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•NEUES THEMA03.01.2020, 02:44 Uhr
EDIT: FPeregrin
03.01.2020, 03:13 Uhr
03.01.2020, 03:13 Uhr
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• BRD: Zur Geschichte der Berufsverbote
... gibt es eine Themenseite in der heutigen jW:
Feindstrafrecht
Berufsverbotepolitik seit den 1950er Jahren und kein Ende: ein dunkles, nicht aufgearbeitetes Kapitel bundesdeutscher Geschichte
Von Rolf Gössner
Gekürzte Fassung der Auftaktrede von Rolf Gössner zum »Bundesweiten Ratschlag ›Demokratie wagen!‹« im Oktober 2019 in Frankfurt am Main, veranstaltet vom Arbeitsausschuss der Initiativen gegen Berufsverbote und für die Verteidigung demokratischer Rechte (www.Âberufsverbote.de).
Dr. Rolf Gössner ist Rechtsanwalt, Publizist und Kuratoriumsmitglied der Internationalen ÂLiga für Menschenrechte (Berlin), Mitherausgeber des jährlich erscheinenden »Grundrechte-Report. Zur Lage der Bürger- und Menschenrechte in Deutschland« (Fischer-TB) sowie Sachverständiger in Gesetzgebungsverfahren von Bundestag und Landtagen. Gössner ist Autor und Herausgeber zahlreicher Bücher zum Themenbereich Demokratie, Innere Sicherheit und Bürgerrechte.
»Berufsverbote« hat es in der Bundesrepublik nach offizieller Lesart nie gegeben. Doch auch wer frühere Berufsverbote nicht leugnet, sitzt nicht selten der gängigen Meinung auf: Berufsverbote aus politischen Gründen gehören der Vergangenheit an. Es gibt sie aber immer wieder, auch heute noch.
Erinnert sei an den Realschullehrer und Antifaschisten Michael Csaszkóczy in Baden-Württemberg: Ihm hatte die damalige CDU-Kultusministerin 2004 – trotz Qualifikation – wegen Zweifeln an seiner Verfassungstreue die Einstellung in den staatlichen Schuldienst verweigert. Zur Last gelegt wurde ihm sein antifaschistisches Engagement u.a. in der linken Rechtshilfeorganisation »Rote Hilfe« und in der »Antifaschistischen Initiative Heidelberg«. Deshalb musste er sich durch die Instanzen klagen: 2007 ist das Berufsverbot nach fast vier Jahren in zweiter Instanz endlich für rechtswidrig erklärt und Csaszkóczy daraufhin in den Schuldienst eingestellt worden. Auf gerichtlichem Wege konnte er Schadensersatz als Wiedergutmachung für erlittene Nachteile erzwingen – eine Ausnahme in der Geschichte bundesdeutscher Berufsverbotsfälle. Dennoch ist seine Überwachung durch den »Verfassungsschutz« (VS) 2016 gerichtlich für rechtens und die Weigerung des VS, seine Akte aus Geheimhaltungsgründen offenzulegen, für gerechtfertigt erklärt worden.
Ähnlich erging und ergeht es Silvia Gingold, Tochter jüdischer Widerstandskämpfer, deren Berufsverbot als Lehrerin in den 1970er Jahren u.a. wegen Mitgliedschaft in der angeblich linksextremistisch beeinflussten »Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten« (VVN-BdA) schon lange zurückliegt: Sie kämpft heute immer noch vor Gericht um ihre aus Geheimhaltungsgründen größtenteils geschwärzte VS-Akte und um die Einstellung ihrer Beobachtung, die u.a. wegen ihres VVN-Engagements immer noch andauert.
Hinsichtlich neuerer Berufsverbote und -versuche sei weiterhin erinnert an Kerem Schamberger, der aufgrund einer Überprüfung durch den »Verfassungsschutz« 2016 wegen seiner Funktion als Sprecher der DKP sowie als Mitglied von SDAJ, »Roter Hilfe« und VVN lange auf seine Doktorandenstelle an der Münchner Universität warten musste – oder etwa an Benedikt Glasl, ebenfalls in Bayern, der 2017 nicht Lehrerreferendar werden sollte, weil er früher zwei linken Gruppen angehört hatte: dem sozialistisch-demokratischen Studierendenverband SDS und der Linksjugend »Solid«, die dem bayerischen VS als »linksextremistisch« gelten. 2018 wurde Glasl doch als Beamter auf Probe eingestellt; auch er bekam Schadensersatz zugesprochen.
Man fühlt sich bei solchen Fällen partiell zurückversetzt in vergangen geglaubte Zeiten der 1970er und 1980er Jahre, als eine ausufernde Berufsverbotepolitik das politisch-kulturelle Klima der damaligen Bundesrepublik vergiftete. Betroffen war seinerzeit die gesamte Linke, von Kommunisten über Jusos bis zu jungen Linksliberalen, die eine Beschäftigung im öffentlichen Dienst suchten oder aber dort bereits tätig waren – ob als Lehrer, Wissenschaftler, Juristen, Postboten, Lokführer oder Krankenhausangestellte.
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Feindstrafrecht
Berufsverbotepolitik seit den 1950er Jahren und kein Ende: ein dunkles, nicht aufgearbeitetes Kapitel bundesdeutscher Geschichte
Von Rolf Gössner
Gekürzte Fassung der Auftaktrede von Rolf Gössner zum »Bundesweiten Ratschlag ›Demokratie wagen!‹« im Oktober 2019 in Frankfurt am Main, veranstaltet vom Arbeitsausschuss der Initiativen gegen Berufsverbote und für die Verteidigung demokratischer Rechte (www.Âberufsverbote.de).
Dr. Rolf Gössner ist Rechtsanwalt, Publizist und Kuratoriumsmitglied der Internationalen ÂLiga für Menschenrechte (Berlin), Mitherausgeber des jährlich erscheinenden »Grundrechte-Report. Zur Lage der Bürger- und Menschenrechte in Deutschland« (Fischer-TB) sowie Sachverständiger in Gesetzgebungsverfahren von Bundestag und Landtagen. Gössner ist Autor und Herausgeber zahlreicher Bücher zum Themenbereich Demokratie, Innere Sicherheit und Bürgerrechte.
»Berufsverbote« hat es in der Bundesrepublik nach offizieller Lesart nie gegeben. Doch auch wer frühere Berufsverbote nicht leugnet, sitzt nicht selten der gängigen Meinung auf: Berufsverbote aus politischen Gründen gehören der Vergangenheit an. Es gibt sie aber immer wieder, auch heute noch.
Erinnert sei an den Realschullehrer und Antifaschisten Michael Csaszkóczy in Baden-Württemberg: Ihm hatte die damalige CDU-Kultusministerin 2004 – trotz Qualifikation – wegen Zweifeln an seiner Verfassungstreue die Einstellung in den staatlichen Schuldienst verweigert. Zur Last gelegt wurde ihm sein antifaschistisches Engagement u.a. in der linken Rechtshilfeorganisation »Rote Hilfe« und in der »Antifaschistischen Initiative Heidelberg«. Deshalb musste er sich durch die Instanzen klagen: 2007 ist das Berufsverbot nach fast vier Jahren in zweiter Instanz endlich für rechtswidrig erklärt und Csaszkóczy daraufhin in den Schuldienst eingestellt worden. Auf gerichtlichem Wege konnte er Schadensersatz als Wiedergutmachung für erlittene Nachteile erzwingen – eine Ausnahme in der Geschichte bundesdeutscher Berufsverbotsfälle. Dennoch ist seine Überwachung durch den »Verfassungsschutz« (VS) 2016 gerichtlich für rechtens und die Weigerung des VS, seine Akte aus Geheimhaltungsgründen offenzulegen, für gerechtfertigt erklärt worden.
