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•NEUES THEMA16.03.2018, 13:08 Uhr
EDIT: FPeregrin
15.07.2020, 14:12 Uhr
15.07.2020, 14:12 Uhr
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• Israel: antifa.-dem. Stoßrichtung
Die KP Israels und Haddash veröffentlichten vor drei Tagen folgende Erklärung, die ich hier mal ganz einstelle:
Das Nationalitätengesetz legalisiert die Apartheid in Israel!
Die Kommunistische Partei Israels (KPI) und die „Demokratische Front für Frieden und Gleichheit“ (Haddash) warnen vor den Versuchen der regierenden Rechtskoalition in der Knesset die Gesetzgebung für das Nationalitätengesetz zu beschleunigen. Sie sehen es an als ein „rassistisches Gesetz, das die Apartheid offiziell und offen gesetzlich einführt“.
KPI und Haddash versichern, dass die arabisch-palästinensischen Bürger/innen Israels die nativen Einwohner dieses Lands sind – und ihre Rechte müssen auf dieser faktischen Grundlage respektiert werden. Außerdem gibt es angesichts dieses Angriffs eine Notwendigkeit der palästinensischen Minderheit in Israel volle Gleichheit ohne Diskriminierung in bürgerlichen und nationalen Rechtsfragen zuzusichern, besonders in Land- und Wohnungsangelegenheiten, sowie eine aufrichtige Anerkennung der arabischen Sprache, als eine offizielle Sprache im Staat.
Die neuerliche Realitätsflucht der Regierung, hier zur Verabschiedung dieser rassistischen Gesetzgebung, genau wenn Gespräche über vorgezogene Wahlen aufkommen, unterstreicht ihre tiefe politische Krise. Im Zusammenhang mit der Korruptionsuntersuchung gegen Netanyahu und seine Komplizen zeigt diese Gesetzgebung den faschistischen und antidemokratischen Charakter dieser Regierung.
KPI und Haddash sagen, dass Netanyahu den Versuch unternimmt, den Wahlkampf in eine Arena rassistischen und faschistischen Aufruhrs gegen die arabisch-palästinensische Minderheit zu verwandeln und die nationalistischen Tendenzen unter den rechtsgerichteten Siedler-Befürwortern anzufachen.
Die Kommunistische Partei und Haddash rufen zu einer Verstärkung der Kampfeinheit der arabischen Bevölkerung gegen diese rassistische Politik wie auch zur Kampfeinheit aller demokratischen, fortschrittlichen Kräfte der israelischen Gesellschaft auf – in Verteidigung der Prinzipien von Demokratie und Gleichheit gegen die anstehende faschistische Gefahr.
13. März 2018
Komitee für Internationale Beziehungen
Kommunistische Partei Israels
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Es ist m.E. evident, daß es eine Lösung des Nahostkonflikts nur dann geben kann, wenn eine gleichgerichtete fortschrittliche Massenbewegung entsteht, die beide (!) nationalen Gemeinschaften im historischen Mandatsgebiet Palästina erfaßt. Eine solchen von KP und Haddash vorgeschlagene antifaschistisch-demokratische Stoßrichtung wäre qualitativ dazu geeignet; ... ob quantitativ - d.h. auch in der nationalen Balance - wird sich zeigen. Zu hoffen wäre es!
Das Nationalitätengesetz legalisiert die Apartheid in Israel!
Die Kommunistische Partei Israels (KPI) und die „Demokratische Front für Frieden und Gleichheit“ (Haddash) warnen vor den Versuchen der regierenden Rechtskoalition in der Knesset die Gesetzgebung für das Nationalitätengesetz zu beschleunigen. Sie sehen es an als ein „rassistisches Gesetz, das die Apartheid offiziell und offen gesetzlich einführt“.
