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•NEUES THEMA09.07.2008, 08:10 Uhr
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• Was ist fiktives Kapital?
Kapital ist ein gesellschaftliches Verhältnis
[100reichsten.jpg]Bevor die Frage: „Was ist fiktives Kapital?“, also die Verwendung von Kapital, seine Bestandteile und Wirkungen betrachtet wird, ist zunächst festzustellen, was allen Erscheinungsarten von Kapital gemeinsam ist, was kapitalistisches Eigentum – also Kapital – grundsätzlich darstellt:
Kapital ist nicht in erster Linie eine Ansammlung von messbaren oder vergleichbaren Summen, Beträgen oder Eigentumstiteln, Kapital bedeutet zuallererst und insbesondere ein gesellschaftliches Verhältnis. Ein historisch entstandenes und damit vergängliches gesellschaftliches Verhältnis zwischen den Eigentümern von Produktionsmitteln und Nichteigentümern von Produktionsmitteln, Arbeitern, die frei von Produktionsmitteln sind und deshalb gezwungen, ihre Arbeitskraft zu verkaufen. Nur durch das Aussaugen ihrer Arbeitskraft wird das tote Kapital mit Leben erfüllt, erst durch dieses Verhältnis der kapitalistischen Lohnarbeit entfaltet es seine scheinbar wundersame Kraft der Vermehrung. Die Arbeitskraft ist die einzige Ware des Kapitalismus, die die Fähigkeit hat, mehr zu produzieren, als für ihren eigenen Unterhalt notwendig ist. Und nur durch diese lebendige Ware werden die toten Produkte, die Maschinen, Kaufhäuser und Finanzmärkte zum Tanzen gebracht, nur dann kann man Kapital in eine Maßeinheit wie DM oder US-Dollar fassen.
Die Sachen verbergen dabei die gesellschaftlichen Verhältnisse der Menschen. Der Wert einer Ware (ganz gleich ob Arbeitskraft oder beispielsweise Lebensmittel) bringt das gesellschaftliche Verhältnis zum Ausdruck. Doch es erscheint als eine ebenso natürliche Eigenschaft der Ware wie deren Farbe oder Gewicht. Diese Versachlichung der Produktionsverhältnisse ist der für die Gesellschaft charakteristische Warenfetischismus1. Im Geld tritt dieser besonders deutlich zu Tage. Das Geld ist eine gewaltige Kraft in diesem gesellschaftlichen Verhältnis, es verleiht seinem Besitzer Macht über die Menschen. Für Geld kann man alles kaufen. Es entsteht der Schein, die Fähigkeit alles kaufen zu können sei eine Eigenschaft des Geldes, während sie in Wirklichkeit das Ergebnis bestimmter gesellschaftlicher Verhältnisse ist.
Kapitalkreislauf:
Geld – Produktionsmittel und Arbeitskraft – Ware – Geld
Jeder Einzelkapitalist beginnt seinen Lebensweg als Kapitalist in Gestalt einer bestimmten Geldsumme, es tritt auf als Geldkapital. Der Kapitalist kauft mit dem Geld spezielle Waren: 1. Produktionsmittel und 2. Arbeitskraft. Durch diese Formveränderung (von Geldkapital in Produktionsmittel und Arbeitskraft) erhält sein Besitzer alles das zur Verfügung, was zur Produktion notwendig ist. Vorher besaß er Kapital in Geldform, jetzt besitzt er Kapital derselben Größe, doch in Form von produktivem Kapital. Das erste Stadium der Bewegung des Kapitals besteht also in der Verwandlung von Geldkapital in produktives Kapital.
Dann beginnt der Produktionsprozess, die produktive Konsumtion der vom Kapitalisten gekauften Waren. Diese besteht darin, dass die Arbeiter ihre Arbeitskraft verausgaben, der Rohstoff verarbeitet, der Brennstoff verheizt und die Maschinen abgenutzt werden. Das Kapital ändert erneut seine Form: als Ergebnis des Produktionsprozesses erscheint das vorgeschossene Kapital nun in einer bestimmten Warenmasse, es nimmt körperlich die Form des Warenkapitals an. Dies sind aber erstens bereits nicht mehr jene Waren, die der Kapitalist zu Beginn kaufte und zweitens ist der Wert dieser Warenmasse größer als der ursprüngliche Wert des Kapitals, weil in ihm der von den Arbeitern produzierte Mehrwert enthalten ist. Somit besteht das zweite Stadium der Bewegung des Kapitals in der Verwandlung des produktiven Kapitals in Warenkapital.
Die Bewegung des Kapitals hört damit nicht auf. Die produzierten Waren müssen verkauft werden. Der Kapitalist erhält eine bestimmte Geldsumme im Austausch für die verkauften Waren. Das Kapital ändert zum dritten Mal seine Form: Es nimmt wieder die Form von Geldkapital an. Aber jetzt verfügt sein Besitzer über eine größere Geldsumme als am Anfang dieses Kreislaufes! Das Ziel der kapitalistischen Produktionsweise, die Aneignung von Mehrwert, ist erreicht. Somit besteht das dritte Stadium der Bewegung des Kapitals in der Verwandlung des Warenkapitals in Geldkapital.
Dann beginnt die nächste Runde
Das für die verkauften Waren erhaltene Geld verwendet der Kapitalist erneut zum Kauf von Produktionsmitteln und Arbeitskraft. Der Kreislauf des Kapitals beginnt von neuem. Den drei Stadien dieses Kapitalkreislaufes entsprechen die drei Formen des industriellen Kapitals: 1. Geldkapital, 2. Produktives Kapital und 3. Warenkapital. In der Praxis hat jeder Kapitalist gleichzeitig Kapital in allen drei Formen. Während einer seiner Teile Geldkapital darstellt, das sich in produktives Kapital verwandelt, ist ein anderer Teil produktives Kapital, das sich in Warenkapital, und ein dritter Teil Warenkapital, das sich in Geldkapital verwandelt. Jeder dieser drei Teile nimmt der Reihe nach alle drei Formen an und streift sie wieder ab. So verhält es sich nicht nur mit jedem Kapital im Einzelnen, sondern auch mit allen Kapitalen zusammengenommen, also mit dem gesellschaftlichen Gesamtkapital. Darin liegt bereits die Möglichkeit der verselbstständigten Existenz der drei Kapitalformen verborgen.2
In der weiteren Entwicklung der kapitalistischen Produktionsweise sondert sich von dem in der Produktion angelegten Kapital das Handels- und das Bankkapital (Leihkapital) ab. Auch beginnt das fiktive Kapital (worum es in den folgenden Artikeln hauptsächlich gehen wird) in seinen wichtigsten Erscheinungen, als Aktie und als Staatsverschuldung zu entstehen.
Mehrwert und Profit
Nachdem die Banken und Händler entstanden waren und über ihre ursprüngliche Vermittlerfunktion hinausgingen3, begann die Aufteilung des von den Industriekapitalisten realisierten Mehrwertes unter diesen verschiedenen Gruppen von Kapitalisten. Im Kapitalkreislauf der Banken und Händler entsteht kein neuer Mehrwert, sie eignen sich einen Teil des in der Produktion entstandenen Mehrwertes in Form des Profites an. Der Profit wird so zum Maßstab der Dinge, die Gesamtsumme aller Profite entspricht dem insgesamt entstandenen Mehrwert. Diese Neuverteilung des Mehrwertes in Form des Profites erschwert uns die Sicht auf den Kern der Angelegenheit.
Natürlich fordern auch die Eigentümer des fiktiven Kapitals Profit. Auch dieser Profit muss zunächst als Mehrwert entstehen und wird dann zwischen den Kapitalisten neu verteilt. Schon vorher mussten die Aktionäre sich das zum Aktienkauf notwendige Kapital beschaffen, und das funktioniert bis heute nur, wenn sie vorher Profit (also einen Teil vom Mehrwert) ergattert haben4. Fiktives Kapital ist also genauso Teil der kapitalistischen Ausbeutung wie das Industriekapital und die anderen Teile und es hat auch den gleichen Ursprung.
15.000.000.000.000 DM Vermögen und die Hoffnung auf Zukunft
Kapital existiert also im Grunde in den drei Formen (oder Phasen) des Kapitalkreislaufes und in der Praxis existiert jedes Kapital gleichzeitig in allen drei Formen, da der Kreislauf ein ständiger Prozess ist. Bei Statistiken über Vermögen oder als so genannte Anlagemöglichkeiten bei Banken nimmt Kapital scheinbar andere Formen an. In dieser Art der Erscheinung werden dem Kapital Zahlen und Summen zugeordnet, was den Ursprung und die Ausbeutung der Arbeitskraft verschleiert und aus dem Blickfeld rücken lässt:
So werden Geldanlagen wohlklingende Namen gegeben, die den Kleinsparer begeistern sollen für die „Produkte“ der Banken. Diese Bezeichnungen sind Schall und Rauch. Und dass ein Großteil dieses Kapitals heute vermischt wird in verschiedensten so genannten Investmentfonds ändert nichts daran, dass die Kapitalanlagen nur aus drei Arten bestehen, nämlich:
Eigentum an Firmen,
Eigentum an Grund und Boden und Immobilien,
sowie Forderungen und Zinspapiere (Sparguthaben, Eigentum an verzinslichen Wertpapieren, Staatsanleihen usw.)
Aufgetürmt ergeben diese drei Anlageformen in der BRD zurzeit die Summe von ca. DM 15 Billionen (in Zahlen: DM 15.000.000.000.000 oder DM 15.000 Milliarden). Aber es muss wiederholt werden: Kapital ist Teil eines gesellschaftlichen Verhältnisses und nur auf diesem Hintergrund ist es überhaupt zahlenmäßig bestimmbar. Und so soll die Ausbeutung weitergehen, sie ist das Geschäft aller Kapitaleigentümer. In diesem Punkt vereinigen sie sich, auch wenn sie sich dessen vielleicht nicht bewusst sind und individuell sehr verschiedene Zweige und Zukunftserwartungen haben. So zum Beispiel:
Der Produktionskapitalist kauft eine Maschine und erwartet, dass die damit produzierten Waren künftig zu einem für ihn Gewinn bringenden Preis abgesetzt werden können.