Ähnlich erging und ergeht es Silvia Gingold, Tochter jüdischer Widerstandskämpfer, deren Berufsverbot als Lehrerin in den 1970er Jahren u.a. wegen Mitgliedschaft in der angeblich linksextremistisch beeinflussten »Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten« (VVN-BdA) schon lange zurückliegt: Sie kämpft heute immer noch vor Gericht um ihre aus Geheimhaltungsgründen größtenteils geschwärzte VS-Akte und um die Einstellung ihrer Beobachtung, die u.a. wegen ihres VVN-Engagements immer noch andauert.
Hinsichtlich neuerer Berufsverbote und -versuche sei weiterhin erinnert an Kerem Schamberger, der aufgrund einer Überprüfung durch den »Verfassungsschutz« 2016 wegen seiner Funktion als Sprecher der DKP sowie als Mitglied von SDAJ, »Roter Hilfe« und VVN lange auf seine Doktorandenstelle an der Münchner Universität warten musste – oder etwa an Benedikt Glasl, ebenfalls in Bayern, der 2017 nicht Lehrerreferendar werden sollte, weil er früher zwei linken Gruppen angehört hatte: dem sozialistisch-demokratischen Studierendenverband SDS und der Linksjugend »Solid«, die dem bayerischen VS als »linksextremistisch« gelten. 2018 wurde Glasl doch als Beamter auf Probe eingestellt; auch er bekam Schadensersatz zugesprochen.
Man fühlt sich bei solchen Fällen partiell zurückversetzt in vergangen geglaubte Zeiten der 1970er und 1980er Jahre, als eine ausufernde Berufsverbotepolitik das politisch-kulturelle Klima der damaligen Bundesrepublik vergiftete. Betroffen war seinerzeit die gesamte Linke, von Kommunisten über Jusos bis zu jungen Linksliberalen, die eine Beschäftigung im öffentlichen Dienst suchten oder aber dort bereits tätig waren – ob als Lehrer, Wissenschaftler, Juristen, Postboten, Lokführer oder Krankenhausangestellte.
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•NEUER BEITRAG03.01.2020, 02:46 Uhr
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Staatsautoritäre Traditionen
Diese Berufsverbotepolitik kam nicht aus dem Nichts – sie hatte einen Vorlauf in den 1950er und 1960er Jahren, der aber mehr und mehr in Vergessenheit geraten ist. Deshalb soll hier bewusst an die frühen Auswüchse der sogenannten wehrhaften Demokratie erinnert werden, als die sich die Bundesrepublik von Anfang an verstand. Für mich war bereits mit dem Ende des Kalten Krieges Anfang der 1990er Jahre die Zeit gekommen, ein weitgehend verdrängtes Kapitel bundesdeutscher Geschichte rechtspolitisch aufzuarbeiten: nämlich die systematische politische Verfolgung von Kommunisten in der frühen Bundesrepublik. Ich wollte damals den abermaligen Versuch unternehmen, dieses Tabuthema ins öffentliche Bewusstsein zu heben – »eine Mahnung zur Unzeit«, wie es die Frankfurter Rundschau 1994 anlässlich meines Buches über »Die vergessenen Justizopfer des Kalten Kriegs« formulierte. Allerdings, so die frühere FR-Politikredakteurin Astrid Hölscher, »eine bewusste Mahnung zur Unzeit an die Fehlleistungen des Rechtsstaats, während sich sonst seit der deutschen Wiedervereinigung alles Augenmerk auf den Unrechtsstaat DDR richtet«. Und auch von heute aus gesehen würde ich sagen: eine späte Mahnung und Erinnerungsarbeit zum historisch richtigen Zeitpunkt.
Zu dieser Erinnerungsarbeit gehören drei zusammenhängende Grundbelastungen der bundesdeutschen Frühgeschichte: die mangelhaft-verspätete Aufarbeitung der NS-Vergangenheit, die systematische Wiedereingliederung von Altnazis in Staat und Gesellschaft, in Bundeswehr, Polizei, Geheimdienste und Justiz (auf Grundlage des Art. 131 GG), sowie das düstere Kapitel politischer Verfolgung der ersten beiden Jahrzehnte.
Zunächst ein paar skizzierende Sätze zur anfänglichen Entwicklung des inneren Sicherheitssystems und zu seiner personellen Ausstattung: Ursprünglich sollte Westdeutschland unter dem Diktat der westlichen Besatzungsmächte umfassend entnazifiziert und entmilitarisiert werden. Das innere Sicherheitssystem sollte demokratisch organisiert und kontrolliert werden. Polizei und Geheimdienste wurden entflochten und strikt voneinander getrennt. So wollte man eine undemokratische Machtkonzentration, eine neue Geheimpolizei und erneute staatliche Verfolgung aus politischen Gründen von vornherein unterbinden.
Doch in den Wirren der Ost-West-Konfrontation und des eskalierenden Kalten Krieges setzten sich die »neuen Herrschaften« – bald schon in Übereinstimmung mit den Westalliierten – über solche Vorgaben hinweg. Angesichts der damaligen Bedrohungsszenarien, der Gefahr aus dem Osten auf Grundlage des alten Feindbilds Kommunismus, verlor die Gesellschaft die Gefahren einer übermächtigen und entfesselten Sicherheitsbürokratie rasch aus dem Blick. Schon Anfang der 1950er Jahre wurde die Polizei nach vordemokratischem Muster restauriert. Auch das neue Staatsschutzstrafrecht lehnte sich an alte Vorbilder an. Unverkennbar zeigte es die Handschrift »entnazifizierter« Nazis, die verstärkt ab 1951 wieder in Verwaltung, Sicherheitsbehörden und Justiz reintegriert wurden. Zeitgleich wurde der öffentliche Dienst auf Grundlage des »Adenauer-Erlasses« von 1950 von sogenannten kommunistischen Elementen gesäubert – es handelte sich dabei um die erste Berufsverbotswelle Westdeutschlands.
Viele ehemals leitende Gestapo-Beamte, SS- und SA-Angehörige erklommen derweil hohe und höhere Posten bei Polizei und Geheimdiensten. Die im »Kampf gegen den Bolschewismus« bewährten Fachleute, die in der Jagd auf politische Gegner bestens geübt waren, hielt man für berufen, die neue bundesdeutsche Verfassung zu schützen. Bereits zu Beginn der 1950er Jahre konzentrierte sich der neue Inlandsgeheimdienst »Verfassungsschutz« auf die Bekämpfung des »Linksextremismus«, wobei die geheimdienstliche Beobachtung und »Durchdringung« der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) zu den Kernaufgaben gehörte. Um die altnazistische Szene kümmerte er sich immer weniger, sie war schließlich weitgehend in Gesellschaft, Wirtschaft und insbesondere im Staatsapparat aufgegangen. Diese personellen »Altlasten« im Staatsdienst hatten langfristig prägenden Einfluss auf Mentalität und Arbeit der bundesdeutschen Sicherheitsorgane.