KPI und Haddash versichern, dass die arabisch-palästinensischen Bürger/innen Israels die nativen Einwohner dieses Lands sind – und ihre Rechte müssen auf dieser faktischen Grundlage respektiert werden. Außerdem gibt es angesichts dieses Angriffs eine Notwendigkeit der palästinensischen Minderheit in Israel volle Gleichheit ohne Diskriminierung in bürgerlichen und nationalen Rechtsfragen zuzusichern, besonders in Land- und Wohnungsangelegenheiten, sowie eine aufrichtige Anerkennung der arabischen Sprache, als eine offizielle Sprache im Staat.
Die neuerliche Realitätsflucht der Regierung, hier zur Verabschiedung dieser rassistischen Gesetzgebung, genau wenn Gespräche über vorgezogene Wahlen aufkommen, unterstreicht ihre tiefe politische Krise. Im Zusammenhang mit der Korruptionsuntersuchung gegen Netanyahu und seine Komplizen zeigt diese Gesetzgebung den faschistischen und antidemokratischen Charakter dieser Regierung.
KPI und Haddash sagen, dass Netanyahu den Versuch unternimmt, den Wahlkampf in eine Arena rassistischen und faschistischen Aufruhrs gegen die arabisch-palästinensische Minderheit zu verwandeln und die nationalistischen Tendenzen unter den rechtsgerichteten Siedler-Befürwortern anzufachen.
Die Kommunistische Partei und Haddash rufen zu einer Verstärkung der Kampfeinheit der arabischen Bevölkerung gegen diese rassistische Politik wie auch zur Kampfeinheit aller demokratischen, fortschrittlichen Kräfte der israelischen Gesellschaft auf – in Verteidigung der Prinzipien von Demokratie und Gleichheit gegen die anstehende faschistische Gefahr.
13. März 2018
Komitee für Internationale Beziehungen
Kommunistische Partei Israels
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Es ist m.E. evident, daß es eine Lösung des Nahostkonflikts nur dann geben kann, wenn eine gleichgerichtete fortschrittliche Massenbewegung entsteht, die beide (!) nationalen Gemeinschaften im historischen Mandatsgebiet Palästina erfaßt. Eine solchen von KP und Haddash vorgeschlagene antifaschistisch-demokratische Stoßrichtung wäre qualitativ dazu geeignet; ... ob quantitativ - d.h. auch in der nationalen Balance - wird sich zeigen. Zu hoffen wäre es!
•NEUER BEITRAG16.03.2018, 16:03 Uhr
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smersch | |
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Israel: antifa.-dem. Stoßrichtung
Das ist eine sehr Inhaltsarme Pressemitteilung. Wovon reden die eigentlich, worum geht es?
Wenn ich Nationalitätengesetz Israels google, komme ich immer nur auf Artikel aus 2014 oder 2015.
Geht es darum, dass Israel ein "jüdischer Staat" sein soll?
PS: Im Interview mit der UZ hat der Generalsekretär der KP Israels zudem für meinen Geschmack ein etwas fragwürdig laxen Umgang was Begriffe wie "faschistisch" oder "Apartheid" angeht, demonstriert.
Apartheid als zu wenig Geld für "arabische Ratshäuser" (ist wohl ein Übersetzungsfehler, oder?) und nicht genug Industrieentwicklung in arabischen Vierteln?
Bei südafrikanischen Apartheid würden mir ja erstmal jede Menge ganz andere Dinge einfallen, bis ich irgendwann mal bei sowas lande. Mit der Begründung leiden Ostdeutsche ja auch unter einer Apartheid.
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Wenn ich Nationalitätengesetz Israels google, komme ich immer nur auf Artikel aus 2014 oder 2015.
Geht es darum, dass Israel ein "jüdischer Staat" sein soll?
PS: Im Interview mit der UZ hat der Generalsekretär der KP Israels zudem für meinen Geschmack ein etwas fragwürdig laxen Umgang was Begriffe wie "faschistisch" oder "Apartheid" angeht, demonstriert.
Apartheid als zu wenig Geld für "arabische Ratshäuser" (ist wohl ein Übersetzungsfehler, oder?) und nicht genug Industrieentwicklung in arabischen Vierteln?