Der Vermieter setzt darauf, dass auch künftig ein Mieter da ist, der das Haus nutzen will und Miete bezahlen kann.
Der Bundesschatzbriefbesitzer und die anderen Staatsgläubiger setzen auf den Staat, sie erwarten auch morgen noch ausreichende Steuereinnahmen, damit ihre Zinsen gesichert sind.
Der Aktionär setzt ebenfalls auf künftigen Gewinn, er wählt sorgfältig aus, wo für ihn günstige Entwicklungen sein könnten und hofft auf Kursanstieg und Dividende.
...
Alle setzen in die Zukunft, Vermögenswerte sind im Kapitalismus – wenn man so möchte –: „angesaugte Zukunft“. Kapitalistische Vermögenswerte sind und bleiben nur Kapital, solange die kapitalistische Lohnarbeit, das gesellschaftliche Verhältnis Kapital, fortbesteht und funktioniert, der Kapitalkreislauf also nicht ins Stocken gerät.
Börsen und Aktien
Unterschiede und Gemeinsamkeiten: Fiktives und reales Kapital
[ka01g.jpg]Die Begrifflichkeiten von fiktivem und realem (oder wirklichem) Kapital sind durch Karl Marx, insbesondere im 3. Band des Kapitals definiert worden. Das reale Kapital ist demnach alles Kapital, was in der kapitalistischen Produktion und Zirkulation angewendet wird:
Die Produktionssphäre umfasst die zur Warenherstellung und/oder –bearbeitung erforderlichen Mittel und Einrichtungen, also Maschinen, Produktionsgebäude, Rohstoffe, Einzelteile usw.
Die Zirkulationssphäre umfasst insbesondere alles, was außerhalb der eigentlichen Produktion notwendig ist, um Waren Gewinn bringend zu verkaufen. Also den gesamten Handel (einschließlich Groß- und Zwischenhändlern), den Transport, die Werbung usw. Das reale Kapital ist nicht gleichzusetzen mit „Kapital in der Produktion“ oder nur in Gegenständen angelegtes Kapital. Es ist alles Kapital, was zum Ankauf von Produktionsmitteln und Arbeitskraft verwendet wird.
Zum realen Kapital gehört also beispielsweise alles Kapital, was die Daimler-Chrysler AG zum Kauf ihrer Produktionsanlagen und der Einzelteile verwendet, was sie für Telefon- und Bankgebühren ausgibt usw. Genauso zählt zum realen Kapital, was der Vertragsautohändler der Daimler-Chrysler AG für seine Ausstellungshallen und die in diesen stehenden Autos ausgibt, seine Werbung in der Lokalzeitung usw. Und in beiden Firmen sind in dem ganzen Prozess Menschen beschäftigt, deren Lohn (auch wenn er Gehalt heißt) zählt natürlich auch dazu.
Außerhalb des Kreislaufes: Fiktives Kapital
[ka01f.jpg]Fiktives Kapital ist im Gegensatz zum realen kein selbstständiger Wert. Es zeichnet sich dadurch aus, dass es nicht zum Ankauf von Arbeitskraft und Produktionsmitteln (Maschinen, Gebäude, Verkaufsregale, Rohstoffe usw.) verwendet wird. Es bewegt sich nicht in der Produktions- oder Zirkulationssphäre, es absolviert nicht den Kreislauf des Kapitals, es ist in dieser Hinsicht sozusagen bewegungslos. Fiktives Kapital existiert meist in Wertpapieren (insbesondere Aktien oder Staatsanleihen), die einen Anspruch auf Profit, einen Teil des Mehrwertes in Form von Zins oder Dividende verkörpern.
Dass ein erheblicher Teil fiktiven Kapitals in Form der Staatsschuld (die verzinst wird) besteht, bedeutet keinesfalls, dass alle Anleihen, Forderungen und Wertpapiere, auf die Zinsen gezahlt werden, fiktives Kapital sind. Entscheidend ist immer die Verwendung des Kapitals: Gewährt die Bank einem Kapitalisten Kredit, dann wendet der Kapitalist dieses Kapital real an (zum Ankauf von Produktionsmitteln und Arbeitskraft) und der Kredit ist Teil des Realkapitals. Bei der Staatsschuld hingegen erfolgt kein Ankauf von Produktionsmitteln oder Arbeitskraft zur Anwendung im Kapitalkreislauf5. Das Geld ist längst ausgegeben, ohne dass etwas zurückkommt.
Aktien als Waren mit wichtigen Besonderheiten beschreibt Marx unter anderem so:
„Sie [die Eigentumstitel, z.B. Aktien] geben nur Rechtsansprüche auf einen Teil des von demselben [Kapital] zu erwerbenden Mehrwerts. Aber diese Titel werden ebenfalls papierne Duplikate des wirklichen Kapitals, wie wenn der Ladungsschein [verbrieft den Rechtsanspruch auf z.B. eine Schiffsladung] einen Wert erhielt neben der Ladung und gleichzeitig mit ihr. Sie werden zu nominellen Repräsentanten nicht existierender Kapitale. Denn das wirkliche Kapital existiert daneben und ändert durchaus nicht die Hand dadurch, dass diese Duplikate die Hände wechseln. [...] Soweit die Akkumulation dieser Papiere die Akkumulation von Eisenbahnen, Bergwerken, Dampfschiffen etc. ausdrückt, drückt sie Erweiterung des wirklichen Reproduktionsprozesses aus, ganz wie die Erweiterung einer Steuerliste z.B. auf Mobiliareigentum die Expansion dieses Mobilars anzeigt. Aber die Duplikate, die selbst als Waren verhandelbar sind und daher selbst als Kapitalwerte zirkulieren, sind sie illusorisch, und ihr Wertbetrag kann fallen und steigen ganz unabhängig von der Wertbewegung des wirklichen Kapitals, auf das sie Titel sind.“6
Was ist die Börse?
In der ständigen Suche der Kapitalisten nach neuen Verwertungsmöglichkeiten für Kapital versuchen sie in immer neue Bereiche einzudringen. In der FAZ vom 14.11.2000 findet sich hierzu mal wieder eine interessante Darstellung über einen Anlagefonds mit diesem Ziel:
„Geld mittels Windenergie zu vermehren, lautet das Anlageziel zweier neuer Windparks in Niedersachsen. [...] Garantiert wird ein jährlicher Nettoertrag, ,dessen Höhe sich nach den jeweils vorherrschenden regionalen Windverhältnissen richtet’, wie es in der Verkaufmitteilung heißt.“
Die Börse ist der Ort, an dem Käufer und Verkäufer von Wertpapieren über ihre jeweiligen Banken (oder sonstigen Vermittler) zum Geschäftsabschluss zusammengeführt werden. Die Börse ist nur eine organisatorische Handelseinrichtung, sie selbst kauft oder verkauft keine Aktien. Börsen sind keine öffentlichen Einrichtungen, sondern (in der Regel) private AGs, die sich mehrheitlich oder ausschließlich in den Händen großer Banken befinden. Die Deutsche Börse AG ist im Februar 2001 selbst „an die Börse gegangen“, ein Teil der Aktien wird seitdem an der Börse gehandelt. Die Aktienkäufer hoffen auf Gewinne der Deutschen Börse AG, die an jedem Wertpapiergeschäft verdient, das über sie abgewickelt wird. Außerdem verkauft sie Systemsoftware an andere Börsen, verwaltet zentral die gesamten Wertpapierurkunden der BRD und anderes mehr. Die Deutsche Börse AG ist auch Eigentümer des geschützten Markennamens DAX®7. Die Mehrheit8 der Börsenaktien ist weiterhin bei den Großbanken, angeführt von der Deutschen Bank AG, deren Vorstandsvorsitzender Breuer auch Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen Börse AG ist.
An den Börsen werden aktuelle Preise für die Ware Kapital ermittelt. Diese Preise werden uns in den Medien zunehmend angeboten oder besser gesagt: aufgedrängt. Noch vor wenigen Jahren waren die Kurse eher Informationen für Spezialisten. Aber nachdem die Deutschen nun angeblich die Aktie als Weg zu neuem Wohlstand und Reichtum entdeckt haben, darf keine Nachrichtensendung mehr ohne die letzte Börsenmeldung aus New York oder Tokio enden. Dabei sollen wir glauben, dass die Börse der saubere, objektive und für jeden durchsichtige Marktplatz ist, an dem nach fairen Regeln geplant und gehandelt wird. Die Börse ist so eine Art Schaufenster der freien, fairen Marktwirtschaft, die Illusion des geregelten und kontrollierten Kapitalismus.
Wer kauft an der Börse und wer anderswo?
Man gibt sich einige Mühe die „Illusion Börse“ zu pflegen. Dazu gehört auch die Darstellung, die Börse sei der Ort, an dem Fusionen, Übernahmen und Ähnliches entschieden werden, hier würden im angeblich geregelten Wettstreit um das beste Konzept ganze Firmen gekauft und verkauft.
Dies trifft jedoch nicht zu, an der Börse wird nur ausnahmsweise die Macht über eine AG angeboten. Die entscheidenden Aktienpakete liegen oft viele Jahrzehnte im Tresor, sie haben mit dem täglichen Börsenhandel nichts zu tun. Wenn wirklich nennenswerte Anteile den Besitzer wechseln sollen, dann wird das außerhalb der Börse verhandelt, gegen großzügige Gebühr „arrangiert“ und ausgeführt durch so genannte Investmentbanken (Spezialbanken). An der Börse wechseln nur kleine Stückzahlen den Besitzer, es ist eher der Spielplatz für mehr oder weniger gut ausgestattete Kleinaktionäre.9
Die Deutsche Börse AG bestätigte diese Tatsache mit Planungen für einen neuen Börsenteil, speziell für Großgeschäfte: „Die Deutsche Börse AG will eigenen Angaben zufolge einen Teil des außerbörslichen Handels institutioneller Anleger mit großen Aktienpaketen (Blöcken) an die Börse holen.“10. In Anlehnung an den computergesteuerten Handel Xetra soll diese Börse für Großtransaktionen „Xetra XXL“ getauft werden. Banken, Versicherungen, Investmentfonds und wer es sich leisten kann, sollen dann Einzelgeschäfte ab 3,5 oder 7 Millionen Euro (bei Aktien aus dem DAX® )und ab 0,5 oder 1 Million Euro (bei den 70 Aktien aus dem M-DAX® (=„2.Bundesliga“)) über „Xetra XXL“ handeln. Ob dieser neue Börsenteil eingerichtet und mit Leben erfüllt wird, bleibt abzuwarten. Die Pläne bestätigen jedoch: Die großen Geschäfte werden zurzeit nicht über irgendeine Börse abgewickelt, sondern außerhalb der Börsen, direkt zwischen den Akteuren.
