61
|
|
•NEUER BEITRAG18.11.2019, 14:28 Uhr
EDIT: arktika
18.11.2019, 14:34 Uhr
18.11.2019, 14:34 Uhr
Nutzer / in | |
arktika | |
|
|
Bolivien: Putsch!
Am 16. Nov. haben Alp Kayserilioglu und Jan Schwab bei re:volt einem längeren Artikel veröffentlicht, der neben Darstellung und Analyse dieses Putsches noch allgemeiner auf die Situation in Lateinamerika eingeht und auch die hiesige Linke - also auch uns! - nicht in ihrer bequemen BeobachterInnenposition beläßt, sondern einfordert, HIER gegen unseren Hauptfeind zu kämpfen. "[...] dann wird es natürlich ungemütlich werden, da wir dann gegen starke Kapitalinteressen hier kämpfen werden müssen; studierstubenartig abwägend und in Äquidistanz zu den involvierten Kräften in den jeweiligen Ländern Lateinamerikas die Linke dort zu kritisieren ist da natürlich viel gemütlicher. Nur werden wir, falls wir das weiter so betreiben, damit schlicht die weitere Selbstprovinzialisierung der deutschen Linken im Angesicht der Entwicklungen weltweit und insbesondere der Linken weltweit erreichen. Sonst nichts."
Der Text:
Ein deutsches Trauerspiel
Vor unser aller Augen entfaltet sich derzeit ein reaktionärer Militärputsch in Bolivien. Es ist offensichtlich, dass mit diesem Schritt innere wie auch äußere Feinde eines vergleichsweise milden linken Entwicklungsparadigmas in die Offensive gehen und dass sie dies schon im Voraus geplant haben. Dies geht aus geleakten Audioaufnahmen hervor. Den Akteuren geht es darum, sich eines Hindernisses für ihre Interessen zu entledigen: Direkt nach Regierungsantritt im Jahre 2006 hatte die Regierung Morales alle extraktiven Schlüsselindustrien verstaatlicht, die vormals hauptsächlich transnationalen Unternehmen gehörten. Es handelt sich dabei keineswegs um Peanuts: Bolivien besitzt laut Eigenaussagen 70 Prozent des weltweiten Lithium-Bestandes. Dieser Schritt der Verstaatlichung hatte – trotz einer Reihe an international erwirkten Strafzahlungen seitens Bolivien an transnationale Unternehmen – die Verdreifachung des bolivianischen Bruttoinlandsprodukts (BIP) zur Folge. Lithium-Abbaurechte wurden dabei in letzter Zeit nur noch mehr an Unternehmen vergeben, die mit bolivianischen Staatsunternehmen als gleichberechtigten Partnern zusammen arbeiten. Kurz vor dem derzeit sich voll im Gange befindenden Putsch waren dies hauptsächlich Unternehmen aus China. Dieses relativ unabhängige nationale Entwicklungsmodell reduzierte die Armut im statistisch gesehen ärmsten Land Lateinamerikas massiv. Auch hier reden wir von keinen Kleinigkeiten. Laut Zahlen des Internationalen Währungsfonds (IWF) reduzierte sich die Anzahl der Menschen unter der Armutsgrenze zwischen 2005 und 2018 von 59,6 Prozent auf 34,6 Prozent – eine Reduzierung, die sogar der nicht als Freund der Armen und Notleidenden bekannte IWF als „eindrucksvoll“ bezeichnet. Im gleichen Zeitraum fiel die Zahl der unter extremer Armut leidenden Menschen von 37,7 Prozent auf 17,1 Prozent. Das sind nicht nur Zahlen. Konkret heißt das, dass hunderttausende Menschen in Bolivien heute erstmals ihre Tage nicht im reinen Überlebenskampf zubringen müssen, sondern gesellschaftliche – und das heißt auch politische – Teilhabe erleben können. Die Wirtschaftspolitik der Umverteilung und partiellen Nationalisierung wurde konsequenterweise auch von einer Politik der Demokratisierung und der Stärkung der Rechte der armen Bevölkerungsteile, insbesondere aber der Indigen@s begleitet: Sprachen und Kosmogonien [Erklärungsmodelle zum Ursprung der Welt, Mythen und Erzählungen; Anm. Red.] der indigenen Völker wurden auf Verfassungsebene anerkannt und der spanischen Sprachen beziehungsweise der katholischen Religion rechtlich gleichgestellt. Die 36 indigenen Völker Boliviens machen insgesamt mehr als die Hälfte der Bevölkerung des südamerikanischen Landes aus.
Beide ineinander verschränkte Entwicklungen, eine auf soziale Umverteilung orientierte Wirtschaftspolitik und die Stärkung der Rechte der ärmsten und zuvor politisch ausgeschlossenen Teile der Bevölkerung, waren der alten (neo-)kolonialen und mehrheitlich kreolischen (weißen) Oligarchie schon lange ein Dorn im Auge. Deren vor der Amtszeit von Evo Morales durchexerziertes neoliberales Herrschaftssystem basierte fundamental auf der Unterdrückung der Indigen@s und der Nicht-Anerkennung ihrer Rechte, sowie der brutalen Ausbeutung der Ärmsten. Historisch und aktuell steht diese Oligarchie in enger Kollaboration mit dem US-Imperialismus. Sie nutzte nun die Gunst der Stunde – eine, durch mehrere ökonomische und politische Faktoren bedingten, Schwäche der Morales-Regierung –, um zuzuschlagen.
„Lupenreine“ Demokrat*innen
Die Brutalität und die Absichten der oligarchischen Putschisten-Koalition sind dabei kaum zu übersehen: Militärs und Polizeikräfte überfallen gemeinsam mit putschistischen Straßenbanden Hochburgen der Morales-Anhänger*innen und verwüsten Häuser von Regierungsoffiziellen, auch jenes von Morales selbst. Es finden, gut dokumentiert, Folter und Misshandlungen an Morales-Anhänger*innen seitens des Mobs, der Polizei und des Militärs statt. Regierungsmitglieder werden trotz ihres Rücktrittes festgenommen. Dabei agieren die Verantwortlichen so, als handele es sich um „Terroroperationen“. Die whipala, die seit der Morales-Ära die mannigfaltigen indigenen Gemeinschaften Boliviens auch auf offiziellen Fahnen und Wappen des Staates repräsentiert, wird von rechten Mobs verbrannt oder von putschistischen Polizeikräften unter „Jetzt sind wir eine Republik – nie wieder!“ demonstrativ von ihren Uniformen abgeschnitten. Dass das keine singulären Ausfälle sind, zeigen die zentralen Personalien des Putsches:
Da wäre zum einen der stramm evangelikale Faschist, Millionär und Paramilitär Luis Fernando Camacho. Er war früher Präsident der klerikalfaschistischen Unión Juvenil Cruceñista (UJC) und ist heute Führer des rechten Oppositionsbündnisses Comité Cívico in Santa Cruz. Der von westlichen Mainstream-Medien im regime change-Modus zum demokratischen Oppositionsführer gegen eine vermeintliche Diktatur stilisierte Faschist lief in den vergangenen Tagen ohne jede Legitimation in den Regierungspalast, legte eine Bibel (!) auf die bolivianische Fahne und rief: „Die Pachamama [eine von den andischen Indigen@s verehrte Gottheit; Anm. d. Autoren] wird nie wieder in den Palast einkehren, Bolivien gehört Christus“. Derselbe Camacho verlangt eine „Notstandsregierung aus Militär und Polizei“, ergo eine faschistische Diktatur.
In der Zwischenzeit hat sich die rechtskonservative, evangelikale Senatorin Jeanine Áñez, die einst via Twitter „satanische indigene Bräuche“ unter Morales konstatierte und andere klerikal-fundamentalistische Geschmacklosigkeiten absonderte, trotz Beschlussunfähigkeit des Parlaments und des Rücktritts aller im Falle von Vakanz des Präsidenten in Frage kommender Kandidaten Juan Guaidó-Style selbst zur Übergangspräsidentin gekürt – auch sie argumentiert in klerikal-kolonialer Manier. „Wir bringen die Bibel zurück in den Palast“, so die Usurpatorin bei der Machtergreifung. Prompt kappte sie die außenpolitischen Beziehungen zu Venezuela und Kuba, wies alle venezolanischen Diplomat*innen aus dem Land aus, erkannte den demokratisch nicht legitimierten Putschisten Juan Guaidó als Präsidenten Venezuelas an und sorgte dafür, dass Bolivien aus den regionalen Bündnissen Unasur und Alba zurücktrat. Sogar liberal-bürgerliche Medien konstatieren angesichts ihrer geifernden Hasskommentare einen mäßig diplomatischen Stil. Ihre Partei, das Movimiento Demócrata Social (MDS, deutsch: Bewegung soziale Demokratie), steht über die Internationale Demokratische Union international in Verbindung mit der CDU/CSU und den Republikanern in den USA. Die Vereinigten Staaten, aber auch die BRD sind dann natürlich auch ganz vorne mit dabei in puncto Unterstützung des Militärputsches: Der Regierungssprecher der Bundesregierung, Steffen Seibert, sprach vom Militärputsch als einem „wichtige[n] Schritt hin zu einer friedlichen Lösung“, der außenpolitische Sprecher der Grünen, Omid Nouripour, gar von einer richtigen Entscheidung des Militärs. Die internationalen Großmedien – CNN, New York Times, BBC, Telegraph – leisten ideologische Schützenhilfe für die organisierte Barbarei.
>>>>>
Der Text:
Ein deutsches Trauerspiel
Vor unser aller Augen entfaltet sich derzeit ein reaktionärer Militärputsch in Bolivien. Es ist offensichtlich, dass mit diesem Schritt innere wie auch äußere Feinde eines vergleichsweise milden linken Entwicklungsparadigmas in die Offensive gehen und dass sie dies schon im Voraus geplant haben. Dies geht aus geleakten Audioaufnahmen hervor. Den Akteuren geht es darum, sich eines Hindernisses für ihre Interessen zu entledigen: Direkt nach Regierungsantritt im Jahre 2006 hatte die Regierung Morales alle extraktiven Schlüsselindustrien verstaatlicht, die vormals hauptsächlich transnationalen Unternehmen gehörten. Es handelt sich dabei keineswegs um Peanuts: Bolivien besitzt laut Eigenaussagen 70 Prozent des weltweiten Lithium-Bestandes. Dieser Schritt der Verstaatlichung hatte – trotz einer Reihe an international erwirkten Strafzahlungen seitens Bolivien an transnationale Unternehmen – die Verdreifachung des bolivianischen Bruttoinlandsprodukts (BIP) zur Folge. Lithium-Abbaurechte wurden dabei in letzter Zeit nur noch mehr an Unternehmen vergeben, die mit bolivianischen Staatsunternehmen als gleichberechtigten Partnern zusammen arbeiten. Kurz vor dem derzeit sich voll im Gange befindenden Putsch waren dies hauptsächlich Unternehmen aus China. Dieses relativ unabhängige nationale Entwicklungsmodell reduzierte die Armut im statistisch gesehen ärmsten Land Lateinamerikas massiv. Auch hier reden wir von keinen Kleinigkeiten. Laut Zahlen des Internationalen Währungsfonds (IWF) reduzierte sich die Anzahl der Menschen unter der Armutsgrenze zwischen 2005 und 2018 von 59,6 Prozent auf 34,6 Prozent – eine Reduzierung, die sogar der nicht als Freund der Armen und Notleidenden bekannte IWF als „eindrucksvoll“ bezeichnet. Im gleichen Zeitraum fiel die Zahl der unter extremer Armut leidenden Menschen von 37,7 Prozent auf 17,1 Prozent. Das sind nicht nur Zahlen. Konkret heißt das, dass hunderttausende Menschen in Bolivien heute erstmals ihre Tage nicht im reinen Überlebenskampf zubringen müssen, sondern gesellschaftliche – und das heißt auch politische – Teilhabe erleben können. Die Wirtschaftspolitik der Umverteilung und partiellen Nationalisierung wurde konsequenterweise auch von einer Politik der Demokratisierung und der Stärkung der Rechte der armen Bevölkerungsteile, insbesondere aber der Indigen@s begleitet: Sprachen und Kosmogonien [Erklärungsmodelle zum Ursprung der Welt, Mythen und Erzählungen; Anm. Red.] der indigenen Völker wurden auf Verfassungsebene anerkannt und der spanischen Sprachen beziehungsweise der katholischen Religion rechtlich gleichgestellt. Die 36 indigenen Völker Boliviens machen insgesamt mehr als die Hälfte der Bevölkerung des südamerikanischen Landes aus.
Beide ineinander verschränkte Entwicklungen, eine auf soziale Umverteilung orientierte Wirtschaftspolitik und die Stärkung der Rechte der ärmsten und zuvor politisch ausgeschlossenen Teile der Bevölkerung, waren der alten (neo-)kolonialen und mehrheitlich kreolischen (weißen) Oligarchie schon lange ein Dorn im Auge. Deren vor der Amtszeit von Evo Morales durchexerziertes neoliberales Herrschaftssystem basierte fundamental auf der Unterdrückung der Indigen@s und der Nicht-Anerkennung ihrer Rechte, sowie der brutalen Ausbeutung der Ärmsten. Historisch und aktuell steht diese Oligarchie in enger Kollaboration mit dem US-Imperialismus. Sie nutzte nun die Gunst der Stunde – eine, durch mehrere ökonomische und politische Faktoren bedingten, Schwäche der Morales-Regierung –, um zuzuschlagen.
„Lupenreine“ Demokrat*innen
Die Brutalität und die Absichten der oligarchischen Putschisten-Koalition sind dabei kaum zu übersehen: Militärs und Polizeikräfte überfallen gemeinsam mit putschistischen Straßenbanden Hochburgen der Morales-Anhänger*innen und verwüsten Häuser von Regierungsoffiziellen, auch jenes von Morales selbst. Es finden, gut dokumentiert, Folter und Misshandlungen an Morales-Anhänger*innen seitens des Mobs, der Polizei und des Militärs statt. Regierungsmitglieder werden trotz ihres Rücktrittes festgenommen. Dabei agieren die Verantwortlichen so, als handele es sich um „Terroroperationen“. Die whipala, die seit der Morales-Ära die mannigfaltigen indigenen Gemeinschaften Boliviens auch auf offiziellen Fahnen und Wappen des Staates repräsentiert, wird von rechten Mobs verbrannt oder von putschistischen Polizeikräften unter „Jetzt sind wir eine Republik – nie wieder!“ demonstrativ von ihren Uniformen abgeschnitten. Dass das keine singulären Ausfälle sind, zeigen die zentralen Personalien des Putsches:
Da wäre zum einen der stramm evangelikale Faschist, Millionär und Paramilitär Luis Fernando Camacho. Er war früher Präsident der klerikalfaschistischen Unión Juvenil Cruceñista (UJC) und ist heute Führer des rechten Oppositionsbündnisses Comité Cívico in Santa Cruz. Der von westlichen Mainstream-Medien im regime change-Modus zum demokratischen Oppositionsführer gegen eine vermeintliche Diktatur stilisierte Faschist lief in den vergangenen Tagen ohne jede Legitimation in den Regierungspalast, legte eine Bibel (!) auf die bolivianische Fahne und rief: „Die Pachamama [eine von den andischen Indigen@s verehrte Gottheit; Anm. d. Autoren] wird nie wieder in den Palast einkehren, Bolivien gehört Christus“. Derselbe Camacho verlangt eine „Notstandsregierung aus Militär und Polizei“, ergo eine faschistische Diktatur.
In der Zwischenzeit hat sich die rechtskonservative, evangelikale Senatorin Jeanine Áñez, die einst via Twitter „satanische indigene Bräuche“ unter Morales konstatierte und andere klerikal-fundamentalistische Geschmacklosigkeiten absonderte, trotz Beschlussunfähigkeit des Parlaments und des Rücktritts aller im Falle von Vakanz des Präsidenten in Frage kommender Kandidaten Juan Guaidó-Style selbst zur Übergangspräsidentin gekürt – auch sie argumentiert in klerikal-kolonialer Manier. „Wir bringen die Bibel zurück in den Palast“, so die Usurpatorin bei der Machtergreifung. Prompt kappte sie die außenpolitischen Beziehungen zu Venezuela und Kuba, wies alle venezolanischen Diplomat*innen aus dem Land aus, erkannte den demokratisch nicht legitimierten Putschisten Juan Guaidó als Präsidenten Venezuelas an und sorgte dafür, dass Bolivien aus den regionalen Bündnissen Unasur und Alba zurücktrat. Sogar liberal-bürgerliche Medien konstatieren angesichts ihrer geifernden Hasskommentare einen mäßig diplomatischen Stil. Ihre Partei, das Movimiento Demócrata Social (MDS, deutsch: Bewegung soziale Demokratie), steht über die Internationale Demokratische Union international in Verbindung mit der CDU/CSU und den Republikanern in den USA. Die Vereinigten Staaten, aber auch die BRD sind dann natürlich auch ganz vorne mit dabei in puncto Unterstützung des Militärputsches: Der Regierungssprecher der Bundesregierung, Steffen Seibert, sprach vom Militärputsch als einem „wichtige[n] Schritt hin zu einer friedlichen Lösung“, der außenpolitische Sprecher der Grünen, Omid Nouripour, gar von einer richtigen Entscheidung des Militärs. Die internationalen Großmedien – CNN, New York Times, BBC, Telegraph – leisten ideologische Schützenhilfe für die organisierte Barbarei.
>>>>>
•NEUER BEITRAG18.11.2019, 14:40 Uhr
Nutzer / in | |
arktika | |
|
|
>>>>>
Es ist offensichtlich: Der Putsch bezweckt die gewalttätige Wiederherstellung einer weiß-oligarchischen, neo-kolonialen, klerikalen und neoliberalen Hegemonie – teils mithilfe faschistischer Kräfte und auf dem Rücken der Indigen@s und des Großteils der Werktätigen in Bolivien. Der Großteil der Linken auf der Welt weiß um diese Zusammenhänge und verurteilt deshalb den Militärputsch in Solidarität mit der Regierung Morales und der Bevölkerung Boliviens. Die jeweilige Bewertung der Regierung Morales fällt dabei durchaus unterschiedlich aus. Das Spektrum reicht hier von Jeremy Corbyn, über AOC, Ilhan Omar, Tsipras, bis hin zum neuen, sozialdemokratischen Präsidenten Argentiniens Alberto Fernández oder dem linksnationalistischen Präsidenten Mexikos, Andrés Manuel López Obrador. Jetzt könnte man ja meinen, dass insbesondere die Involvierung des deutschen Imperialismus, zusammenfassend skizziert in einem Artikel des Nachrichtenportals German Foreign Policy, Anlass für eine deutsche Linke in ihrer Breite sein könnte, sich zumindest gegen den Putsch verbal zu äußern. Aber im selbstreferentiellen, politischen Provinzdorf Germania regt sich mal wieder kaum etwas. Von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen – zum Beispiel verschiedene post-autonome Gruppen und Zusammenhänge, der Aufstehen-Flügel innerhalb der Partei DIE LINKE, die junge Welt, die DKP oder labournet – wird sich zum derzeit laufenden Militärputsch einfach nicht geäußert. Den Vogel schießen jedoch jene Teile der Linken ab, die in einer sagenhaften Verkehrung von Ursache und Wirkung den Putsch legitimieren, indem sie ihm absprechen, einer zu sein. Diese aktive Schützenhilfe für den Putsch wird dabei kurioserweise unter dem Deckmantel der „Demokratie“ geleistet. Hier betreiben öffentlichkeitswirksame Teile der deutschen Linken – nach Nicaragua und Venezuela nun erneut – eine perfide Form der Selbstprovinzialisierung in puncto Internationalismus. Zugleich fällt man wiederholt grob unsolidarisch und in metropolenchauvinistischer Manier den Genoss*innen in Lateinamerika ausgerechnet in der Stunde der Not und Verfolgung (!) in den Rücken. Es ist wahrlich ein deutsches Trauerspiel.
Ein Diskurs imperialer Dekadenz
Tenor der Anklage der hiesigen Wertelinken: Es handelt sich um den überfälligen „Rücktritt“ eines längst vom Paulus zum Saulus gewordenen, autoritären Präsidenten, der sich mit Wahlfälschung an der Macht halten wolle. Dessen zentrale Verfehlungen seien gewesen: Das Festhalten an einem extraktivistischen Modell, die dadurch entstehende Entfremdung von lokalen sozialen Kämpfen, das Nicht-Erfüllen von Umwelt- und Klimazielen, sowie die Umgehung eines Plebiszits und Beugung der Verfassung. Anklage Ende. Diese Anklage des westlichen Wertehorizonts reicht offensichtlich aus, um den Richterspruch im Eilschritt vorzunehmen und in der Stunde der Not das Urteil zu verkünden: Die Solidarität wird versagt. Der Angeklagte hat das Dilemma selbst zu verantworten.
So kann es dann passieren, dass das neue deutschland allen Ernstes eine „Pro und Kontra“-Kommentarreihe zur anscheinend uneindeutigen Frage bringt, ob ein vom Militär und klar rechten bis rechtsradikalen Kräften lancierter Putsch demokratische Potentiale birgt. Katharina Schwirkus führt in ihrem Kommentar „Loslassen lernen“ in vollkommener Ignoranz gegenüber dem Charakter der verschiedenen Akteur*innen, den Kräfteverhältnissen im Land und den sozialen Errungenschaften formaldemokratisch aus: „Es ist nicht schön, wie sich Evo Morales aus dem Präsidentenamt verabschieden musste. Für Boliviens Demokratie ist es aber wichtig und richtig, dass endlich jemand anderes auf Morales folgt“. Schließlich habe der Mann mit 13 Jahren lang genug regiert. Dabei ist bis zum heutigen Tag nicht klar, ob wirklich und wenn ja in welchem Umfang Wahlfälschung bei den Präsidentschaftswahlen am 20. Oktober stattgefunden hat: Ein detaillierter Bericht des CEPR zeigt auf, dass zunächst einmal nichts Verdächtiges darin zu sehen ist, dass Morales im Laufe des Abends plötzlich einen immensen Vorsprung erhielt, da die ruralen Gebiete, in denen Morales traditionell stark ist, erst später ausgezählt wurden und sich die Trendentwicklung der Auszählung konsistent entwickelte. Eine auf Einladung von Morales (!) vorgenommene unabhängige Prüfung der Wahlen seitens der OAS fand später zwar heraus, dass es schwere Sicherheitslücken im Vorgehen der mit der Prüfung der – rechtlich unverbindlichen! – vorläufigen Wahlergebnisse beauftragten Firma gab, konnte aber keine Wahlfälschung im rechtlich verbindlichen Endergebnis nachweisen. Vielmehr verwies der Bericht auf augenfällige und daher näher zu untersuchende Irregularitäten. Aber auch der OAS-Bericht stellt nicht in Frage, dass Morales eindeutig vorne lag, im gegenteil. Die ganze Frage dreht sich also darum, ob Morales mit zehn oder sieben Prozent Vorsprung vorne lag – niemand bestreitet, dass Morales seinen Hauptkontrahenten haushoch überlegen war. Aber egal, Hauptsache Morales muss weg. Dafür auch einen rechts-reaktionären Militärputsch in Kauf zu nehmen, ist, auf deutsche Verhältnisse übertragen, in etwa dasselbe wie von einem AfD-nahen Militärputsch gegen Merkel als „nicht schön, aber gut für die bundesdeutsche Demokratie“ zu reden, weil Merkel halt nun einmal viel zu lange – nämlich 16 Jahre – im Amt sei und ihre vereinbarten politischen Ziele nicht allesamt erreicht hätte.