Bei südafrikanischen Apartheid würden mir ja erstmal jede Menge ganz andere Dinge einfallen, bis ich irgendwann mal bei sowas lande. Mit der Begründung leiden Ostdeutsche ja auch unter einer Apartheid.
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•NEUER BEITRAG17.03.2018, 15:53 Uhr
EDIT: FPeregrin
03.10.2021, 19:17 Uhr
03.10.2021, 19:17 Uhr
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Israel: antifa.-dem. Stoßrichtung
@smersch: Es ist eine wohlbekannte Erscheinung, daß Begriffe, wenn sie verallgemeinert werden, sich in ihrer Stereo- und Prototypikalität verändern. Der Begriff 'Faschismus', wie wir ihn der Tradition der Kommunistischen Internationale verwenden, beinhaltet also partiell anderes als der Inhalt des ursprünglichen ital. fascismo; er ist in der äußeren Begrenzung weiter, aber im definierten Kern stabiler. Zu 'Apartheid' (#Apartheid) sagt etwa Wikipedia folgendes: "Heute wird der Begriff auch im Sprachgebrauch für jegliche Arten von ethnisch bzw. rassistisch motivierter Segregation verwendet, bei der die Staatsgewalt in einem Land zur Einschränkung der sozialen und bürgerlichen Rechte einer Gruppe missbraucht wird."
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bzw.:
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Unabhängig davon, daß der 'Apartheid'-Begriff in Anwendung auf israelische Politik ein alter Hut ist - ob immer zu recht oder zu unrecht, muß uns jetzt gar nicht interessieren -, trifft genau diese Bestimmung in Bezug auf das Nationalitätengesetz und die von Adel Amer im UZ-Interview erwähnten Beispiele aus etwa weiteren 70 weiteren, ab dem dem Gaza-Krieg 2014 verabschiedeten Gesetzen definitiv zu. Daß es immer noch schlimmer geht, kann kein Argument gegen die grundsätzliche Konstatierung ethnischer Segregation sein, "bei der die Staatsgewalt [...] zur Einschränkung der sozialen und bürgerlichen Rechte einer Gruppe missbraucht wird". Eine Laxheit in der Anwendung des Begriffes 'Apartheid' kann ich also hier nicht finden.
Ähnlich ist dies mit Adel Amers Verwendung des Begriffes 'Faschismus'. Ich zitiere mal: "Ich möchte das klarstellen. Ich habe gesagt, Israel entwickelt sich in eine faschistische Richtung. Es gibt Erscheinungen innerhalb der israelischen Gesellschaft, die in diese Richtung gehen. In Israel gibt es eine starke Diskriminierung auf Grundlage der Nationalität, die sich vor allem gegen die palästinensischen Araber richtet. Dies wird seit dem Tag der Gründung Israels praktiziert. In den letzten Jahren, nach so vielen Jahren israelischer Besatzung und mehreren wirtschaftlichen Krisen, haben sich Widersprüche in der israelischen Gesellschaft herauskristallisiert. Jene, die die Macht in Israel haben, können diese Widersprüche nicht auflösen. Sie begegnen den Widersprüchen mit zunehmender Diskriminierung gegen die arabische Minderheit, aber auch gegen andere Minderheiten in Israel." Und: "Israel ist ein Apartheidstaat, aber noch kein faschistischer Staat." - Dies ist analog zu dem, was hier bereits in anderen Threads in Bezug zu unserem imperialistischen Hauptfeind im eigenen Lande hinsichtlich zahlreicher Mißverständnisse gesagt worden ist: 'Faschistischer Staat' ist etwas anderes als 'drohender Faschismus' oder 'Vorbereitung einer faschistischen Option'. Trotzdem ist letzteres notwendige Bedingung für ersteres und muß daher bekämpft werden. Adel Amer konstatiert hier Israel nichts anderes, als was u.a. in diesem Forum oder in der KAZ andere in Bezug auf die BRD kostatieren: eine akute faschistische Gefahr. Es wäre m.E. auch sehr erstaunlich, wenn sich nun ausgerechnet das kleine Israel entgegen einem wahrnehmbaren allgemeinen Trend verhalten würde! Abgesehen davon, daß wir vielleicht noch einmal klären müssen, was 'Faschismus' in Bezug auf abhängige und nicht-imperialistische Länder heißt - insbesondere, wer hier die treibende Monopol-Bourgeoisie ist -, kann ich auch einen laxen Umgang mit dem Begriff 'Faschismus' nicht erkennen.