Das NS-belastete Personal wirkte bei der inneren Aufrüstung der Bundesrepublik zum »Bollwerk gegen den kommunistischen Osten« eifrig mit. Dabei diente ihm das neu-alte Strafrecht als Grundlage für politische Zensur und Verfolgung Tausender Menschen. Politische Verfolgung in Westdeutschland? So mögen sich manche ungläubig fragen. Ja, die gab es tatsächlich, und davon betroffen waren in erster Linie Kommunisten, ihre Unterstützer und »Sympathisanten« – aber auch Bündnispartner und bloße Kontaktpersonen.
Das Ausmaß dieser staatlichen Verfolgung ist heute kaum mehr vorstellbar: Von 1951 bis 1968 gab es Ermittlungsverfahren gegen 150.000 bis 200.000 Personen. Mehr als doppelt so viele – etwa eine halbe Million – waren direkt oder indirekt von Ermittlungsmaßnahmen betroffen: so u.a. von langfristigen Observationen, Abhöraktionen, Postkontrollen und Untersuchungshaft. Selbst gewaltlose Proteste gegen die damalige Wiederaufrüstung und Atombewaffnung wurden als kriminelle Delikte verfolgt, weil sie als »kommunistisch gesteuert« galten. Menschen wurden etwa wegen »Staatsgefährdung« oder »Geheimbündelei« bestraft, weil sie für ein entmilitarisiertes und neutrales Gesamtdeutschland eintraten oder weil sie deutsch-deutsche Kontakte pflegten. Etliche Frauen wurden zu Gefängnisstrafen verurteilt, nur weil sie Ferienfahrten in die DDR für Kinder aus bedürftigen Familien organisiert hatten. Oft genug waren die Ankläger und Richter ehemalige Nazitäter, die über ehemalige Widerstandskämpfer und Nazigegner richteten.
Zwar schloss nur etwa jedes zwanzigste Ermittlungsverfahren mit einer Verurteilung ab – das ergibt etwa 7.000 bis 10.000 Verurteilungen meist zu mehrmonatigen, bisweilen zu mehrjährigen Freiheitsstrafen. Doch auch wer nicht bestraft wurde, konnte Schaden nehmen, der an die Existenz ging – durch monatelange Einzelhaft, horrende Verfahrenskosten, jahrelange Einschränkungen der staatsbürgerlichen Rechte, Pass- und Führerscheinentzug, Verlust des Arbeitsplatzes und Renteneinbußen. Ehemaligen NS-Opfern und Widerstandskämpfern sind im Fall kommunistischer Betätigung sogar die Wiedergutmachungsrenten für erlittenes Unrecht in der Nazizeit aberkannt worden.
Der Höhepunkt der Kommunistenverfolgung war 1956 mit dem KPD-Verbot durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfg) erreicht worden – ein Verbotsurteil, das nach neuerer Forschung anhand bislang geheimgehaltener Dokumente u.a. wegen exekutiver Einflussnahme der damaligen Bundesregierung als verfassungswidrig gelten kann, so jedenfalls der Freiburger Historiker Josef Foschepoth in seinem Buch »Verfassungswidrig! Das KPD-Verbot im Kalten Bürgerkrieg« (2017). Praktisch die gesamte politische Betätigung von Kommunisten, ihren Organisationen und Bündnispartnern wurde seinerzeit auf dieser juristischen Grundlage kriminalisiert und bis auf wenige Reste unterbunden. Strafrechtlich verfolgt wurden damit Menschen, die »keine politischen Morde, keine Aufstandsversuche, keinerlei Gewalttaten« begangen hatten, wie der Anwalt und frühere NRW-Justizminister Diether Posser in seinem 1991 erschienenen Buch »Anwalt im Kalten Krieg« zu Recht hervorgehoben hat,
Die politische Justiz gegen Kommunistinnen und Kommunisten wirkte lange Zeit in stiller oder offener Übereinkunft mit der Mehrheit der Bevölkerung. Es gab – über das eigene politische Umfeld hinaus – nur relativ wenig Solidarität. Das tief verwurzelte Feindbild Kommunismus, der allgegenwärtige Kommunistenverdacht, die Angst vor »kommunistischer Unterwanderung« lähmten bis hinein in SPD und Gewerkschaften, die sich mit »Unvereinbarkeitsbeschlüssen« und Gewerkschaftsausschlüssen selbst gegen (mutmaßliche) Kommunisten abzuschotten versuchten.
Diese 17 Jahre währende politische Verfolgung fand erst 1968 ein Ende: Die damalige Große Koalition aus CDU/CSU und SPD liberalisierte das politische Strafrecht teilweise und erließ eine sogenannte Rechtskorrektur-Amnestie – was auch der geänderten Großwetterlage und der wenig später einsetzenden »neuen Ost- und Entspannungspolitik« unter der sozialliberalen SPD-FDP-Regierung entsprach. Die Justizopfer des Kalten Krieges wurden jedoch bis heute weder rehabilitiert noch entschädigt.
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Staatsautoritäre Traditionen
Diese Berufsverbotepolitik kam nicht aus dem Nichts – sie hatte einen Vorlauf in den 1950er und 1960er Jahren, der aber mehr und mehr in Vergessenheit geraten ist. Deshalb soll hier bewusst an die frühen Auswüchse der sogenannten wehrhaften Demokratie erinnert werden, als die sich die Bundesrepublik von Anfang an verstand. Für mich war bereits mit dem Ende des Kalten Krieges Anfang der 1990er Jahre die Zeit gekommen, ein weitgehend verdrängtes Kapitel bundesdeutscher Geschichte rechtspolitisch aufzuarbeiten: nämlich die systematische politische Verfolgung von Kommunisten in der frühen Bundesrepublik. Ich wollte damals den abermaligen Versuch unternehmen, dieses Tabuthema ins öffentliche Bewusstsein zu heben – »eine Mahnung zur Unzeit«, wie es die Frankfurter Rundschau 1994 anlässlich meines Buches über »Die vergessenen Justizopfer des Kalten Kriegs« formulierte. Allerdings, so die frühere FR-Politikredakteurin Astrid Hölscher, »eine bewusste Mahnung zur Unzeit an die Fehlleistungen des Rechtsstaats, während sich sonst seit der deutschen Wiedervereinigung alles Augenmerk auf den Unrechtsstaat DDR richtet«. Und auch von heute aus gesehen würde ich sagen: eine späte Mahnung und Erinnerungsarbeit zum historisch richtigen Zeitpunkt.
Zu dieser Erinnerungsarbeit gehören drei zusammenhängende Grundbelastungen der bundesdeutschen Frühgeschichte: die mangelhaft-verspätete Aufarbeitung der NS-Vergangenheit, die systematische Wiedereingliederung von Altnazis in Staat und Gesellschaft, in Bundeswehr, Polizei, Geheimdienste und Justiz (auf Grundlage des Art. 131 GG), sowie das düstere Kapitel politischer Verfolgung der ersten beiden Jahrzehnte.