Weiter geht es mit dem Kontra-Kommentar im nd, „Niederlage für die Linke“ von Christian Klemm. Der Artikel hat zwar den Vorzug, den Inhalt des Putsches als nicht sonderlich wünschenswert erkannt zu haben, disqualifiziert sich jedoch gleich zu Beginn mit der Feststellung: „Ob Putsch oder nicht – wie man das Ende der Präsidentschaft von Evo Morales in Bolivien nennt, ist Nebensache“. Als würde es hier nicht um einen Unterschied ums Ganze gehen! Insbesondere wenn in den neoliberalen Mainstream-Medien einmütig von „Rücktritt“ gesprochen und damit die Gewaltförmigkeit des Vorgangs und die Rolle des Militärs und fanatischer Rechter sowie ihrer politischer Perspektiven verharmlost wird. Dem Anspruch eines linken Blattes, das Gegenöffentlichkeit betreiben will, wird das jedenfalls nicht gerecht. [1]
Aber es kommt noch dicker. Die insbesondere in außenpolitischen Angelegenheiten inzwischen gänzlich neoliberale, auf Linie der Bundesregierung und NATO stehende taz startet den Frontalangriff gegen jene wenigen Medien und Kommentare, die den Putsch als das darstellen, was er ist. In „Die Legende vom Putsch“ gibt sich der zuständige Auslandsredakteur der taz, Bernd Pickert, überhaupt nicht mal die Mühe, die sozialen und politischen Widersprüche im Land aufzudecken. Bei ihm geht alles um Morales persönliche Verantwortung – Tenor: „Morales hat sich mit seinem Machtanspruch verzockt“. Und: Der „Rücktritt“ sei als Konsequenz einer erfolgreichen sozialen Bewegung zu sehen, da sich die Polizist*innen und das Militär den Protestierenden gegen Wahlbetrug angeschlossen hätten. Noch am 16. November veröffentlicht die taz eine Reportage unter dem Telenovela-artigen Titel „Wir waren alle verliebt in ihn“ von Katharina Wojczenko, in dem Morales im Teaser allen Ernstes vorgeworfen wird, er würde das Land von Mexiko aus spalten (!), weil er sich gegen den Putsch stellt. Und das, obwohl in der genannten Reportage eine indigene Stimme den weißen Terror, der derzeit im Land wütet, luzide beschreibt und ein Pickert mittlerweile selber schon erkennt, was da mittlerweile im Präsidentschaftspalast los ist.
Zu diesem deckungsgleich zur bürgerlichen Presse auftretenden „linken Journalismus“ gesellt sich die Lateinamerika-Abteilung von medico international, die sich schon zu den Geschehnissen in Nicaragua an der Seite der rechten Opposition in den Ländern wähnte und beim Putschversuch in Venezuela Äquidistanz (ergo: Entsolidarisierung) propagierte. Das Narrativ ist hier stets identisch mit jenem neoliberaler Blätter, eine dialektische Analyse der Linksregierungen unter Einbezug der sozialen Frage und Errungenschaften wird nicht einmal versucht. Moritz Krawinkel, zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit in Bezug zu Lateinamerika, äußerte denn auch zu den aktuellen Geschehnissen via Twitter: „Trotzdem kann kaum von einem Putsch gesprochen werden, wie es jetzt große Teile der lateinamerikanischen Linken tun. Morales’ Rücktritt ist zu begrüßen, angesichts des Klammerns an der Macht von Ortega in Nicaragua und Nicolás Maduro in Venezuela ein wichtiges Zeichen“. Krawinkel begrüßt damit offen den Putsch durch rechte Kräfte. Auch hier der zynische Kommentar zum Ende, dass Morales den Putsch selbst zu verschulden habe.
>>>>>
Es ist offensichtlich: Der Putsch bezweckt die gewalttätige Wiederherstellung einer weiß-oligarchischen, neo-kolonialen, klerikalen und neoliberalen Hegemonie – teils mithilfe faschistischer Kräfte und auf dem Rücken der Indigen@s und des Großteils der Werktätigen in Bolivien. Der Großteil der Linken auf der Welt weiß um diese Zusammenhänge und verurteilt deshalb den Militärputsch in Solidarität mit der Regierung Morales und der Bevölkerung Boliviens. Die jeweilige Bewertung der Regierung Morales fällt dabei durchaus unterschiedlich aus. Das Spektrum reicht hier von Jeremy Corbyn, über AOC, Ilhan Omar, Tsipras, bis hin zum neuen, sozialdemokratischen Präsidenten Argentiniens Alberto Fernández oder dem linksnationalistischen Präsidenten Mexikos, Andrés Manuel López Obrador. Jetzt könnte man ja meinen, dass insbesondere die Involvierung des deutschen Imperialismus, zusammenfassend skizziert in einem Artikel des Nachrichtenportals German Foreign Policy, Anlass für eine deutsche Linke in ihrer Breite sein könnte, sich zumindest gegen den Putsch verbal zu äußern. Aber im selbstreferentiellen, politischen Provinzdorf Germania regt sich mal wieder kaum etwas. Von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen – zum Beispiel verschiedene post-autonome Gruppen und Zusammenhänge, der Aufstehen-Flügel innerhalb der Partei DIE LINKE, die junge Welt, die DKP oder labournet – wird sich zum derzeit laufenden Militärputsch einfach nicht geäußert. Den Vogel schießen jedoch jene Teile der Linken ab, die in einer sagenhaften Verkehrung von Ursache und Wirkung den Putsch legitimieren, indem sie ihm absprechen, einer zu sein. Diese aktive Schützenhilfe für den Putsch wird dabei kurioserweise unter dem Deckmantel der „Demokratie“ geleistet. Hier betreiben öffentlichkeitswirksame Teile der deutschen Linken – nach Nicaragua und Venezuela nun erneut – eine perfide Form der Selbstprovinzialisierung in puncto Internationalismus. Zugleich fällt man wiederholt grob unsolidarisch und in metropolenchauvinistischer Manier den Genoss*innen in Lateinamerika ausgerechnet in der Stunde der Not und Verfolgung (!) in den Rücken. Es ist wahrlich ein deutsches Trauerspiel.
Ein Diskurs imperialer Dekadenz
Tenor der Anklage der hiesigen Wertelinken: Es handelt sich um den überfälligen „Rücktritt“ eines längst vom Paulus zum Saulus gewordenen, autoritären Präsidenten, der sich mit Wahlfälschung an der Macht halten wolle. Dessen zentrale Verfehlungen seien gewesen: Das Festhalten an einem extraktivistischen Modell, die dadurch entstehende Entfremdung von lokalen sozialen Kämpfen, das Nicht-Erfüllen von Umwelt- und Klimazielen, sowie die Umgehung eines Plebiszits und Beugung der Verfassung. Anklage Ende. Diese Anklage des westlichen Wertehorizonts reicht offensichtlich aus, um den Richterspruch im Eilschritt vorzunehmen und in der Stunde der Not das Urteil zu verkünden: Die Solidarität wird versagt. Der Angeklagte hat das Dilemma selbst zu verantworten.
So kann es dann passieren, dass das neue deutschland allen Ernstes eine „Pro und Kontra“-Kommentarreihe zur anscheinend uneindeutigen Frage bringt, ob ein vom Militär und klar rechten bis rechtsradikalen Kräften lancierter Putsch demokratische Potentiale birgt. Katharina Schwirkus führt in ihrem Kommentar „Loslassen lernen“ in vollkommener Ignoranz gegenüber dem Charakter der verschiedenen Akteur*innen, den Kräfteverhältnissen im Land und den sozialen Errungenschaften formaldemokratisch aus: „Es ist nicht schön, wie sich Evo Morales aus dem Präsidentenamt verabschieden musste. Für Boliviens Demokratie ist es aber wichtig und richtig, dass endlich jemand anderes auf Morales folgt“. Schließlich habe der Mann mit 13 Jahren lang genug regiert. Dabei ist bis zum heutigen Tag nicht klar, ob wirklich und wenn ja in welchem Umfang Wahlfälschung bei den Präsidentschaftswahlen am 20. Oktober stattgefunden hat: Ein detaillierter Bericht des CEPR zeigt auf, dass zunächst einmal nichts Verdächtiges darin zu sehen ist, dass Morales im Laufe des Abends plötzlich einen immensen Vorsprung erhielt, da die ruralen Gebiete, in denen Morales traditionell stark ist, erst später ausgezählt wurden und sich die Trendentwicklung der Auszählung konsistent entwickelte. Eine auf Einladung von Morales (!) vorgenommene unabhängige Prüfung der Wahlen seitens der OAS fand später zwar heraus, dass es schwere Sicherheitslücken im Vorgehen der mit der Prüfung der – rechtlich unverbindlichen! – vorläufigen Wahlergebnisse beauftragten Firma gab, konnte aber keine Wahlfälschung im rechtlich verbindlichen Endergebnis nachweisen. Vielmehr verwies der Bericht auf augenfällige und daher näher zu untersuchende Irregularitäten. Aber auch der OAS-Bericht stellt nicht in Frage, dass Morales eindeutig vorne lag, im gegenteil. Die ganze Frage dreht sich also darum, ob Morales mit zehn oder sieben Prozent Vorsprung vorne lag – niemand bestreitet, dass Morales seinen Hauptkontrahenten haushoch überlegen war. Aber egal, Hauptsache Morales muss weg. Dafür auch einen rechts-reaktionären Militärputsch in Kauf zu nehmen, ist, auf deutsche Verhältnisse übertragen, in etwa dasselbe wie von einem AfD-nahen Militärputsch gegen Merkel als „nicht schön, aber gut für die bundesdeutsche Demokratie“ zu reden, weil Merkel halt nun einmal viel zu lange – nämlich 16 Jahre – im Amt sei und ihre vereinbarten politischen Ziele nicht allesamt erreicht hätte.
Weiter geht es mit dem Kontra-Kommentar im nd, „Niederlage für die Linke“ von Christian Klemm. Der Artikel hat zwar den Vorzug, den Inhalt des Putsches als nicht sonderlich wünschenswert erkannt zu haben, disqualifiziert sich jedoch gleich zu Beginn mit der Feststellung: „Ob Putsch oder nicht – wie man das Ende der Präsidentschaft von Evo Morales in Bolivien nennt, ist Nebensache“. Als würde es hier nicht um einen Unterschied ums Ganze gehen! Insbesondere wenn in den neoliberalen Mainstream-Medien einmütig von „Rücktritt“ gesprochen und damit die Gewaltförmigkeit des Vorgangs und die Rolle des Militärs und fanatischer Rechter sowie ihrer politischer Perspektiven verharmlost wird. Dem Anspruch eines linken Blattes, das Gegenöffentlichkeit betreiben will, wird das jedenfalls nicht gerecht. [1]
Aber es kommt noch dicker. Die insbesondere in außenpolitischen Angelegenheiten inzwischen gänzlich neoliberale, auf Linie der Bundesregierung und NATO stehende taz startet den Frontalangriff gegen jene wenigen Medien und Kommentare, die den Putsch als das darstellen, was er ist. In „Die Legende vom Putsch“ gibt sich der zuständige Auslandsredakteur der taz, Bernd Pickert, überhaupt nicht mal die Mühe, die sozialen und politischen Widersprüche im Land aufzudecken. Bei ihm geht alles um Morales persönliche Verantwortung – Tenor: „Morales hat sich mit seinem Machtanspruch verzockt“. Und: Der „Rücktritt“ sei als Konsequenz einer erfolgreichen sozialen Bewegung zu sehen, da sich die Polizist*innen und das Militär den Protestierenden gegen Wahlbetrug angeschlossen hätten. Noch am 16. November veröffentlicht die taz eine Reportage unter dem Telenovela-artigen Titel „Wir waren alle verliebt in ihn“ von Katharina Wojczenko, in dem Morales im Teaser allen Ernstes vorgeworfen wird, er würde das Land von Mexiko aus spalten (!), weil er sich gegen den Putsch stellt. Und das, obwohl in der genannten Reportage eine indigene Stimme den weißen Terror, der derzeit im Land wütet, luzide beschreibt und ein Pickert mittlerweile selber schon erkennt, was da mittlerweile im Präsidentschaftspalast los ist.
Zu diesem deckungsgleich zur bürgerlichen Presse auftretenden „linken Journalismus“ gesellt sich die Lateinamerika-Abteilung von medico international, die sich schon zu den Geschehnissen in Nicaragua an der Seite der rechten Opposition in den Ländern wähnte und beim Putschversuch in Venezuela Äquidistanz (ergo: Entsolidarisierung) propagierte. Das Narrativ ist hier stets identisch mit jenem neoliberaler Blätter, eine dialektische Analyse der Linksregierungen unter Einbezug der sozialen Frage und Errungenschaften wird nicht einmal versucht. Moritz Krawinkel, zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit in Bezug zu Lateinamerika, äußerte denn auch zu den aktuellen Geschehnissen via Twitter: „Trotzdem kann kaum von einem Putsch gesprochen werden, wie es jetzt große Teile der lateinamerikanischen Linken tun. Morales’ Rücktritt ist zu begrüßen, angesichts des Klammerns an der Macht von Ortega in Nicaragua und Nicolás Maduro in Venezuela ein wichtiges Zeichen“. Krawinkel begrüßt damit offen den Putsch durch rechte Kräfte. Auch hier der zynische Kommentar zum Ende, dass Morales den Putsch selbst zu verschulden habe.
>>>>>
•NEUER BEITRAG18.11.2019, 14:52 Uhr
Nutzer / in | |
arktika | |
|
|
Nach vorne, nicht in den Sumpf
In diesen innerhalb der Linken bedauerlicherweise wirkmächtigen Positionen wird die demokratische Frage tendenziell gegen, oder zumindest ohne die soziale und nationale Frage und ohne auf die konkreten Kräfteverhältnisse zu rekurrieren beantwortet. Vorherrschend ist eine Entkontextualisierung der Situation dieser Länder im imperialistischen Weltsystem und eine formaldemokratische Scholastik, die vollkommen abseits von Klassenauseinandersetzungen zu ihren Schlüssen kommt. Aber eben genau diese, die Grenzen einer Entwicklung eines nationallinken Programms unter einem unterdrückerischen imperialistischen System und die Fortsetzung dieser Verhältnisse durch die kollaborierende bolivianische Oligarchie, setzt dem progressiven Projekt in Bolivien, und nicht nur dort, reale Entwicklungsgrenzen. Den Genoss*innen in Bolivien etwa die Verfehlung der Klimaziele und mangelnden Umweltschutz aufgrund von Infrastruktur- und Lithiumabbauprojekten vorzuwerfen heißt, im Kontext des imperialistischen Weltsystems und der wirtschaftlichen Unterentwicklung Boliviens, den Bolivianer*innen zynisch zu gebieten, sie mögen bitte keinen Entwicklungsstand und Lebensstandard nach westlicher Fasson anstreben.
Der Militärputsch wird, wenn er Erfolg hat, nicht bloß die unter Morales erreichte „Umverteilung“ der Einkommen im Sinne der Ärmsten umkehren. Er wird auch nicht bloß die Grundlage dieser Umverteilung, die verstaatlichte nationale Wirtschaftspolitik, abschaffen. Er wird darauf abzielen, durch Repression und Terror jedwede soziale und politische Grundlage linker Perspektiven auf Jahre hinweg zu zerstören. Die hier bezweckte Demokratie ist die Demokratie der Friedhofsruhe. Das war schon immer die Funktion konterrevolutionärer Militärputsche im modernen Lateinamerika. Die Menschen und Genoss*innen in diesen Ländern wissen deshalb zumeist ganz genau, was sie erwartet, wenn die Konterrevolution siegt. Gerade deshalb erklärt sich vielleicht auch, warum trotz allen Mängeln, Fehlern und offensichtlich strukturellen Blockaden der Linksregierungen in Lateinamerika viele noch verbissen an ihnen festhalten, ja sich sogar eventuell mit ihnen über-identifizieren, oder zumindest nicht die „Opposition“ in ihren „Demokratiebestrebungen“ unterstützen. Das ist auch etwas, was Teile der deutschen Linken in ihrem Metropolenchauvinismus schlicht und ergreifend nicht begreifen wollen. Nur eine wahrlich imperiale Dekadenz kann es sich leisten, „Demokratie“ im Sinne des Abtritts eines zunehmend autoritärer und selbstfixiert vorgehenden linken Präsidenten um jeden Preis, und sei es in Form eines rechten Militärputsches mit anschließender Verfolgung von Genoss*innen, als letztlich wünschenswert zu erachten.
Was in Lateinamerika mit den Linksregierungen versucht wurde, war eine Neuauflage der Volksfront-Regierung Salvador Allendes in Chile. Solche Regierungen charakterisieren sich durch einen nationalen Konsens, das heißt linke Transformationen durch klassenübergreifende (nationale) Bündnisse und Kräfteausgleich mit den nationalen Großbourgeoisien. Das Projekt der MAS [Movimiento al Socialismo, die Partei, der Morales angehört, Anm. Red.] in Bolivien gehört zu einer eher sozialistischeren Form dieses Regierungstypus, wie auch dasjenige in Venezuela. Andere Linksregierungen nahmen gar keine Verstaatlichungen vor, etwa in Nicaragua, Argentinien, Chile und Ecuador. Regierungen des nationalen Konsens können in peripheren Ländern partielle Fortschritte erkämpfen, geraten jedoch regelmäßig früher oder später in die politische Bredouille, da die Interessen der Kapitalist*innen und ihrer Verbündeten auf Dauer naturgemäß eben nicht identisch mit umfassender sozialer Umverteilungspolitik oder gar einer Transformation in Richtung Sozialismus sind. Das heißt, dass solche Regierungen optimalerweise von einer starken sozialen und demokratischen Bewegung von links zu weitergehenden Maßnahmen, wie zum Beispiel der Nationalisierung der Privatwirtschaft, getrieben werden müssen. Diese Kraft von links blieb bislang aus verschiedenen Gründen in den verschiedenen Ländern aus – und darin haben die jeweiligen Linksregierungen selber sicher einen großen Anteil. Der nationale Konsens muss dann gerade bei abfallender popularer Unterstützung, wie in Bolivien, und/oder wenn die wirtschaftlichen Grenzen des nationalen Entwicklungsmodell erreicht sind, auseinanderbrechen. Was folgt ist zumeist Bürgerkrieg, anhaltende Unruhe, Putsch und Rollback – oder Revolution, je nach Kräfteverhältnissen.
Die lateinamerikanischen Linksregierungen, und da ist Bolivien keine Ausnahme, haben den Fehler begangen, den linksnationalen Klassenkompromiss als dauerhaft haltbare politische Konstellation statt als vorübergehenden Kompromiss zu begreifen, der ab einem bestimmten Punkt einer sozialen und revolutionären Offensive weichen muss. So kam es zu Rollback (Ecuador), Putsch (Brasilien, Argentinien, Honduras, Bolivien) und Destabilisierung und tiefe Krise (Nicaragua, Venezuela) statt zu Revolution und Vertiefung des sozialistischen Prozesseses. Die Linksregierungen sind in ihren konzeptionell gesetzten Grenzen stecken geblieben. Sie waren auf der einen Seite zu bürgerlich-autoritär, indem sie sich auf das innerhalb der gegebenen Ordnung Erreichte festklammerten statt real populare Gegenmacht und damit echte sozialistische Demokratie aufzubauen und zu institutionalisieren, um dann den Revolutionierungsprozess nach vorne zu bringen. Andererseits – und das erwähnen jene Kritiker*innen“ aus dem Provinzdorf Germania eigentlich nie – waren sie nicht autoritär genug: Sie haben die Kapitalist*innen, wenn überhaupt, nach einem ersten Schwung nicht mehr weiter enteignet und die politischen Organisationen der teils faschistoid-klerikalen Konterrevolution niemals wirklich zerschlagen; sie haben die repressiven Staatsapparate – bis auf die Ausnahme Venezuelas – nicht grundlegend umgestaltet. Auf regionaler Ebene haben sie es nicht geschafft – dafür reichte vielleicht auch einfach ihre Kraft nicht aus – einen alternativen Wirtschaftsblock gegenseitiger Unterstützung und Entwicklung aufzubauen, der die Abhängigkeit von Extraktivismus und Bauwirtschaft (wie zum Beispiel in Brasilien) hätte überwinden können in Richtung eines produktiveren und zugleich nachhaltigeren Wirtschaftsmodells.
>>>>>
In diesen innerhalb der Linken bedauerlicherweise wirkmächtigen Positionen wird die demokratische Frage tendenziell gegen, oder zumindest ohne die soziale und nationale Frage und ohne auf die konkreten Kräfteverhältnisse zu rekurrieren beantwortet. Vorherrschend ist eine Entkontextualisierung der Situation dieser Länder im imperialistischen Weltsystem und eine formaldemokratische Scholastik, die vollkommen abseits von Klassenauseinandersetzungen zu ihren Schlüssen kommt. Aber eben genau diese, die Grenzen einer Entwicklung eines nationallinken Programms unter einem unterdrückerischen imperialistischen System und die Fortsetzung dieser Verhältnisse durch die kollaborierende bolivianische Oligarchie, setzt dem progressiven Projekt in Bolivien, und nicht nur dort, reale Entwicklungsgrenzen. Den Genoss*innen in Bolivien etwa die Verfehlung der Klimaziele und mangelnden Umweltschutz aufgrund von Infrastruktur- und Lithiumabbauprojekten vorzuwerfen heißt, im Kontext des imperialistischen Weltsystems und der wirtschaftlichen Unterentwicklung Boliviens, den Bolivianer*innen zynisch zu gebieten, sie mögen bitte keinen Entwicklungsstand und Lebensstandard nach westlicher Fasson anstreben.
Der Militärputsch wird, wenn er Erfolg hat, nicht bloß die unter Morales erreichte „Umverteilung“ der Einkommen im Sinne der Ärmsten umkehren. Er wird auch nicht bloß die Grundlage dieser Umverteilung, die verstaatlichte nationale Wirtschaftspolitik, abschaffen. Er wird darauf abzielen, durch Repression und Terror jedwede soziale und politische Grundlage linker Perspektiven auf Jahre hinweg zu zerstören. Die hier bezweckte Demokratie ist die Demokratie der Friedhofsruhe. Das war schon immer die Funktion konterrevolutionärer Militärputsche im modernen Lateinamerika. Die Menschen und Genoss*innen in diesen Ländern wissen deshalb zumeist ganz genau, was sie erwartet, wenn die Konterrevolution siegt. Gerade deshalb erklärt sich vielleicht auch, warum trotz allen Mängeln, Fehlern und offensichtlich strukturellen Blockaden der Linksregierungen in Lateinamerika viele noch verbissen an ihnen festhalten, ja sich sogar eventuell mit ihnen über-identifizieren, oder zumindest nicht die „Opposition“ in ihren „Demokratiebestrebungen“ unterstützen. Das ist auch etwas, was Teile der deutschen Linken in ihrem Metropolenchauvinismus schlicht und ergreifend nicht begreifen wollen. Nur eine wahrlich imperiale Dekadenz kann es sich leisten, „Demokratie“ im Sinne des Abtritts eines zunehmend autoritärer und selbstfixiert vorgehenden linken Präsidenten um jeden Preis, und sei es in Form eines rechten Militärputsches mit anschließender Verfolgung von Genoss*innen, als letztlich wünschenswert zu erachten.