P.S.: Daß Israel (noch?) kein faschistischer Staat ist, kann man u.a. daran erkennen, daß solche Debatten, wie die in der Knesset im Oktober letzten Jahres über das Nationalitätengesetz geführt wurden, (noch?) möglich sind. Ich verlinke nicht ohne Grund auf die bürgerlich-zionistischen ynetnews:
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Unabhängig davon, daß der 'Apartheid'-Begriff in Anwendung auf israelische Politik ein alter Hut ist - ob immer zu recht oder zu unrecht, muß uns jetzt gar nicht interessieren -, trifft genau diese Bestimmung in Bezug auf das Nationalitätengesetz und die von Adel Amer im UZ-Interview erwähnten Beispiele aus etwa weiteren 70 weiteren, ab dem dem Gaza-Krieg 2014 verabschiedeten Gesetzen definitiv zu. Daß es immer noch schlimmer geht, kann kein Argument gegen die grundsätzliche Konstatierung ethnischer Segregation sein, "bei der die Staatsgewalt [...] zur Einschränkung der sozialen und bürgerlichen Rechte einer Gruppe missbraucht wird". Eine Laxheit in der Anwendung des Begriffes 'Apartheid' kann ich also hier nicht finden.
Ähnlich ist dies mit Adel Amers Verwendung des Begriffes 'Faschismus'. Ich zitiere mal: "Ich möchte das klarstellen. Ich habe gesagt, Israel entwickelt sich in eine faschistische Richtung. Es gibt Erscheinungen innerhalb der israelischen Gesellschaft, die in diese Richtung gehen. In Israel gibt es eine starke Diskriminierung auf Grundlage der Nationalität, die sich vor allem gegen die palästinensischen Araber richtet. Dies wird seit dem Tag der Gründung Israels praktiziert. In den letzten Jahren, nach so vielen Jahren israelischer Besatzung und mehreren wirtschaftlichen Krisen, haben sich Widersprüche in der israelischen Gesellschaft herauskristallisiert. Jene, die die Macht in Israel haben, können diese Widersprüche nicht auflösen. Sie begegnen den Widersprüchen mit zunehmender Diskriminierung gegen die arabische Minderheit, aber auch gegen andere Minderheiten in Israel." Und: "Israel ist ein Apartheidstaat, aber noch kein faschistischer Staat." - Dies ist analog zu dem, was hier bereits in anderen Threads in Bezug zu unserem imperialistischen Hauptfeind im eigenen Lande hinsichtlich zahlreicher Mißverständnisse gesagt worden ist: 'Faschistischer Staat' ist etwas anderes als 'drohender Faschismus' oder 'Vorbereitung einer faschistischen Option'. Trotzdem ist letzteres notwendige Bedingung für ersteres und muß daher bekämpft werden. Adel Amer konstatiert hier Israel nichts anderes, als was u.a. in diesem Forum oder in der KAZ andere in Bezug auf die BRD kostatieren: eine akute faschistische Gefahr. Es wäre m.E. auch sehr erstaunlich, wenn sich nun ausgerechnet das kleine Israel entgegen einem wahrnehmbaren allgemeinen Trend verhalten würde! Abgesehen davon, daß wir vielleicht noch einmal klären müssen, was 'Faschismus' in Bezug auf abhängige und nicht-imperialistische Länder heißt - insbesondere, wer hier die treibende Monopol-Bourgeoisie ist -, kann ich auch einen laxen Umgang mit dem Begriff 'Faschismus' nicht erkennen.