Zunächst ein paar skizzierende Sätze zur anfänglichen Entwicklung des inneren Sicherheitssystems und zu seiner personellen Ausstattung: Ursprünglich sollte Westdeutschland unter dem Diktat der westlichen Besatzungsmächte umfassend entnazifiziert und entmilitarisiert werden. Das innere Sicherheitssystem sollte demokratisch organisiert und kontrolliert werden. Polizei und Geheimdienste wurden entflochten und strikt voneinander getrennt. So wollte man eine undemokratische Machtkonzentration, eine neue Geheimpolizei und erneute staatliche Verfolgung aus politischen Gründen von vornherein unterbinden.
Doch in den Wirren der Ost-West-Konfrontation und des eskalierenden Kalten Krieges setzten sich die »neuen Herrschaften« – bald schon in Übereinstimmung mit den Westalliierten – über solche Vorgaben hinweg. Angesichts der damaligen Bedrohungsszenarien, der Gefahr aus dem Osten auf Grundlage des alten Feindbilds Kommunismus, verlor die Gesellschaft die Gefahren einer übermächtigen und entfesselten Sicherheitsbürokratie rasch aus dem Blick. Schon Anfang der 1950er Jahre wurde die Polizei nach vordemokratischem Muster restauriert. Auch das neue Staatsschutzstrafrecht lehnte sich an alte Vorbilder an. Unverkennbar zeigte es die Handschrift »entnazifizierter« Nazis, die verstärkt ab 1951 wieder in Verwaltung, Sicherheitsbehörden und Justiz reintegriert wurden. Zeitgleich wurde der öffentliche Dienst auf Grundlage des »Adenauer-Erlasses« von 1950 von sogenannten kommunistischen Elementen gesäubert – es handelte sich dabei um die erste Berufsverbotswelle Westdeutschlands.
Viele ehemals leitende Gestapo-Beamte, SS- und SA-Angehörige erklommen derweil hohe und höhere Posten bei Polizei und Geheimdiensten. Die im »Kampf gegen den Bolschewismus« bewährten Fachleute, die in der Jagd auf politische Gegner bestens geübt waren, hielt man für berufen, die neue bundesdeutsche Verfassung zu schützen. Bereits zu Beginn der 1950er Jahre konzentrierte sich der neue Inlandsgeheimdienst »Verfassungsschutz« auf die Bekämpfung des »Linksextremismus«, wobei die geheimdienstliche Beobachtung und »Durchdringung« der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) zu den Kernaufgaben gehörte. Um die altnazistische Szene kümmerte er sich immer weniger, sie war schließlich weitgehend in Gesellschaft, Wirtschaft und insbesondere im Staatsapparat aufgegangen. Diese personellen »Altlasten« im Staatsdienst hatten langfristig prägenden Einfluss auf Mentalität und Arbeit der bundesdeutschen Sicherheitsorgane.
Das NS-belastete Personal wirkte bei der inneren Aufrüstung der Bundesrepublik zum »Bollwerk gegen den kommunistischen Osten« eifrig mit. Dabei diente ihm das neu-alte Strafrecht als Grundlage für politische Zensur und Verfolgung Tausender Menschen. Politische Verfolgung in Westdeutschland? So mögen sich manche ungläubig fragen. Ja, die gab es tatsächlich, und davon betroffen waren in erster Linie Kommunisten, ihre Unterstützer und »Sympathisanten« – aber auch Bündnispartner und bloße Kontaktpersonen.
Das Ausmaß dieser staatlichen Verfolgung ist heute kaum mehr vorstellbar: Von 1951 bis 1968 gab es Ermittlungsverfahren gegen 150.000 bis 200.000 Personen. Mehr als doppelt so viele – etwa eine halbe Million – waren direkt oder indirekt von Ermittlungsmaßnahmen betroffen: so u.a. von langfristigen Observationen, Abhöraktionen, Postkontrollen und Untersuchungshaft. Selbst gewaltlose Proteste gegen die damalige Wiederaufrüstung und Atombewaffnung wurden als kriminelle Delikte verfolgt, weil sie als »kommunistisch gesteuert« galten. Menschen wurden etwa wegen »Staatsgefährdung« oder »Geheimbündelei« bestraft, weil sie für ein entmilitarisiertes und neutrales Gesamtdeutschland eintraten oder weil sie deutsch-deutsche Kontakte pflegten. Etliche Frauen wurden zu Gefängnisstrafen verurteilt, nur weil sie Ferienfahrten in die DDR für Kinder aus bedürftigen Familien organisiert hatten. Oft genug waren die Ankläger und Richter ehemalige Nazitäter, die über ehemalige Widerstandskämpfer und Nazigegner richteten.
Zwar schloss nur etwa jedes zwanzigste Ermittlungsverfahren mit einer Verurteilung ab – das ergibt etwa 7.000 bis 10.000 Verurteilungen meist zu mehrmonatigen, bisweilen zu mehrjährigen Freiheitsstrafen. Doch auch wer nicht bestraft wurde, konnte Schaden nehmen, der an die Existenz ging – durch monatelange Einzelhaft, horrende Verfahrenskosten, jahrelange Einschränkungen der staatsbürgerlichen Rechte, Pass- und Führerscheinentzug, Verlust des Arbeitsplatzes und Renteneinbußen. Ehemaligen NS-Opfern und Widerstandskämpfern sind im Fall kommunistischer Betätigung sogar die Wiedergutmachungsrenten für erlittenes Unrecht in der Nazizeit aberkannt worden.
Der Höhepunkt der Kommunistenverfolgung war 1956 mit dem KPD-Verbot durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfg) erreicht worden – ein Verbotsurteil, das nach neuerer Forschung anhand bislang geheimgehaltener Dokumente u.a. wegen exekutiver Einflussnahme der damaligen Bundesregierung als verfassungswidrig gelten kann, so jedenfalls der Freiburger Historiker Josef Foschepoth in seinem Buch »Verfassungswidrig! Das KPD-Verbot im Kalten Bürgerkrieg« (2017). Praktisch die gesamte politische Betätigung von Kommunisten, ihren Organisationen und Bündnispartnern wurde seinerzeit auf dieser juristischen Grundlage kriminalisiert und bis auf wenige Reste unterbunden. Strafrechtlich verfolgt wurden damit Menschen, die »keine politischen Morde, keine Aufstandsversuche, keinerlei Gewalttaten« begangen hatten, wie der Anwalt und frühere NRW-Justizminister Diether Posser in seinem 1991 erschienenen Buch »Anwalt im Kalten Krieg« zu Recht hervorgehoben hat,
Die politische Justiz gegen Kommunistinnen und Kommunisten wirkte lange Zeit in stiller oder offener Übereinkunft mit der Mehrheit der Bevölkerung. Es gab – über das eigene politische Umfeld hinaus – nur relativ wenig Solidarität. Das tief verwurzelte Feindbild Kommunismus, der allgegenwärtige Kommunistenverdacht, die Angst vor »kommunistischer Unterwanderung« lähmten bis hinein in SPD und Gewerkschaften, die sich mit »Unvereinbarkeitsbeschlüssen« und Gewerkschaftsausschlüssen selbst gegen (mutmaßliche) Kommunisten abzuschotten versuchten.