Was in Lateinamerika mit den Linksregierungen versucht wurde, war eine Neuauflage der Volksfront-Regierung Salvador Allendes in Chile. Solche Regierungen charakterisieren sich durch einen nationalen Konsens, das heißt linke Transformationen durch klassenübergreifende (nationale) Bündnisse und Kräfteausgleich mit den nationalen Großbourgeoisien. Das Projekt der MAS [Movimiento al Socialismo, die Partei, der Morales angehört, Anm. Red.] in Bolivien gehört zu einer eher sozialistischeren Form dieses Regierungstypus, wie auch dasjenige in Venezuela. Andere Linksregierungen nahmen gar keine Verstaatlichungen vor, etwa in Nicaragua, Argentinien, Chile und Ecuador. Regierungen des nationalen Konsens können in peripheren Ländern partielle Fortschritte erkämpfen, geraten jedoch regelmäßig früher oder später in die politische Bredouille, da die Interessen der Kapitalist*innen und ihrer Verbündeten auf Dauer naturgemäß eben nicht identisch mit umfassender sozialer Umverteilungspolitik oder gar einer Transformation in Richtung Sozialismus sind. Das heißt, dass solche Regierungen optimalerweise von einer starken sozialen und demokratischen Bewegung von links zu weitergehenden Maßnahmen, wie zum Beispiel der Nationalisierung der Privatwirtschaft, getrieben werden müssen. Diese Kraft von links blieb bislang aus verschiedenen Gründen in den verschiedenen Ländern aus – und darin haben die jeweiligen Linksregierungen selber sicher einen großen Anteil. Der nationale Konsens muss dann gerade bei abfallender popularer Unterstützung, wie in Bolivien, und/oder wenn die wirtschaftlichen Grenzen des nationalen Entwicklungsmodell erreicht sind, auseinanderbrechen. Was folgt ist zumeist Bürgerkrieg, anhaltende Unruhe, Putsch und Rollback – oder Revolution, je nach Kräfteverhältnissen.
Die lateinamerikanischen Linksregierungen, und da ist Bolivien keine Ausnahme, haben den Fehler begangen, den linksnationalen Klassenkompromiss als dauerhaft haltbare politische Konstellation statt als vorübergehenden Kompromiss zu begreifen, der ab einem bestimmten Punkt einer sozialen und revolutionären Offensive weichen muss. So kam es zu Rollback (Ecuador), Putsch (Brasilien, Argentinien, Honduras, Bolivien) und Destabilisierung und tiefe Krise (Nicaragua, Venezuela) statt zu Revolution und Vertiefung des sozialistischen Prozesseses. Die Linksregierungen sind in ihren konzeptionell gesetzten Grenzen stecken geblieben. Sie waren auf der einen Seite zu bürgerlich-autoritär, indem sie sich auf das innerhalb der gegebenen Ordnung Erreichte festklammerten statt real populare Gegenmacht und damit echte sozialistische Demokratie aufzubauen und zu institutionalisieren, um dann den Revolutionierungsprozess nach vorne zu bringen. Andererseits – und das erwähnen jene Kritiker*innen“ aus dem Provinzdorf Germania eigentlich nie – waren sie nicht autoritär genug: Sie haben die Kapitalist*innen, wenn überhaupt, nach einem ersten Schwung nicht mehr weiter enteignet und die politischen Organisationen der teils faschistoid-klerikalen Konterrevolution niemals wirklich zerschlagen; sie haben die repressiven Staatsapparate – bis auf die Ausnahme Venezuelas – nicht grundlegend umgestaltet. Auf regionaler Ebene haben sie es nicht geschafft – dafür reichte vielleicht auch einfach ihre Kraft nicht aus – einen alternativen Wirtschaftsblock gegenseitiger Unterstützung und Entwicklung aufzubauen, der die Abhängigkeit von Extraktivismus und Bauwirtschaft (wie zum Beispiel in Brasilien) hätte überwinden können in Richtung eines produktiveren und zugleich nachhaltigeren Wirtschaftsmodells.
>>>>>
•NEUER BEITRAG18.11.2019, 14:54 Uhr
EDIT: arktika
18.11.2019, 14:56 Uhr
18.11.2019, 14:56 Uhr
Nutzer / in | |
arktika | |
|
|
>>>>>
Das ist aber alles kein Grund sie jetzt der konterrevolutionären Reaktion preiszugeben. Sie stellen angesichts des kontinentalen Rechtsrucks Bollwerke mit sozialen Errungenschaften gegen die tobende Konterrevolution dar. Die Konterrevolution hingegen stellt in keinem der Länder, in denen sie ihr Haupt erhebt, ein reales Demokratisierungspotenzial oder gar einen sozialen Fortschritt dar. Etwas Gegenteiliges zu behaupten ist schlicht und ergreifend imperialistische und oligarchische Ideologie oder Projektion der Metropolenlinken. Es ist gleichzeitig offensichtlich, dass die Linksregierungen in Lateinamerika an einem Scheideweg stehen. Die Massen der Werktätigen in den Ländern sind zurecht nicht mehr zufrieden mit der Situation, deshalb gehen auch sie in vielen dieser Länder auf die Straßen oder entziehen den Regierungen teils ihre Unterstützung. Die Konterrevolution hingegen versucht überall diese Situation auszunutzen, um sich aus der vormals degradierten Position erneut emporzuheben. Dort muss die Linke und insbesondere die revolutionäre Linke die Konterrevolution ohne Wenn und Aber bekämpfen. Sie muss aber gleichzeitig dafür streiten, sich nicht den nationalen Linksregierungen bloß unterzuordnen. Die revolutionäre Linke muss ihre Autonomie bewahren und zusätzlich zum Kampf gegen die Konterrevolution die Entwicklung eines Modells zur Überwindung der Strukturblockade der lateinamerikanischen Revolutionen anvisieren – und zwar nach vorne, Richtung Sozialismus. Darin müssen sie unsere Solidarität haben.
Aber eigentlich sind unsere Aufgaben ganz andere. Unsere Aufgabe in den imperialistischen Zentren ist es, uns wieder unseren Hauptaufgaben in puncto Internationalismus zuzuwenden, namentlich Politik vor Ort gegen den Hauptfeind zu machen, um den Genoss*innen dort mehr Handlungsspielräume zu eröffnen. Da geht es nicht nur darum, die Unterstützung des deutschen oder us-amerikanischen Imperialismus für die bolivianische und sonstige lateinamerikanische Oligarchie zu entlarven und zu brandmarken (und optimaler Weise zu sabotieren). Es geht auch um viel „handfestere“ und perspektivisch zentralere Dinge: Statt in erster Linie die ökologisch unbestreitbar megadestruktive Wirtschaftspolitik der jeweiligen Linksregierungen zu kritisieren, sollten wir uns darum kümmern, Konzepte und eine Politik zu entwickeln, die dafür sorgen, dass eine Umkehr ehemals kolonialer und heute imperialistischer Renten in den „Globalen Süden“ stattfindet, damit deren Industrieentwicklung in im sozialen und ökologischen Sinne nachhaltige Bahnen gelenkt werden kann. Das Mindeste könnte sein, für ein umfassendes finanzielles und technologisches Transfersystem von den imperialistischen Zentren zur Peripherie zu streiten, das nicht an neoliberale Bedingungen (Zwang zur Privatisierung, Öffnung der Länder für Kapitalinvestitionen zu Sonderkonditionen und so weiter) geknüpft ist, wie das die „Entwicklungsprogramme“ der G20 für Afrika und ähnliche vorsehen. Wenn wir anfangen, solcherlei Art oder ähnliche Dinge hier zu fordern und dafür zu streiten, dann wird es natürlich ungemütlich werden, da wir dann gegen starke Kapitalinteressen hier kämpfen werden müssen; studierstubenartig abwägend und in Äquidistanz zu den involvierten Kräften in den jeweiligen Ländern Lateinamerikas die Linke dort zu kritisieren ist da natürlich viel gemütlicher. Nur werden wir, falls wir das weiter so betreiben, damit schlicht die weitere Selbstprovinzialisierung der deutschen Linken im Angesicht der Entwicklungen weltweit und insbesondere der Linken weltweit erreichen. Sonst nichts. Es macht Mut, dass die Jüngeren unter uns da offensichtlich weiter blicken und zum Beispiel der Meinung sind, dass Klimagerechtigkeit eine politische Frage ist, die global und zwar im Kampf gegen die Ungleichheiten eines ungleich gestalteten Weltsystems zu erringen ist und nicht mit abstrakten Parolen und Herangehensweisen, die jene Ungleichheiten reproduzieren. Mögen ihr frischer Wind uns allen hoffentlich dabei helfen, die deutsche Linke zu – revolutionieren!
Anmerkungen
[1] Der Fairness halber sei hier hinzugefügt, dass die allgemeine Berichterstattung des nd zu den Ereignissen in Bolivien sehr gut ist.
unter re:volt Link ...jetzt anmelden!
auch auf RedGlobe Link ...jetzt anmelden!
Das ist aber alles kein Grund sie jetzt der konterrevolutionären Reaktion preiszugeben. Sie stellen angesichts des kontinentalen Rechtsrucks Bollwerke mit sozialen Errungenschaften gegen die tobende Konterrevolution dar. Die Konterrevolution hingegen stellt in keinem der Länder, in denen sie ihr Haupt erhebt, ein reales Demokratisierungspotenzial oder gar einen sozialen Fortschritt dar. Etwas Gegenteiliges zu behaupten ist schlicht und ergreifend imperialistische und oligarchische Ideologie oder Projektion der Metropolenlinken. Es ist gleichzeitig offensichtlich, dass die Linksregierungen in Lateinamerika an einem Scheideweg stehen. Die Massen der Werktätigen in den Ländern sind zurecht nicht mehr zufrieden mit der Situation, deshalb gehen auch sie in vielen dieser Länder auf die Straßen oder entziehen den Regierungen teils ihre Unterstützung. Die Konterrevolution hingegen versucht überall diese Situation auszunutzen, um sich aus der vormals degradierten Position erneut emporzuheben. Dort muss die Linke und insbesondere die revolutionäre Linke die Konterrevolution ohne Wenn und Aber bekämpfen. Sie muss aber gleichzeitig dafür streiten, sich nicht den nationalen Linksregierungen bloß unterzuordnen. Die revolutionäre Linke muss ihre Autonomie bewahren und zusätzlich zum Kampf gegen die Konterrevolution die Entwicklung eines Modells zur Überwindung der Strukturblockade der lateinamerikanischen Revolutionen anvisieren – und zwar nach vorne, Richtung Sozialismus. Darin müssen sie unsere Solidarität haben.
Aber eigentlich sind unsere Aufgaben ganz andere. Unsere Aufgabe in den imperialistischen Zentren ist es, uns wieder unseren Hauptaufgaben in puncto Internationalismus zuzuwenden, namentlich Politik vor Ort gegen den Hauptfeind zu machen, um den Genoss*innen dort mehr Handlungsspielräume zu eröffnen. Da geht es nicht nur darum, die Unterstützung des deutschen oder us-amerikanischen Imperialismus für die bolivianische und sonstige lateinamerikanische Oligarchie zu entlarven und zu brandmarken (und optimaler Weise zu sabotieren). Es geht auch um viel „handfestere“ und perspektivisch zentralere Dinge: Statt in erster Linie die ökologisch unbestreitbar megadestruktive Wirtschaftspolitik der jeweiligen Linksregierungen zu kritisieren, sollten wir uns darum kümmern, Konzepte und eine Politik zu entwickeln, die dafür sorgen, dass eine Umkehr ehemals kolonialer und heute imperialistischer Renten in den „Globalen Süden“ stattfindet, damit deren Industrieentwicklung in im sozialen und ökologischen Sinne nachhaltige Bahnen gelenkt werden kann. Das Mindeste könnte sein, für ein umfassendes finanzielles und technologisches Transfersystem von den imperialistischen Zentren zur Peripherie zu streiten, das nicht an neoliberale Bedingungen (Zwang zur Privatisierung, Öffnung der Länder für Kapitalinvestitionen zu Sonderkonditionen und so weiter) geknüpft ist, wie das die „Entwicklungsprogramme“ der G20 für Afrika und ähnliche vorsehen. Wenn wir anfangen, solcherlei Art oder ähnliche Dinge hier zu fordern und dafür zu streiten, dann wird es natürlich ungemütlich werden, da wir dann gegen starke Kapitalinteressen hier kämpfen werden müssen; studierstubenartig abwägend und in Äquidistanz zu den involvierten Kräften in den jeweiligen Ländern Lateinamerikas die Linke dort zu kritisieren ist da natürlich viel gemütlicher. Nur werden wir, falls wir das weiter so betreiben, damit schlicht die weitere Selbstprovinzialisierung der deutschen Linken im Angesicht der Entwicklungen weltweit und insbesondere der Linken weltweit erreichen. Sonst nichts. Es macht Mut, dass die Jüngeren unter uns da offensichtlich weiter blicken und zum Beispiel der Meinung sind, dass Klimagerechtigkeit eine politische Frage ist, die global und zwar im Kampf gegen die Ungleichheiten eines ungleich gestalteten Weltsystems zu erringen ist und nicht mit abstrakten Parolen und Herangehensweisen, die jene Ungleichheiten reproduzieren. Mögen ihr frischer Wind uns allen hoffentlich dabei helfen, die deutsche Linke zu – revolutionieren!
Anmerkungen
[1] Der Fairness halber sei hier hinzugefügt, dass die allgemeine Berichterstattung des nd zu den Ereignissen in Bolivien sehr gut ist.
unter re:volt Link ...jetzt anmelden!
auch auf RedGlobe Link ...jetzt anmelden!
•NEUER BEITRAG18.11.2019, 16:13 Uhr
EDIT: FPeregrin
18.11.2019, 16:44 Uhr
18.11.2019, 16:44 Uhr
Nutzer / in | |
FPeregrin | |
|
|
Bolivien: Putsch!
Zum Verhalten des deutschen Imperialismus in der Frage des bolivianischen Putsches hat gfp bislang folgendes:
Berlin und der Putsch
12.11.2019
LA PAZ/BERLIN (Eigener Bericht) - Die Bundesregierung und ein führender Politiker der Opposition billigen den Putsch in Bolivien. Der von der Armeeführung erzwungene Rücktritt des gewählten Präsidenten Evo Morales sei ein "wichtiger Schritt hin zu einer friedlichen Lösung", behauptet ein Berliner Regierungssprecher. Der außenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Bundestag urteilt, die Militärs hätten "die richtige Entscheidung getroffen". Morales hatte, um Blutvergießen zu vermeiden, nach einer Meuterei der Polizei und einer ultimativen Drohung des Armeechefs sein Amt aufgegeben. Treibende Kräfte des Umsturzes sind vor allem weiße, wohlhabende Kreise aus dem bolivianischen Tiefland, deren Politiker zum Teil mit parteinahen deutschen Stiftungen kooperieren; einer von ihnen ist als Übergangspräsident im Gespräch. Vom Umsturz betroffen ist hingegen vor allem die indigene Bevölkerung, von der ein erheblicher Teil erst durch Morales' Maßnahmen aus bitterster Armut befreit wurde. Entwicklungen, die jüngst die Stellung des Präsidenten schwächten, wurden auch durch ein deutsches Unternehmen verstärkt.
Staatsstreich in Bolivien
Dem Rücktritt des bolivianischen Präsidenten Evo Morales am Sonntag war zunächst eine Gewaltwelle vorausgegangen, in deren Verlauf staatliche Rundfunk- und Fernsehsender von Regierungsgegnern besetzt, Amtsträger - so etwa eine Bürgermeisterin einer Kleinstadt - angegriffen und in aller Öffentlichkeit misshandelt sowie Regierungsmitglieder und deren Familienangehörige bedroht und tätlich angegriffen worden waren. Die Sicherheitsbehörden schritten nicht ein. Vielmehr meuterte die Polizei in Städten wie etwa Santa Cruz, Sucre und Cochabamba. Die Armeeführung forderte daraufhin Morales - formal nur als "Vorschlag" formuliert, der Sache nach aber ultimativ - zum Abdanken auf.[1] Morales gab dem Druck schließlich nach und reichte, um Blutvergießen zu vermeiden, seinen Rücktritt ein.
"Das Militär hatte recht"
International trifft das Ereignis in vielen Ländern auf scharfen Protest. Scharfe Kritik übte unter anderem der designierte argentinische Präsident Alberto Fernández, der den Umsturz ausdrücklich als Putsch einstufte.[2] Die spanische Regierung verurteilte die Intervention der bolivianischen Militärs.[3] Die Bundesregierung hingegen billigt den Staatsstreich. Der erzwungene Rücktritt des Präsidenten sei ein "wichtiger Schritt hin zu einer friedlichen Lösung", erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert, der sich hartnäckig weigerte, sich von den Handlungen der bolivianischen Militärs zu distanzieren.[4] Ausdrücklich befürwortet wird der Putsch in der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen. Deren außenpolitischer Sprecher Omid Nouripour äußerte gestern, "das Militär" habe "die richtige Entscheidung getroffen, sich auf die Seite der Demonstrierenden zu stellen".[5]
Treibende Kräfte
Treibende Kräfte des Umsturzes sind vor allem weitgehend weiße, wohlhabende Kreise aus dem bolivianischen Tiefland - nicht zuletzt Großgrundbesitzer -, denen die Umverteilung zugunsten der verarmten indigenen Bevölkerung insbesondere im Hochland wie auch die Verstaatlichung wichtiger Bodenschätze seit je ein Dorn im Auge war; beides hatte Morales seit dem Beginn seiner ersten Amtszeit im Januar 2006 systematisch und mit Erfolg vorangetrieben. Dies hatte ihm zwar den - teilweise rassistisch verschärften - Hass der Eliten insbesondere aus der Tieflandmetropole Santa Cruz eingebracht, ihm aber lange Zeit bei Wahlen sichere absolute Mehrheiten dank der indigenen Bevölkerung garantiert. Dass sich beim jüngsten Urnengang gewisse Einbrüche zeigten, liegt auch daran, dass die steigende Ausbeutung der Rohstoffe zwecks Förderung der Wirtschaft zu Widerständen in wachsenden Teilen der indigenen Bewegungen führte, denen die Regierung von Präsident Morales ihre Macht verdankte.[6] Dazu hat zuletzt auch ein deutsches Unternehmen beigetragen, das am Abbau der riesigen bolivianischen Lithiumvorräte beteiligt wurde, dann aber die Gemeinden in der Förderregion nicht - wie geplant - an den Erlösen beteiligte (german-foreign-policy.com berichtete [7]). Daraufhin regte sich Protest, der sich auch gegen den Präsidenten richtete. Die Regierung hat erst vor wenigen Tagen nachgegeben und der deutschen Firma die Fördererlaubnis entzogen [8] - zu spät, um den Unmut zu mildern.
>>>
Berlin und der Putsch
12.11.2019
LA PAZ/BERLIN (Eigener Bericht) - Die Bundesregierung und ein führender Politiker der Opposition billigen den Putsch in Bolivien. Der von der Armeeführung erzwungene Rücktritt des gewählten Präsidenten Evo Morales sei ein "wichtiger Schritt hin zu einer friedlichen Lösung", behauptet ein Berliner Regierungssprecher. Der außenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Bundestag urteilt, die Militärs hätten "die richtige Entscheidung getroffen". Morales hatte, um Blutvergießen zu vermeiden, nach einer Meuterei der Polizei und einer ultimativen Drohung des Armeechefs sein Amt aufgegeben. Treibende Kräfte des Umsturzes sind vor allem weiße, wohlhabende Kreise aus dem bolivianischen Tiefland, deren Politiker zum Teil mit parteinahen deutschen Stiftungen kooperieren; einer von ihnen ist als Übergangspräsident im Gespräch. Vom Umsturz betroffen ist hingegen vor allem die indigene Bevölkerung, von der ein erheblicher Teil erst durch Morales' Maßnahmen aus bitterster Armut befreit wurde. Entwicklungen, die jüngst die Stellung des Präsidenten schwächten, wurden auch durch ein deutsches Unternehmen verstärkt.
Staatsstreich in Bolivien
Dem Rücktritt des bolivianischen Präsidenten Evo Morales am Sonntag war zunächst eine Gewaltwelle vorausgegangen, in deren Verlauf staatliche Rundfunk- und Fernsehsender von Regierungsgegnern besetzt, Amtsträger - so etwa eine Bürgermeisterin einer Kleinstadt - angegriffen und in aller Öffentlichkeit misshandelt sowie Regierungsmitglieder und deren Familienangehörige bedroht und tätlich angegriffen worden waren. Die Sicherheitsbehörden schritten nicht ein. Vielmehr meuterte die Polizei in Städten wie etwa Santa Cruz, Sucre und Cochabamba. Die Armeeführung forderte daraufhin Morales - formal nur als "Vorschlag" formuliert, der Sache nach aber ultimativ - zum Abdanken auf.[1] Morales gab dem Druck schließlich nach und reichte, um Blutvergießen zu vermeiden, seinen Rücktritt ein.
"Das Militär hatte recht"
International trifft das Ereignis in vielen Ländern auf scharfen Protest. Scharfe Kritik übte unter anderem der designierte argentinische Präsident Alberto Fernández, der den Umsturz ausdrücklich als Putsch einstufte.[2] Die spanische Regierung verurteilte die Intervention der bolivianischen Militärs.[3] Die Bundesregierung hingegen billigt den Staatsstreich. Der erzwungene Rücktritt des Präsidenten sei ein "wichtiger Schritt hin zu einer friedlichen Lösung", erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert, der sich hartnäckig weigerte, sich von den Handlungen der bolivianischen Militärs zu distanzieren.[4] Ausdrücklich befürwortet wird der Putsch in der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen. Deren außenpolitischer Sprecher Omid Nouripour äußerte gestern, "das Militär" habe "die richtige Entscheidung getroffen, sich auf die Seite der Demonstrierenden zu stellen".[5]
Treibende Kräfte
Treibende Kräfte des Umsturzes sind vor allem weitgehend weiße, wohlhabende Kreise aus dem bolivianischen Tiefland - nicht zuletzt Großgrundbesitzer -, denen die Umverteilung zugunsten der verarmten indigenen Bevölkerung insbesondere im Hochland wie auch die Verstaatlichung wichtiger Bodenschätze seit je ein Dorn im Auge war; beides hatte Morales seit dem Beginn seiner ersten Amtszeit im Januar 2006 systematisch und mit Erfolg vorangetrieben. Dies hatte ihm zwar den - teilweise rassistisch verschärften - Hass der Eliten insbesondere aus der Tieflandmetropole Santa Cruz eingebracht, ihm aber lange Zeit bei Wahlen sichere absolute Mehrheiten dank der indigenen Bevölkerung garantiert. Dass sich beim jüngsten Urnengang gewisse Einbrüche zeigten, liegt auch daran, dass die steigende Ausbeutung der Rohstoffe zwecks Förderung der Wirtschaft zu Widerständen in wachsenden Teilen der indigenen Bewegungen führte, denen die Regierung von Präsident Morales ihre Macht verdankte.[6] Dazu hat zuletzt auch ein deutsches Unternehmen beigetragen, das am Abbau der riesigen bolivianischen Lithiumvorräte beteiligt wurde, dann aber die Gemeinden in der Förderregion nicht - wie geplant - an den Erlösen beteiligte (german-foreign-policy.com berichtete [7]). Daraufhin regte sich Protest, der sich auch gegen den Präsidenten richtete. Die Regierung hat erst vor wenigen Tagen nachgegeben und der deutschen Firma die Fördererlaubnis entzogen [8] - zu spät, um den Unmut zu mildern.