P.S.: Daß Israel (noch?) kein faschistischer Staat ist, kann man u.a. daran erkennen, daß solche Debatten, wie die in der Knesset im Oktober letzten Jahres über das Nationalitätengesetz geführt wurden, (noch?) möglich sind. Ich verlinke nicht ohne Grund auf die bürgerlich-zionistischen ynetnews:
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•NEUER BEITRAG18.03.2018, 00:45 Uhr
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Israel: antifa.-dem. Stoßrichtung
"ob immer zu recht oder zu unrecht, muß uns jetzt gar nicht interessieren -, trifft genau diese Bestimmung in Bezug auf das Nationalitätengesetz und die von Adel Amer im UZ-Interview erwähnten Beispiele aus etwa weiteren 70 weiteren, ab dem dem Gaza-Krieg 2014 verabschiedeten Gesetzen definitiv zu"
Also als jemand, für den der Untschie zwischen Wesen und Erscheinung einer der wesentlichen Fundamente einer marxistischen Analyse ist, ist es für mich:
a, schon wesentlich ob etwas zutrifft oder nicht (!?)
b, sollten wir schon an der Speerspitze derer sein, die eben versuchen wesentlichen(!) Gemeinsamketien von unwesentlichen zu trennen, statt der bürgerlichen Trend der Beliebigkeit hinterherzutrotten
Insofern finde ich das Begriffe wie Rassimus, Faschismus und Apartheid schon halbwegs gut ausgearbeit sein sollen und da sie ihre Wirkmächtigkeit zu bestimmten historischen Zeiträumen (bzw. gar Orten) hatten, sind sie nicht Begriffe die sich im Lauf der Zeit ändern sollten, weil sich die Zeit ändert. Dann brauchen wir eben neue Begriffe. Denn ansonsten können wir uns einen historischen Materialismus gleich sparen, da dann niemand mehr durchblickt.
"Heute wird der Begriff auch im Sprachgebrauch für jegliche Arten von ethnisch bzw. rassistisch motivierter Segregation verwendet, bei der die Staatsgewalt in einem Land zur Einschränkung der sozialen und bürgerlichen Rechte einer Gruppe missbraucht wird."
Der Hinweis, dass mit dieser Definition Apartheid herrscht ist natürlich tautologisch, da diese Definition ja sagt, das "jede"(!) Diskriminierung die auf "Ethnie" oder "Rasse" abspielt Apartheid ist. Ich hingegen finde, dass das wesentliche an der Apartheid aber nicht war, dass sie diskriminierend war, sondern einerseits, dass sie es bis in die 1990er beibehalten haben und andererseits wie sie diskriminiert haben.
Nicht nur, dass sie rassistisch im eigentlichen - also biologischen - Sinne waren, sondern sie haben ja tatsächlich sie die Mühe gemacht verschiedene Untergrupen zu gründen. Noch dazu mit so bizarren Phänomen wie die Eingliederung von JapanerInnen als Weiße. Ebenso hatten sie ein recht ausgeklügeltes System von Rechten und Priviliegien. Sie waren zynisch gesagt, die StreberInnen unter den RassistInnen, da sich die meisten RassistInnen nicht so ein Mühe machen würden.
Einer der ersten Maßnahmen im Rahmen der Apartheid war das Verbot von Sexualbeziehungen zwischen Weißen und Nicht-Weißen (mit Gefängnisstrafe die tatsächlich Tausende von SüdafrikanerInnen betraf) sowie dem Verbot der Mischehe.
Beides gab und gibt es in Israel nicht (ab es allerdings in den USA).
Ebenso wurde jede Kritik oder Opposition gegen die Apartheid unter Strafe gestellt.
Schwarze hatten weiße Vorsteher die sich für ihre Belange einsetzten sollten und wurden weitesgehen aus dem Parlament ausgeschlossen.