Diese 17 Jahre währende politische Verfolgung fand erst 1968 ein Ende: Die damalige Große Koalition aus CDU/CSU und SPD liberalisierte das politische Strafrecht teilweise und erließ eine sogenannte Rechtskorrektur-Amnestie – was auch der geänderten Großwetterlage und der wenig später einsetzenden »neuen Ost- und Entspannungspolitik« unter der sozialliberalen SPD-FDP-Regierung entsprach. Die Justizopfer des Kalten Krieges wurden jedoch bis heute weder rehabilitiert noch entschädigt.
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•NEUER BEITRAG03.01.2020, 02:47 Uhr
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Vergiftung des politischen Klimas
Doch schon ab 1972 erfuhr die Kommunistenverfolgung ausgerechnet unter einer sozialliberalen Bundesregierung, die unter dem Motto »Mehr Demokratie wagen« (Willy Brandt) angetreten war, eine Fortsetzung mit anderen Mitteln – als Staatsschutzreaktion auf Studentenbewegung, APO und Rudi Dutschkes Motto »Marsch durch die Institutionen«. Zwei Jahrzehnte lang erlebte die Bundesrepublik auf Grundlage des »Radikalenerlasses« der Ministerpräsidenten von 1972, unter Führung des damaligen SPD-Bundeskanzlers Brandt (der das später als schweren Fehler und Irrtum bezeichnete), eine extensive Berufsverbotepolitik gegen kommunistische und andere linksorientierte Stellenbewerber und Stelleninhaber im öffentlichen Dienst. Der Erlass stützte sich auf Paragraph 35 Beamtenrechtsrahmengesetz, wonach sich Beamte durch ihr gesamtes Verhalten jederzeit zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen und aktiv für deren Erhalt einzutreten hatten – gleiches galt für Angestellte und Arbeiter im öffentlichen Dienst gemäß tarifvertraglicher Bestimmungen.
Vom »Radikalenerlass« betroffen war die gesamte Linke, waren Intellektuelle und Angehörige des linksliberalen Bürgertums, die eine Beschäftigung im öffentlichen Dienst suchten oder dort bereits tätig waren. Wer etwa Mitglied in der 1968 zugelassenen, also legalen Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) war oder im Kommunistischen Bund Westdeutschland (KBW), bekam unweigerlich Ärger. Mitunter reichte schon aus, mit Kommunisten zusammenzuleben, in einer Organisation oder Partei aktiv zu sein, in der auch Kommunisten waren oder die mit Kommunisten zusammenarbeiteten – etwa im Sozialdemokratischen, später Sozialistischen Hochschulbund (SHB), in der VVN-BdA, der Deutschen Friedensgesellschaft (DFG-VK) oder der Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen (VDJ). Auch wer an »falschen«, weil angeblich »linksextremistisch« beeinflussten Demonstrationen teilnahm, konnte rasch zum »Verfassungsfeind« gekürt und ausgeschlossen werden.
Der »Verfassungsschutz« spielte bei all dem eine ganz herausragende Rolle: Denn der »Radikalenerlass« sah zwingend eine sogenannte Regelanfrage bei den VS-Behörden des Bundes und der Länder vor. Im Rahmen dieser Anfragen kam es zu ausufernden Gesinnungsüberprüfungen auf der Grundlage der »Extremismustheorie«. Faktisch mutierte der demokratisch kaum zu kontrollierende Inlandsgeheimdienst damit zur Auswahl- und Einstellungsbehörde. Der »Radikalenerlass« und die daraus resultierende Ausforschung führten im Laufe von zwei Jahrzehnten bundesweit zu
– ca. 3,5 Millionen Regelanfragen an den VS,
– zu etwa 11.000 Berufsverbotsverfahren und
– etwa 1.500 konkreten Berufsverbotsmaßnahmen
– sowie zu 2.200 Disziplinarverfahren, ca. 1.250 Nichteinstellungen und mehr als 250 Entlassungen aus dem öffentlichen Dienst.
Einige der Berufsverbote konnten gerichtlich angegriffen und zu Fall gebracht werden – auch dank einer recht starken Rechtshilfe- und Solidaritätsbewegung. Im In- und Ausland gab es starke Proteste gegen diese Praxis der Gesinnungsüberprüfung – der Negativbegriff »le Berufsverbot« wurde damals ins Französische übernommen, aber auch in andere Sprachen. 1978 wurde die Bundesrepublik wegen ihrer Berufsverbotepraxis vom 3. Internationalen Russell-Tribunal symbolisch verurteilt, und auch die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) rügte mehrfach die Praxis der Berufsverbote. Demgegenüber hatten sämtliche bundesdeutschen Gerichte, auch das Bundesverfassungsgericht in seinem sogenannten Radikalenbeschluss von 1975, diese Praxis grundsätzlich als verfassungskonform abgesegnet.
Doch es gibt eine späte, aber wichtige anderslautende Entscheidung – und zwar des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EUGHMR): Dieser hat 1995 im Berufsverbotsfall der Studienrätin Dorothea Vogt entschieden, dass
1. die gegen sie 1986 ausgesprochene Entlassung aus dem öffentlichen Dienst wegen DKP-Mitgliedschaft und ihrer Kandidatur für diese Partei bei Landtagswahlen in Niedersachsen gegen die Artikel 10 und 11 (Meinungs- und Vereinigungsfreiheit) der »Europäischen Menschenrechtskonvention« verstößt.
2. Da die DKP nicht verboten wurde, seien Vogts Aktivitäten für und in dieser Partei »völlig rechtmäßig« gewesen. Und
3. Verletzungen ihrer Berufspflichten – etwa eine unzulässige Indoktrinierung ihrer Schüler oder »verfassungswidrige Handlungen« – habe es offenkundig nicht gegeben.
Mit diesem Urteil, das eine abweisende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts revidierte, war in diesem Fall der Weg frei für eine Entschädigung für entgangene Einnahmen und Renteneinbußen. Die Betroffene und das Land Niedersachsen haben sich über die Entschädigungssumme außergerichtlich geeinigt. Dorothea Vogt war bereits 1990 wieder als Beamtin auf Lebenszeit in den niedersächsischen Schuldienst aufgenommen worden.
Es ist dies das erste Mal, dass eine Berufsverbotsbetroffene den langwierigen Gang durch sämtliche Instanzen gegangen ist und nach Ausschöpfung des nationalen Rechtswegs, der ihre Menschenrechte nicht garantierte, den europäischen beschritten hat. Und es ist das erste Mal, dass sich die Bundesrepublik in der jahrzehntelangen Auseinandersetzung um Berufsverbote vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verantworten musste und bescheinigt bekam, dass es sich dabei um Menschenrechtsverletzungen handelte. Die Entscheidung dürfte Maßstäbe gesetzt haben – auch wenn alle Wiederaufnahmeanträge, die sich auf dieses Urteil stützten, abgelehnt, alle danach eingelegten Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen wurden.