>>>
•NEUER BEITRAG18.11.2019, 16:16 Uhr
EDIT: FPeregrin
18.11.2019, 16:21 Uhr
18.11.2019, 16:21 Uhr
Nutzer / in | |
FPeregrin | |
|
|
>>>
Aus Deutschland unterstützt
Wenngleich Bolivien nicht zu den Schwerpunktländern der deutschen Lateinamerika-Aktivitäten gehört, unterhält Berlin dennoch gute Beziehungen zu den weißen, relativ wohlhabenden Eliten in Santa Cruz. Eine zentrale Position nimmt dabei gegenwärtig Óscar Ortiz Antelo ein, ein früherer Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer in Santa Cruz, der vor Jahren in führender Position bei Andina gearbeitet hatte, der bolivianischen Tochterfirma des spanischen Ölkonzerns Repsol YPF. Ortiz hat seine Heimatstadt zunächst von 2006 bis 2010, dann erneut ab 2015 im bolivianischen Senat vertreten, wo er von 2008 bis 2010 das Amt des Senatspräsidenten innehatte. Zugleich ist er als Generalsekretär der Partei Movimiento Demócrata Social ("Demócratas") tätig und amtiert als Präsident des Dachverbandes Unión de Partidos Latinoamericanos (UPLA), dem führende Rechtsparteien des Kontinents angehören, darunter auch die Renovación Nacional des chilenischen Präsidenten Sebastián Piñera und der Centro Democrático des kolumbianischen Präsidenten Iván Duque. Die UPLA wird bereits seit dem Jahr 1992 von der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung unterstützt. Das Geld dafür kommt aus dem Auswärtigen Amt.
Berliner Netzwerke
Ortiz ist, um Kontakte zu knüpfen und zu pflegen, zuweilen nach Berlin gereist. Bereits im Jahr 2008 hatte er sich - damals als Präsident des bolivianischen Senats - auf Einladung einer "Stiftung für Grundwerte und Völkerverständigung" in der deutschen Hauptstadt aufgehalten; der Stiftung gehörten mehrere ehemalige Bundesminister sowie ein Legationsrat aus dem Auswärtigen Amt an.[9] Im November 2016 besuchte er gemeinsam mit einer UPLA-Delegation Brüssel sowie Berlin, wo er nicht nur bei der Hanns-Seidel-Stiftung Gespräche führte, sondern auch mit dem Leiter der Abteilung für strategische Planung im Entwicklungsministerium, Michael Krake, und mit dem Leiter des Andenstaaten-Referats im Auswärtigen Amt, Daniel Kriener, zusammentraf. Kriener ist heute Botschafter in Venezuela und wurde im März dieses Jahres wegen offener Einmischung in den dortigen Putschversuch zur persona non grata erklärt.[10] Ortiz hält darüber hinaus Kontakt zu der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung, deren Netzwerk RELIAL (Red Liberal de América Latina) seine Fundación Nueva Democracia angehört. Zuletzt hielt sich Ortiz ausweislich eines Berichts auf seiner Facebook-Seite im April in Berlin auf, um dort Bundestagsabgeordnete und Regierungsmitarbeiter zu treffen. Konkreter Hintergrund war seine Präsidentschaftskandidatur im Namen der Alianza Bolivia Dice No ("Bolivien sagt nein").
Als Nummer drei an die Spitze
Letztlich musste sich Ortiz in der Wahl mit 4,24 Prozent der Stimmen geschlagen geben. Dennoch ist er als künftiger Machthaber in La Paz im Gespräch. So heißt es, er sei "die einzige Person", die genügend Fähigkeiten und Kenntnisse dafür aufweise.[11] Nach dem Rücktritt des Präsidenten, des Vizepräsidenten und der Senatspräsidentin in den vergangenen Tagen könne Senator Ortiz zum neuen Senatspräsidenten gewählt werden. Dadurch rückte er - als Nummer drei der Staatshierarchie - in der aktuellen Lage automatisch zum Staatsoberhaupt auf.
Anschlagspläne
Vorfeldorganisationen der deutschen Außenpolitik hatten zeitweise auch Berührungspunkte zum Comité pro Santa Cruz, einem rechtslastigen Zusammenschluss aus Boliviens Tieflandmetropole, dessen aktueller Präsident Fernando Camacho vergangene Woche am energischsten auf den Umsturz drang und sich an dessen Spitze zu setzen suchte. Von 2007 bis 2009 wurde das Comité pro Santa Cruz von Branko Marinković geführt, einem Großgrundbesitzer und Multimillionär [12], der zugleich als Sprecher einer Organisation namens Fundación Libertad y Democracia (Fulide) auftrat; diese wiederum gehörte bis zu ihrer Auflösung im Jahr 2009 dem RELIAL-Netzwerk der deutschen Naumann-Stiftung an. Marinković, Schnittstelle zwischen den Netzwerken der Berliner Außenpolitik und dem Comité pro Santa Cruz, wurde im Jahr 2009 auf der Grundlage mehrerer Zeugenaussagen von der bolivianischen Justiz beschuldigt, einem ehemaligen Kroatiensöldner und mehreren weiteren Europäern Geld für einen Mordanschlag auf Morales angeboten zu haben.[13] Marinković setzte sich daraufhin ins Ausland ab. Zuletzt befeuerte er von Brasilien aus Morales' Sturz, den sein Nachfolger an der Spitze des Comité pro Santa Cruz, Fernando Camacho, vor Ort vorantrieb. Er hat angekündigt, bei einem Regierungswechsel nach Bolivien zurückkehren zu wollen.[14]
[1] Golpe de Estado en Bolivia: Evo Morales renuncia a la Presidencia. lapoliticaonline.es 10.11.2019.
[2] "En Bolivia se ha consumado un golpe de Estado". bolpress.com 10.11.2019.
[3] Esteban Villarejo: España condena la intervención de los militares en Bolivia. abc.es 11.11.2019.
[4] André Scheer: Solidarität mit Bolivien! junge Welt 12.11.2019.
[5] Historischer Moment in Bolivien. gruene-bundestag.de 11.11.2019.
[6] Thomas Guthmann: Nach der Wahl in Bolivien. npla.de 10.11.2019.
[7] S. dazu Protest gegen deutsche Rohstoffsicherung in Bolivien.
[8] Claus Hecking: Deutsches Lithium-Unternehmen ruft Altmaier zu Hilfe. spiegel.de 06.11.2019.
[9] S. dazu Spalte und herrsche.
[10] S. dazu Aufforderung zum Putsch (II).
[11] Bolivia tiene dos salidas a la crisis después de renuncia. opinion.com.bo 11.11.2019.
[12] Simon Romero: In Bolivia, a Croat and a Critic Is Cast in a Harsh Light. nytimes.com 26.09.2008.
[13] Prosecutor says Bolivian opposition backed plot. uk.reuters.com 05.05.2009.
[14] Cuatro exiliados anuncian su retorno luego de la caída de Evo. lavozdetarija.com 11.11.2019.
Link ...jetzt anmelden!
Aus Deutschland unterstützt
Wenngleich Bolivien nicht zu den Schwerpunktländern der deutschen Lateinamerika-Aktivitäten gehört, unterhält Berlin dennoch gute Beziehungen zu den weißen, relativ wohlhabenden Eliten in Santa Cruz. Eine zentrale Position nimmt dabei gegenwärtig Óscar Ortiz Antelo ein, ein früherer Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer in Santa Cruz, der vor Jahren in führender Position bei Andina gearbeitet hatte, der bolivianischen Tochterfirma des spanischen Ölkonzerns Repsol YPF. Ortiz hat seine Heimatstadt zunächst von 2006 bis 2010, dann erneut ab 2015 im bolivianischen Senat vertreten, wo er von 2008 bis 2010 das Amt des Senatspräsidenten innehatte. Zugleich ist er als Generalsekretär der Partei Movimiento Demócrata Social ("Demócratas") tätig und amtiert als Präsident des Dachverbandes Unión de Partidos Latinoamericanos (UPLA), dem führende Rechtsparteien des Kontinents angehören, darunter auch die Renovación Nacional des chilenischen Präsidenten Sebastián Piñera und der Centro Democrático des kolumbianischen Präsidenten Iván Duque. Die UPLA wird bereits seit dem Jahr 1992 von der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung unterstützt. Das Geld dafür kommt aus dem Auswärtigen Amt.
Berliner Netzwerke
Ortiz ist, um Kontakte zu knüpfen und zu pflegen, zuweilen nach Berlin gereist. Bereits im Jahr 2008 hatte er sich - damals als Präsident des bolivianischen Senats - auf Einladung einer "Stiftung für Grundwerte und Völkerverständigung" in der deutschen Hauptstadt aufgehalten; der Stiftung gehörten mehrere ehemalige Bundesminister sowie ein Legationsrat aus dem Auswärtigen Amt an.[9] Im November 2016 besuchte er gemeinsam mit einer UPLA-Delegation Brüssel sowie Berlin, wo er nicht nur bei der Hanns-Seidel-Stiftung Gespräche führte, sondern auch mit dem Leiter der Abteilung für strategische Planung im Entwicklungsministerium, Michael Krake, und mit dem Leiter des Andenstaaten-Referats im Auswärtigen Amt, Daniel Kriener, zusammentraf. Kriener ist heute Botschafter in Venezuela und wurde im März dieses Jahres wegen offener Einmischung in den dortigen Putschversuch zur persona non grata erklärt.[10] Ortiz hält darüber hinaus Kontakt zu der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung, deren Netzwerk RELIAL (Red Liberal de América Latina) seine Fundación Nueva Democracia angehört. Zuletzt hielt sich Ortiz ausweislich eines Berichts auf seiner Facebook-Seite im April in Berlin auf, um dort Bundestagsabgeordnete und Regierungsmitarbeiter zu treffen. Konkreter Hintergrund war seine Präsidentschaftskandidatur im Namen der Alianza Bolivia Dice No ("Bolivien sagt nein").
Als Nummer drei an die Spitze
Letztlich musste sich Ortiz in der Wahl mit 4,24 Prozent der Stimmen geschlagen geben. Dennoch ist er als künftiger Machthaber in La Paz im Gespräch. So heißt es, er sei "die einzige Person", die genügend Fähigkeiten und Kenntnisse dafür aufweise.[11] Nach dem Rücktritt des Präsidenten, des Vizepräsidenten und der Senatspräsidentin in den vergangenen Tagen könne Senator Ortiz zum neuen Senatspräsidenten gewählt werden. Dadurch rückte er - als Nummer drei der Staatshierarchie - in der aktuellen Lage automatisch zum Staatsoberhaupt auf.
Anschlagspläne
Vorfeldorganisationen der deutschen Außenpolitik hatten zeitweise auch Berührungspunkte zum Comité pro Santa Cruz, einem rechtslastigen Zusammenschluss aus Boliviens Tieflandmetropole, dessen aktueller Präsident Fernando Camacho vergangene Woche am energischsten auf den Umsturz drang und sich an dessen Spitze zu setzen suchte. Von 2007 bis 2009 wurde das Comité pro Santa Cruz von Branko Marinković geführt, einem Großgrundbesitzer und Multimillionär [12], der zugleich als Sprecher einer Organisation namens Fundación Libertad y Democracia (Fulide) auftrat; diese wiederum gehörte bis zu ihrer Auflösung im Jahr 2009 dem RELIAL-Netzwerk der deutschen Naumann-Stiftung an. Marinković, Schnittstelle zwischen den Netzwerken der Berliner Außenpolitik und dem Comité pro Santa Cruz, wurde im Jahr 2009 auf der Grundlage mehrerer Zeugenaussagen von der bolivianischen Justiz beschuldigt, einem ehemaligen Kroatiensöldner und mehreren weiteren Europäern Geld für einen Mordanschlag auf Morales angeboten zu haben.[13] Marinković setzte sich daraufhin ins Ausland ab. Zuletzt befeuerte er von Brasilien aus Morales' Sturz, den sein Nachfolger an der Spitze des Comité pro Santa Cruz, Fernando Camacho, vor Ort vorantrieb. Er hat angekündigt, bei einem Regierungswechsel nach Bolivien zurückkehren zu wollen.[14]
[1] Golpe de Estado en Bolivia: Evo Morales renuncia a la Presidencia. lapoliticaonline.es 10.11.2019.
[2] "En Bolivia se ha consumado un golpe de Estado". bolpress.com 10.11.2019.
[3] Esteban Villarejo: España condena la intervención de los militares en Bolivia. abc.es 11.11.2019.
[4] André Scheer: Solidarität mit Bolivien! junge Welt 12.11.2019.
[5] Historischer Moment in Bolivien. gruene-bundestag.de 11.11.2019.
[6] Thomas Guthmann: Nach der Wahl in Bolivien. npla.de 10.11.2019.
[7] S. dazu Protest gegen deutsche Rohstoffsicherung in Bolivien.
[8] Claus Hecking: Deutsches Lithium-Unternehmen ruft Altmaier zu Hilfe. spiegel.de 06.11.2019.
[9] S. dazu Spalte und herrsche.
[10] S. dazu Aufforderung zum Putsch (II).
[11] Bolivia tiene dos salidas a la crisis después de renuncia. opinion.com.bo 11.11.2019.
[12] Simon Romero: In Bolivia, a Croat and a Critic Is Cast in a Harsh Light. nytimes.com 26.09.2008.
[13] Prosecutor says Bolivian opposition backed plot. uk.reuters.com 05.05.2009.
[14] Cuatro exiliados anuncian su retorno luego de la caída de Evo. lavozdetarija.com 11.11.2019.
Link ...jetzt anmelden!
•NEUER BEITRAG18.11.2019, 16:20 Uhr
Nutzer / in | |
FPeregrin | |
|
|
und:
Berlin und der Putsch (II)
18.11.2019
LA PAZ/BERLIN (Eigener Bericht) - Die selbsternannte Putschpräsidentin Boliviens, Jeanine Áñez, bedankt sich bei der Bundesregierung für ihre Anerkennung und stellt den Streitkräften des Landes eine Lizenz zum Töten bei der Niederschlagung von Protesten aus. Bei Operationen "zur Wiederherstellung der inneren Ordnung" seien die bolivianischen Militärs "von strafrechtlicher Verantwortung befreit", heißt es in einem Dekret, das Áñez am Freitag unterzeichnete. Am selben Tag wurden bei Protesten in Cochabamba gegen den Putsch mindestens neun Demonstranten erschossen. Zuvor hatte das Auswärtige Amt in Berlin Áñez offiziell als "Interimspräsidentin von Bolivien" bezeichnet. Während Beobachter vor einer Eskalation der Gewalt bis hinein in einen Bürgerkrieg warnen, haben die neuen Machthaber in La Paz - weit davon entfernt, sich auf Neuwahlen zu konzentrieren - umgehend angefangen, Bolivien außenpolitisch vollständig neu zu positionieren. Mit faktischer Billigung Berlins treiben sie Kuba und Venezuela noch mehr in die Isolation. Der Sturz der Regierungen beider Länder ist erklärtes Ziel Washingtons.
Anerkennung via Twitter
Die selbsternannte bolivianische Putschpräsidentin Jeanine Áñez bedankt sich bei der deutschen Regierung für ihre Anerkennung. Das Auswärtige Amt hatte bereits am Donnerstag via Twitter erklärt, man "begrüße", dass Áñez "als Interimspräsidentin von Bolivien" angekündigt habe, innerhalb von drei Monaten Wahlen anzusetzen. Áñez antwortete noch am selben Tag ebenfalls via Twitter, sie sei der Bundesregierung für die Mitteilung dankbar und verstehe sie als "Unterstützung für unsere Interimspräsidentschaft". Gleichzeitig bedankte sie sich bei US-Außenminister Mike Pompeo. Dieser hatte sie dafür gelobt, dass sie "die Rolle" der Interimspräsidentin "angenommen" habe. Tatsächlich hält Áñez den Posten illegal: Präsident Evo Morales wurde durch Drohungen der bolivianischen Armeeführung aus dem Land gejagt, ist also Opfer eines Putsches; zudem wurde sein von den Militärs erzwungenes Rücktrittsschreiben nicht, wie es Boliviens Verfassung ausdrücklich fordert, vom Senat akzeptiert. Morales ist rechtlich noch im Amt.
Wie in Österreich oder Wisconsin
Die faktische Anerkennung von Áñez als "Interimspräsidentin" Boliviens durch Berlin ist umso bemerkenswerter, als für die Legitimation des Umsturzes - angeblich eklatante Wahlfälschungen - nicht nur weiterhin Beweise fehlen; tatsächlich gehen namhafte Experten mittlerweile sogar davon aus, dass allenfalls marginale Unregelmäßigkeiten vorliegen, wie sie auch bei Wahlen in Europa und den USA zu verzeichnen sind. Die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) hatte Morales' Sturz am 10. November mit einem vorzeitig präsentierten, vorläufigen Bericht beschleunigt; darin wollte sie "Hinweise auf Unregelmäßigkeiten" bei der Übermittlung von 78 Ergebnisprotokollen erkannt haben - "0,22 Prozent aller Protokolle", wie das auf Lateinamerika spezialisierte Portal amerika21 berechnet hat.[1] Wie amerika21 weiter berichtet, kommt das Washingtoner Center for Economic and Policy Research (CEPR) in einer eigens angefertigten Analyse zu dem Schluss, bei den Auszählungsergebnissen seien keine Ungereimtheiten zu entdecken. Zudem urteilt Walter Mebane, ein Spezialist für Wahlfälschungen an der University of Michigan in Ann Arbor, es habe statistische Unregelmäßigkeiten lediglich in 274 der insgesamt 34.551 Wahllokale gegeben; die dabei festzustellenden Muster kenne man in ähnlicher Form von Wahlen aus Honduras, Österreich oder dem US-Bundesstaat Wisconsin. Einen Zweifel daran, dass Morales' Vorsprung über zehn Prozent betragen habe, ließen die Daten nicht zu.[2]
Lizenz zum Töten
Hinzu kommt, dass die vom Auswärtigen Amt als "Interimspräsidentin" titulierte Áñez bereits am Freitag ein Dekret unterzeichnet hat, das den Streitkräften freie Hand bei der Niederschlagung von Protesten gibt. Seit dem Putsch durch Boliviens weiße Elite kommt es zu Demonstrationen, Streiks und Straßenblockaden; sie werden vorwiegend von der indigenen Bevölkerung des Landes abgehalten, die Morales weithin unterstützt und Áñez' Abtritt fordert - binnen 48 Stunden, hieß es gestern. Die Blockaden führen inzwischen dazu, dass in La Paz Treibstoff und einige Lebensmittel knapp werden. Áñez verlangt die umgehende Beendigung der Proteste. Die Zahl der Todesopfer bei ihrer Niederschlagung ist gestern auf 23 gestiegen. Allein am Freitag kamen in Cochabamba beim Einsatz der Repressionskräfte gegen Demonstranten mindestens neun indigene Bolivianer zu Tode; alle wiesen Schussverletzungen auf.[3] Bereits zuvor waren Demonstranten in El Alto einem Einsatz von Polizei und Militär zum Opfer gefallen. Unklar ist, ob das mörderische Vorgehen der Repressionskräfte mit dem am Freitag von Áñez unterzeichneten Dekret in Verbindung zu bringen ist. In dem Dokument, das online einsehbar ist, heißt es nicht nur, "alle öffentlichen und privaten Organisationen und Institutionen des Staats" müssten sich bei Bedarf "den Kräften von Militär und Polizei zur Verfügung stellen".[4] Es heißt darüber hinaus, alle Angehörigen der Streitkräfte, die an Operationen "zur Wiederherstellung der inneren Ordnung" teilnähmen, seien "von strafrechtlicher Verantwortung befreit". Dies wird als Freibrief für die Militärs bei ihrem Vorgehen gegen die Demonstranten eingestuft. Kritiker sprechen von einer "Lizenz zum Töten" und warnen ausdrücklich vor einem Bürgerkrieg.
Außenpolitisch umgepolt
Unterdessen haben die selbsternannte "Interimspräsidentin" und ihre eigenmächtig eingesetzte "Regierung" weitreichende Maßnahmen eingeleitet. Geht es ihnen offiziell darum, ein angeblich gefälschtes Wahlergebnis zu korrigieren, so bestanden ihre ersten Aktivitäten jenseits der blutigen Niederschlagung der Proteste darin, Bolivien außenpolitisch vollständig neu zu positionieren und dabei vor allem Maßnahmen gegen Kuba und Venezuela einzuleiten. So müssen die mehr als 700 kubanischen Ärzte, die bislang dazu beitrugen, die bolivianische Gesundheitsversorgung zu verbessern, umgehend das Land verlassen. Es handelt sich offenkundig um Schritte, die unter rechten Regierungen auf dem Subkontinent abgesprochen sind; bereits zuvor hatten Brasilien und vergangene Woche auch Ecuador ähnliche Schritte eingeleitet. Der Einsatz kubanischer Ärzte kommt nicht nur verarmten Bevölkerungsschichten zugute; er trägt auch dazu bei, die Staatskasse Kubas zu finanzieren, das von der US-Totalblockade schwer geschädigt wird und sich nun auch noch völkerrechtswidriger extraterritorialer US-Sanktionen zu erwehren hat (german-foreign-policy.com berichtete [5]).
Putschisten unter sich
Darüber hinaus haben die neuen Machthaber in La Paz nicht nur begonnen, den diplomatischen Dienst des Landes vollständig umzukrempeln; so sind rund 80 Prozent der Botschafter Boliviens entlassen worden.[6] Zudem ist Boliviens Mitgliedschaft in dem von Venezuela gegründeten Bündnis ALBA ("Alternativa Bolivariana para los pueblos de Nuestra América") beendet worden. Die Putschregierung hat die diplomatischen Beziehungen zu Venezuela abgebrochen sowie die Mitarbeiter der venezolanischen Vertretungen aus dem Land ausgewiesen.[7] Dafür hat Áñez den venezolanischen Putschisten Juan Guaidó bereits am Donnerstag als "Präsidenten" seines Landes anerkannt; Guaidó hatte dies am Tag zuvor mit Áñez getan.
Tabula rasa
Guaidó, den auch die Bundesregierung als "Präsidenten" Venezuelas anerkennt, hat an diesem Wochenende zum wiederholten Mal zum Putsch in Caracas aufgerufen. Die Streitkräfte seien "der Faktor, der uns heute fehlt", erklärte Guaidó bei einer Kundgebung vor einigen Tausend seiner Anhänger, die - ähnlich wie in Bolivien - vorwiegend den alten weißen Eliten des Landes entstammen und den Sturz einer Regierung fordern, die sich stark auf indigene Bevölkerungsteile und auf die Unterschichten stützt. Die Militärs sollten endlich "eine Entscheidung fällen", forderte Guaidó.[8] Die Putschwelle zielt darauf ab, die letzten Regierungen Lateinamerikas, die nicht von den alten weißen Eliten getragen werden und nicht neoliberal orientiert sind, zu stürzen; dabei handelt es sich um ein offen erklärtes Ziel der Trump-Administration. Die Bundesregierung trägt dies mit der Anerkennung des Putschisten Guaidó sowie mit der De-facto-Anerkennung der Putschistin Áñez mit.
Mehr zum Thema: Berlin und der Putsch und Der Pakt der weißen Eliten.
[1], [2] Vilma Guzman, Jonatan Pfeifenberger: Bolivien: Kuba zieht Personal ab, unabhängige Berichte sehen keinen Wahlbetrug. amerika21.de 16.11.2019.
[3] Bajo pedidos de dimisión, Añez intenta cesar manifestaciones en Bolivia. elcomercio.com 17.11.2019.
[4] Carta blanca para la represión y la impunidad en Bolivia. pagina12.com.ar 16.11.2019.
[5] S. dazu Die Ära der Sanktionskriege (II).
[6] Gobierno retira a Bolivia de la ALBA y cesa a un 80% de los embajadores de Evo. opinion.com.bo 15.11.2019.
[7] Delegación diplomática de Venezuela en Bolivia vuelve a su país. opinion.com.bo 17.11.2019.
[8] Guaidó insistió con que los militares se rebelen. lmneuquen.com 17.11.2019.
Link ...jetzt anmelden!