Auch Kursveränderungen zeigen gelegentlich diesen Ablauf, zumindest wenn bestimmte Aktivitäten nachträglich öffentlich werden. Der US-amerikanische Milliardär Kirk Kerkorian hat Anfang 2001 einen Anteil von nur einem Prozent an der Daimler-Chrysler AG verkauft, worauf ein Kursrutsch der Aktie von über 10% folgte. Der Handel großer Aktienpakete über die Börse würde noch zu erheblich größeren Kursausschlägen führen, Übernahme- oder Fusionsaktionen noch schwerer kalkulierbar machen usw. Daher treten die entscheidenden Akteure in der Regel nicht auf dem Börsenmarktplatz auf.
Kurse und Gründergewinne
[ka01e.jpg]An den Börsen werden künftige Profite versteigert, dort wird die Zukunftserwartung in Euro und Cent umgerechnet und auf Umsatz- und Gewinnsteigerung gewettet! Marx führt dazu aus: „...Aktien, [sind] bloße Eigentumstitel, die zur Empfangnahme von künftigem Mehrwert berechtigen.“11
Dass weder Vergangenheit, noch Gegenwart, sondern Zukunftserwartung das bestimmende Kriterium ist, bedeutet auch: Jeder Handel, jede Preisbildung ist immer auch eine Anzeige der Erwartung dieser Händler hinsichtlich unserer Zukunft. Je höher die Kurse, desto mehr Entlassungen, desto weniger Gegenwehr erwarten die Börsianer. Dass es auch umgekehrt geht, zeigte sich wieder mal am 23.03.2001: Durch einen Warnstreik ging der Aktienkurs der Lufthansa AG deutlich nach unten.
Eigenkapital und Börsenkurs – wie hängt das zusammen?
[tabelle1.jpg]Eine Aktie spiegelt einen Bruchteil des Eigenkapitals einer AG wider. Eigenkapital ist der Teil des insgesamt angewandten Kapitals, der der AG juristisch gehört. Daneben hat sie Fremdkapital in Form von Bankkrediten; erhaltenen Rohstoffen und Waren, die noch nicht bezahlt sind (Lieferantenkredit); Rückstellungen für künftige Verpflichtungen usw. Fremdkapital gehört juristisch den jeweiligen Gläubigern und steht der AG nur befristet zur Verfügung. Eigenkapital und Fremdkapital zusammen sind das reale Kapital, welches die AG zum Erwerb von Produktionsmitteln und Arbeitskraft anwendet.
Das in einer Bilanz angegebene Eigenkapital ist immer nur eine rechnerische Größe, die nach jeweiligen Gesetzen und Bilanzierungsrichtlinien ermittelt wird. Dabei bestehen – gerade in der BRD – erhebliche Spielräume um Bilanzen „aufzupolieren“ (die Substanz stärker darzustellen) oder die Zahlen „zu drücken“ (Gewinne und so genannte stille Reserven zu verstecken). Bilanzwerte sind daher immer relativ und können nur Anhaltspunkte sein12. Trotz dieser Einschränkung können die folgenden Aussagen über das Verhältnis von Eigenkapital und Aktienkurs als grundsätzliche Darstellung des Zusammenhanges gemacht werden.
Eigenkapital ist also zunächst der Teil des realen Kapitals, den die AG von ihren Eigentümern erhalten hat. Als Einzahlung von außen fließt er nur auf zwei Wegen zu: bei der ursprünglichen Gründung und bei späteren Kapitalerhöhungen. Eigenkapital wird durch den Geschäftsgang vermehrt (als Teil des Gewinns, der nicht als Dividende ausgeschüttet wird) oder vermindert (durch Verluste). Durch steigende oder fallende Börsenkurse ändert sich das Eigenkapital jedoch nie!
Die Kursbildung an der Börse ist immer das gleiche Spiel: Einer kauft und einer verkauft, der Verkäufer erhält das Geld des Käufers. Die AG –um deren Aktie es ja geht – hat mit diesem Handel direkt nichts zu tun, ihr Kapital verändert sich dadurch um keinen Pfennig! Sie ist weder Käufer, noch Verkäufer, sie muss nichts zahlen und sie erhält auch nichts. Marx fasst zusammen: „Aber die Duplikate [Aktien], die selbst als Waren verhandelbar sind und daher selbst als Kapitalwerte zirkulieren, sind sie illusorisch, und ihr Wertbetrag kann fallen und steigen ganz unabhängig von der Wertbewegung des wirklichen Kapitals, auf das sie Titel sind.“13
Eigenkapital + Aktienkurs: Darstellung am Beispiel einer Aktie der Deutschen Telekom AG
Ende 1996 wurde die Deutsche Telekom AG durch eine Kapitalerhöhung über die Börse privatisiert. Neue Aktien, neue Kapitalanteilsscheine wurden herausgegeben:
Erstes Geschäft:
Diese Aktien kosteten DM 28,50 (=Euro 14,57) und konnten bei einem von der Telekom beauftragten so genannten Bankenkonsortium erworben werden. Die DM 28,50 (abzüglich der Provision für die Banken) erhielt die Telekom in diesem Moment als Kapitalerhöhung zur realen Anwendung. In den DM 28,50 ist der nachfolgend näher erläuterte Gründergewinn bereits enthalten.
Zweites Geschäft:
Unmittelbar nach der Verteilung der neuen Aktien begann der Börsenhandel, in welchem die Aktie getrennt von dem real angewandten Kapital bei erster Kursfeststellung mit DM 32,50 (=Euro 16,62) gehandelt wurde. Der hier als Verkäufer auftretende Erst-Aktionär erhält von der eben zu DM 28,50 erworbenen und nun zu DM 32,50 gleich wieder verkauften Aktie die Differenz von DM 4,00. Diese Differenz erhält der Verkäufer, ohne dass eine Veränderung des wirklichen Kapitals, eine Erweiterung des wirklichen Produktionsprozesses erfolgt ist. Er hat lediglich an der Börse einen gefunden, dem die Aktie DM 4,00 mehr wert war. Diese DM 4,00 erhält er als Belohnung, die Telekom erhält nichts davon, sie hat weiterhin nur die DM 28,50.
Drittes Geschäft:
Der Käufer aus dem 2. Geschäft behält seine zu DM 32,50 erworbene Aktie bis zum 06.03.2000, dem Tag des bisherigen Kursrekordes der „T-Aktie“. Da verkauft er sie für DM 202,43. Als Verkäufer hat er nun innerhalb von etwa dreieinhalb Jahren einen Gewinn von DM 169,92 (oder: 622,9%) an der Aktie erzielt, den Kaufpreis von DM 202,43 erhält er in voller Höhe von einem neuen Käufer (der mit weiteren Kurssteigerungen rechnet). Das real angewandte Eigenkapital aus der Erstausgabe der Aktie der Telekom hat sich weiterhin nicht nennenswert verändert!
Viertes Geschäft:
Nach dem rasanten Kursverfall des letzten Jahres verliert der Käufer aus dem 3. Geschäft irgendwann die Nerven und verkauft seine Aktie zum Jahrestiefststand am 22.03.2001 zu DM 47,23. Er hat innerhalb etwa eines Jahres einen Verlust von DM 155,20 (oder: 76,7%) erlitten. Dies ist sein individueller, persönlicher Verlust, so wie vorher der Gewinn der persönliche Gewinn seines Vorgängers war. Das real angewandte Eigenkapital der Telekom hat sich durch den wiederholten Besitzerwechsel weiterhin nicht verändert und beträgt unabhängig von der Kursentwicklung weiterhin ungefähr DM 28,50*.
* Dass sich das Eigenkapital der Deutschen Telekom AG nunmehr veränderte hatte, resultierte aus einer weiteren, separat zu betrachtenden Kapitalerhöhung. Die DM 28,50 aus der ersten Kapitalerhöhung sind zu diesem Zeitpunkt praktisch weiterhin unverändert.
Der Handel findet zwischen Käufer und Verkäufer statt, die AG erhält nur etwas bei ihrer Gründung und bei Kapitalerhöhungen (wo sie praktisch selbst als Verkäufer auftritt). Der Käufer setzt auf Kurssteigerungen, der Verkäufer sieht´s genau andersrum, die reale Gewinnentwicklung der AG muss in dem Moment nichts damit zu tun haben. Vergleicht man das real angewandte Eigenkapital mit dem Aktienkurs, ergibt sich normalerweise die oben beschriebene Differenz. Allgemein kann gesagt werden, dass die Aktienkurse bei sozusagen normalem Geschäftsgang höher sind als das real angewandte Eigenkapital. Dazu einige Beispiele, die Werte sind jeweils auf eine Aktie bezogen:
Dieser Vergleich unterstreicht, dass die Aktie eben nur das Duplikat des realen Kapitals ist, dessen Preis unabhängig von dem realen Kapital reguliert wird. Die Aktie als ein auf Papier gedrucktes Ebenbild, was im Moment seiner Entstehung aus dem Rahmen springt und ein Eigenleben beginnt, welches sehr eigenwillige Züge annehmen kann. Die Differenz zwischen real angewandtem Eigenkapital und Aktienkurs entsteht insbesondere deshalb, weil es für den Börsenkurs nicht darauf ankommt, wie viel Eigenkapital angewendet wird, sondern wie viel Profit aus der Anwendung dieses Eigenkapitals gezogen (bzw. erwartet) wird. Die Frage, welche Faktoren einen Börsenkurs hauptsächlich beeinflussen, wird im nächsten Artikel noch ausführlich behandelt.