Mit Rechtsanwalt Klaus Dammann, der Dorothea Vogt zusammen mit weiteren Kollegen vor dem EuGHMR vertreten hatte, ist zu fragen, weshalb nicht mehr Betroffene nach Ausschöpfung des Rechtswegs das BVerfG und danach den EuGHMR angerufen haben. Dammann meint, dass dafür parteitaktische Überlegungen verantwortlich waren: Die Betroffenen hätten sich der »Parteiraison der DKP unterworfen« und fast ausschließlich davon Abstand genommen, das BVerfG anzurufen – denn es sollte »auf jeden Fall ein sogenannter kleiner Parteiverbotsprozess vor dem BVerfG vermieden werden«. Auch im Fall von Dorothea Vogt soll sich die DKP ausdrücklich gegen eine Verfassungsbeschwerde ausgesprochen haben.
Die hier skizzierte Berufsverbotepolitik währte zwei Jahrzehnte lang bis Ende der 1980er Jahre. In einigen Bundesländern wurden den Betroffenen zwar wieder adäquate Stellen im öffentlichen Dienst angeboten. Doch mit der Wiedereinstellung waren weder Rehabilitierung noch Entschädigungen verbunden – also kein Schadensersatz in Höhe der entgangenen Einnahmen und keine Rentenanpassung. Denn die herrschende Meinung geht nach wie vor davon aus, dass die Berufsverbotsverfahren seinerzeit rechtmäßig und rechtsstaatlich durchgeführt worden seien.
Bis Ende der 1980er Jahre ist in den meisten Bundesländern auch die »Regelanfrage« beim »Verfassungsschutz« eingestellt worden; seitdem wird nur noch eine sogenannte Bedarfsanfrage durchgeführt, nämlich dann, wenn sich Zweifel daran ergeben, ob der Bewerber jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung eintritt. Und so kommt es bis heute immer wieder zu einzelnen neuen Berufsverbotsfällen – zumindest vorübergehend.
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Vergiftung des politischen Klimas
Doch schon ab 1972 erfuhr die Kommunistenverfolgung ausgerechnet unter einer sozialliberalen Bundesregierung, die unter dem Motto »Mehr Demokratie wagen« (Willy Brandt) angetreten war, eine Fortsetzung mit anderen Mitteln – als Staatsschutzreaktion auf Studentenbewegung, APO und Rudi Dutschkes Motto »Marsch durch die Institutionen«. Zwei Jahrzehnte lang erlebte die Bundesrepublik auf Grundlage des »Radikalenerlasses« der Ministerpräsidenten von 1972, unter Führung des damaligen SPD-Bundeskanzlers Brandt (der das später als schweren Fehler und Irrtum bezeichnete), eine extensive Berufsverbotepolitik gegen kommunistische und andere linksorientierte Stellenbewerber und Stelleninhaber im öffentlichen Dienst. Der Erlass stützte sich auf Paragraph 35 Beamtenrechtsrahmengesetz, wonach sich Beamte durch ihr gesamtes Verhalten jederzeit zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen und aktiv für deren Erhalt einzutreten hatten – gleiches galt für Angestellte und Arbeiter im öffentlichen Dienst gemäß tarifvertraglicher Bestimmungen.
Vom »Radikalenerlass« betroffen war die gesamte Linke, waren Intellektuelle und Angehörige des linksliberalen Bürgertums, die eine Beschäftigung im öffentlichen Dienst suchten oder dort bereits tätig waren. Wer etwa Mitglied in der 1968 zugelassenen, also legalen Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) war oder im Kommunistischen Bund Westdeutschland (KBW), bekam unweigerlich Ärger. Mitunter reichte schon aus, mit Kommunisten zusammenzuleben, in einer Organisation oder Partei aktiv zu sein, in der auch Kommunisten waren oder die mit Kommunisten zusammenarbeiteten – etwa im Sozialdemokratischen, später Sozialistischen Hochschulbund (SHB), in der VVN-BdA, der Deutschen Friedensgesellschaft (DFG-VK) oder der Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen (VDJ). Auch wer an »falschen«, weil angeblich »linksextremistisch« beeinflussten Demonstrationen teilnahm, konnte rasch zum »Verfassungsfeind« gekürt und ausgeschlossen werden.
Der »Verfassungsschutz« spielte bei all dem eine ganz herausragende Rolle: Denn der »Radikalenerlass« sah zwingend eine sogenannte Regelanfrage bei den VS-Behörden des Bundes und der Länder vor. Im Rahmen dieser Anfragen kam es zu ausufernden Gesinnungsüberprüfungen auf der Grundlage der »Extremismustheorie«. Faktisch mutierte der demokratisch kaum zu kontrollierende Inlandsgeheimdienst damit zur Auswahl- und Einstellungsbehörde. Der »Radikalenerlass« und die daraus resultierende Ausforschung führten im Laufe von zwei Jahrzehnten bundesweit zu
– ca. 3,5 Millionen Regelanfragen an den VS,
– zu etwa 11.000 Berufsverbotsverfahren und
– etwa 1.500 konkreten Berufsverbotsmaßnahmen
– sowie zu 2.200 Disziplinarverfahren, ca. 1.250 Nichteinstellungen und mehr als 250 Entlassungen aus dem öffentlichen Dienst.
Einige der Berufsverbote konnten gerichtlich angegriffen und zu Fall gebracht werden – auch dank einer recht starken Rechtshilfe- und Solidaritätsbewegung. Im In- und Ausland gab es starke Proteste gegen diese Praxis der Gesinnungsüberprüfung – der Negativbegriff »le Berufsverbot« wurde damals ins Französische übernommen, aber auch in andere Sprachen. 1978 wurde die Bundesrepublik wegen ihrer Berufsverbotepraxis vom 3. Internationalen Russell-Tribunal symbolisch verurteilt, und auch die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) rügte mehrfach die Praxis der Berufsverbote. Demgegenüber hatten sämtliche bundesdeutschen Gerichte, auch das Bundesverfassungsgericht in seinem sogenannten Radikalenbeschluss von 1975, diese Praxis grundsätzlich als verfassungskonform abgesegnet.
Doch es gibt eine späte, aber wichtige anderslautende Entscheidung – und zwar des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EUGHMR): Dieser hat 1995 im Berufsverbotsfall der Studienrätin Dorothea Vogt entschieden, dass
1. die gegen sie 1986 ausgesprochene Entlassung aus dem öffentlichen Dienst wegen DKP-Mitgliedschaft und ihrer Kandidatur für diese Partei bei Landtagswahlen in Niedersachsen gegen die Artikel 10 und 11 (Meinungs- und Vereinigungsfreiheit) der »Europäischen Menschenrechtskonvention« verstößt.
2. Da die DKP nicht verboten wurde, seien Vogts Aktivitäten für und in dieser Partei »völlig rechtmäßig« gewesen. Und
3. Verletzungen ihrer Berufspflichten – etwa eine unzulässige Indoktrinierung ihrer Schüler oder »verfassungswidrige Handlungen« – habe es offenkundig nicht gegeben.
Mit diesem Urteil, das eine abweisende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts revidierte, war in diesem Fall der Weg frei für eine Entschädigung für entgangene Einnahmen und Renteneinbußen. Die Betroffene und das Land Niedersachsen haben sich über die Entschädigungssumme außergerichtlich geeinigt. Dorothea Vogt war bereits 1990 wieder als Beamtin auf Lebenszeit in den niedersächsischen Schuldienst aufgenommen worden.