Berlin und der Putsch (II)
18.11.2019
LA PAZ/BERLIN (Eigener Bericht) - Die selbsternannte Putschpräsidentin Boliviens, Jeanine Áñez, bedankt sich bei der Bundesregierung für ihre Anerkennung und stellt den Streitkräften des Landes eine Lizenz zum Töten bei der Niederschlagung von Protesten aus. Bei Operationen "zur Wiederherstellung der inneren Ordnung" seien die bolivianischen Militärs "von strafrechtlicher Verantwortung befreit", heißt es in einem Dekret, das Áñez am Freitag unterzeichnete. Am selben Tag wurden bei Protesten in Cochabamba gegen den Putsch mindestens neun Demonstranten erschossen. Zuvor hatte das Auswärtige Amt in Berlin Áñez offiziell als "Interimspräsidentin von Bolivien" bezeichnet. Während Beobachter vor einer Eskalation der Gewalt bis hinein in einen Bürgerkrieg warnen, haben die neuen Machthaber in La Paz - weit davon entfernt, sich auf Neuwahlen zu konzentrieren - umgehend angefangen, Bolivien außenpolitisch vollständig neu zu positionieren. Mit faktischer Billigung Berlins treiben sie Kuba und Venezuela noch mehr in die Isolation. Der Sturz der Regierungen beider Länder ist erklärtes Ziel Washingtons.
Anerkennung via Twitter
Die selbsternannte bolivianische Putschpräsidentin Jeanine Áñez bedankt sich bei der deutschen Regierung für ihre Anerkennung. Das Auswärtige Amt hatte bereits am Donnerstag via Twitter erklärt, man "begrüße", dass Áñez "als Interimspräsidentin von Bolivien" angekündigt habe, innerhalb von drei Monaten Wahlen anzusetzen. Áñez antwortete noch am selben Tag ebenfalls via Twitter, sie sei der Bundesregierung für die Mitteilung dankbar und verstehe sie als "Unterstützung für unsere Interimspräsidentschaft". Gleichzeitig bedankte sie sich bei US-Außenminister Mike Pompeo. Dieser hatte sie dafür gelobt, dass sie "die Rolle" der Interimspräsidentin "angenommen" habe. Tatsächlich hält Áñez den Posten illegal: Präsident Evo Morales wurde durch Drohungen der bolivianischen Armeeführung aus dem Land gejagt, ist also Opfer eines Putsches; zudem wurde sein von den Militärs erzwungenes Rücktrittsschreiben nicht, wie es Boliviens Verfassung ausdrücklich fordert, vom Senat akzeptiert. Morales ist rechtlich noch im Amt.
Wie in Österreich oder Wisconsin
Die faktische Anerkennung von Áñez als "Interimspräsidentin" Boliviens durch Berlin ist umso bemerkenswerter, als für die Legitimation des Umsturzes - angeblich eklatante Wahlfälschungen - nicht nur weiterhin Beweise fehlen; tatsächlich gehen namhafte Experten mittlerweile sogar davon aus, dass allenfalls marginale Unregelmäßigkeiten vorliegen, wie sie auch bei Wahlen in Europa und den USA zu verzeichnen sind. Die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) hatte Morales' Sturz am 10. November mit einem vorzeitig präsentierten, vorläufigen Bericht beschleunigt; darin wollte sie "Hinweise auf Unregelmäßigkeiten" bei der Übermittlung von 78 Ergebnisprotokollen erkannt haben - "0,22 Prozent aller Protokolle", wie das auf Lateinamerika spezialisierte Portal amerika21 berechnet hat.[1] Wie amerika21 weiter berichtet, kommt das Washingtoner Center for Economic and Policy Research (CEPR) in einer eigens angefertigten Analyse zu dem Schluss, bei den Auszählungsergebnissen seien keine Ungereimtheiten zu entdecken. Zudem urteilt Walter Mebane, ein Spezialist für Wahlfälschungen an der University of Michigan in Ann Arbor, es habe statistische Unregelmäßigkeiten lediglich in 274 der insgesamt 34.551 Wahllokale gegeben; die dabei festzustellenden Muster kenne man in ähnlicher Form von Wahlen aus Honduras, Österreich oder dem US-Bundesstaat Wisconsin. Einen Zweifel daran, dass Morales' Vorsprung über zehn Prozent betragen habe, ließen die Daten nicht zu.[2]
Lizenz zum Töten
Hinzu kommt, dass die vom Auswärtigen Amt als "Interimspräsidentin" titulierte Áñez bereits am Freitag ein Dekret unterzeichnet hat, das den Streitkräften freie Hand bei der Niederschlagung von Protesten gibt. Seit dem Putsch durch Boliviens weiße Elite kommt es zu Demonstrationen, Streiks und Straßenblockaden; sie werden vorwiegend von der indigenen Bevölkerung des Landes abgehalten, die Morales weithin unterstützt und Áñez' Abtritt fordert - binnen 48 Stunden, hieß es gestern. Die Blockaden führen inzwischen dazu, dass in La Paz Treibstoff und einige Lebensmittel knapp werden. Áñez verlangt die umgehende Beendigung der Proteste. Die Zahl der Todesopfer bei ihrer Niederschlagung ist gestern auf 23 gestiegen. Allein am Freitag kamen in Cochabamba beim Einsatz der Repressionskräfte gegen Demonstranten mindestens neun indigene Bolivianer zu Tode; alle wiesen Schussverletzungen auf.[3] Bereits zuvor waren Demonstranten in El Alto einem Einsatz von Polizei und Militär zum Opfer gefallen. Unklar ist, ob das mörderische Vorgehen der Repressionskräfte mit dem am Freitag von Áñez unterzeichneten Dekret in Verbindung zu bringen ist. In dem Dokument, das online einsehbar ist, heißt es nicht nur, "alle öffentlichen und privaten Organisationen und Institutionen des Staats" müssten sich bei Bedarf "den Kräften von Militär und Polizei zur Verfügung stellen".[4] Es heißt darüber hinaus, alle Angehörigen der Streitkräfte, die an Operationen "zur Wiederherstellung der inneren Ordnung" teilnähmen, seien "von strafrechtlicher Verantwortung befreit". Dies wird als Freibrief für die Militärs bei ihrem Vorgehen gegen die Demonstranten eingestuft. Kritiker sprechen von einer "Lizenz zum Töten" und warnen ausdrücklich vor einem Bürgerkrieg.
Außenpolitisch umgepolt
Unterdessen haben die selbsternannte "Interimspräsidentin" und ihre eigenmächtig eingesetzte "Regierung" weitreichende Maßnahmen eingeleitet. Geht es ihnen offiziell darum, ein angeblich gefälschtes Wahlergebnis zu korrigieren, so bestanden ihre ersten Aktivitäten jenseits der blutigen Niederschlagung der Proteste darin, Bolivien außenpolitisch vollständig neu zu positionieren und dabei vor allem Maßnahmen gegen Kuba und Venezuela einzuleiten. So müssen die mehr als 700 kubanischen Ärzte, die bislang dazu beitrugen, die bolivianische Gesundheitsversorgung zu verbessern, umgehend das Land verlassen. Es handelt sich offenkundig um Schritte, die unter rechten Regierungen auf dem Subkontinent abgesprochen sind; bereits zuvor hatten Brasilien und vergangene Woche auch Ecuador ähnliche Schritte eingeleitet. Der Einsatz kubanischer Ärzte kommt nicht nur verarmten Bevölkerungsschichten zugute; er trägt auch dazu bei, die Staatskasse Kubas zu finanzieren, das von der US-Totalblockade schwer geschädigt wird und sich nun auch noch völkerrechtswidriger extraterritorialer US-Sanktionen zu erwehren hat (german-foreign-policy.com berichtete [5]).
Putschisten unter sich
Darüber hinaus haben die neuen Machthaber in La Paz nicht nur begonnen, den diplomatischen Dienst des Landes vollständig umzukrempeln; so sind rund 80 Prozent der Botschafter Boliviens entlassen worden.[6] Zudem ist Boliviens Mitgliedschaft in dem von Venezuela gegründeten Bündnis ALBA ("Alternativa Bolivariana para los pueblos de Nuestra América") beendet worden. Die Putschregierung hat die diplomatischen Beziehungen zu Venezuela abgebrochen sowie die Mitarbeiter der venezolanischen Vertretungen aus dem Land ausgewiesen.[7] Dafür hat Áñez den venezolanischen Putschisten Juan Guaidó bereits am Donnerstag als "Präsidenten" seines Landes anerkannt; Guaidó hatte dies am Tag zuvor mit Áñez getan.
Tabula rasa
Guaidó, den auch die Bundesregierung als "Präsidenten" Venezuelas anerkennt, hat an diesem Wochenende zum wiederholten Mal zum Putsch in Caracas aufgerufen. Die Streitkräfte seien "der Faktor, der uns heute fehlt", erklärte Guaidó bei einer Kundgebung vor einigen Tausend seiner Anhänger, die - ähnlich wie in Bolivien - vorwiegend den alten weißen Eliten des Landes entstammen und den Sturz einer Regierung fordern, die sich stark auf indigene Bevölkerungsteile und auf die Unterschichten stützt. Die Militärs sollten endlich "eine Entscheidung fällen", forderte Guaidó.[8] Die Putschwelle zielt darauf ab, die letzten Regierungen Lateinamerikas, die nicht von den alten weißen Eliten getragen werden und nicht neoliberal orientiert sind, zu stürzen; dabei handelt es sich um ein offen erklärtes Ziel der Trump-Administration. Die Bundesregierung trägt dies mit der Anerkennung des Putschisten Guaidó sowie mit der De-facto-Anerkennung der Putschistin Áñez mit.
Mehr zum Thema: Berlin und der Putsch und Der Pakt der weißen Eliten.
[1], [2] Vilma Guzman, Jonatan Pfeifenberger: Bolivien: Kuba zieht Personal ab, unabhängige Berichte sehen keinen Wahlbetrug. amerika21.de 16.11.2019.
[3] Bajo pedidos de dimisión, Añez intenta cesar manifestaciones en Bolivia. elcomercio.com 17.11.2019.
[4] Carta blanca para la represión y la impunidad en Bolivia. pagina12.com.ar 16.11.2019.
[5] S. dazu Die Ära der Sanktionskriege (II).
[6] Gobierno retira a Bolivia de la ALBA y cesa a un 80% de los embajadores de Evo. opinion.com.bo 15.11.2019.
[7] Delegación diplomática de Venezuela en Bolivia vuelve a su país. opinion.com.bo 17.11.2019.
[8] Guaidó insistió con que los militares se rebelen. lmneuquen.com 17.11.2019.
Link ...jetzt anmelden!
•NEUER BEITRAG19.11.2019, 20:06 Uhr
EDIT: FPeregrin
19.11.2019, 20:07 Uhr
19.11.2019, 20:07 Uhr
Nutzer / in | |
FPeregrin | |
|
|
Bolivien: Putsch!
jW morgen:
Proteste und Repression
Bolivien: Demonstranten fordern Rücktritt von »Übergangspräsidentin«
Von Frederic Schnatterer
Der Widerstand gegen den Putsch in Bolivien hält mit unverminderter Stärke an. Auch am Montag (Ortszeit) fanden im ganzen Land Demonstrationen von Indigenen, Bauern und Gewerkschaftern statt. Insbesondere in La Paz, El Alto und Cochabamba forderten Tausende den Rücktritt der selbsternannten »Übergangspräsidentin« Jeanine Áñez. Bereits am Sonnabend war Áñez von mehreren Gewerkschaften eine Frist von 48 Stunden für ihren Rücktritt gesetzt worden. Zudem sind weiterhin viele der wichtigsten Fernstraßen des Landes von Bauern blockiert, weshalb mittlerweile mehrere bolivianische Großstädte über Versorgungsengpässe klagen. Schon am Wochenende mussten unter anderem La Paz, Cochabamba, El Alto und Sucre aus der Luft mit Lebensmitteln versorgt werden.
Bei den Protesten am Montag kam es erneut zu brutaler Repression von seiten der Polizei- und Militärkräfte. Dabei wurden nach Angaben der Protestierenden mindestens drei Personen durch Polizeikugeln verletzt, 25 Demonstranten wurden festgenommen. Erst am Wochenende waren in der Nähe von Cochabamba mindestens neun Menschen von Einsatzkräften getötet worden. Nach Angaben der bolivianischen Ombudsstelle starben im Laufe der Proteste gegen den Staatsstreich bisher 25 Personen, 125 wurden schwer verletzt. Ein am Freitag erlassenes Dekret stellt Soldaten, die Demonstranten töten, Straffreiheit in Aussicht.
Indes erhöhte die Putschistenregierung am Montag das den Streitkräften zur Verfügung stehende Budget. Per Dekret ordnete Áñez ein Mehr von über fünf Millionen US-Dollar für die Armee an, das für die Ausstattung der Soldaten eingesetzt werden solle. Und auch der Druck auf die Politiker der »Bewegung zum Sozialismus« (MAS) von Evo Morales wird erhöht. So kündigte Arturo Murillo, de facto der Innenminister der Putschregierung, am Montag die Schaffung einer Untergruppe der Staatsanwaltschaft an, die sich um die Strafverfolgung von MAS-Abgeordneten kümmern solle, die den »Umsturz« und den »Aufstand« beförderten.
Unterdessen gehen die Bemühungen um einen Dialog zur Beilegung der »Krise« weiter. Laut der Nachrichtenagentur Europa Press installierten die Bischofskonferenz, der UN-Sondergesandte für Bolivien, Jean Arnault, sowie ein EU-Delegierter am Montag einen »nationalen Dialog«. Ziel sei es, mit Vertretern der »Regierung«, politischer Parteien und der »Zivilgesellschaft« über Wege zur »Befriedung der Situation« zu diskutieren, wobei die Frage nach Neuwahlen zentral sei.
Trotz Lippenbekenntnissen hat Áñez solche bislang noch nicht angekündigt. Am Montag erklärte Morales aus dem mexikanischen Exil im Interview mit dpa: »Wenn sie zurücktreten würde, täte sie der Demokratie einen großen Gefallen.« Die Senatsabgeordnete Áñez hatte sich vor einer Woche ohne Votum zur »Übergangspräsidentin« erklärt, nachdem Morales von Militär und Polizei zum Rücktritt gezwungen worden war.
Link ...jetzt anmelden!
Ich zitiere mich mal wieder selbst: "Es bleibt spannend; so sicher ist für mich nicht, daß sich die Putsch-Bande hält!" (13. 11.)
Proteste und Repression
Bolivien: Demonstranten fordern Rücktritt von »Übergangspräsidentin«
Von Frederic Schnatterer
Der Widerstand gegen den Putsch in Bolivien hält mit unverminderter Stärke an. Auch am Montag (Ortszeit) fanden im ganzen Land Demonstrationen von Indigenen, Bauern und Gewerkschaftern statt. Insbesondere in La Paz, El Alto und Cochabamba forderten Tausende den Rücktritt der selbsternannten »Übergangspräsidentin« Jeanine Áñez. Bereits am Sonnabend war Áñez von mehreren Gewerkschaften eine Frist von 48 Stunden für ihren Rücktritt gesetzt worden. Zudem sind weiterhin viele der wichtigsten Fernstraßen des Landes von Bauern blockiert, weshalb mittlerweile mehrere bolivianische Großstädte über Versorgungsengpässe klagen. Schon am Wochenende mussten unter anderem La Paz, Cochabamba, El Alto und Sucre aus der Luft mit Lebensmitteln versorgt werden.
Bei den Protesten am Montag kam es erneut zu brutaler Repression von seiten der Polizei- und Militärkräfte. Dabei wurden nach Angaben der Protestierenden mindestens drei Personen durch Polizeikugeln verletzt, 25 Demonstranten wurden festgenommen. Erst am Wochenende waren in der Nähe von Cochabamba mindestens neun Menschen von Einsatzkräften getötet worden. Nach Angaben der bolivianischen Ombudsstelle starben im Laufe der Proteste gegen den Staatsstreich bisher 25 Personen, 125 wurden schwer verletzt. Ein am Freitag erlassenes Dekret stellt Soldaten, die Demonstranten töten, Straffreiheit in Aussicht.
Indes erhöhte die Putschistenregierung am Montag das den Streitkräften zur Verfügung stehende Budget. Per Dekret ordnete Áñez ein Mehr von über fünf Millionen US-Dollar für die Armee an, das für die Ausstattung der Soldaten eingesetzt werden solle. Und auch der Druck auf die Politiker der »Bewegung zum Sozialismus« (MAS) von Evo Morales wird erhöht. So kündigte Arturo Murillo, de facto der Innenminister der Putschregierung, am Montag die Schaffung einer Untergruppe der Staatsanwaltschaft an, die sich um die Strafverfolgung von MAS-Abgeordneten kümmern solle, die den »Umsturz« und den »Aufstand« beförderten.
Unterdessen gehen die Bemühungen um einen Dialog zur Beilegung der »Krise« weiter. Laut der Nachrichtenagentur Europa Press installierten die Bischofskonferenz, der UN-Sondergesandte für Bolivien, Jean Arnault, sowie ein EU-Delegierter am Montag einen »nationalen Dialog«. Ziel sei es, mit Vertretern der »Regierung«, politischer Parteien und der »Zivilgesellschaft« über Wege zur »Befriedung der Situation« zu diskutieren, wobei die Frage nach Neuwahlen zentral sei.
Trotz Lippenbekenntnissen hat Áñez solche bislang noch nicht angekündigt. Am Montag erklärte Morales aus dem mexikanischen Exil im Interview mit dpa: »Wenn sie zurücktreten würde, täte sie der Demokratie einen großen Gefallen.« Die Senatsabgeordnete Áñez hatte sich vor einer Woche ohne Votum zur »Übergangspräsidentin« erklärt, nachdem Morales von Militär und Polizei zum Rücktritt gezwungen worden war.
Link ...jetzt anmelden!
Ich zitiere mich mal wieder selbst: "Es bleibt spannend; so sicher ist für mich nicht, daß sich die Putsch-Bande hält!" (13. 11.)
•NEUER BEITRAG19.11.2019, 20:59 Uhr
Nutzer / in | |
arktika | |
|
|
Bolivien: Putsch!
Das Putschregime in Bolivien setzt auch massiv Faka-Accounts bei Twitter ein, um massenhafte Unterstützung des Putsches zu suggerieren. Dazu - und zu den Protesten im Land - ein Artikel von Harald Neuber und Vilma Guzmán heute auf amerika21:
Studie: Tausende Fake-Accounts stützen Putsch in Bolivien
La Paz/El Alto/Madrid. Das De-facto-Regime unter Senatorin Jeanine Áñez greift offenbar nicht nur auf Gewalt gegen Kritiker zurück, sondern auch auf massive Propaganda im Netz. So sollen im Kurznachrichtendienst Twitter im Laufe der vergangene Woche mehr als 68.000 Fake-Konten erstellt worden sein, um den Staatsstreich in Bolivien zu legitimieren. Das geht aus einer Untersuchung von Julián Macías Tovar, dem Social-Media-Verantwortlichen der spanischen Linkspartei Podemos, hervor. Unterstützt wird die These von dem IT-Experten Luciano Galup von der argentinischen Tageszeitung Página/12.
Obwohl der Einsatz von sogenannten Robots zur Verbreitung bestimmter Nachrichten gegen die Twitter-Richtlinien verstößt, haben die Abwehrmechanismen des Dienstes in diesem Fall bislang nicht gegriffen, schreibt Macías Tovar.
Die beiden Autoren wurden unabhängig voneinander auf eine große Menge neugegründeter Twitter-Accounts mit ähnlichen Herkunftspunkten aufmerksam, die, wie sie schreiben, kein normales Nutzerverhalten aufweisen. Sogenannte organische Konten auf Twitter werden von echten Usern betrieben, die sich nachvollziehbar im Netz bewegen, während falschen Konten automatisch generiert und von Robots betrieben werden.
Laut Macías Tovar ist das Konto des Putschanführers Luis Fernando Camacho von den sogenannten Bürgerkomitees in Santa Cruz in den letzten 15 Tagen von 3.000 auf 130.000 Anhänger angewachsen. Darunter befänden sich mehr als 50.000 Profile, die erst im November 2019 erstellt wurden, so die Studie von Macías Tovar.
Die Follower der selbsternannten De-facto-Präsidentin Áñez nahmen in den letzten zwei Wochen von 8.000 auf fast 150.000 zu. Mehr als 40.000 davon seien neu geschaffene Fake-Konten. Diese Konten haben meist nur einen Anhänger und verbreiten mit internationaler Unterstützung gefälschte Nachrichten.
Die meisten dieser Konten wurden vor dem 10. November erstellt, dem Tag, an dem das Militär den Rücktritt von Präsident Evo Morales forderte.
"Die Zahl der nachgewiesenen Fake-Konten würde sicherlich noch zunehmen, wenn wir weiterhin Konten analysieren, die systematisch Morales-kritische Hashtags im Netz verbreiten", sagte Macías Tovar, der noch auf einen anderen Umstand hinwies: Ein Twitter-Account aus den USA, der sich als Profil des Schauspielers Robert de Niro ausgibt, scheint einer der Ursprünge der Kampagne zu sein. "Meiner Meinung nach können 68.000 Twitter-Accounts nicht über Nacht ohne Zutun von US-Akteuren und stillschweigende Mitwirkung dieser Social-Networking-Plattform erstellt werden“, so Macías Tovar.
Unterdessen nimmt der Widerstand gegen den Putsch weiter zu. Am Montag erreichten mehrere Demonstrationszüge von indigenen Kleinbauern und Arbeitern aus verschiedenen Orten La Paz, um den Rücktritt von Áñez zu fordern. Die Protestierenden stellten ihr ein Ultimatum von 48 Stunden, andernfalls würden die Straßensperren und Streiks im ganzen Land verstärkt. Der Protest richtete sich auch gegen den Anführer des Bürgerkomitees von Santa Cruz, Fernando Camacho, und den Präsidentschaftskandidaten der rechten Opposition, Carlos Mesa, die maßgeblich am Putsch beteiligt waren. Camacho, ein Mitglied der christlichen Ultrarechten, war nach Morales‘ erzwungenem Rücktritt in den Präsidentenpalast gestürmt und hatte vor laufenden Kameras verkündet: "Die Bibel kehrt in den Regierungspalast zurück, Pachamama wird nie wieder zurückkommen."
Die Teilnehmer kamen auf dem zentralen Plaza Murillo von La Paz zusammen, wo sich auch der Regierungsitz und das Parlament befinden. Dort brachten sie erneut ihre Empörung über die Verbrennung der Whipala aus. Diese vielfarbige Fahne, die die indigenen Gemeinschaften des Landes repräsentiert, ist seit 2009 neben der traditonellen rot-gelb-grünen die offizielle Nationalflagge Sie wurde von Putschisten an öffentlichen Plätzen heruntergerissen und verbrannt, übergelaufene Polizisten trennten sie von ihren Uniformen ab. Dies hatte zu großer Empörung und Wut bei der indigenen Bevölkerung geführt. Die Protestierenden forderten zudem ein Ende der Repression seitens der Sicherheitskräfte, die an verschiedenen Orten des Land bereits mehr als 20 Tote und Hunderte Verletzte gefordert hat. Der lokalen Presse warfen sie vor, dass sie nicht über die Widerstandsbewegung und die brutale Unterdrückung berichtet.
Protestaktionen gegen den Putsch gab es nicht nur in La Paz, sondern auch in anderen Städten wie El Alto, Cochabamba, Sabada und Sucre und in ländlichen Gebieten.
n El Alto marschierten Kleinbauern und forderten ein Ende der Gewalt und den Rücktritt von Áñez. Drei Demonstrationszüge kamen in Cochabamba zusammen. Die Teilnehmer forderten auch Gerechtigkeit für die am vergangenen Freitag bei einem Einsatz der Sicherheitskräfte getöteten Kokabauern (amerika21 berichtete). Die sechs Gewerkschaften der "Cocaleros" der Provinz Chapare hatten Añez bereits am Samstagabend ein Ultimatum zum Rücktritt binnen 48 Stunden gestellt und die Einberufung von Wahlen innerhalb von 90 Tagen gefordert.