Weil die Aktie separat von dem real angewandten Kapital ein Eigenleben führt und bei einem Handel zwischen Käufer und Verkäufer die AG nicht beteiligt ist, obwohl es gerade um einen mehr oder weniger großen Anteil an ihr geht, kann auch kein Aktionär seine Aktien gegen eine Maschine oder drei Schreibtische eintauschen. Ein Aktionär kann immer nur versuchen einen anderen zu finden, der ihm seine Aktien (an der Börse oder anderswo) abkauft, er kann sie nicht der AG „zurückgeben“14.
„Die Differenz...bildet den Gründergewinn.“
[ka01c.jpg]In der Tabelle wurde beispielhaft dargestellt, dass zwischen dem real angewandten Eigenkapital und dem Aktienkurs normalerweise eine Differenz besteht. In diesem Zusammenhang steht auch der Gründergewinn:
„Die Differenz zwischen dem Preis der bei Gründung einer Aktiengesellschaft ausgegebenen Aktien und dem Kapital, das wirklich in diesem Unternehmen angelegt ist, bildet den Gründergewinn. Der Gründergewinn ist eine der wichtigsten Bereicherungsquellen der großen Kapitalisten.
Wenn das anfangs im Unternehmen angelegte Kapital 10 Millionen Dollar beträgt, die Preissumme der ausgegebenen Aktien dagegen 15 Millionen Dollar, so beläuft sich der Gründergewinn in diesem Fall auf 5 Millionen Dollar.
Durch die Verwandlung eines privaten Unternehmens in eine Aktiengesellschaft erhält das Kapital eine scheinbar doppelte Existenz. Das wirkliche, im Unternehmen angelegte Kapital in Höhe von 10 Millionen Dollar existiert als Fabrikgebäude, Maschinen, Rohstoffe, Lager, Fertigproduktion und schließlich als ein gewisser Geldbetrag in der Kasse des Unternehmens oder auf dem laufenden Konto der Bank. Doch neben diesem realen Kapital erscheinen bei der Gründung der Aktiengesellschaft Wertpapiere, Aktien auf einen Betrag von 15 Millionen Dollar. Die Aktie ist nur eine Widerspiegelung des wirklich existierenden Kapitals des Unternehmens. Doch die Aktien existieren bereits gesondert neben dem Unternehmen; sie werden gekauft und verkauft, die Banken gewähren Kredite gegen Aktien usw.“15
Die hier beschriebene Form ist die erste, klassische Form des Gründergewinns.
Der sofortige, direkte Verkauf aller Aktien einer AG ist derzeit jedoch nicht der häufigste Fall. Üblicherweise wurde in der BRD in den letzten Jahren bei Neueinführung einer Aktie an der Börse zunächst eine Kapitalerhöhung gemacht, sodass wie im Beispiel der Deutschen Telekom AG der Erlös der Emission und damit auch der Gründergewinn zunächst an die AG zur realen Anwendung ging. Die bisherigen Eigentümer (Gründer) verkauften ihre Aktien nach einiger Zeit – sofern ihnen die Kurse günstig erschienen – mehr oder weniger still und leise7. So sammelte auch der deutsche Staat Gründergewinn ein, als er 2000 seinen Eigentumsanteil an der Telekom reduzierte.
Auch bei späteren Kapitalerhöhungen wird Gründergewinn realisiert, dieser fließt zur realen Anwendung an die AG: „Es versteht sich von selbst, dass Gründergewinn nicht nur gemacht wird bei Gründungen im eigentlichen Sinne des Wortes, seien es völlige Neugründungen oder Umwandlungen bestehender Privatunternehmungen in Aktiengesellschaften. Gründergewinn im ökonomischen Sinne des Wortes kann ebenso bei jeder Kapitalerhöhung bestehender Aktiengesellschaften erzielt werden,...“16
Die Bank gewinnt immer
[file-periodicals#49]Bei jeder Neuausgabe von Aktien (egal ob Erstausgabe oder Kapitalerhöhung) und genauso bei Ausgabe von Zinspapieren (Anleihen usw.) bilden mehrere Banken für diesen Zweck eine Interessengemeinschaft, ein so genanntes Konsortium. Dieses Konsortium sichert alles rechtlich und organisatorisch Notwendige zur Ausgabe der Wertpapiere. Ohne Einschaltung der Banken ist eine Aktienausgabe nicht möglich, die Banken haben sich hier eine Position geschaffen, die ihnen bei jeder Wertpapieremission einen Teil des Gründergewinns sichert. Die hierauf spezialisierten Banken (oder Bankabteilungen) werden Investmentbanker genannt. Nach den vorliegenden Informationen kassieren sie von jeder Ausgabe mindestens 5% des Emissionserlöses. Wohlgemerkt: vom Gesamterlös, nicht nur vom Gründergewinn! Bezogen auf den Gründergewinn kann dies dann schnell ein erheblich größerer Prozentsatz sein.
Die Besonderheit des Gründergewinns gegenüber anderen Erträgen einer Bank wie zum Beispiel Zinsen, besteht darin, dass Gründergewinne sofort in einer Summe und praktisch risikolos vereinnahmt werden. Steigende oder fallenende Kurse brauchen die Bank im Hinblick auf den Gründergewinn nicht mehr zu interessieren17. Ihr Gewinn aus der Emission ist schon eingefahren, egal was aus dem Aktienkurs wird.
Dies war im Jahr 2000 besonders deutlich am Neuen Markt zu beobachten. Solange die Kurse stiegen, wurden immer neue Firmen aus der Kiste geholt und schnell auf die Kurstafel gebracht. Die Banken gewannen an jeder Aktienausgabe, egal wie klein und wackelig die Firma war. Als die Kurse stürzten, war ihr Gründergewinn längst vereinnahmt.
Die Differenz zwischen dem Ausgabepreis der Aktien und dem wirklich angelegten Eigenkapital bildet also den Gründergewinn. Vom reinen Kursgewinn, den ein Aktionär erzielen kann, wenn er eine gekaufte Aktie nach gewisser Zeit weiterverkauft, unterscheidet sich der Gründergewinn zunächst in der Person der Gründer, zu denen ein Kleinaktionär üblicherweise nicht gehört. Zweitens aber vor allem auch, weil der Gründergewinn im Gegensatz zum Kursgewinn ein praktisch risikoloser Ertrag ist. Für den Kursgewinn muss der Aktionär spekulieren und das Verlustrisiko eingehen. Kein Unterschied zwischen Gründergewinn und Kursgewinn existiert dahingehend, dass beide auf der Mehrung des fiktiven Kapitals beruhen und (von der genannten Ausnahme der Kapitalerhöhung abgesehen) nicht der AG zur realen Kapitalanwendung zufließen.
Anmerkungen:
1 Die Begrifflichkeit „Warenfetischismus“ entstand, weil die Versachlichung der Produktionsverhältnisse im Kapitalismus dem Fetischismus in der Religion ähnelt. Dieser bestand darin, dass die Urmenschen von ihnen selbst geschaffene Gegenstände als Götter verehrten.
2 Gesamter Abschnitt seit der Zwischenüberschrift: „Kapitalkreislauf...“ nach: «Politische Ökonomie – Lehrbuch», Dietz Verlag Berlin 1955, Autorenkollektiv an der Akademie der Wissenschaften der UdSSR, Insitut für Ökonomie, S. 171-174
3 Die Entstehung von Handels- und Leihkapital war dabei keine einfache historische Abfolge, sondern ein langwieriger Prozess, in dessen Verlauf sich Industrie-, Handels- und Leihkapital gegenseitig beeinflussten und vorangetrieben haben.
4 von Belegschaftsaktien und Kleinsparern ohne Einfluss einmal abgesehen.
5 Dass der Staat BRD trotz vielfacher Privatisierungen noch einige Anteile an Unternehmen hält, die reales Kapital mit dem Ziel der Vermehrung desselben anwenden,
ist unseres Erachtens für die Gesamtbetrachtung zu vernachlässigen.
6 MEW, Band 25, S. 494
7 Deutscher Aktienindex, Index der 30 größten deutschen AGs 4 seit dem Börsengang noch rd. 73%; gemäß FAZ vom 05.02.2001
8 Dass die Börse nicht der Handelsweg für die Großbanken ist, zeigt sich z.B. auch deutlich beim Devisen- (=Währungshandel). Vor einigen Jahren gründeten die 20 größten Banken der Welt (darunter selbstverständlich Deutsche und Dresdner Bank) die CLS Service Ltd., welche den
Devisenhandel dieser 20 größten untereinander abrechnen soll. Nach Angaben der Deutschen
Bank umfasst dieser Handel der „Group of twenty“ 40% der Gesamtumsätze mit Devisen weltweit;
nach FAZ vom 28.07.1997
9 FAZ vom 01.03.2001
10 MEW Band 25, S. 474 ; Hervorhebung durch uns
11 Bereits Lenin zitiert diesbezüglich 1917 in seiner genialen Schrift : „Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus“, LW 22, S. 233 aus der deutschen Zeitschrift „Die Bank“: „Die Bilanzen zahlreicher Aktiengesellschaften gleichen jenen aus dem Mittelalter bekannten Palimpsesten, bei denen man erst die Schrift auslöschen musste, um die hinter ihr stehenden Zeichen mit dem wirklichen Sinn entziffern zu können. (ein Palimpsest ist ein Pergament, auf dem die ursprüngliche Schrift ausgelöscht und darüber ein anderer Text geschrieben ist)“
12 MEW, Band 25, S. 494
13 Diese Feststellungen sind unverändert gültig, obwohl seit einigen Jahren auch in der BRD (in den USA gab es das schon länger) die Möglichkeit besteht, dass die AGs einen Teil ihrer eigenen Aktien kaufen.
14 „Politische Ökonomie – Lehrbuch“, Dietz Verlag Berlin 1955, Autorenkollektiv an der Akademie der Wissenschaften der UdSSR, Institut für Ökonomie, S. 201-202
15 Im Gegensatz zum Beispiel zu den USA gibt es in der BRD bisher keine Vorschrift, die die Großaktionäre zwingt mitzuteilen, wann sie eine größere Zahl ihrer Aktien verkaufen.
16 Hilferding, Das Finanzkapital, S.171
17 Sofern sie in einem solchen Fall selbst Aktien behalten hat, hofft sie selbstverständlich auf steigende Kurse. Ein so erzielbarer Kursgewinn ist aber eben eine andere Form des Ertrages, er ist kein Gründergewinn mehr.