Man hat ihnen bestimmte Arten der Schulbildung verwehrt mit dem Hinweis, sie sind eh zu blöd für Mathematik o.ä.
Und noch vieles, vieles mehr.
Selbst die Rassentrennung in den USA hat sich ja selbst verpflichtet "separate but equal" zu sein. Das war zwar in der Praxis ein schlechter Witz, aber die Südafrikaner haben sich ja noch nicht mal für ihren Rassismus geschämt, du sie also nicht über den Widerspruch der Gewährung bürgerlicher Gleichheit packen konntest, wie viele Diskriminierungen heutzutage. Diesen Widerspurch hättest du auch in Israel, da sie selbst als "jüdischer Staat" die Gleichheit der Staatsbürger garantieren sollen.
Das ist schon wesentlich und nicht die Diskriminierung.
Ebenso sollten wir schon aufpassen, was wir meinen, wenn wir PalästinenserInnen sagen. Meinen wir damit die arabischstämmigen Israelis (die ja selbst noch mal untergliedert werden können in Palästinener oder Drusen, die sich nicht als Palsästinenser sehen und relativ geschlossen zu Israel stehen) oder meinen wie die BewohnerInnen der besetzten Gebiete.
Den die BewohnerInnen der besetzen Gebiete sind keine Staatsbürger, wollen aber auch kein sein. Und Nicht-Staatsbürger sind leider überalle auf der Welt schlechter gestellt. Wir sollten das aus Gründen der Klarheit nicht vermischen.
Der Konflikt dreht sich ja anders als in Südafrika oder den USA nicht um den Status der eigenen Bevölkerung auf dem eigenen Territorium ab, sondern er dreht sich primär um den Status einer fremden Bevölkerung auf einen fremden Territorium, das leider militärische Besetzt ist, mit einer unklaren Zukunft und einem Besatzungsregime, dass offensichtlich gerne noch den ein oder anderen Teil dieses Territoriums gerne in sich eingliedern möchte, bevor es irgendwann mal unabhängig wird - was verältnismäßig unwahrscheinlich wirkt, da die palästinensichen Gruppen die bisherigen Bedingungen ihrer Unabhägigkeit ablehnen, Israel aber wenig entgegensetzen können.
Das ist eine sehr spezielle Situation.
Das Begriffe wie Apartheid, Faschismus und Rassismus so gerne benutzt werden hat aber auch wenig damit zu tun, dass ständig ergebnisoffene Untersuchungen mannigfaltig Wesensgemeinheiten entdecken, sondern weil die harten aber erfolgreichen Kämpfe dazu geführt haben, dass diese Begriffe allgemein akzeptiere Worst-Case-Szenarien geworden sind und daher dirty words sind. Und nun wollen viele AktivistInnen offensichtlich den Weg abkürzen und gleich mal darauf aufbauen. Das ist zwar verständlich, aber auch fatal.
Nicht nur, dass damit der eigene Standard der Wissenschaflichkeit verletzt wird und man dann irgendwann nicht mehr allzu glaubwürdig und überlegen agieren kann, so hat das auch für die politische Praxis höchst problematisch Züge.
Je mehr ich diese Begriffe erweitere, kann es sein, dass es sich ins gegenteil verkehrt. Wenn jede politische unkorrektheit bereits als Rassismus gewertet wird, jeder Verschäftung von Polizeigesetzten als Faschismus und jede ethnische Diskriminierung als Apartheid, braucht man sich nicht wundern, wenn der Haupteffekt des ganzen ist, dass immer mehr Leute diese Begriffe nicht ernst nehmen und dann war die ganz Arbeit umsonst. Und das ist ein sehr reales Problem, siehe die Strategie der Aktuere des aktuellen Rechtsrucks. Sie setzten an Phänomen großteils nicht nachvollziehbarer poltical correctness in der Bevölkerung an und versuchen dann gleich noch den NS mit Rehabilitieren.