Die Autobahnen in Cochabamba, La Paz und Santa Cruz, welche die drei Departamentos verbinden, sind nach offiziellen Angaben an 68 Stellen blockiert.
Link ...jetzt anmelden!
Studie: Tausende Fake-Accounts stützen Putsch in Bolivien
La Paz/El Alto/Madrid. Das De-facto-Regime unter Senatorin Jeanine Áñez greift offenbar nicht nur auf Gewalt gegen Kritiker zurück, sondern auch auf massive Propaganda im Netz. So sollen im Kurznachrichtendienst Twitter im Laufe der vergangene Woche mehr als 68.000 Fake-Konten erstellt worden sein, um den Staatsstreich in Bolivien zu legitimieren. Das geht aus einer Untersuchung von Julián Macías Tovar, dem Social-Media-Verantwortlichen der spanischen Linkspartei Podemos, hervor. Unterstützt wird die These von dem IT-Experten Luciano Galup von der argentinischen Tageszeitung Página/12.
Obwohl der Einsatz von sogenannten Robots zur Verbreitung bestimmter Nachrichten gegen die Twitter-Richtlinien verstößt, haben die Abwehrmechanismen des Dienstes in diesem Fall bislang nicht gegriffen, schreibt Macías Tovar.
Die beiden Autoren wurden unabhängig voneinander auf eine große Menge neugegründeter Twitter-Accounts mit ähnlichen Herkunftspunkten aufmerksam, die, wie sie schreiben, kein normales Nutzerverhalten aufweisen. Sogenannte organische Konten auf Twitter werden von echten Usern betrieben, die sich nachvollziehbar im Netz bewegen, während falschen Konten automatisch generiert und von Robots betrieben werden.
Laut Macías Tovar ist das Konto des Putschanführers Luis Fernando Camacho von den sogenannten Bürgerkomitees in Santa Cruz in den letzten 15 Tagen von 3.000 auf 130.000 Anhänger angewachsen. Darunter befänden sich mehr als 50.000 Profile, die erst im November 2019 erstellt wurden, so die Studie von Macías Tovar.
Die Follower der selbsternannten De-facto-Präsidentin Áñez nahmen in den letzten zwei Wochen von 8.000 auf fast 150.000 zu. Mehr als 40.000 davon seien neu geschaffene Fake-Konten. Diese Konten haben meist nur einen Anhänger und verbreiten mit internationaler Unterstützung gefälschte Nachrichten.
Die meisten dieser Konten wurden vor dem 10. November erstellt, dem Tag, an dem das Militär den Rücktritt von Präsident Evo Morales forderte.
"Die Zahl der nachgewiesenen Fake-Konten würde sicherlich noch zunehmen, wenn wir weiterhin Konten analysieren, die systematisch Morales-kritische Hashtags im Netz verbreiten", sagte Macías Tovar, der noch auf einen anderen Umstand hinwies: Ein Twitter-Account aus den USA, der sich als Profil des Schauspielers Robert de Niro ausgibt, scheint einer der Ursprünge der Kampagne zu sein. "Meiner Meinung nach können 68.000 Twitter-Accounts nicht über Nacht ohne Zutun von US-Akteuren und stillschweigende Mitwirkung dieser Social-Networking-Plattform erstellt werden“, so Macías Tovar.
Unterdessen nimmt der Widerstand gegen den Putsch weiter zu. Am Montag erreichten mehrere Demonstrationszüge von indigenen Kleinbauern und Arbeitern aus verschiedenen Orten La Paz, um den Rücktritt von Áñez zu fordern. Die Protestierenden stellten ihr ein Ultimatum von 48 Stunden, andernfalls würden die Straßensperren und Streiks im ganzen Land verstärkt. Der Protest richtete sich auch gegen den Anführer des Bürgerkomitees von Santa Cruz, Fernando Camacho, und den Präsidentschaftskandidaten der rechten Opposition, Carlos Mesa, die maßgeblich am Putsch beteiligt waren. Camacho, ein Mitglied der christlichen Ultrarechten, war nach Morales‘ erzwungenem Rücktritt in den Präsidentenpalast gestürmt und hatte vor laufenden Kameras verkündet: "Die Bibel kehrt in den Regierungspalast zurück, Pachamama wird nie wieder zurückkommen."
Die Teilnehmer kamen auf dem zentralen Plaza Murillo von La Paz zusammen, wo sich auch der Regierungsitz und das Parlament befinden. Dort brachten sie erneut ihre Empörung über die Verbrennung der Whipala aus. Diese vielfarbige Fahne, die die indigenen Gemeinschaften des Landes repräsentiert, ist seit 2009 neben der traditonellen rot-gelb-grünen die offizielle Nationalflagge Sie wurde von Putschisten an öffentlichen Plätzen heruntergerissen und verbrannt, übergelaufene Polizisten trennten sie von ihren Uniformen ab. Dies hatte zu großer Empörung und Wut bei der indigenen Bevölkerung geführt. Die Protestierenden forderten zudem ein Ende der Repression seitens der Sicherheitskräfte, die an verschiedenen Orten des Land bereits mehr als 20 Tote und Hunderte Verletzte gefordert hat. Der lokalen Presse warfen sie vor, dass sie nicht über die Widerstandsbewegung und die brutale Unterdrückung berichtet.
Protestaktionen gegen den Putsch gab es nicht nur in La Paz, sondern auch in anderen Städten wie El Alto, Cochabamba, Sabada und Sucre und in ländlichen Gebieten.
n El Alto marschierten Kleinbauern und forderten ein Ende der Gewalt und den Rücktritt von Áñez. Drei Demonstrationszüge kamen in Cochabamba zusammen. Die Teilnehmer forderten auch Gerechtigkeit für die am vergangenen Freitag bei einem Einsatz der Sicherheitskräfte getöteten Kokabauern (amerika21 berichtete). Die sechs Gewerkschaften der "Cocaleros" der Provinz Chapare hatten Añez bereits am Samstagabend ein Ultimatum zum Rücktritt binnen 48 Stunden gestellt und die Einberufung von Wahlen innerhalb von 90 Tagen gefordert.
Die Autobahnen in Cochabamba, La Paz und Santa Cruz, welche die drei Departamentos verbinden, sind nach offiziellen Angaben an 68 Stellen blockiert.
Link ...jetzt anmelden!
•NEUER BEITRAG19.11.2019, 21:05 Uhr
Nutzer / in | |
arktika | |
|
|
Bolivien: Putsch!
Und noch ein Text auf amerika21, von Marco Teruggi ebenfalls heute veröffentlicht, ist sehr informativ:
Die Hölle und der Putschplan in Bolivien
Die Putschisten haben sich getäuscht und eine Reaktion ausgelöst, die sie in diesem Ausmaß nicht einkalkuliert hatten
"Du gehst und ich bleibe hier in dieser Hölle", sagte der Taxifahrer zu mir, als er mich am Flughafen von El Alto absetzte. Es ist keine Metapher: Der erste Tag des Putsches, der Montag, war apokalyptisch.
Es gab Dutzende von Straßenblockaden aus Stacheldraht, Gruppen mit Stöcken in jeder Ecke, Demonstrationszüge aus verschiedenen Stadtteilen, Menschenmassen mit Stöcken, Steinen, Schleudern und Hüten, Polizeiwachen brannten, Wut, so viel Wut, wie ich sie in meinem Leben selten erlebt habe. Und Blut, viel Blut auf dem Boden, in den Videos, in den Worten.
Seit diesem Montag gibt es in allen Straßen von El Alto Whipala-Fahnen. Jeden Tag gehen die Menschen auf die Straße. Jede Nacht gibt es Mahnwachen, Feuer, eine unumstößliche Entscheidung. Sie aktivierten das historische Aymara-Gedächtnis, alt und auch neu, wie vom Aufstand von 2003, bei dem sechzig Menschen getötet wurden. "Mesa, Dreckskerl, der Oktober wird nicht vergessen."
Die Putschisten haben einen so schwerwiegenden Fehler begangen, dass es keine versöhnliche Inszenierung mehr gibt, um die Eskalation zu stoppen, die aus verschiedenen Teilen des Landes in Richtung La Paz, das Zentrum der politischen Macht vordringt. Verschiedene Forderungen sind zusammengekommen und richten sich gegen einen gemeinsamen Feind, der aus vier Komponenten besteht: Fernando Camacho, Carlos Mesa, Jeanine Añez und die Nationale Polizei.
Die Hauptforderung ist der Rücktritt der selbsternannten Añez. Und die Radikalität hat ihren Ursprung im ausschließenden, anti-indigenen Staatsstreich, der sich in dem Mangel an Respekt vor Whipalas und in den Aggressionen gegen Frauen, die lange Röcke tragen, das heißt Indigene sind, ausgedrückt hat.
Es sind diese Slogans, die bei jeder Mobilisierung, die von El Alto nach La Paz kommt, von den Bewohnern dieser Stadt, von den Hochländern, den Bewohnern des tropischen Flachlands, von den Minen und Yungas wiederholt werden. Sie kommen durch die El Prado-Straße bis zum Plaza Murillo, dem Ort, an dem der Staatsstreich in Fakten und Symbolen stattfand.
Die Putschisten haben sich getäuscht und eine Reaktion ausgelöst, die sie in diesem Ausmaß nicht einkalkuliert hatten. Die erste Antwort angesichts der Eskalation war die der Streitkräfte, die in einem faktischen Ausnahmezustand raus auf die Straßen gegangen sind. Militärflugzeuge kreisen, Hubschrauber, Panzer (jetzt mit der Whipala) werden in La Paz, El Alto, auf den Autobahnen des Landes eingesetzt.
Was ist der Plan derer, die den Putsch durchgeführt haben? Das ist die zentrale Frage. Es werden wohl drei Schritte sein. Der erste, der erreicht wurde, war der Sturz der Regierung unter der Führung von Evo Morales und Álvaro García Linera. Der zweite, der in Teilen umgesetzt wurde, ist die Schaffung einer institutionellen Fiktion, die sich in der Selbsternennung von Añez, der Einsetzung von Ministern und der Führungsriegen der Streitkräfte und der Polizei materialisierte.
Dieser zweite Schritt hat noch einen Haken: das Parlament, das aus zwei Kammern besteht und in der Hand der Bewegung zum Sozialismus (Movimiento Al Socialismo, MAS) ist, die über eine Zweidrittelmehrheit verfügt und neue Vorsitzende gewählt hat. Die putschistische Struktur muss das Problem lösen, wie sie angesichts dieses Szenarios vorgeht: die gesetzgebende Gewalt in einem Akt des Putsches auflösen, oder eine Vereinbarung mit der MAS suchen.
Letzteres hat mit dem dritten Schritt zu tun: der Einberufung von Wahlen. Die Strategie der Putschisten scheint diesen Ausweg von Beginn an erwogen zu haben: Es ist kein Staatsstreich, der auf unbestimmte Zeit einen General oder eine Junta einsetzt, sondern sich als verfassungsmäßig und mit dem Versprechen für Wahlen in kurzer Zeit präsentiert.
Das bedeutet also, die Möglichkeit von Wahlen zu eröffnen und die notwendigen Bedingungen für diesen Tag geschaffen zu haben. Diese Bedingungen zu schaffen, damit wurde bereits vor dem Sturz von Morales begonnen: Verfolgungen, Morde, Massaker, zu denen nun auch Verhaftungen kommen, wobei die Rechtsstaatlichkeit gebrochen und unter absoluter Straflosigkeit gehandelt wird. Der eingesetzte Regierungsminister hat es gesagt, "die Jagd" hat begonnen.
Viele Punkte sind noch ungelöst und die Entwicklung wird unter anderem vom Druck der Straße abhängen, ebenso von der politischen und parlamemtarischen Strategie der MAS. Ein Punkt ist, ob der heterogene und innerhalb der Putschisten umstrittene Plan darauf abzielt, die MAS zu verbieten oder aber ihr zu erlauben, in einer Situation der Verfolgung ihrer Kader und Anführer bei den Wahlen anzutreten.
Die andere zentrale Frage ist: Was ist die Strategie des Widerstands gegen den Putsch? Manche Antworten sind schon darin enthalten, wie dem laufenden Putsch entgegengetreten wurde: Ohne klare Vorgaben, die ein organisiertes Vorgehen erreicht hätten, besonders in den letzten Tagen. Die Massenmobilisierungen in der Phase der Eskalation haben den Vollzug des Putsches verzögert, ohne ihn stoppen zu können, während im Innern Säulen der Unterstützung wegbrachen, bis hinein in die Streitkräfte.
Aufrufen von Evo Morales zur Mobilisierung wurde gefolgt, aber unkoordiniert und ohne unmittelbare Wirkung, und beim Schlussangriff war die Straße verloren. Eine Antwort darauf zu finden, warum das so war, beinhaltet, sich zu fragen, wie es aktuell um die Bewegungen und darüber hinaus um den Veränderungsprozess zur Stunde des Putsches bestellt war.
>>>>>
Die Hölle und der Putschplan in Bolivien
Die Putschisten haben sich getäuscht und eine Reaktion ausgelöst, die sie in diesem Ausmaß nicht einkalkuliert hatten
"Du gehst und ich bleibe hier in dieser Hölle", sagte der Taxifahrer zu mir, als er mich am Flughafen von El Alto absetzte. Es ist keine Metapher: Der erste Tag des Putsches, der Montag, war apokalyptisch.
Es gab Dutzende von Straßenblockaden aus Stacheldraht, Gruppen mit Stöcken in jeder Ecke, Demonstrationszüge aus verschiedenen Stadtteilen, Menschenmassen mit Stöcken, Steinen, Schleudern und Hüten, Polizeiwachen brannten, Wut, so viel Wut, wie ich sie in meinem Leben selten erlebt habe. Und Blut, viel Blut auf dem Boden, in den Videos, in den Worten.
Seit diesem Montag gibt es in allen Straßen von El Alto Whipala-Fahnen. Jeden Tag gehen die Menschen auf die Straße. Jede Nacht gibt es Mahnwachen, Feuer, eine unumstößliche Entscheidung. Sie aktivierten das historische Aymara-Gedächtnis, alt und auch neu, wie vom Aufstand von 2003, bei dem sechzig Menschen getötet wurden. "Mesa, Dreckskerl, der Oktober wird nicht vergessen."
Die Putschisten haben einen so schwerwiegenden Fehler begangen, dass es keine versöhnliche Inszenierung mehr gibt, um die Eskalation zu stoppen, die aus verschiedenen Teilen des Landes in Richtung La Paz, das Zentrum der politischen Macht vordringt. Verschiedene Forderungen sind zusammengekommen und richten sich gegen einen gemeinsamen Feind, der aus vier Komponenten besteht: Fernando Camacho, Carlos Mesa, Jeanine Añez und die Nationale Polizei.
Die Hauptforderung ist der Rücktritt der selbsternannten Añez. Und die Radikalität hat ihren Ursprung im ausschließenden, anti-indigenen Staatsstreich, der sich in dem Mangel an Respekt vor Whipalas und in den Aggressionen gegen Frauen, die lange Röcke tragen, das heißt Indigene sind, ausgedrückt hat.
Es sind diese Slogans, die bei jeder Mobilisierung, die von El Alto nach La Paz kommt, von den Bewohnern dieser Stadt, von den Hochländern, den Bewohnern des tropischen Flachlands, von den Minen und Yungas wiederholt werden. Sie kommen durch die El Prado-Straße bis zum Plaza Murillo, dem Ort, an dem der Staatsstreich in Fakten und Symbolen stattfand.
Die Putschisten haben sich getäuscht und eine Reaktion ausgelöst, die sie in diesem Ausmaß nicht einkalkuliert hatten. Die erste Antwort angesichts der Eskalation war die der Streitkräfte, die in einem faktischen Ausnahmezustand raus auf die Straßen gegangen sind. Militärflugzeuge kreisen, Hubschrauber, Panzer (jetzt mit der Whipala) werden in La Paz, El Alto, auf den Autobahnen des Landes eingesetzt.
Was ist der Plan derer, die den Putsch durchgeführt haben? Das ist die zentrale Frage. Es werden wohl drei Schritte sein. Der erste, der erreicht wurde, war der Sturz der Regierung unter der Führung von Evo Morales und Álvaro García Linera. Der zweite, der in Teilen umgesetzt wurde, ist die Schaffung einer institutionellen Fiktion, die sich in der Selbsternennung von Añez, der Einsetzung von Ministern und der Führungsriegen der Streitkräfte und der Polizei materialisierte.
Dieser zweite Schritt hat noch einen Haken: das Parlament, das aus zwei Kammern besteht und in der Hand der Bewegung zum Sozialismus (Movimiento Al Socialismo, MAS) ist, die über eine Zweidrittelmehrheit verfügt und neue Vorsitzende gewählt hat. Die putschistische Struktur muss das Problem lösen, wie sie angesichts dieses Szenarios vorgeht: die gesetzgebende Gewalt in einem Akt des Putsches auflösen, oder eine Vereinbarung mit der MAS suchen.
Letzteres hat mit dem dritten Schritt zu tun: der Einberufung von Wahlen. Die Strategie der Putschisten scheint diesen Ausweg von Beginn an erwogen zu haben: Es ist kein Staatsstreich, der auf unbestimmte Zeit einen General oder eine Junta einsetzt, sondern sich als verfassungsmäßig und mit dem Versprechen für Wahlen in kurzer Zeit präsentiert.
Das bedeutet also, die Möglichkeit von Wahlen zu eröffnen und die notwendigen Bedingungen für diesen Tag geschaffen zu haben. Diese Bedingungen zu schaffen, damit wurde bereits vor dem Sturz von Morales begonnen: Verfolgungen, Morde, Massaker, zu denen nun auch Verhaftungen kommen, wobei die Rechtsstaatlichkeit gebrochen und unter absoluter Straflosigkeit gehandelt wird. Der eingesetzte Regierungsminister hat es gesagt, "die Jagd" hat begonnen.
Viele Punkte sind noch ungelöst und die Entwicklung wird unter anderem vom Druck der Straße abhängen, ebenso von der politischen und parlamemtarischen Strategie der MAS. Ein Punkt ist, ob der heterogene und innerhalb der Putschisten umstrittene Plan darauf abzielt, die MAS zu verbieten oder aber ihr zu erlauben, in einer Situation der Verfolgung ihrer Kader und Anführer bei den Wahlen anzutreten.
Die andere zentrale Frage ist: Was ist die Strategie des Widerstands gegen den Putsch? Manche Antworten sind schon darin enthalten, wie dem laufenden Putsch entgegengetreten wurde: Ohne klare Vorgaben, die ein organisiertes Vorgehen erreicht hätten, besonders in den letzten Tagen. Die Massenmobilisierungen in der Phase der Eskalation haben den Vollzug des Putsches verzögert, ohne ihn stoppen zu können, während im Innern Säulen der Unterstützung wegbrachen, bis hinein in die Streitkräfte.
Aufrufen von Evo Morales zur Mobilisierung wurde gefolgt, aber unkoordiniert und ohne unmittelbare Wirkung, und beim Schlussangriff war die Straße verloren. Eine Antwort darauf zu finden, warum das so war, beinhaltet, sich zu fragen, wie es aktuell um die Bewegungen und darüber hinaus um den Veränderungsprozess zur Stunde des Putsches bestellt war.
>>>>>
•NEUER BEITRAG19.11.2019, 21:08 Uhr
Nutzer / in | |
arktika | |
|
|
>>>>>
Ein Beispiel für diese Situation kann man in El Alto sehen, wo die größte Organisation, der Verband der Nachbarschaftsräte (Federación de Juntas Vecinales, Fejuve), sich in zwei Fraktionen gespalten hat: eine regierungsnahe, die andere oppositionell, und das Bürgermeisteramt in der Hand der Opposition. Am Mittwoch fand eine Volksversammlung statt, bei der versucht werden sollte, eine neue, einheitliche Leitung zu bilden – da die bisherige sehr umstritten war –, aber das Ziel wurde noch nicht erreicht.
Drei zentrale Aspekte lassen sich feststellen: An erster Stelle, dass die Person Evo Morales, ihre Verteidigung und Rückkehr, keine vereinheitlichende Forderung ist, zumindest vorerst. Zweitens, dass die Anführer der Bewegungen in vielen Fällen Erscheinungen von Abnutzung und Spaltungen zeigen. In El Alto gibt es eine große Kraft und Radikalität, aber (noch) ohne Linie oder fähige Leitung. Drittens, eine Stragie zu entwickeln, welche die Bewegungen – wie jene die zur Coordinadora Nacional para el Cambio5gehören – mit der Gewerkschaftszentrale COB und dem parlamentarischen Bereich im Rahmen eines gemeinsamen Plans verbindet und organisiert, ist eine ebenso unabdingbare wie komplexe Aufgabe.
Viele Fragen können im Moment nur aufgeworfen werden.
In Bolivien selbst gibt es sehr wenig Informationen, jede befragte Person dankt der internationalen Presse, dass sie da ist. Die bolivianischen Journalisten, die nicht mit der Darstellung der Putschisten einig sind, werden an ihren Wohnorten, Arbeitsplätzen und telefonisch bedroht. Die De-facto-Kommunikationsministerin hat bekräftigt, dass sie "Journalisten und Pseudojournalisten" wegen "Aufwiegelung" strafrechtlich verfolgen wird. Jede Diktatur braucht Medien, die ihre Darstellung reproduzieren und ansonsten schweigen.
***
Freitag Nachmittag: Es kommen Bilder vom Massaker in Cochabamba, bisher gibt es vier Tote.
***
Wir sind in der Phase der Offensive des Putsches, in der sich die Repression, die Verfolgung und die Morde beschleunigen und ausbreiten. Es gibt viele Genossinnen und Genossen, die bedroht werden, die in Botschaften sind, in einem Ausnahmezustand, in dem kein Gesetz mehr gilt außer dem, das für den Staatsstreich in diesem entscheidenden Moment benötigt wird.
Sein Ziel ist es, die Kräfte des Veränderungsprozesses zu enthaupten, zu dezimieren und zu spalten und zu verhindern, dass sich der Widerstand gemeinsam organisiert und dass es bei der nächsten Wahl eine Alternative gibt.
"Du gehst und ich bleibe in dieser Hölle", wiederhole ich für mich, während ich in den Kalender schaue und mich frage, was am Samstag in Venezuela passieren wird, von wo aus ich diese Zeilen schreibe. Die Rechte hat Mobilisierungen angekündigt und man weiß, es geht nicht um Juan Guaidó, sondern um diejenigen, die Strategien anweisen und finanzieren, in Venezuela genauso wie in Bolivien und auf kontinentaler Ebene, und die in der Phase der Offensive sind.
Was in dem Land geschieht, das Evo Morales verlassen musste, um Asyl zu bekommen, ist kein isoliertes Ereignis, es ist ein Plan, der für mehrere Länder entwickelt worden ist. Die Hölle ist eine Karte, die sie für uns reserviert haben.
15. November 2019
Der Autor Marco Teruggi aus Argentinien lebt seit 2013 in Venezuela und arbeitet als Journalist
unter Link ...jetzt anmelden!
Ein Beispiel für diese Situation kann man in El Alto sehen, wo die größte Organisation, der Verband der Nachbarschaftsräte (Federación de Juntas Vecinales, Fejuve), sich in zwei Fraktionen gespalten hat: eine regierungsnahe, die andere oppositionell, und das Bürgermeisteramt in der Hand der Opposition. Am Mittwoch fand eine Volksversammlung statt, bei der versucht werden sollte, eine neue, einheitliche Leitung zu bilden – da die bisherige sehr umstritten war –, aber das Ziel wurde noch nicht erreicht.