#gebrauchswert #kapitalismus #lohnarbeit #reproduktion #tauschwert
[100reichsten.jpg]Bevor die Frage: „Was ist fiktives Kapital?“, also die Verwendung von Kapital, seine Bestandteile und Wirkungen betrachtet wird, ist zunächst festzustellen, was allen Erscheinungsarten von Kapital gemeinsam ist, was kapitalistisches Eigentum – also Kapital – grundsätzlich darstellt:
Kapital ist nicht in erster Linie eine Ansammlung von messbaren oder vergleichbaren Summen, Beträgen oder Eigentumstiteln, Kapital bedeutet zuallererst und insbesondere ein gesellschaftliches Verhältnis. Ein historisch entstandenes und damit vergängliches gesellschaftliches Verhältnis zwischen den Eigentümern von Produktionsmitteln und Nichteigentümern von Produktionsmitteln, Arbeitern, die frei von Produktionsmitteln sind und deshalb gezwungen, ihre Arbeitskraft zu verkaufen. Nur durch das Aussaugen ihrer Arbeitskraft wird das tote Kapital mit Leben erfüllt, erst durch dieses Verhältnis der kapitalistischen Lohnarbeit entfaltet es seine scheinbar wundersame Kraft der Vermehrung. Die Arbeitskraft ist die einzige Ware des Kapitalismus, die die Fähigkeit hat, mehr zu produzieren, als für ihren eigenen Unterhalt notwendig ist. Und nur durch diese lebendige Ware werden die toten Produkte, die Maschinen, Kaufhäuser und Finanzmärkte zum Tanzen gebracht, nur dann kann man Kapital in eine Maßeinheit wie DM oder US-Dollar fassen.
Die Sachen verbergen dabei die gesellschaftlichen Verhältnisse der Menschen. Der Wert einer Ware (ganz gleich ob Arbeitskraft oder beispielsweise Lebensmittel) bringt das gesellschaftliche Verhältnis zum Ausdruck. Doch es erscheint als eine ebenso natürliche Eigenschaft der Ware wie deren Farbe oder Gewicht. Diese Versachlichung der Produktionsverhältnisse ist der für die Gesellschaft charakteristische Warenfetischismus1. Im Geld tritt dieser besonders deutlich zu Tage. Das Geld ist eine gewaltige Kraft in diesem gesellschaftlichen Verhältnis, es verleiht seinem Besitzer Macht über die Menschen. Für Geld kann man alles kaufen. Es entsteht der Schein, die Fähigkeit alles kaufen zu können sei eine Eigenschaft des Geldes, während sie in Wirklichkeit das Ergebnis bestimmter gesellschaftlicher Verhältnisse ist.
Kapitalkreislauf:
Geld – Produktionsmittel und Arbeitskraft – Ware – Geld
Jeder Einzelkapitalist beginnt seinen Lebensweg als Kapitalist in Gestalt einer bestimmten Geldsumme, es tritt auf als Geldkapital. Der Kapitalist kauft mit dem Geld spezielle Waren: 1. Produktionsmittel und 2. Arbeitskraft. Durch diese Formveränderung (von Geldkapital in Produktionsmittel und Arbeitskraft) erhält sein Besitzer alles das zur Verfügung, was zur Produktion notwendig ist. Vorher besaß er Kapital in Geldform, jetzt besitzt er Kapital derselben Größe, doch in Form von produktivem Kapital. Das erste Stadium der Bewegung des Kapitals besteht also in der Verwandlung von Geldkapital in produktives Kapital.
Dann beginnt der Produktionsprozess, die produktive Konsumtion der vom Kapitalisten gekauften Waren. Diese besteht darin, dass die Arbeiter ihre Arbeitskraft verausgaben, der Rohstoff verarbeitet, der Brennstoff verheizt und die Maschinen abgenutzt werden. Das Kapital ändert erneut seine Form: als Ergebnis des Produktionsprozesses erscheint das vorgeschossene Kapital nun in einer bestimmten Warenmasse, es nimmt körperlich die Form des Warenkapitals an. Dies sind aber erstens bereits nicht mehr jene Waren, die der Kapitalist zu Beginn kaufte und zweitens ist der Wert dieser Warenmasse größer als der ursprüngliche Wert des Kapitals, weil in ihm der von den Arbeitern produzierte Mehrwert enthalten ist. Somit besteht das zweite Stadium der Bewegung des Kapitals in der Verwandlung des produktiven Kapitals in Warenkapital.
Die Bewegung des Kapitals hört damit nicht auf. Die produzierten Waren müssen verkauft werden. Der Kapitalist erhält eine bestimmte Geldsumme im Austausch für die verkauften Waren. Das Kapital ändert zum dritten Mal seine Form: Es nimmt wieder die Form von Geldkapital an. Aber jetzt verfügt sein Besitzer über eine größere Geldsumme als am Anfang dieses Kreislaufes! Das Ziel der kapitalistischen Produktionsweise, die Aneignung von Mehrwert, ist erreicht. Somit besteht das dritte Stadium der Bewegung des Kapitals in der Verwandlung des Warenkapitals in Geldkapital.
Dann beginnt die nächste Runde
Das für die verkauften Waren erhaltene Geld verwendet der Kapitalist erneut zum Kauf von Produktionsmitteln und Arbeitskraft. Der Kreislauf des Kapitals beginnt von neuem. Den drei Stadien dieses Kapitalkreislaufes entsprechen die drei Formen des industriellen Kapitals: 1. Geldkapital, 2. Produktives Kapital und 3. Warenkapital. In der Praxis hat jeder Kapitalist gleichzeitig Kapital in allen drei Formen. Während einer seiner Teile Geldkapital darstellt, das sich in produktives Kapital verwandelt, ist ein anderer Teil produktives Kapital, das sich in Warenkapital, und ein dritter Teil Warenkapital, das sich in Geldkapital verwandelt. Jeder dieser drei Teile nimmt der Reihe nach alle drei Formen an und streift sie wieder ab. So verhält es sich nicht nur mit jedem Kapital im Einzelnen, sondern auch mit allen Kapitalen zusammengenommen, also mit dem gesellschaftlichen Gesamtkapital. Darin liegt bereits die Möglichkeit der verselbstständigten Existenz der drei Kapitalformen verborgen.2
In der weiteren Entwicklung der kapitalistischen Produktionsweise sondert sich von dem in der Produktion angelegten Kapital das Handels- und das Bankkapital (Leihkapital) ab. Auch beginnt das fiktive Kapital (worum es in den folgenden Artikeln hauptsächlich gehen wird) in seinen wichtigsten Erscheinungen, als Aktie und als Staatsverschuldung zu entstehen.
Mehrwert und Profit
Nachdem die Banken und Händler entstanden waren und über ihre ursprüngliche Vermittlerfunktion hinausgingen3, begann die Aufteilung des von den Industriekapitalisten realisierten Mehrwertes unter diesen verschiedenen Gruppen von Kapitalisten. Im Kapitalkreislauf der Banken und Händler entsteht kein neuer Mehrwert, sie eignen sich einen Teil des in der Produktion entstandenen Mehrwertes in Form des Profites an. Der Profit wird so zum Maßstab der Dinge, die Gesamtsumme aller Profite entspricht dem insgesamt entstandenen Mehrwert. Diese Neuverteilung des Mehrwertes in Form des Profites erschwert uns die Sicht auf den Kern der Angelegenheit.
Natürlich fordern auch die Eigentümer des fiktiven Kapitals Profit. Auch dieser Profit muss zunächst als Mehrwert entstehen und wird dann zwischen den Kapitalisten neu verteilt. Schon vorher mussten die Aktionäre sich das zum Aktienkauf notwendige Kapital beschaffen, und das funktioniert bis heute nur, wenn sie vorher Profit (also einen Teil vom Mehrwert) ergattert haben4. Fiktives Kapital ist also genauso Teil der kapitalistischen Ausbeutung wie das Industriekapital und die anderen Teile und es hat auch den gleichen Ursprung.
15.000.000.000.000 DM Vermögen und die Hoffnung auf Zukunft
Kapital existiert also im Grunde in den drei Formen (oder Phasen) des Kapitalkreislaufes und in der Praxis existiert jedes Kapital gleichzeitig in allen drei Formen, da der Kreislauf ein ständiger Prozess ist. Bei Statistiken über Vermögen oder als so genannte Anlagemöglichkeiten bei Banken nimmt Kapital scheinbar andere Formen an. In dieser Art der Erscheinung werden dem Kapital Zahlen und Summen zugeordnet, was den Ursprung und die Ausbeutung der Arbeitskraft verschleiert und aus dem Blickfeld rücken lässt:
So werden Geldanlagen wohlklingende Namen gegeben, die den Kleinsparer begeistern sollen für die „Produkte“ der Banken. Diese Bezeichnungen sind Schall und Rauch. Und dass ein Großteil dieses Kapitals heute vermischt wird in verschiedensten so genannten Investmentfonds ändert nichts daran, dass die Kapitalanlagen nur aus drei Arten bestehen, nämlich:
Eigentum an Firmen,
Eigentum an Grund und Boden und Immobilien,
sowie Forderungen und Zinspapiere (Sparguthaben, Eigentum an verzinslichen Wertpapieren, Staatsanleihen usw.)
Aufgetürmt ergeben diese drei Anlageformen in der BRD zurzeit die Summe von ca. DM 15 Billionen (in Zahlen: DM 15.000.000.000.000 oder DM 15.000 Milliarden). Aber es muss wiederholt werden: Kapital ist Teil eines gesellschaftlichen Verhältnisses und nur auf diesem Hintergrund ist es überhaupt zahlenmäßig bestimmbar. Und so soll die Ausbeutung weitergehen, sie ist das Geschäft aller Kapitaleigentümer. In diesem Punkt vereinigen sie sich, auch wenn sie sich dessen vielleicht nicht bewusst sind und individuell sehr verschiedene Zweige und Zukunftserwartungen haben. So zum Beispiel:
Der Produktionskapitalist kauft eine Maschine und erwartet, dass die damit produzierten Waren künftig zu einem für ihn Gewinn bringenden Preis abgesetzt werden können.
