gehört zum Norden wohl wie die Palmen im Süden. Seien es schmucke Torbögen, Jungfrauen, Brücken, allerlei kulturelle und amüsante Abbildungen.
Zum Stadtzentrum hin verdichtet sich der Verkehr ungemein, Busse und Taxen fahren oft und die Busse nicht langsamer als ein Auto. Der Fahrpreis beträgt für jede Busstrecke 9 Rubel, also etwa 30 Cent. Ein Kaffee in einem romantischen, gemütlichen Cafe kostet umgerechnet hingegen ca. 4 Euro im Durchschnitt.

Viele Objekte aus der Sowjetzeit haben ihren Stolz bewahrt. Das Lenindenkmal der Stadt erhebt sich mächtig vor dem Hauptverwaltungsgebäude, vor dem zentralen Museum brennt das "ewige Feuer" zum Gedenken an die Befreiung, die auch die unsere war... Vereiste Blumen zieren die lange marmorne Mauer hinter der Siegessäule. Auch der Held der Sowjetunion, Nikolaj Kusnezow, hat sein Ehrendenkmal behalten.
Ruhig verläuft das Leben in der warmen und ständig wachsenden Eisstadt Westsibiriens, der frische Schnee dämpft allerlei Geräusche, doch auch im öffentlichen Leben, wie Bussen und Cafes, sind die Menschen so leise, dass ihre Anwesenheit stets als angenehm empfunden werden kann. Schon möglich, dass ich mit meinen Fragen und meinem deutschen Akzent (oder ist es die Lautstärke?) so manchen Fahrgast im veralteten deutschen MAN Bus aufhorchen lasse.

So, wir machen uns auf, zum Neujahrsfest, das durch die Sowjetzeit das Weihnachtsfest in kultureller Hinsicht verdrängt hat. Vodka, Konjak der Borschtsch und die gute russische Bauweise sowie Heizung lassen für uns die Kälte draußen.

Auf den Spuren der Dekabristen

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Tobolsk, das ist die Nachbarstadt von Tjumen', etwa 250 km weiter nordöstlich von hier', und liegt am berühmten Strom Irtysch. "Reisen wir mit dem Bus, dem Zug, oder sollen wir einen alten Bekannten bemühen, der uns mit dem Auto dorthin begleitet"? Wir entscheiden uns für das wahre Leben und fahren mit dem Zug. Am Fahrkartenverkauf springen die Leute vom einen zum anderen Schalter, weil man nicht weiß, würde ein Schalter unerwartet schließen, gibt es diese oder jene Probleme? Ich entschließe mich zu einem geduldigen Warten und stöbere mehr oder weniger motiviert in meinem Russischlehrbuch, bis mir eine junge Dame einen Tausendrubelschein vor die Nase hält, den ich dort aufbewahrt hatte. Mehr noch als über die umgerechnet 35 Euro freue ich mich über die Ehrlichkeit des Mädchens, das das Geld sicherlich hätte gebrauchen können. Die Gleise sind über einer eisernen Brücke zu erreichen. Das graue Eisen der Brücke, der Züge, die Uniformen der Zugbegleiter sowie das Grau der Luft und des alten Schnees, ja sogar des eigenen Atems machen einen für kurze Zeit glauben, man sei plötzlich in einem alten sowjetischen Spielfilm. Endlich finden wir einen Kiosk, an dem es jedoch -trotz der Kälte- nur warmes Bier gibt. Doch reicht der Alkohol, um ein angenehm romantisches Gespräch zu entfalten, wobei der Herzschlag des Zuges - pa bamm, pa bamm- ... -pa bamm, -pa bammm- mit allen möglichen Fahrgeräuschen verschmilzt. Der Geruch des Bieres vermischt sich mit dem einiger Fahrgäste, und so entsteht dieser aus den russischen Romanen bekannte süßlich-saure Geschmack der Luft.

Die Sitze sind gleichsam Liegeplätze, denn viele reisen über tausend Kilometer hinweg in die übernächste Stadt.
Entlang des Gleises in Tobolsk -einem der klassischen Bahnhöfe der Transsibirisschen Eisenbahn- entrollt sich ein Basar, an dem hauptsächlich höchst delikater Fisch angeboten wird, für den man bei uns sicherlich ein Vermögen ausgeben müsste. Auch hier zeigt sich mittlerweile die Klimaerwärmung. Das Thermometer schwankt über längere Zeit um den Gefrierpunkt, eine Katastrofe für die Fischhhändler, sollten die Temperaturen den Fisch auftauen lassen. "Es ist 20 Grad zu warm" diskutiert die Abendrunde meiner so freundlichen Gastgeber.

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© by © by Ivan [01.01.1970]

Tobolsk ist eine berühmte Festung oder auch "Kreml', der sehr hübsch auf einer Anhöhe errichtet wurde. Allerlei goldene Kuppeln, die runden Spitztürme, aber auch der weiße Teppich aus Schnee erzeugen ein angenehmes Gefühl der Ruhe. Hier befindet sich ebenfalls die Festung der Dekabristen, jener Aufständischer des neunzehnten Jahrhunderts, die sich gegen den Zaren auflehnten. Die Dekabristen, die zu einem großen Teil selbst Mitglied der herrschenden Klasse waren, haben - obwohl sie gescheitert sind - dem Zarismus den ersten empfindlichen ideologischen Schlag versetzt. In den Museen sitzt in jedem Ausstellungssaal nach sowjetischer Tradition eine Dame, die mit der Wichtigkeit eines hohen Ordnungsbemten die Besucher kurz grüßt, bald nach der Eintrittskarte fragt, bald die Fotografiererlaubnis prüft und aufmerksam die Exponate bewacht. Die didaktische Gestaltung der Museen hängt wohl sehr vom jeweiligen Leiter ab. Wen wundert es, dass die heutige Ausstattung sich von der von vor 1990 in wesentlichen Punkten unterscheidet?

Unsere Oblast' befindet sich auf ehemaligem Tatarengebiet. Die unterschiedlichen Gesichter der hier lebenden Menschen sind Ausdruck einer sehr bewegten vornationalen Geschichte. Seien es Menschen asiatischen, kaukasischen oder russisch- europäischen Typs, in Westsibirien haben viele Völker ihr Zuhause.
Ich schreibe gerade bequem in einem Internetcafe direkt in unserem Wohnviertel. Die 20 Plätze ermöglichen nur kurze Wartezeiten. Die Stunde kostet etwa 30 Rubel.


der nächste und letzte Teil des Rußland-Reiseberichts erscheint am 23.01.2006 auf www.secarts.org.


 
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