Drei zentrale Aspekte lassen sich feststellen: An erster Stelle, dass die Person Evo Morales, ihre Verteidigung und Rückkehr, keine vereinheitlichende Forderung ist, zumindest vorerst. Zweitens, dass die Anführer der Bewegungen in vielen Fällen Erscheinungen von Abnutzung und Spaltungen zeigen. In El Alto gibt es eine große Kraft und Radikalität, aber (noch) ohne Linie oder fähige Leitung. Drittens, eine Stragie zu entwickeln, welche die Bewegungen – wie jene die zur Coordinadora Nacional para el Cambio5gehören – mit der Gewerkschaftszentrale COB und dem parlamentarischen Bereich im Rahmen eines gemeinsamen Plans verbindet und organisiert, ist eine ebenso unabdingbare wie komplexe Aufgabe.
Viele Fragen können im Moment nur aufgeworfen werden.
In Bolivien selbst gibt es sehr wenig Informationen, jede befragte Person dankt der internationalen Presse, dass sie da ist. Die bolivianischen Journalisten, die nicht mit der Darstellung der Putschisten einig sind, werden an ihren Wohnorten, Arbeitsplätzen und telefonisch bedroht. Die De-facto-Kommunikationsministerin hat bekräftigt, dass sie "Journalisten und Pseudojournalisten" wegen "Aufwiegelung" strafrechtlich verfolgen wird. Jede Diktatur braucht Medien, die ihre Darstellung reproduzieren und ansonsten schweigen.
***
Freitag Nachmittag: Es kommen Bilder vom Massaker in Cochabamba, bisher gibt es vier Tote.
***
Wir sind in der Phase der Offensive des Putsches, in der sich die Repression, die Verfolgung und die Morde beschleunigen und ausbreiten. Es gibt viele Genossinnen und Genossen, die bedroht werden, die in Botschaften sind, in einem Ausnahmezustand, in dem kein Gesetz mehr gilt außer dem, das für den Staatsstreich in diesem entscheidenden Moment benötigt wird.
Sein Ziel ist es, die Kräfte des Veränderungsprozesses zu enthaupten, zu dezimieren und zu spalten und zu verhindern, dass sich der Widerstand gemeinsam organisiert und dass es bei der nächsten Wahl eine Alternative gibt.
"Du gehst und ich bleibe in dieser Hölle", wiederhole ich für mich, während ich in den Kalender schaue und mich frage, was am Samstag in Venezuela passieren wird, von wo aus ich diese Zeilen schreibe. Die Rechte hat Mobilisierungen angekündigt und man weiß, es geht nicht um Juan Guaidó, sondern um diejenigen, die Strategien anweisen und finanzieren, in Venezuela genauso wie in Bolivien und auf kontinentaler Ebene, und die in der Phase der Offensive sind.
Was in dem Land geschieht, das Evo Morales verlassen musste, um Asyl zu bekommen, ist kein isoliertes Ereignis, es ist ein Plan, der für mehrere Länder entwickelt worden ist. Die Hölle ist eine Karte, die sie für uns reserviert haben.
15. November 2019
Der Autor Marco Teruggi aus Argentinien lebt seit 2013 in Venezuela und arbeitet als Journalist
unter Link ...jetzt anmelden!
•NEUER BEITRAG24.11.2019, 18:18 Uhr
EDIT: retmarut
24.11.2019, 18:27 Uhr
24.11.2019, 18:27 Uhr
Nutzer / in | |
retmarut | |
|
|
Bolivien: Putsch!
Interview mit Morales, der sich weiterhin im mexikanischen Exil befindet, in SPON. Mittlerweile wird auch in SPON von Putsch gesprochen.
Link ...jetzt anmelden!
Die OAS hat übrigens immer noch keine Belege für eine Wahlmanipulation geliefert: Link ...jetzt anmelden!
Derweil haben die beiden Parlamentskammern den Weg für Neuwahlen (Parlaments- und Präsidentschaftswahlen, zudem Neubesetzung der Wahlkommission) freigemacht. Die Vereinbarung, die zwischen MAS und Opposition ausgehandelt wurde, sieht zudem vor, dass weder Evo Morales noch sein Stellvertreter Lineras erneut an den Wahlen teilnehmen dürfen.
Link ...jetzt anmelden!
Link ...jetzt anmelden!
Die OAS hat übrigens immer noch keine Belege für eine Wahlmanipulation geliefert: Link ...jetzt anmelden!
Derweil haben die beiden Parlamentskammern den Weg für Neuwahlen (Parlaments- und Präsidentschaftswahlen, zudem Neubesetzung der Wahlkommission) freigemacht. Die Vereinbarung, die zwischen MAS und Opposition ausgehandelt wurde, sieht zudem vor, dass weder Evo Morales noch sein Stellvertreter Lineras erneut an den Wahlen teilnehmen dürfen.
Link ...jetzt anmelden!
•NEUER BEITRAG24.11.2019, 21:56 Uhr
Nutzer / in | |
FPeregrin | |
|
|
Ich füge mal an - aus der jW von morgen -:
Wahlen ohne Morales
Boliviens Parlament beschließt Gesetz zu erneuter Abstimmung. Präsident wird ausgeschlossen
Von Volker Hermsdorf
Während die Proteste nach dem Staatsstreich gegen Boliviens linken Präsidenten Evo Morales andauerten, haben am Sonnabend (Ortszeit) sowohl Senat als auch Abgeordnetenhaus ein 24 Artikel umfassendes Gesetz zur Durchführung von Neuwahlen verabschiedet. Damit wurden die Ergebnisse der Präsidentschaftswahl vom 20. Oktober für ungültig erklärt und dem vor den Putschisten ins mexikanische Exil geflohenen Morales eine erneute Kandidatur verwehrt. Dessen Anhänger wurden auch am Wochenende von Militär und Polizei verfolgt. Bis zum Sonnabend hatten die Auseinandersetzungen bereits mehr als 30 Todesopfer gefordert, etwa 1.000 Personen sollen bisher verletzt worden sein. Während die Senatorin Adriana Salvatierra von Morales’ Partei »Bewegung zum Sozialismus« (MAS) den vom Senat verabschiedeten Gesetzesentwurf begrüßte und die Behörden aufforderte, die Repression einzustellen, kritisierten soziale Aktivisten im Onlineportal Resumen Latinoamericano, dass mit Vertretern der »faschistischen Diktatur inmitten eines Blutbades« Gespräche geführt wurden.
Nach dem Gesetz sollen außer Morales auch alle anderen Politiker, die in den vergangenen zwei Legislaturperioden durchgehend ein Amt innehatten, nicht erneut für die gleiche Position kandidieren dürfen. Das trifft unter anderem auf Vizepräsident Álvaro García Linera zu, der sich ebenfalls im mexikanischen Exil befindet. Von dort aus hatte er der spanischen Agentur EFE am Donnerstag bestätigt, dass weder er noch Morales an den nächsten Wahlen teilnehmen wollen. Sie forderten aber, im Land sein zu dürfen. »Wir werden keine Kandidaten sein, aber wir haben laut Verfassung das Recht zu sprechen, eine Meinung zu äußern, zu denken, jemanden vorzuschlagen und zu unterstützen«, erklärte García Linera. Genau das wollen die Putschisten jedoch mit allen Mitteln verhindern. Vorsorglich stellte der Innenminister des De-facto-Regimes, Arturo Murillo, am Freitag Strafantrag gegen den gestürzten Präsidenten. Dieser organisiere aus dem Exil heraus die Proteste gegen die neue Regierung, begründete Murillo den gegen Morales erhobenen Vorwurf der Rebellion und des Terrorismus.
Ladengalerie
Wie der lateinamerikanische Sender Telesur am Sonntag meldete, werden die Parlamentswahlen voraussichtlich im Februar nächsten Jahres stattfinden. Nun muss das Parlament innerhalb von 20 Tagen das Oberste Wahlgericht (TSE) bestellen. Nach dessen Konstituierung werden die Wahlen dann innerhalb von weiteren zwei Monaten durchgeführt. Einem Bericht der bolivianischen Nachrichtenagentur ABI zufolge hatten an der Sitzung auch Vertreter der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) »in ihrer Eigenschaft als Mediatoren« teilgenommen. Das birgt neuen Sprengstoff, denn die OAS hatte mit dem bis heute nicht belegten Vorwurf eines Wahlbetrugs zugunsten von Morales und MAS den Vorwand für gewalttätige Proteste der rechten Opposition geliefert, die das Land wochenlang erschütterten. Am 10. November war daraufhin der gewählte Präsident durch einen Militärputsch gestürzt worden. Nur zwei Tage später ernannte sich die Senatorin Jeanine Áñez, deren erzkonservative Partei »Movimiento Demócrata Social« seit der Wahl vom 20. Oktober lediglich vier von 130 Abgeordneten des Unterhauses und nur einen von 36 Senatoren stellt, selbst zur »Interimspräsidentin«. Seit dem Putsch gehen die neuen Machthaber mit äußerster Brutalität gegen ihre Kritiker vor. Ein von Áñez kürzlich erlassenes Dekret sieht zudem vor, dass Soldaten nach der Tötung von Protestierenden dafür nicht mehr gerichtlich belangt werden können.
Mittlerweile verdichten sich die Hinweise auf eine direkte Beteiligung der USA am Militärputsch. »Ja, die Vereinigten Staaten sind darin verwickelt«, erklärte der Leiter des russischen Auslandsgeheimdienstes SWR, Sergej Naryschkin, am Sonnabend gegenüber der Nachrichtenagentur Sputnik. Er geht davon aus, dass sich die Krise in Bolivien fortsetzt. »Washington braucht die Krise, um den politischen Kurs des Landes zu ändern. Was dort passiert, steht im Einklang mit den Vorgängen in Venezuela. Das sind zwei Glieder derselben Kette«, erklärte Naryschki. Seine Einschätzung wird durch einen am 13. November in der Onlinezeitung The Grayzone veröffentlichten Beitrag des US-Journalisten und Buchautors Jeb Sprague untermauert, demzufolge mindestens sechs der wichtigsten Putschisten, darunter der Armeechef, General Williams Kaliman, und der nationale Polizeichef, General Vladimir Yuri Calderón, Absolventen der berüchtigten »School of the Americas« sind. US-Militärs haben dort sowohl Verhör- und Folterspezialisten als auch zahlreiche hohe Militärs der Region ausgebildet. Die im Dezember 2000 formell geschlossene Einrichtung firmiert heute unter der Bezeichnung »Western Hemisphere Institute for Security Cooperation« als Ausbildungsstätte für lateinamerikanische Militärs weiter. Morales ist mittlerweile davon überzeugt, dass ein Absturz seines Hubschraubers am 4. November kein Zufall, sondern ein Attentatsversuch war, der von dem bolivianischen Luftwaffengeneral Jorge Gonzalo Terceros Lara ausgeführt wurde.
Link ...jetzt anmelden!
Wahlen ohne Morales
Boliviens Parlament beschließt Gesetz zu erneuter Abstimmung. Präsident wird ausgeschlossen
Von Volker Hermsdorf
Während die Proteste nach dem Staatsstreich gegen Boliviens linken Präsidenten Evo Morales andauerten, haben am Sonnabend (Ortszeit) sowohl Senat als auch Abgeordnetenhaus ein 24 Artikel umfassendes Gesetz zur Durchführung von Neuwahlen verabschiedet. Damit wurden die Ergebnisse der Präsidentschaftswahl vom 20. Oktober für ungültig erklärt und dem vor den Putschisten ins mexikanische Exil geflohenen Morales eine erneute Kandidatur verwehrt. Dessen Anhänger wurden auch am Wochenende von Militär und Polizei verfolgt. Bis zum Sonnabend hatten die Auseinandersetzungen bereits mehr als 30 Todesopfer gefordert, etwa 1.000 Personen sollen bisher verletzt worden sein. Während die Senatorin Adriana Salvatierra von Morales’ Partei »Bewegung zum Sozialismus« (MAS) den vom Senat verabschiedeten Gesetzesentwurf begrüßte und die Behörden aufforderte, die Repression einzustellen, kritisierten soziale Aktivisten im Onlineportal Resumen Latinoamericano, dass mit Vertretern der »faschistischen Diktatur inmitten eines Blutbades« Gespräche geführt wurden.
Nach dem Gesetz sollen außer Morales auch alle anderen Politiker, die in den vergangenen zwei Legislaturperioden durchgehend ein Amt innehatten, nicht erneut für die gleiche Position kandidieren dürfen. Das trifft unter anderem auf Vizepräsident Álvaro García Linera zu, der sich ebenfalls im mexikanischen Exil befindet. Von dort aus hatte er der spanischen Agentur EFE am Donnerstag bestätigt, dass weder er noch Morales an den nächsten Wahlen teilnehmen wollen. Sie forderten aber, im Land sein zu dürfen. »Wir werden keine Kandidaten sein, aber wir haben laut Verfassung das Recht zu sprechen, eine Meinung zu äußern, zu denken, jemanden vorzuschlagen und zu unterstützen«, erklärte García Linera. Genau das wollen die Putschisten jedoch mit allen Mitteln verhindern. Vorsorglich stellte der Innenminister des De-facto-Regimes, Arturo Murillo, am Freitag Strafantrag gegen den gestürzten Präsidenten. Dieser organisiere aus dem Exil heraus die Proteste gegen die neue Regierung, begründete Murillo den gegen Morales erhobenen Vorwurf der Rebellion und des Terrorismus.
Ladengalerie
Wie der lateinamerikanische Sender Telesur am Sonntag meldete, werden die Parlamentswahlen voraussichtlich im Februar nächsten Jahres stattfinden. Nun muss das Parlament innerhalb von 20 Tagen das Oberste Wahlgericht (TSE) bestellen. Nach dessen Konstituierung werden die Wahlen dann innerhalb von weiteren zwei Monaten durchgeführt. Einem Bericht der bolivianischen Nachrichtenagentur ABI zufolge hatten an der Sitzung auch Vertreter der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) »in ihrer Eigenschaft als Mediatoren« teilgenommen. Das birgt neuen Sprengstoff, denn die OAS hatte mit dem bis heute nicht belegten Vorwurf eines Wahlbetrugs zugunsten von Morales und MAS den Vorwand für gewalttätige Proteste der rechten Opposition geliefert, die das Land wochenlang erschütterten. Am 10. November war daraufhin der gewählte Präsident durch einen Militärputsch gestürzt worden. Nur zwei Tage später ernannte sich die Senatorin Jeanine Áñez, deren erzkonservative Partei »Movimiento Demócrata Social« seit der Wahl vom 20. Oktober lediglich vier von 130 Abgeordneten des Unterhauses und nur einen von 36 Senatoren stellt, selbst zur »Interimspräsidentin«. Seit dem Putsch gehen die neuen Machthaber mit äußerster Brutalität gegen ihre Kritiker vor. Ein von Áñez kürzlich erlassenes Dekret sieht zudem vor, dass Soldaten nach der Tötung von Protestierenden dafür nicht mehr gerichtlich belangt werden können.
Mittlerweile verdichten sich die Hinweise auf eine direkte Beteiligung der USA am Militärputsch. »Ja, die Vereinigten Staaten sind darin verwickelt«, erklärte der Leiter des russischen Auslandsgeheimdienstes SWR, Sergej Naryschkin, am Sonnabend gegenüber der Nachrichtenagentur Sputnik. Er geht davon aus, dass sich die Krise in Bolivien fortsetzt. »Washington braucht die Krise, um den politischen Kurs des Landes zu ändern. Was dort passiert, steht im Einklang mit den Vorgängen in Venezuela. Das sind zwei Glieder derselben Kette«, erklärte Naryschki. Seine Einschätzung wird durch einen am 13. November in der Onlinezeitung The Grayzone veröffentlichten Beitrag des US-Journalisten und Buchautors Jeb Sprague untermauert, demzufolge mindestens sechs der wichtigsten Putschisten, darunter der Armeechef, General Williams Kaliman, und der nationale Polizeichef, General Vladimir Yuri Calderón, Absolventen der berüchtigten »School of the Americas« sind. US-Militärs haben dort sowohl Verhör- und Folterspezialisten als auch zahlreiche hohe Militärs der Region ausgebildet. Die im Dezember 2000 formell geschlossene Einrichtung firmiert heute unter der Bezeichnung »Western Hemisphere Institute for Security Cooperation« als Ausbildungsstätte für lateinamerikanische Militärs weiter. Morales ist mittlerweile davon überzeugt, dass ein Absturz seines Hubschraubers am 4. November kein Zufall, sondern ein Attentatsversuch war, der von dem bolivianischen Luftwaffengeneral Jorge Gonzalo Terceros Lara ausgeführt wurde.
Link ...jetzt anmelden!
•NEUER BEITRAG25.11.2019, 19:40 Uhr
Nutzer / in | |
FPeregrin | |
|
|
PdL zum bolivianischen Putsch
Schwere Geburt! jW morgen:
Solidarität mit Morales
Parteivorstand der Linkspartei wendet sich gegen rechten Putsch in Bolivien. Kritik an ursprünglicher Beschlussvorlage
Von Kristian Stemmler
Rund zwei Wochen nach dem rechten Putsch in Bolivien hat sich der Bundesvorstand der Partei Die Linke zu den Vorgängen in dem südamerikanischen Land geäußert. »Die Linke verurteilt den Putsch gegen den Präsidenten Evo Morales in Bolivien«, heißt es in einem einstimmig gefassten Beschluss des Gremiums vom Sonntag. Morales sei »von der meuternden Polizei und der Militärführung« zum Rücktritt gezwungen worden, obwohl er bereits den geforderten Neuwahlen zugestimmt hatte. Auch die Gewalt von Militär und Polizei, die bereits viele Verletzte und Tote gefordert hat, verurteilte der Parteivorstand und solidarisierte sich mit dem Widerstand gegen den Putsch.
Mit dem Beschluss folgte der Parteivorstand nach kurzer Debatte einem Antrag der stellvertretenden Bundesvorsitzenden und Bundestagsabgeordneten Christine Buchholz. Es sei in der Diskussion auch um »mögliche Versäumnisse« der Regierung Morales gegangen, sagte diese am Montag gegenüber jW. Aber es habe Einigkeit darüber geherrscht, dass die Solidarität mit Morales und den Protesten gegen den Putsch im Zentrum der Erklärung stehen müsse. »Der rechte Putsch zielt darauf, die Errungenschaften der sozialen und indigenen Bewegungen zu beseitigen«, unterstrich Buchholz. Die Bewegungen hätten sich in mehreren Aufständen seit dem Jahr 2000 gegen die neoliberale Politik der bolivianischen Oberschicht, zum Beispiel gegen die Privatisierung des Wassers und des Erdgases, aufgelehnt und die Wahlsiege von Morales und seiner Partei, der MAS, getragen.
Der Linke-Vorstand stellt auch klar, dass aus seiner Sicht die Selbsternennung der rechten Oppositionspolitikerin Jeanine Áñez zur Präsidentin einen Bruch der Verfassung darstelle. »Ihr Dekret zur Straflosigkeit von Polizei und Militär bedroht die Demokratie«, heißt es im Beschluss. Die Bundesregierung dürfe »die Putschisten nicht legitimieren«. Man sei »angesichts der anhaltenden Repression und rechten Hetze der alten Eliten Boliviens« besorgt über das am Sonntag von Áñez unterzeichnete Gesetz, auf dessen Grundlage Neuwahlen durchgeführt werden sollen. Die Wahlen müssten, so die Parteispitze, durch internationale Wahlbeobachter begleitet werden. Weiter heißt es in dem Text, Die Linke sei besorgt »über die Welle von Gewalt und Rassismus gegenüber der indigenen Bevölkerung, linken Strukturen und den Abgeordneten der MAS-Partei«.
Der Parteivorstand bekräftigte explizit den Beschluss des Bundesausschusses vom 17. November, der nach einem Dringlichkeitsantrag von Vertretern der Landesverbände Niedersachsen und Hamburg bei einigen Gegenstimmen und Enthaltungen verabschiedet worden war. Der Bundesausschuss hatte den Putsch in Bolivien verurteilt und sich mit »der rechtmäßigen Regierung und dem geflohenen Präsidenten Evo Morales« solidarisiert.
Auch zu den Motiven für den Umsturz in dem lateinamerikanischen Land hatte der Bundesausschuss sich deutlich geäußert. Ein »handfester Grund« für den Putsch sei »die Kontrolle über Boliviens Rohstoffe, in erster Linie das Lithium, die der Staat unter der MAS in die Hände der Nation legte, um aus den Gewinnen soziale Umverteilung zugunsten der Armen zu finanzieren«. Ein »zweiter und entscheidender Grund« sei der »rassistische Hass der alten Elite«. Für diese sei es auch nach mehr als einem Jahrzehnt des Wandels »weiterhin inakzeptabel, dass Evo Morales der indigenen Mehrheit nicht nur kulturelle Würde gab, sondern ihr die politische Entscheidungsmacht in den staatlichen Institutionen in die Hände legte«.
Nach jW-Informationen war der Dringlichkeitsantrag gegenüber dem Bundesausschuss damit begründet worden, dass der dem geschäftsführenden Parteivorstand zu diesem Zeitpunkt vorliegende Entwurf von Christine Buchholz Passagen beinhaltet habe, die auf eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten Boliviens hinausliefen, weil darin »indirekt Ratschläge« erteilt worden seien. Eine solche Erklärung in der Öffentlichkeit widerspreche der internationalistischen Haltung der Partei Die Linke und könne als indirekte Rechtfertigung des Putsches interpretiert werden. Bemängelt worden sei auch, dass der Entwurf von Buchholz zwar eine Kritik an dem Putsch, aber keine Solidarisierung mit der gestürzten Morales-Regierung beinhaltet habe.
Vor den Parteigremien hatte sich bereits am 11. November Sahra Wagenknecht, zu dem Zeitpunkt noch Kovorsitzende der Bundestagsfraktion, zu dem Putsch geäußert. Alle sozialen Errungenschaften und die kulturellen Rechte der indigenen Bevölkerung, die unter der Präsidentschaft von Evo Morales geschaffen worden seien, stünden auf dem Spiel, so Wagenknecht. Am 13. November hatte die stellvertretende Fraktionschefin Heike Hänsel die Selbsternennung von Áñez zur Interimspräsidentin kritisiert.
Link ...jetzt anmelden!
Solidarität mit Morales
Parteivorstand der Linkspartei wendet sich gegen rechten Putsch in Bolivien. Kritik an ursprünglicher Beschlussvorlage
Von Kristian Stemmler
Rund zwei Wochen nach dem rechten Putsch in Bolivien hat sich der Bundesvorstand der Partei Die Linke zu den Vorgängen in dem südamerikanischen Land geäußert. »Die Linke verurteilt den Putsch gegen den Präsidenten Evo Morales in Bolivien«, heißt es in einem einstimmig gefassten Beschluss des Gremiums vom Sonntag. Morales sei »von der meuternden Polizei und der Militärführung« zum Rücktritt gezwungen worden, obwohl er bereits den geforderten Neuwahlen zugestimmt hatte. Auch die Gewalt von Militär und Polizei, die bereits viele Verletzte und Tote gefordert hat, verurteilte der Parteivorstand und solidarisierte sich mit dem Widerstand gegen den Putsch.