Der Vermieter setzt darauf, dass auch künftig ein Mieter da ist, der das Haus nutzen will und Miete bezahlen kann.
Der Bundesschatzbriefbesitzer und die anderen Staatsgläubiger setzen auf den Staat, sie erwarten auch morgen noch ausreichende Steuereinnahmen, damit ihre Zinsen gesichert sind.
Der Aktionär setzt ebenfalls auf künftigen Gewinn, er wählt sorgfältig aus, wo für ihn günstige Entwicklungen sein könnten und hofft auf Kursanstieg und Dividende.
...
Alle setzen in die Zukunft, Vermögenswerte sind im Kapitalismus – wenn man so möchte –: „angesaugte Zukunft“. Kapitalistische Vermögenswerte sind und bleiben nur Kapital, solange die kapitalistische Lohnarbeit, das gesellschaftliche Verhältnis Kapital, fortbesteht und funktioniert, der Kapitalkreislauf also nicht ins Stocken gerät.
Börsen und Aktien
Unterschiede und Gemeinsamkeiten: Fiktives und reales Kapital
[ka01g.jpg]Die Begrifflichkeiten von fiktivem und realem (oder wirklichem) Kapital sind durch Karl Marx, insbesondere im 3. Band des Kapitals definiert worden. Das reale Kapital ist demnach alles Kapital, was in der kapitalistischen Produktion und Zirkulation angewendet wird:
Die Produktionssphäre umfasst die zur Warenherstellung und/oder –bearbeitung erforderlichen Mittel und Einrichtungen, also Maschinen, Produktionsgebäude, Rohstoffe, Einzelteile usw.
Die Zirkulationssphäre umfasst insbesondere alles, was außerhalb der eigentlichen Produktion notwendig ist, um Waren Gewinn bringend zu verkaufen. Also den gesamten Handel (einschließlich Groß- und Zwischenhändlern), den Transport, die Werbung usw. Das reale Kapital ist nicht gleichzusetzen mit „Kapital in der Produktion“ oder nur in Gegenständen angelegtes Kapital. Es ist alles Kapital, was zum Ankauf von Produktionsmitteln und Arbeitskraft verwendet wird.
Zum realen Kapital gehört also beispielsweise alles Kapital, was die Daimler-Chrysler AG zum Kauf ihrer Produktionsanlagen und der Einzelteile verwendet, was sie für Telefon- und Bankgebühren ausgibt usw. Genauso zählt zum realen Kapital, was der Vertragsautohändler der Daimler-Chrysler AG für seine Ausstellungshallen und die in diesen stehenden Autos ausgibt, seine Werbung in der Lokalzeitung usw. Und in beiden Firmen sind in dem ganzen Prozess Menschen beschäftigt, deren Lohn (auch wenn er Gehalt heißt) zählt natürlich auch dazu.
Außerhalb des Kreislaufes: Fiktives Kapital
[ka01f.jpg]Fiktives Kapital ist im Gegensatz zum realen kein selbstständiger Wert. Es zeichnet sich dadurch aus, dass es nicht zum Ankauf von Arbeitskraft und Produktionsmitteln (Maschinen, Gebäude, Verkaufsregale, Rohstoffe usw.) verwendet wird. Es bewegt sich nicht in der Produktions- oder Zirkulationssphäre, es absolviert nicht den Kreislauf des Kapitals, es ist in dieser Hinsicht sozusagen bewegungslos. Fiktives Kapital existiert meist in Wertpapieren (insbesondere Aktien oder Staatsanleihen), die einen Anspruch auf Profit, einen Teil des Mehrwertes in Form von Zins oder Dividende verkörpern.
Dass ein erheblicher Teil fiktiven Kapitals in Form der Staatsschuld (die verzinst wird) besteht, bedeutet keinesfalls, dass alle Anleihen, Forderungen und Wertpapiere, auf die Zinsen gezahlt werden, fiktives Kapital sind. Entscheidend ist immer die Verwendung des Kapitals: Gewährt die Bank einem Kapitalisten Kredit, dann wendet der Kapitalist dieses Kapital real an (zum Ankauf von Produktionsmitteln und Arbeitskraft) und der Kredit ist Teil des Realkapitals. Bei der Staatsschuld hingegen erfolgt kein Ankauf von Produktionsmitteln oder Arbeitskraft zur Anwendung im Kapitalkreislauf5. Das Geld ist längst ausgegeben, ohne dass etwas zurückkommt.
Aktien als Waren mit wichtigen Besonderheiten beschreibt Marx unter anderem so:
„Sie [die Eigentumstitel, z.B. Aktien] geben nur Rechtsansprüche auf einen Teil des von demselben [Kapital] zu erwerbenden Mehrwerts. Aber diese Titel werden ebenfalls papierne Duplikate des wirklichen Kapitals, wie wenn der Ladungsschein [verbrieft den Rechtsanspruch auf z.B. eine Schiffsladung] einen Wert erhielt neben der Ladung und gleichzeitig mit ihr. Sie werden zu nominellen Repräsentanten nicht existierender Kapitale. Denn das wirkliche Kapital existiert daneben und ändert durchaus nicht die Hand dadurch, dass diese Duplikate die Hände wechseln. [...] Soweit die Akkumulation dieser Papiere die Akkumulation von Eisenbahnen, Bergwerken, Dampfschiffen etc. ausdrückt, drückt sie Erweiterung des wirklichen Reproduktionsprozesses aus, ganz wie die Erweiterung einer Steuerliste z.B. auf Mobiliareigentum die Expansion dieses Mobilars anzeigt. Aber die Duplikate, die selbst als Waren verhandelbar sind und daher selbst als Kapitalwerte zirkulieren, sind sie illusorisch, und ihr Wertbetrag kann fallen und steigen ganz unabhängig von der Wertbewegung des wirklichen Kapitals, auf das sie Titel sind.“6
Was ist die Börse?
In der ständigen Suche der Kapitalisten nach neuen Verwertungsmöglichkeiten für Kapital versuchen sie in immer neue Bereiche einzudringen. In der FAZ vom 14.11.2000 findet sich hierzu mal wieder eine interessante Darstellung über einen Anlagefonds mit diesem Ziel:
„Geld mittels Windenergie zu vermehren, lautet das Anlageziel zweier neuer Windparks in Niedersachsen. [...] Garantiert wird ein jährlicher Nettoertrag, ,dessen Höhe sich nach den jeweils vorherrschenden regionalen Windverhältnissen richtet’, wie es in der Verkaufmitteilung heißt.“
Die Börse ist der Ort, an dem Käufer und Verkäufer von Wertpapieren über ihre jeweiligen Banken (oder sonstigen Vermittler) zum Geschäftsabschluss zusammengeführt werden. Die Börse ist nur eine organisatorische Handelseinrichtung, sie selbst kauft oder verkauft keine Aktien. Börsen sind keine öffentlichen Einrichtungen, sondern (in der Regel) private AGs, die sich mehrheitlich oder ausschließlich in den Händen großer Banken befinden. Die Deutsche Börse AG ist im Februar 2001 selbst „an die Börse gegangen“, ein Teil der Aktien wird seitdem an der Börse gehandelt. Die Aktienkäufer hoffen auf Gewinne der Deutschen Börse AG, die an jedem Wertpapiergeschäft verdient, das über sie abgewickelt wird. Außerdem verkauft sie Systemsoftware an andere Börsen, verwaltet zentral die gesamten Wertpapierurkunden der BRD und anderes mehr. Die Deutsche Börse AG ist auch Eigentümer des geschützten Markennamens DAX®7. Die Mehrheit8 der Börsenaktien ist weiterhin bei den Großbanken, angeführt von der Deutschen Bank AG, deren Vorstandsvorsitzender Breuer auch Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen Börse AG ist.
An den Börsen werden aktuelle Preise für die Ware Kapital ermittelt. Diese Preise werden uns in den Medien zunehmend angeboten oder besser gesagt: aufgedrängt. Noch vor wenigen Jahren waren die Kurse eher Informationen für Spezialisten. Aber nachdem die Deutschen nun angeblich die Aktie als Weg zu neuem Wohlstand und Reichtum entdeckt haben, darf keine Nachrichtensendung mehr ohne die letzte Börsenmeldung aus New York oder Tokio enden. Dabei sollen wir glauben, dass die Börse der saubere, objektive und für jeden durchsichtige Marktplatz ist, an dem nach fairen Regeln geplant und gehandelt wird. Die Börse ist so eine Art Schaufenster der freien, fairen Marktwirtschaft, die Illusion des geregelten und kontrollierten Kapitalismus.
Wer kauft an der Börse und wer anderswo?
Man gibt sich einige Mühe die „Illusion Börse“ zu pflegen. Dazu gehört auch die Darstellung, die Börse sei der Ort, an dem Fusionen, Übernahmen und Ähnliches entschieden werden, hier würden im angeblich geregelten Wettstreit um das beste Konzept ganze Firmen gekauft und verkauft.
Dies trifft jedoch nicht zu, an der Börse wird nur ausnahmsweise die Macht über eine AG angeboten. Die entscheidenden Aktienpakete liegen oft viele Jahrzehnte im Tresor, sie haben mit dem täglichen Börsenhandel nichts zu tun. Wenn wirklich nennenswerte Anteile den Besitzer wechseln sollen, dann wird das außerhalb der Börse verhandelt, gegen großzügige Gebühr „arrangiert“ und ausgeführt durch so genannte Investmentbanken (Spezialbanken). An der Börse wechseln nur kleine Stückzahlen den Besitzer, es ist eher der Spielplatz für mehr oder weniger gut ausgestattete Kleinaktionäre.9
Die Deutsche Börse AG bestätigte diese Tatsache mit Planungen für einen neuen Börsenteil, speziell für Großgeschäfte: „Die Deutsche Börse AG will eigenen Angaben zufolge einen Teil des außerbörslichen Handels institutioneller Anleger mit großen Aktienpaketen (Blöcken) an die Börse holen.“10. In Anlehnung an den computergesteuerten Handel Xetra soll diese Börse für Großtransaktionen „Xetra XXL“ getauft werden. Banken, Versicherungen, Investmentfonds und wer es sich leisten kann, sollen dann Einzelgeschäfte ab 3,5 oder 7 Millionen Euro (bei Aktien aus dem DAX® )und ab 0,5 oder 1 Million Euro (bei den 70 Aktien aus dem M-DAX® (=„2.Bundesliga“)) über „Xetra XXL“ handeln. Ob dieser neue Börsenteil eingerichtet und mit Leben erfüllt wird, bleibt abzuwarten. Die Pläne bestätigen jedoch: Die großen Geschäfte werden zurzeit nicht über irgendeine Börse abgewickelt, sondern außerhalb der Börsen, direkt zwischen den Akteuren.