Es ist dies das erste Mal, dass eine Berufsverbotsbetroffene den langwierigen Gang durch sämtliche Instanzen gegangen ist und nach Ausschöpfung des nationalen Rechtswegs, der ihre Menschenrechte nicht garantierte, den europäischen beschritten hat. Und es ist das erste Mal, dass sich die Bundesrepublik in der jahrzehntelangen Auseinandersetzung um Berufsverbote vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verantworten musste und bescheinigt bekam, dass es sich dabei um Menschenrechtsverletzungen handelte. Die Entscheidung dürfte Maßstäbe gesetzt haben – auch wenn alle Wiederaufnahmeanträge, die sich auf dieses Urteil stützten, abgelehnt, alle danach eingelegten Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen wurden.
Mit Rechtsanwalt Klaus Dammann, der Dorothea Vogt zusammen mit weiteren Kollegen vor dem EuGHMR vertreten hatte, ist zu fragen, weshalb nicht mehr Betroffene nach Ausschöpfung des Rechtswegs das BVerfG und danach den EuGHMR angerufen haben. Dammann meint, dass dafür parteitaktische Überlegungen verantwortlich waren: Die Betroffenen hätten sich der »Parteiraison der DKP unterworfen« und fast ausschließlich davon Abstand genommen, das BVerfG anzurufen – denn es sollte »auf jeden Fall ein sogenannter kleiner Parteiverbotsprozess vor dem BVerfG vermieden werden«. Auch im Fall von Dorothea Vogt soll sich die DKP ausdrücklich gegen eine Verfassungsbeschwerde ausgesprochen haben.
Die hier skizzierte Berufsverbotepolitik währte zwei Jahrzehnte lang bis Ende der 1980er Jahre. In einigen Bundesländern wurden den Betroffenen zwar wieder adäquate Stellen im öffentlichen Dienst angeboten. Doch mit der Wiedereinstellung waren weder Rehabilitierung noch Entschädigungen verbunden – also kein Schadensersatz in Höhe der entgangenen Einnahmen und keine Rentenanpassung. Denn die herrschende Meinung geht nach wie vor davon aus, dass die Berufsverbotsverfahren seinerzeit rechtmäßig und rechtsstaatlich durchgeführt worden seien.
Bis Ende der 1980er Jahre ist in den meisten Bundesländern auch die »Regelanfrage« beim »Verfassungsschutz« eingestellt worden; seitdem wird nur noch eine sogenannte Bedarfsanfrage durchgeführt, nämlich dann, wenn sich Zweifel daran ergeben, ob der Bewerber jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung eintritt. Und so kommt es bis heute immer wieder zu einzelnen neuen Berufsverbotsfällen – zumindest vorübergehend.
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•NEUER BEITRAG03.01.2020, 03:12 Uhr
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FPeregrin | |
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Fazit
1. Die Berufsverbotepolitik der 1970er und 1980er Jahre verstieß in den meisten Fällen gegen den Gleichheitsgrundsatz und das Diskriminierungsverbot sowie gegen die Grundrechte auf Meinungs-, Versammlungs-, Vereinigungs- und Berufsfreiheit. Die politisch motivierten Entscheidungen basierten auf den zweifelhaften Erkenntnissen und Bewertungen eines Inlandsgeheimdienstes, der den Tarnnamen »Verfassungsschutz« trägt. Sein geheimdienstlich-klandestines Wirken war und ist letztlich kaum zu kontrollieren, es widerspricht demokratischen Prinzipien der Transparenz und Kontrollierbarkeit.
2. Die Berufsverbotspraxis mit Regelanfragen, Gesinnungsanhörungen, langwierigen Gerichtsverfahren, Ausgrenzung, Arbeitslosigkeit und Renteneinbußen vergiftete das politisch-kulturelle Klima der Bundesrepublik, führte zu Einschüchterung, Abschreckung und Selbstzensur, zerstörte viele Lebensperspektiven und Berufskarrieren mit lebenslangen existentiellen Folgen – bis hin zu psychischen Krisen und Altersarmut.
3. Aus all diesen Gründen ist es unumgänglich, diese Geschichte der gesellschaftlichen Verdrängung zu entreißen, eine rückhaltlose offizielle Aufarbeitung zu fordern – inklusive gesellschaftlicher Rehabilitierung der Betroffenen und materieller Entschädigung für erlittene Einbußen bei Renten und Pensionen. Zu diesem Zweck haben sich Betroffene, teils mit gewerkschaftlicher Unterstützung, vernetzt und organisiert, um über diese Skandalgeschichte aufzuklären – mit Veranstaltungen, Petitionen und einer sehenswerten Wanderausstellung; und auch um praktisch-solidarische Hilfe zu leisten, wie etwa mit dem Heinrich-Heine-Fonds, aus dem Betroffene, die heute in Altersarmut leben, finanziell unterstützt werden.
4. Als erstes Bundesland richtete das seinerzeit rot-grün regierte Niedersachsen 2016 die Stelle einer Landesbeauftragten für die »Aufarbeitung der Schicksale im Zusammenhang mit dem sogenannten Radikalenerlass« mit wissenschaftlicher Begleitung ein – auch, um Möglichkeiten der politisch-gesellschaftlichen Rehabilitierung auszuloten. Begründet wurde dies in einem Landtagsbeschluss u.a. mit der Feststellung, es handle sich bei den Berufsverboten »um ein unrühmliches Kapitel in der Geschichte Niedersachsens«, und das Geschehene sei ausdrücklich zu bedauern. Mit Mehrheit hat sich der Landtag bei den Betroffenen für erlittenes Unrecht entschuldigt. Den Betroffenen sei Respekt und Anerkennung zu zollen und auch denen zu danken, die sich »in Initiativen gegen Radikalenerlass und Berufsverbote, mit großem Engagement für demokratische Prinzipien eingesetzt haben«. Dies sollte bundesweit Schule machen.
5. Die Aufarbeitungs- und Wiedergutmachungsforderung gilt auch für andere Tabuthemen bundesdeutscher Geschichte, wie etwa völkerrechtswidrige Kriegseinsätze oder die skizzierte Kommunistenverfolgung der 1950er und 1960er Jahre. Auch im letztgenannten Fall gibt es bislang weder Rehabilitierung noch Entschädigung – obwohl diese Geschichte von dramatischen Grundrechtsverletzungen an Abertausenden von Menschen geprägt war, obwohl die Betroffenen zumeist wegen gewaltfreier Oppositionsarbeit verfolgt und verurteilt wurden, obwohl die damaligen Staatsschutzprozesse mit rechtsstaatlichen Prinzipien und bürgerrechtlichen Maßstäben schwer zu vereinbaren waren. Nach dem 70. Jahrestag des Grundgesetzes wäre es höchste Zeit, auch die weitgehend vergessenen Justizopfer des Kalten Krieges West endlich zu rehabilitieren – auch wenn dies in den allermeisten Fällen zu spät kommen dürfte.