Mit dem Beschluss folgte der Parteivorstand nach kurzer Debatte einem Antrag der stellvertretenden Bundesvorsitzenden und Bundestagsabgeordneten Christine Buchholz. Es sei in der Diskussion auch um »mögliche Versäumnisse« der Regierung Morales gegangen, sagte diese am Montag gegenüber jW. Aber es habe Einigkeit darüber geherrscht, dass die Solidarität mit Morales und den Protesten gegen den Putsch im Zentrum der Erklärung stehen müsse. »Der rechte Putsch zielt darauf, die Errungenschaften der sozialen und indigenen Bewegungen zu beseitigen«, unterstrich Buchholz. Die Bewegungen hätten sich in mehreren Aufständen seit dem Jahr 2000 gegen die neoliberale Politik der bolivianischen Oberschicht, zum Beispiel gegen die Privatisierung des Wassers und des Erdgases, aufgelehnt und die Wahlsiege von Morales und seiner Partei, der MAS, getragen.
Der Linke-Vorstand stellt auch klar, dass aus seiner Sicht die Selbsternennung der rechten Oppositionspolitikerin Jeanine Áñez zur Präsidentin einen Bruch der Verfassung darstelle. »Ihr Dekret zur Straflosigkeit von Polizei und Militär bedroht die Demokratie«, heißt es im Beschluss. Die Bundesregierung dürfe »die Putschisten nicht legitimieren«. Man sei »angesichts der anhaltenden Repression und rechten Hetze der alten Eliten Boliviens« besorgt über das am Sonntag von Áñez unterzeichnete Gesetz, auf dessen Grundlage Neuwahlen durchgeführt werden sollen. Die Wahlen müssten, so die Parteispitze, durch internationale Wahlbeobachter begleitet werden. Weiter heißt es in dem Text, Die Linke sei besorgt »über die Welle von Gewalt und Rassismus gegenüber der indigenen Bevölkerung, linken Strukturen und den Abgeordneten der MAS-Partei«.
Der Parteivorstand bekräftigte explizit den Beschluss des Bundesausschusses vom 17. November, der nach einem Dringlichkeitsantrag von Vertretern der Landesverbände Niedersachsen und Hamburg bei einigen Gegenstimmen und Enthaltungen verabschiedet worden war. Der Bundesausschuss hatte den Putsch in Bolivien verurteilt und sich mit »der rechtmäßigen Regierung und dem geflohenen Präsidenten Evo Morales« solidarisiert.
Auch zu den Motiven für den Umsturz in dem lateinamerikanischen Land hatte der Bundesausschuss sich deutlich geäußert. Ein »handfester Grund« für den Putsch sei »die Kontrolle über Boliviens Rohstoffe, in erster Linie das Lithium, die der Staat unter der MAS in die Hände der Nation legte, um aus den Gewinnen soziale Umverteilung zugunsten der Armen zu finanzieren«. Ein »zweiter und entscheidender Grund« sei der »rassistische Hass der alten Elite«. Für diese sei es auch nach mehr als einem Jahrzehnt des Wandels »weiterhin inakzeptabel, dass Evo Morales der indigenen Mehrheit nicht nur kulturelle Würde gab, sondern ihr die politische Entscheidungsmacht in den staatlichen Institutionen in die Hände legte«.
Nach jW-Informationen war der Dringlichkeitsantrag gegenüber dem Bundesausschuss damit begründet worden, dass der dem geschäftsführenden Parteivorstand zu diesem Zeitpunkt vorliegende Entwurf von Christine Buchholz Passagen beinhaltet habe, die auf eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten Boliviens hinausliefen, weil darin »indirekt Ratschläge« erteilt worden seien. Eine solche Erklärung in der Öffentlichkeit widerspreche der internationalistischen Haltung der Partei Die Linke und könne als indirekte Rechtfertigung des Putsches interpretiert werden. Bemängelt worden sei auch, dass der Entwurf von Buchholz zwar eine Kritik an dem Putsch, aber keine Solidarisierung mit der gestürzten Morales-Regierung beinhaltet habe.
Vor den Parteigremien hatte sich bereits am 11. November Sahra Wagenknecht, zu dem Zeitpunkt noch Kovorsitzende der Bundestagsfraktion, zu dem Putsch geäußert. Alle sozialen Errungenschaften und die kulturellen Rechte der indigenen Bevölkerung, die unter der Präsidentschaft von Evo Morales geschaffen worden seien, stünden auf dem Spiel, so Wagenknecht. Am 13. November hatte die stellvertretende Fraktionschefin Heike Hänsel die Selbsternennung von Áñez zur Interimspräsidentin kritisiert.
Link ...jetzt anmelden!
•NEUER BEITRAG29.11.2019, 00:03 Uhr
Nutzer / in | |
FPeregrin | |
|
|
Bolivien: Putsch!
jW heute:
Konterrevolution marschiert
Mit Gewalt und Lügen ist es der Rechten Boliviens gelungen, Evo Morales abzusetzen. Eine vorläufige Bilanz
Von André Scheer
Knapp drei Wochen nach dem Staatsstreich in Bolivien sitzt das Putschistenregime offenbar fester im Sattel, als in den ersten Tagen nach dem Sturz von Präsident Evo Morales am 10. November zu erwarten gewesen ist. Während vor allem im Hochland die Proteste weitergehen, haben sich führende Vertreter der bisherigen Regierungspartei »Bewegung zum Sozialismus« (MAS), die in beiden Kammern des Parlaments über die absolute Mehrheit verfügt, sowie von bislang mit der gestürzten Regierung verbündeten Gewerkschaften und sozialen Bewegungen zu Abkommen mit dem Regime von Jeanine Áñez bereitgefunden.
Trotzdem warnt der Journalist Marco Teruggi davor, der MAS Verrat vorzuwerfen. Vielmehr sei die sich abzeichnende Entwicklung die wahrscheinlichste gewesen, schrieb er am Montag auf Facebook: »Die nationale und internationale Putscharchitektur hatte von Anfang an eine Lösung durch Wahlen vorgesehen, sobald die Bedingungen geschaffen sein würden, um sich zu legitimieren. Niemals ging es darum, auf unbestimmte Zeit eine De-facto-Regierung zu installieren. Es schien auch klar zu sein, dass die MAS im Parlament darauf setzen würde, Wahlen unter den am wenigsten ungünstigen Umständen zu erreichen, also als Partei antreten zu können und Garantien für Evo durchzusetzen.«¹ Letzteres scheint gescheitert zu sein. Morales hat am 24. November gegenüber der argentinischen Tageszeitung Página 12 erklärt, auf eine erneute Kandidatur zu verzichten, also nicht gegen seinen Ausschluss vorzugehen.
Lithium: Stoff für Akkus
Zu den Hintergründen seines Sturzes sagte er dem Blatt: »Mein großes Vergehen ist es, Indio zu sein, und vor allem, die Bodenschätze wie Erdöl und Erdgas nationalisiert zu haben.« Seine Gegner hätten die Wirtschaftspolitik und die Sozialprogramme der Regierung nicht hinnehmen wollen, insbesondere weil das Land nach der 2006 erfolgten Verstaatlichung der Naturressourcen damit begonnen habe, diese unter eigener Regie zu verarbeiten. »Unser großes Projekt war, die Lithiumproduktion zu industrialisieren. Doch die transnationalen Konzerne und einige Gruppen aus Chile wollten nicht, dass wir das fortsetzen.«² Stimmt das, oder handelt es sich dabei nur um eine »Verschwörungstheorie«, wie es etwa der Fernsehsender Euronews auf seiner englischsprachigen Homepage formulierte?³
Lithium wird vor allem für Akkus benötigt, die in Smartphones und Laptops, aber auch in Elektroautos eingesetzt werden. Deshalb äußerte Uruguays früherer Präsident José »Pepe« Mujica bereits am Tag des Putsches in Bolivien den Verdacht, dass der Staatsstreich durch die großen Lithiumvorkommen motiviert sei: »Bolivien ist sehr reich. Man sagt, dass es über 70 Prozent des für die Herstellung neuer Batterien unverzichtbaren Materials verfügt. (…) Ich klage niemanden an, weil ich keine Beweise habe, aber aufgrund der Geschichte hege ich Misstrauen.« Der Neoliberalismus zögere nicht, zu »faschistoiden Methoden« zu greifen, wird der ehemalige Staatschef vom uruguayischen Internetportal La Red 21 zitiert.⁴
Oft übersehen wird allerdings, dass Lithium auch eine strategische Bedeutung für das Militär hat. So veröffentlichte die vom Südkommando der US-Streitkräfte (Southcom) herausgegebene Zeitschrift Diálogo im November 2014 einen Artikel unter der Überschrift »Optimale Batterien können auf dem Schlachtfeld den entscheidenden Unterschied ausmachen«.⁵ Mit Lithiumakkus gesteuerte Waffen seien deutlich zuverlässiger als solche, die sich auf Alkalineenergiequellen stützen, heißt es in dem Beitrag.
Einer Veröffentlichung des U.S. Geological Survey (USGS), einer Wissenschaftseinrichtung des US-Innenministeriums, zufolge werden die Lithiumreserven weltweit auf 62 Millionen Tonnen geschätzt. Die größten Vorkommen gibt es demnach in Argentinien mit 14,8 Millionen Tonnen, gefolgt von Bolivien mit mehr als neun Millionen. In Chile wurden dem Bericht zufolge Lagerstätten im Umfang von 8,5 Millionen Tonnen lokalisiert. Zum Vergleich: In den USA sollen 6,8 Millionen Tonnen liegen, in China 4,5 Millionen. Das USGS stellte deshalb im vergangenen Februar fest: »Die zuverlässige Versorgung mit Lithium ist zu einer Toppriorität für Technologieunternehmen in den Vereinigten Staaten und Asien geworden.«⁶
Die bolivianische Regierung schätzte die Vorkommen im eigenen Land sogar auf mehr als 20 Millionen Tonnen, womit es über die größten Reserven der Welt verfügen würde. In mehreren Publikationen ist auch die Rede davon, dass 85 Prozent der weltweiten Lithiumvorkommen auf das »Dreieck« Argentinien, Bolivien, Chile entfallen sollen.⁷ Um diese Rohstoffe konkurrieren die großen Wirtschaftsmächte, insbesondere China und die USA.
Vor diesem Hintergrund ist ein Beitrag beachtenswert, der am 7. November – vier Tage vor dem Sturz von Evo Morales – in der bereits erwähnten Zeitschrift des US-Militärs, Diálogo, in der Rubrik »Transnationale Bedrohungen« erschien. Unter der Überschrift »Chinesische Unternehmen beuten bolivianisches Lithium aus«⁸ weist die Autorin Julieta Pelcastre darin nicht nur darauf hin, dass die Bevölkerung des südamerikanischen Landes keine Vorteile von diesem Geschäft habe, sondern zitiert auch ausführlich Kritiken der »Beobachtungsstelle für Bergbaukonflikte in Lateinamerika« (OCMAL), das vor ökologischen Folgen des Lithiumabbaus warnt.
In einer Analyse, die ohne Datumsangabe – aber nach dem Staatsstreich – auf der Homepage des Lateinamerikanischen Rates der Sozialwissenschaften (Clacso) veröffentlicht wurde, erinnert Agustina Sánchez an die chinesische »Belt and Road Initiative« (»Neue Seidenstraße«). Die in diesem Rahmen betriebenen Projekte zum Ausbau von Handels- und Infrastrukturnetzen bedrohten weltweit die Hegemonie der USA. Als Reaktion darauf habe die Trump-Administration die Monroe-Doktrin »Amerika den Amerikanern« als Instrument ihrer Außenpolitik gegenüber Lateinamerika und der Karibik reaktiviert. »Daraus lässt sich schnell folgern, dass alle in unseren Ländern durchgeführten Aktionen, die dazu geeignet sein können, die Hegemonie der Vereinigten Staaten in der Region in Frage zu stellen, in den Fokus der Außenpolitik des Landes im Norden geraten.«⁹
Doch nicht nur China konkurriert in Südamerika mit den USA, auch deutsche Unternehmen bemühen sich um Zugriff auf die wertvollen Rohstoffe. So hatte im vergangenen Dezember die Firma ACI System aus Baden-Württemberg ein Gemeinschaftsunternehmen mit der staatlichen bolivianischen Gesellschaft YLB gegründet, um in Uyuni Lithium zu fördern. Dagegen gab es insbesondere im Vorfeld der Präsidentschaftswahl vom 20. Oktober Proteste. Die Gegner des Projekts bemängelten, dass die örtliche Bevölkerung nicht ausreichend davon profitieren würde. Offenbar war diese konkrete Kritik jedoch vor allem ein Vehikel, um allgemeinpolitische Forderungen nach »mehr Demokratie« und nach einem Sturz von Präsident Morales und seinem Stellvertreter Álvaro García Linera zu transportieren.
Offenbar als Reaktion auf die Proteste meldete die staatliche Nachrichtenagentur ABI am 3. November für die deutschen Partner überraschend, dass das dem Gemeinschaftsunternehmen zugrundeliegende Dekret außer Kraft gesetzt worden sei.¹⁰ In einem Interview mit der Deutschen Presseagentur erläuterte Morales am 19. November, »kleine Gruppen« unter dem »schlechten Einfluss chilenischer Berater« hätten sich gegen das Projekt gestellt. Es habe aber bereits weit fortgeschrittene Pläne gegeben, bis Ende des Jahres in Uyuni eine autonome Region zu schaffen und das Problem damit zu lösen. »Das war unser Plan. Der ist nun aber durchkreuzt.«¹¹
>>>
Konterrevolution marschiert
Mit Gewalt und Lügen ist es der Rechten Boliviens gelungen, Evo Morales abzusetzen. Eine vorläufige Bilanz
Von André Scheer
Knapp drei Wochen nach dem Staatsstreich in Bolivien sitzt das Putschistenregime offenbar fester im Sattel, als in den ersten Tagen nach dem Sturz von Präsident Evo Morales am 10. November zu erwarten gewesen ist. Während vor allem im Hochland die Proteste weitergehen, haben sich führende Vertreter der bisherigen Regierungspartei »Bewegung zum Sozialismus« (MAS), die in beiden Kammern des Parlaments über die absolute Mehrheit verfügt, sowie von bislang mit der gestürzten Regierung verbündeten Gewerkschaften und sozialen Bewegungen zu Abkommen mit dem Regime von Jeanine Áñez bereitgefunden.
Trotzdem warnt der Journalist Marco Teruggi davor, der MAS Verrat vorzuwerfen. Vielmehr sei die sich abzeichnende Entwicklung die wahrscheinlichste gewesen, schrieb er am Montag auf Facebook: »Die nationale und internationale Putscharchitektur hatte von Anfang an eine Lösung durch Wahlen vorgesehen, sobald die Bedingungen geschaffen sein würden, um sich zu legitimieren. Niemals ging es darum, auf unbestimmte Zeit eine De-facto-Regierung zu installieren. Es schien auch klar zu sein, dass die MAS im Parlament darauf setzen würde, Wahlen unter den am wenigsten ungünstigen Umständen zu erreichen, also als Partei antreten zu können und Garantien für Evo durchzusetzen.«¹ Letzteres scheint gescheitert zu sein. Morales hat am 24. November gegenüber der argentinischen Tageszeitung Página 12 erklärt, auf eine erneute Kandidatur zu verzichten, also nicht gegen seinen Ausschluss vorzugehen.
Lithium: Stoff für Akkus
Zu den Hintergründen seines Sturzes sagte er dem Blatt: »Mein großes Vergehen ist es, Indio zu sein, und vor allem, die Bodenschätze wie Erdöl und Erdgas nationalisiert zu haben.« Seine Gegner hätten die Wirtschaftspolitik und die Sozialprogramme der Regierung nicht hinnehmen wollen, insbesondere weil das Land nach der 2006 erfolgten Verstaatlichung der Naturressourcen damit begonnen habe, diese unter eigener Regie zu verarbeiten. »Unser großes Projekt war, die Lithiumproduktion zu industrialisieren. Doch die transnationalen Konzerne und einige Gruppen aus Chile wollten nicht, dass wir das fortsetzen.«² Stimmt das, oder handelt es sich dabei nur um eine »Verschwörungstheorie«, wie es etwa der Fernsehsender Euronews auf seiner englischsprachigen Homepage formulierte?³
Lithium wird vor allem für Akkus benötigt, die in Smartphones und Laptops, aber auch in Elektroautos eingesetzt werden. Deshalb äußerte Uruguays früherer Präsident José »Pepe« Mujica bereits am Tag des Putsches in Bolivien den Verdacht, dass der Staatsstreich durch die großen Lithiumvorkommen motiviert sei: »Bolivien ist sehr reich. Man sagt, dass es über 70 Prozent des für die Herstellung neuer Batterien unverzichtbaren Materials verfügt. (…) Ich klage niemanden an, weil ich keine Beweise habe, aber aufgrund der Geschichte hege ich Misstrauen.« Der Neoliberalismus zögere nicht, zu »faschistoiden Methoden« zu greifen, wird der ehemalige Staatschef vom uruguayischen Internetportal La Red 21 zitiert.⁴
Oft übersehen wird allerdings, dass Lithium auch eine strategische Bedeutung für das Militär hat. So veröffentlichte die vom Südkommando der US-Streitkräfte (Southcom) herausgegebene Zeitschrift Diálogo im November 2014 einen Artikel unter der Überschrift »Optimale Batterien können auf dem Schlachtfeld den entscheidenden Unterschied ausmachen«.⁵ Mit Lithiumakkus gesteuerte Waffen seien deutlich zuverlässiger als solche, die sich auf Alkalineenergiequellen stützen, heißt es in dem Beitrag.
Einer Veröffentlichung des U.S. Geological Survey (USGS), einer Wissenschaftseinrichtung des US-Innenministeriums, zufolge werden die Lithiumreserven weltweit auf 62 Millionen Tonnen geschätzt. Die größten Vorkommen gibt es demnach in Argentinien mit 14,8 Millionen Tonnen, gefolgt von Bolivien mit mehr als neun Millionen. In Chile wurden dem Bericht zufolge Lagerstätten im Umfang von 8,5 Millionen Tonnen lokalisiert. Zum Vergleich: In den USA sollen 6,8 Millionen Tonnen liegen, in China 4,5 Millionen. Das USGS stellte deshalb im vergangenen Februar fest: »Die zuverlässige Versorgung mit Lithium ist zu einer Toppriorität für Technologieunternehmen in den Vereinigten Staaten und Asien geworden.«⁶
Die bolivianische Regierung schätzte die Vorkommen im eigenen Land sogar auf mehr als 20 Millionen Tonnen, womit es über die größten Reserven der Welt verfügen würde. In mehreren Publikationen ist auch die Rede davon, dass 85 Prozent der weltweiten Lithiumvorkommen auf das »Dreieck« Argentinien, Bolivien, Chile entfallen sollen.⁷ Um diese Rohstoffe konkurrieren die großen Wirtschaftsmächte, insbesondere China und die USA.
Vor diesem Hintergrund ist ein Beitrag beachtenswert, der am 7. November – vier Tage vor dem Sturz von Evo Morales – in der bereits erwähnten Zeitschrift des US-Militärs, Diálogo, in der Rubrik »Transnationale Bedrohungen« erschien. Unter der Überschrift »Chinesische Unternehmen beuten bolivianisches Lithium aus«⁸ weist die Autorin Julieta Pelcastre darin nicht nur darauf hin, dass die Bevölkerung des südamerikanischen Landes keine Vorteile von diesem Geschäft habe, sondern zitiert auch ausführlich Kritiken der »Beobachtungsstelle für Bergbaukonflikte in Lateinamerika« (OCMAL), das vor ökologischen Folgen des Lithiumabbaus warnt.
In einer Analyse, die ohne Datumsangabe – aber nach dem Staatsstreich – auf der Homepage des Lateinamerikanischen Rates der Sozialwissenschaften (Clacso) veröffentlicht wurde, erinnert Agustina Sánchez an die chinesische »Belt and Road Initiative« (»Neue Seidenstraße«). Die in diesem Rahmen betriebenen Projekte zum Ausbau von Handels- und Infrastrukturnetzen bedrohten weltweit die Hegemonie der USA. Als Reaktion darauf habe die Trump-Administration die Monroe-Doktrin »Amerika den Amerikanern« als Instrument ihrer Außenpolitik gegenüber Lateinamerika und der Karibik reaktiviert. »Daraus lässt sich schnell folgern, dass alle in unseren Ländern durchgeführten Aktionen, die dazu geeignet sein können, die Hegemonie der Vereinigten Staaten in der Region in Frage zu stellen, in den Fokus der Außenpolitik des Landes im Norden geraten.«⁹
Doch nicht nur China konkurriert in Südamerika mit den USA, auch deutsche Unternehmen bemühen sich um Zugriff auf die wertvollen Rohstoffe. So hatte im vergangenen Dezember die Firma ACI System aus Baden-Württemberg ein Gemeinschaftsunternehmen mit der staatlichen bolivianischen Gesellschaft YLB gegründet, um in Uyuni Lithium zu fördern. Dagegen gab es insbesondere im Vorfeld der Präsidentschaftswahl vom 20. Oktober Proteste. Die Gegner des Projekts bemängelten, dass die örtliche Bevölkerung nicht ausreichend davon profitieren würde. Offenbar war diese konkrete Kritik jedoch vor allem ein Vehikel, um allgemeinpolitische Forderungen nach »mehr Demokratie« und nach einem Sturz von Präsident Morales und seinem Stellvertreter Álvaro García Linera zu transportieren.
Offenbar als Reaktion auf die Proteste meldete die staatliche Nachrichtenagentur ABI am 3. November für die deutschen Partner überraschend, dass das dem Gemeinschaftsunternehmen zugrundeliegende Dekret außer Kraft gesetzt worden sei.¹⁰ In einem Interview mit der Deutschen Presseagentur erläuterte Morales am 19. November, »kleine Gruppen« unter dem »schlechten Einfluss chilenischer Berater« hätten sich gegen das Projekt gestellt. Es habe aber bereits weit fortgeschrittene Pläne gegeben, bis Ende des Jahres in Uyuni eine autonome Region zu schaffen und das Problem damit zu lösen. »Das war unser Plan. Der ist nun aber durchkreuzt.«¹¹
>>>
• Schau mal: ziemlich ähnliche Diskussionen in den www.secarts.org-Foren
Chile - nicht nur billiger Rohstofflieferant!
1
Chile will sich nicht mehr so stark als billiger Rohstofflieferant ausbeuten lassen. In Sachen des wichtigen Rohstoffes Lithium (s. zu Lithium auch in den Threads '...künftig öfter und entschiedener führen müsse...mehr
arktika
• 26.05.2023
NEU
Ende der Dollardominanz in Sicht?
arktika NEU 31.07.2024
arktika • 14.07.2024
12
Sollte die weltweite Dominanz des US-Dollar endlich seinem Ende entgegengehen? Eine neue Idee, die für mich als LaiIn erstmal verlockend u. zukunftsträchtig klingt, soll es möglich machen können. Ich stelle das ...mehr
arktika
NEU
31.07.2024
arktika NEU 31.07.2024
arktika • 14.07.2024
NEU
Konterrevolution in Venezuela?
arktika NEU 26.07.2024
arktika NEU 26.07.2024
206
In Venezuelas Hauptstadt Caracas hat sich heute eine Gruppe von Angehörigen der Nationalgarde gegen die Regierung erhoben. Die Rebellion konnte schnell gestoppt werden, die aufständischen Soldaten befinden sich in...mehr
arktika
NEU
26.07.2024
arktika NEU 26.07.2024
arktika NEU 26.07.2024
'...künftig öfter und entschiedener führen müssen.'
arktika • 28.04.2024
arktika • 14.02.2024
140
Die BRD macht seit einigen Jahren immer weniger Hehl aus ihren Hegemoniebestrebungen in Europa und der Welt. Figuren wie Gauck, von der Leyen, Merkel sowie Vertreter des dt. Kapitals werden immer dreister. Bemäkelt...mehr
arktika
• 28.04.2024
arktika • 28.04.2024
arktika • 14.02.2024