Auch Kursveränderungen zeigen gelegentlich diesen Ablauf, zumindest wenn bestimmte Aktivitäten nachträglich öffentlich werden. Der US-amerikanische Milliardär Kirk Kerkorian hat Anfang 2001 einen Anteil von nur einem Prozent an der Daimler-Chrysler AG verkauft, worauf ein Kursrutsch der Aktie von über 10% folgte. Der Handel großer Aktienpakete über die Börse würde noch zu erheblich größeren Kursausschlägen führen, Übernahme- oder Fusionsaktionen noch schwerer kalkulierbar machen usw. Daher treten die entscheidenden Akteure in der Regel nicht auf dem Börsenmarktplatz auf.
Kurse und Gründergewinne
[ka01e.jpg]An den Börsen werden künftige Profite versteigert, dort wird die Zukunftserwartung in Euro und Cent umgerechnet und auf Umsatz- und Gewinnsteigerung gewettet! Marx führt dazu aus: „...Aktien, [sind] bloße Eigentumstitel, die zur Empfangnahme von künftigem Mehrwert berechtigen.“11
Dass weder Vergangenheit, noch Gegenwart, sondern Zukunftserwartung das bestimmende Kriterium ist, bedeutet auch: Jeder Handel, jede Preisbildung ist immer auch eine Anzeige der Erwartung dieser Händler hinsichtlich unserer Zukunft. Je höher die Kurse, desto mehr Entlassungen, desto weniger Gegenwehr erwarten die Börsianer. Dass es auch umgekehrt geht, zeigte sich wieder mal am 23.03.2001: Durch einen Warnstreik ging der Aktienkurs der Lufthansa AG deutlich nach unten.
Eigenkapital und Börsenkurs – wie hängt das zusammen?
[tabelle1.jpg]Eine Aktie spiegelt einen Bruchteil des Eigenkapitals einer AG wider. Eigenkapital ist der Teil des insgesamt angewandten Kapitals, der der AG juristisch gehört. Daneben hat sie Fremdkapital in Form von Bankkrediten; erhaltenen Rohstoffen und Waren, die noch nicht bezahlt sind (Lieferantenkredit); Rückstellungen für künftige Verpflichtungen usw. Fremdkapital gehört juristisch den jeweiligen Gläubigern und steht der AG nur befristet zur Verfügung. Eigenkapital und Fremdkapital zusammen sind das reale Kapital, welches die AG zum Erwerb von Produktionsmitteln und Arbeitskraft anwendet.
Das in einer Bilanz angegebene Eigenkapital ist immer nur eine rechnerische Größe, die nach jeweiligen Gesetzen und Bilanzierungsrichtlinien ermittelt wird. Dabei bestehen – gerade in der BRD – erhebliche Spielräume um Bilanzen „aufzupolieren“ (die Substanz stärker darzustellen) oder die Zahlen „zu drücken“ (Gewinne und so genannte stille Reserven zu verstecken). Bilanzwerte sind daher immer relativ und können nur Anhaltspunkte sein12. Trotz dieser Einschränkung können die folgenden Aussagen über das Verhältnis von Eigenkapital und Aktienkurs als grundsätzliche Darstellung des Zusammenhanges gemacht werden.
Eigenkapital ist also zunächst der Teil des realen Kapitals, den die AG von ihren Eigentümern erhalten hat. Als Einzahlung von außen fließt er nur auf zwei Wegen zu: bei der ursprünglichen Gründung und bei späteren Kapitalerhöhungen. Eigenkapital wird durch den Geschäftsgang vermehrt (als Teil des Gewinns, der nicht als Dividende ausgeschüttet wird) oder vermindert (durch Verluste). Durch steigende oder fallende Börsenkurse ändert sich das Eigenkapital jedoch nie!
Die Kursbildung an der Börse ist immer das gleiche Spiel: Einer kauft und einer verkauft, der Verkäufer erhält das Geld des Käufers. Die AG –um deren Aktie es ja geht – hat mit diesem Handel direkt nichts zu tun, ihr Kapital verändert sich dadurch um keinen Pfennig! Sie ist weder Käufer, noch Verkäufer, sie muss nichts zahlen und sie erhält auch nichts. Marx fasst zusammen: „Aber die Duplikate [Aktien], die selbst als Waren verhandelbar sind und daher selbst als Kapitalwerte zirkulieren, sind sie illusorisch, und ihr Wertbetrag kann fallen und steigen ganz unabhängig von der Wertbewegung des wirklichen Kapitals, auf das sie Titel sind.“13
Eigenkapital + Aktienkurs: Darstellung am Beispiel einer Aktie der Deutschen Telekom AG
Ende 1996 wurde die Deutsche Telekom AG durch eine Kapitalerhöhung über die Börse privatisiert. Neue Aktien, neue Kapitalanteilsscheine wurden herausgegeben:
Erstes Geschäft:
Diese Aktien kosteten DM 28,50 (=Euro 14,57) und konnten bei einem von der Telekom beauftragten so genannten Bankenkonsortium erworben werden. Die DM 28,50 (abzüglich der Provision für die Banken) erhielt die Telekom in diesem Moment als Kapitalerhöhung zur realen Anwendung. In den DM 28,50 ist der nachfolgend näher erläuterte Gründergewinn bereits enthalten.
Zweites Geschäft:
Unmittelbar nach der Verteilung der neuen Aktien begann der Börsenhandel, in welchem die Aktie getrennt von dem real angewandten Kapital bei erster Kursfeststellung mit DM 32,50 (=Euro 16,62) gehandelt wurde. Der hier als Verkäufer auftretende Erst-Aktionär erhält von der eben zu DM 28,50 erworbenen und nun zu DM 32,50 gleich wieder verkauften Aktie die Differenz von DM 4,00. Diese Differenz erhält der Verkäufer, ohne dass eine Veränderung des wirklichen Kapitals, eine Erweiterung des wirklichen Produktionsprozesses erfolgt ist. Er hat lediglich an der Börse einen gefunden, dem die Aktie DM 4,00 mehr wert war. Diese DM 4,00 erhält er als Belohnung, die Telekom erhält nichts davon, sie hat weiterhin nur die DM 28,50.
Drittes Geschäft:
Der Käufer aus dem 2. Geschäft behält seine zu DM 32,50 erworbene Aktie bis zum 06.03.2000, dem Tag des bisherigen Kursrekordes der „T-Aktie“. Da verkauft er sie für DM 202,43. Als Verkäufer hat er nun innerhalb von etwa dreieinhalb Jahren einen Gewinn von DM 169,92 (oder: 622,9%) an der Aktie erzielt, den Kaufpreis von DM 202,43 erhält er in voller Höhe von einem neuen Käufer (der mit weiteren Kurssteigerungen rechnet). Das real angewandte Eigenkapital aus der Erstausgabe der Aktie der Telekom hat sich weiterhin nicht nennenswert verändert!
Viertes Geschäft:
Nach dem rasanten Kursverfall des letzten Jahres verliert der Käufer aus dem 3. Geschäft irgendwann die Nerven und verkauft seine Aktie zum Jahrestiefststand am 22.03.2001 zu DM 47,23. Er hat innerhalb etwa eines Jahres einen Verlust von DM 155,20 (oder: 76,7%) erlitten. Dies ist sein individueller, persönlicher Verlust, so wie vorher der Gewinn der persönliche Gewinn seines Vorgängers war. Das real angewandte Eigenkapital der Telekom hat sich durch den wiederholten Besitzerwechsel weiterhin nicht verändert und beträgt unabhängig von der Kursentwicklung weiterhin ungefähr DM 28,50*.
* Dass sich das Eigenkapital der Deutschen Telekom AG nunmehr veränderte hatte, resultierte aus einer weiteren, separat zu betrachtenden Kapitalerhöhung. Die DM 28,50 aus der ersten Kapitalerhöhung sind zu diesem Zeitpunkt praktisch weiterhin unverändert.
Der Handel findet zwischen Käufer und Verkäufer statt, die AG erhält nur etwas bei ihrer Gründung und bei Kapitalerhöhungen (wo sie praktisch selbst als Verkäufer auftritt). Der Käufer setzt auf Kurssteigerungen, der Verkäufer sieht´s genau andersrum, die reale Gewinnentwicklung der AG muss in dem Moment nichts damit zu tun haben. Vergleicht man das real angewandte Eigenkapital mit dem Aktienkurs, ergibt sich normalerweise die oben beschriebene Differenz. Allgemein kann gesagt werden, dass die Aktienkurse bei sozusagen normalem Geschäftsgang höher sind als das real angewandte Eigenkapital. Dazu einige Beispiele, die Werte sind jeweils auf eine Aktie bezogen:
Dieser Vergleich unterstreicht, dass die Aktie eben nur das Duplikat des realen Kapitals ist, dessen Preis unabhängig von dem realen Kapital reguliert wird. Die Aktie als ein auf Papier gedrucktes Ebenbild, was im Moment seiner Entstehung aus dem Rahmen springt und ein Eigenleben beginnt, welches sehr eigenwillige Züge annehmen kann. Die Differenz zwischen real angewandtem Eigenkapital und Aktienkurs entsteht insbesondere deshalb, weil es für den Börsenkurs nicht darauf ankommt, wie viel Eigenkapital angewendet wird, sondern wie viel Profit aus der Anwendung dieses Eigenkapitals gezogen (bzw. erwartet) wird. Die Frage, welche Faktoren einen Börsenkurs hauptsächlich beeinflussen, wird im nächsten Artikel noch ausführlich behandelt.