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#Berufsverbote
Festzuhalten ist unbedingt, daß hier immer nur eine Spitze des Eisberges erfaßt wurde und auch wird. Es gibt sehr viele Möglichkeiten, insbesondere mißliebigen Lehrern im Referendariat zum Aufgeben zu bewegen bzw. in den Bewertungen unkontrollierbar abzuservieren. Ich habe das in meinem nahen Umfeld erlebt und kann es - auch fachlich - beurteilen. Peter Schneider schrieb bereits in seinem Klassiker zum Thema "... und schon bist du Verfassungsfeind" (1975): "Endlich habe ich jetzt den Beweis für die Richtigkeit meiner Vermutung: die meisten abgelehnten Bewerber für den öffentlichen Dienst erfahren überhaupt nicht, daß sie aus politischen Gründen abgelehnt werden!" Das hat sich erkennbar nicht geändert.
Ich halte es für fraglich, daß eine Kampagne, die in erster Linie auf Entschädigung abzielt, erfolgversprechend ist, solange die entsprechende Praxis tatsächlich fortgesetzt wird. Wir erfassen auch heute - wie gesagt - nur eine Spitze des Eisbergs. Daß weniger Fälle sichtbar sind, muß nicht heißen, daß weniger Fälle existieren. Es kann sich auch - um im Bild zu bleiben - das Spezifische Gewicht des Eisbergs verändert haben. Die grundsätzlich in Repressionsfragen nicht gebrochene Lernfähigkeit des Klassenfeinds - in technischer wie administrativer Hinsicht - läßt geringere Sichtbarkeit bei unverminderter Intensität durchaus zu. Wenn wir dereinst die Archive öffnen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen, werden wir klüger sein.
Fazit
1. Die Berufsverbotepolitik der 1970er und 1980er Jahre verstieß in den meisten Fällen gegen den Gleichheitsgrundsatz und das Diskriminierungsverbot sowie gegen die Grundrechte auf Meinungs-, Versammlungs-, Vereinigungs- und Berufsfreiheit. Die politisch motivierten Entscheidungen basierten auf den zweifelhaften Erkenntnissen und Bewertungen eines Inlandsgeheimdienstes, der den Tarnnamen »Verfassungsschutz« trägt. Sein geheimdienstlich-klandestines Wirken war und ist letztlich kaum zu kontrollieren, es widerspricht demokratischen Prinzipien der Transparenz und Kontrollierbarkeit.
2. Die Berufsverbotspraxis mit Regelanfragen, Gesinnungsanhörungen, langwierigen Gerichtsverfahren, Ausgrenzung, Arbeitslosigkeit und Renteneinbußen vergiftete das politisch-kulturelle Klima der Bundesrepublik, führte zu Einschüchterung, Abschreckung und Selbstzensur, zerstörte viele Lebensperspektiven und Berufskarrieren mit lebenslangen existentiellen Folgen – bis hin zu psychischen Krisen und Altersarmut.
3. Aus all diesen Gründen ist es unumgänglich, diese Geschichte der gesellschaftlichen Verdrängung zu entreißen, eine rückhaltlose offizielle Aufarbeitung zu fordern – inklusive gesellschaftlicher Rehabilitierung der Betroffenen und materieller Entschädigung für erlittene Einbußen bei Renten und Pensionen. Zu diesem Zweck haben sich Betroffene, teils mit gewerkschaftlicher Unterstützung, vernetzt und organisiert, um über diese Skandalgeschichte aufzuklären – mit Veranstaltungen, Petitionen und einer sehenswerten Wanderausstellung; und auch um praktisch-solidarische Hilfe zu leisten, wie etwa mit dem Heinrich-Heine-Fonds, aus dem Betroffene, die heute in Altersarmut leben, finanziell unterstützt werden.
4. Als erstes Bundesland richtete das seinerzeit rot-grün regierte Niedersachsen 2016 die Stelle einer Landesbeauftragten für die »Aufarbeitung der Schicksale im Zusammenhang mit dem sogenannten Radikalenerlass« mit wissenschaftlicher Begleitung ein – auch, um Möglichkeiten der politisch-gesellschaftlichen Rehabilitierung auszuloten. Begründet wurde dies in einem Landtagsbeschluss u.a. mit der Feststellung, es handle sich bei den Berufsverboten »um ein unrühmliches Kapitel in der Geschichte Niedersachsens«, und das Geschehene sei ausdrücklich zu bedauern. Mit Mehrheit hat sich der Landtag bei den Betroffenen für erlittenes Unrecht entschuldigt. Den Betroffenen sei Respekt und Anerkennung zu zollen und auch denen zu danken, die sich »in Initiativen gegen Radikalenerlass und Berufsverbote, mit großem Engagement für demokratische Prinzipien eingesetzt haben«. Dies sollte bundesweit Schule machen.
5. Die Aufarbeitungs- und Wiedergutmachungsforderung gilt auch für andere Tabuthemen bundesdeutscher Geschichte, wie etwa völkerrechtswidrige Kriegseinsätze oder die skizzierte Kommunistenverfolgung der 1950er und 1960er Jahre. Auch im letztgenannten Fall gibt es bislang weder Rehabilitierung noch Entschädigung – obwohl diese Geschichte von dramatischen Grundrechtsverletzungen an Abertausenden von Menschen geprägt war, obwohl die Betroffenen zumeist wegen gewaltfreier Oppositionsarbeit verfolgt und verurteilt wurden, obwohl die damaligen Staatsschutzprozesse mit rechtsstaatlichen Prinzipien und bürgerrechtlichen Maßstäben schwer zu vereinbaren waren. Nach dem 70. Jahrestag des Grundgesetzes wäre es höchste Zeit, auch die weitgehend vergessenen Justizopfer des Kalten Krieges West endlich zu rehabilitieren – auch wenn dies in den allermeisten Fällen zu spät kommen dürfte.
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Festzuhalten ist unbedingt, daß hier immer nur eine Spitze des Eisberges erfaßt wurde und auch wird. Es gibt sehr viele Möglichkeiten, insbesondere mißliebigen Lehrern im Referendariat zum Aufgeben zu bewegen bzw. in den Bewertungen unkontrollierbar abzuservieren. Ich habe das in meinem nahen Umfeld erlebt und kann es - auch fachlich - beurteilen. Peter Schneider schrieb bereits in seinem Klassiker zum Thema "... und schon bist du Verfassungsfeind" (1975): "Endlich habe ich jetzt den Beweis für die Richtigkeit meiner Vermutung: die meisten abgelehnten Bewerber für den öffentlichen Dienst erfahren überhaupt nicht, daß sie aus politischen Gründen abgelehnt werden!" Das hat sich erkennbar nicht geändert.
Ich halte es für fraglich, daß eine Kampagne, die in erster Linie auf Entschädigung abzielt, erfolgversprechend ist, solange die entsprechende Praxis tatsächlich fortgesetzt wird. Wir erfassen auch heute - wie gesagt - nur eine Spitze des Eisbergs. Daß weniger Fälle sichtbar sind, muß nicht heißen, daß weniger Fälle existieren. Es kann sich auch - um im Bild zu bleiben - das Spezifische Gewicht des Eisbergs verändert haben. Die grundsätzlich in Repressionsfragen nicht gebrochene Lernfähigkeit des Klassenfeinds - in technischer wie administrativer Hinsicht - läßt geringere Sichtbarkeit bei unverminderter Intensität durchaus zu. Wenn wir dereinst die Archive öffnen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen, werden wir klüger sein.
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