Weil die Aktie separat von dem real angewandten Kapital ein Eigenleben führt und bei einem Handel zwischen Käufer und Verkäufer die AG nicht beteiligt ist, obwohl es gerade um einen mehr oder weniger großen Anteil an ihr geht, kann auch kein Aktionär seine Aktien gegen eine Maschine oder drei Schreibtische eintauschen. Ein Aktionär kann immer nur versuchen einen anderen zu finden, der ihm seine Aktien (an der Börse oder anderswo) abkauft, er kann sie nicht der AG „zurückgeben“14.
„Die Differenz...bildet den Gründergewinn.“
[ka01c.jpg]In der Tabelle wurde beispielhaft dargestellt, dass zwischen dem real angewandten Eigenkapital und dem Aktienkurs normalerweise eine Differenz besteht. In diesem Zusammenhang steht auch der Gründergewinn:
„Die Differenz zwischen dem Preis der bei Gründung einer Aktiengesellschaft ausgegebenen Aktien und dem Kapital, das wirklich in diesem Unternehmen angelegt ist, bildet den Gründergewinn. Der Gründergewinn ist eine der wichtigsten Bereicherungsquellen der großen Kapitalisten.
Wenn das anfangs im Unternehmen angelegte Kapital 10 Millionen Dollar beträgt, die Preissumme der ausgegebenen Aktien dagegen 15 Millionen Dollar, so beläuft sich der Gründergewinn in diesem Fall auf 5 Millionen Dollar.
Durch die Verwandlung eines privaten Unternehmens in eine Aktiengesellschaft erhält das Kapital eine scheinbar doppelte Existenz. Das wirkliche, im Unternehmen angelegte Kapital in Höhe von 10 Millionen Dollar existiert als Fabrikgebäude, Maschinen, Rohstoffe, Lager, Fertigproduktion und schließlich als ein gewisser Geldbetrag in der Kasse des Unternehmens oder auf dem laufenden Konto der Bank. Doch neben diesem realen Kapital erscheinen bei der Gründung der Aktiengesellschaft Wertpapiere, Aktien auf einen Betrag von 15 Millionen Dollar. Die Aktie ist nur eine Widerspiegelung des wirklich existierenden Kapitals des Unternehmens. Doch die Aktien existieren bereits gesondert neben dem Unternehmen; sie werden gekauft und verkauft, die Banken gewähren Kredite gegen Aktien usw.“15
Die hier beschriebene Form ist die erste, klassische Form des Gründergewinns.
Der sofortige, direkte Verkauf aller Aktien einer AG ist derzeit jedoch nicht der häufigste Fall. Üblicherweise wurde in der BRD in den letzten Jahren bei Neueinführung einer Aktie an der Börse zunächst eine Kapitalerhöhung gemacht, sodass wie im Beispiel der Deutschen Telekom AG der Erlös der Emission und damit auch der Gründergewinn zunächst an die AG zur realen Anwendung ging. Die bisherigen Eigentümer (Gründer) verkauften ihre Aktien nach einiger Zeit – sofern ihnen die Kurse günstig erschienen – mehr oder weniger still und leise7. So sammelte auch der deutsche Staat Gründergewinn ein, als er 2000 seinen Eigentumsanteil an der Telekom reduzierte.
Auch bei späteren Kapitalerhöhungen wird Gründergewinn realisiert, dieser fließt zur realen Anwendung an die AG: „Es versteht sich von selbst, dass Gründergewinn nicht nur gemacht wird bei Gründungen im eigentlichen Sinne des Wortes, seien es völlige Neugründungen oder Umwandlungen bestehender Privatunternehmungen in Aktiengesellschaften. Gründergewinn im ökonomischen Sinne des Wortes kann ebenso bei jeder Kapitalerhöhung bestehender Aktiengesellschaften erzielt werden,...“16
Die Bank gewinnt immer
[file-periodicals#49]Bei jeder Neuausgabe von Aktien (egal ob Erstausgabe oder Kapitalerhöhung) und genauso bei Ausgabe von Zinspapieren (Anleihen usw.) bilden mehrere Banken für diesen Zweck eine Interessengemeinschaft, ein so genanntes Konsortium. Dieses Konsortium sichert alles rechtlich und organisatorisch Notwendige zur Ausgabe der Wertpapiere. Ohne Einschaltung der Banken ist eine Aktienausgabe nicht möglich, die Banken haben sich hier eine Position geschaffen, die ihnen bei jeder Wertpapieremission einen Teil des Gründergewinns sichert. Die hierauf spezialisierten Banken (oder Bankabteilungen) werden Investmentbanker genannt. Nach den vorliegenden Informationen kassieren sie von jeder Ausgabe mindestens 5% des Emissionserlöses. Wohlgemerkt: vom Gesamterlös, nicht nur vom Gründergewinn! Bezogen auf den Gründergewinn kann dies dann schnell ein erheblich größerer Prozentsatz sein.
Die Besonderheit des Gründergewinns gegenüber anderen Erträgen einer Bank wie zum Beispiel Zinsen, besteht darin, dass Gründergewinne sofort in einer Summe und praktisch risikolos vereinnahmt werden. Steigende oder fallenende Kurse brauchen die Bank im Hinblick auf den Gründergewinn nicht mehr zu interessieren17. Ihr Gewinn aus der Emission ist schon eingefahren, egal was aus dem Aktienkurs wird.
Dies war im Jahr 2000 besonders deutlich am Neuen Markt zu beobachten. Solange die Kurse stiegen, wurden immer neue Firmen aus der Kiste geholt und schnell auf die Kurstafel gebracht. Die Banken gewannen an jeder Aktienausgabe, egal wie klein und wackelig die Firma war. Als die Kurse stürzten, war ihr Gründergewinn längst vereinnahmt.
Die Differenz zwischen dem Ausgabepreis der Aktien und dem wirklich angelegten Eigenkapital bildet also den Gründergewinn. Vom reinen Kursgewinn, den ein Aktionär erzielen kann, wenn er eine gekaufte Aktie nach gewisser Zeit weiterverkauft, unterscheidet sich der Gründergewinn zunächst in der Person der Gründer, zu denen ein Kleinaktionär üblicherweise nicht gehört. Zweitens aber vor allem auch, weil der Gründergewinn im Gegensatz zum Kursgewinn ein praktisch risikoloser Ertrag ist. Für den Kursgewinn muss der Aktionär spekulieren und das Verlustrisiko eingehen. Kein Unterschied zwischen Gründergewinn und Kursgewinn existiert dahingehend, dass beide auf der Mehrung des fiktiven Kapitals beruhen und (von der genannten Ausnahme der Kapitalerhöhung abgesehen) nicht der AG zur realen Kapitalanwendung zufließen.
Anmerkungen:
1 Die Begrifflichkeit „Warenfetischismus“ entstand, weil die Versachlichung der Produktionsverhältnisse im Kapitalismus dem Fetischismus in der Religion ähnelt. Dieser bestand darin, dass die Urmenschen von ihnen selbst geschaffene Gegenstände als Götter verehrten.
2 Gesamter Abschnitt seit der Zwischenüberschrift: „Kapitalkreislauf...“ nach: «Politische Ökonomie – Lehrbuch», Dietz Verlag Berlin 1955, Autorenkollektiv an der Akademie der Wissenschaften der UdSSR, Insitut für Ökonomie, S. 171-174
3 Die Entstehung von Handels- und Leihkapital war dabei keine einfache historische Abfolge, sondern ein langwieriger Prozess, in dessen Verlauf sich Industrie-, Handels- und Leihkapital gegenseitig beeinflussten und vorangetrieben haben.
4 von Belegschaftsaktien und Kleinsparern ohne Einfluss einmal abgesehen.
5 Dass der Staat BRD trotz vielfacher Privatisierungen noch einige Anteile an Unternehmen hält, die reales Kapital mit dem Ziel der Vermehrung desselben anwenden,
ist unseres Erachtens für die Gesamtbetrachtung zu vernachlässigen.
6 MEW, Band 25, S. 494
7 Deutscher Aktienindex, Index der 30 größten deutschen AGs 4 seit dem Börsengang noch rd. 73%; gemäß FAZ vom 05.02.2001
8 Dass die Börse nicht der Handelsweg für die Großbanken ist, zeigt sich z.B. auch deutlich beim Devisen- (=Währungshandel). Vor einigen Jahren gründeten die 20 größten Banken der Welt (darunter selbstverständlich Deutsche und Dresdner Bank) die CLS Service Ltd., welche den
Devisenhandel dieser 20 größten untereinander abrechnen soll. Nach Angaben der Deutschen
Bank umfasst dieser Handel der „Group of twenty“ 40% der Gesamtumsätze mit Devisen weltweit;
nach FAZ vom 28.07.1997
9 FAZ vom 01.03.2001
10 MEW Band 25, S. 474 ; Hervorhebung durch uns
11 Bereits Lenin zitiert diesbezüglich 1917 in seiner genialen Schrift : „Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus“, LW 22, S. 233 aus der deutschen Zeitschrift „Die Bank“: „Die Bilanzen zahlreicher Aktiengesellschaften gleichen jenen aus dem Mittelalter bekannten Palimpsesten, bei denen man erst die Schrift auslöschen musste, um die hinter ihr stehenden Zeichen mit dem wirklichen Sinn entziffern zu können. (ein Palimpsest ist ein Pergament, auf dem die ursprüngliche Schrift ausgelöscht und darüber ein anderer Text geschrieben ist)“
12 MEW, Band 25, S. 494
13 Diese Feststellungen sind unverändert gültig, obwohl seit einigen Jahren auch in der BRD (in den USA gab es das schon länger) die Möglichkeit besteht, dass die AGs einen Teil ihrer eigenen Aktien kaufen.
14 „Politische Ökonomie – Lehrbuch“, Dietz Verlag Berlin 1955, Autorenkollektiv an der Akademie der Wissenschaften der UdSSR, Institut für Ökonomie, S. 201-202
15 Im Gegensatz zum Beispiel zu den USA gibt es in der BRD bisher keine Vorschrift, die die Großaktionäre zwingt mitzuteilen, wann sie eine größere Zahl ihrer Aktien verkaufen.
16 Hilferding, Das Finanzkapital, S.171
17 Sofern sie in einem solchen Fall selbst Aktien behalten hat, hofft sie selbstverständlich auf steigende Kurse. Ein so erzielbarer Kursgewinn ist aber eben eine andere Form des Ertrages, er ist kein Gründergewinn mehr.
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