Ebenso haben diese Diskussion meisten das Problem, dass statt Worst-Case-Szenarios zu bleiben, sie irgendwann zu Mindesvoraussetzungen werden sich überhaupt zu engagieren. Wenn kein Faschist, ist es nicht zu schlimm.
Was wir tun sollten ist den Standard immer weiter rauf zusetzen.
Nicht erst Rassismus oder Apartheid ist schlimm, sondern jede Art der Spaltung der Arbeiterklasse.
Nicht erst Faschismus, sondern jeder Regierungsform unterhalb des Sozialismus.
Ich will nicht erst mit Holocaust, Lagern, Stacheldraht und Toten kommen müssen um Leute zu agitieren.
Ich will, dass sie sich bereits empören, dass ihre Arbeit irgendeine Privatperson reicht macht.
Dazu müssten wir aber erst mal mit unserer Vorliebe für die Big Dirty Words brechen.
Also als jemand, für den der Untschie zwischen Wesen und Erscheinung einer der wesentlichen Fundamente einer marxistischen Analyse ist, ist es für mich:
a, schon wesentlich ob etwas zutrifft oder nicht (!?)
b, sollten wir schon an der Speerspitze derer sein, die eben versuchen wesentlichen(!) Gemeinsamketien von unwesentlichen zu trennen, statt der bürgerlichen Trend der Beliebigkeit hinterherzutrotten
Insofern finde ich das Begriffe wie Rassimus, Faschismus und Apartheid schon halbwegs gut ausgearbeit sein sollen und da sie ihre Wirkmächtigkeit zu bestimmten historischen Zeiträumen (bzw. gar Orten) hatten, sind sie nicht Begriffe die sich im Lauf der Zeit ändern sollten, weil sich die Zeit ändert. Dann brauchen wir eben neue Begriffe. Denn ansonsten können wir uns einen historischen Materialismus gleich sparen, da dann niemand mehr durchblickt.
"Heute wird der Begriff auch im Sprachgebrauch für jegliche Arten von ethnisch bzw. rassistisch motivierter Segregation verwendet, bei der die Staatsgewalt in einem Land zur Einschränkung der sozialen und bürgerlichen Rechte einer Gruppe missbraucht wird."
Der Hinweis, dass mit dieser Definition Apartheid herrscht ist natürlich tautologisch, da diese Definition ja sagt, das "jede"(!) Diskriminierung die auf "Ethnie" oder "Rasse" abspielt Apartheid ist. Ich hingegen finde, dass das wesentliche an der Apartheid aber nicht war, dass sie diskriminierend war, sondern einerseits, dass sie es bis in die 1990er beibehalten haben und andererseits wie sie diskriminiert haben.
Nicht nur, dass sie rassistisch im eigentlichen - also biologischen - Sinne waren, sondern sie haben ja tatsächlich sie die Mühe gemacht verschiedene Untergrupen zu gründen. Noch dazu mit so bizarren Phänomen wie die Eingliederung von JapanerInnen als Weiße. Ebenso hatten sie ein recht ausgeklügeltes System von Rechten und Priviliegien. Sie waren zynisch gesagt, die StreberInnen unter den RassistInnen, da sich die meisten RassistInnen nicht so ein Mühe machen würden.
Einer der ersten Maßnahmen im Rahmen der Apartheid war das Verbot von Sexualbeziehungen zwischen Weißen und Nicht-Weißen (mit Gefängnisstrafe die tatsächlich Tausende von SüdafrikanerInnen betraf) sowie dem Verbot der Mischehe.
Beides gab und gibt es in Israel nicht (ab es allerdings in den USA).
Ebenso wurde jede Kritik oder Opposition gegen die Apartheid unter Strafe gestellt.
Schwarze hatten weiße Vorsteher die sich für ihre Belange einsetzten sollten und wurden weitesgehen aus dem Parlament ausgeschlossen.
Man hat ihnen bestimmte Arten der Schulbildung verwehrt mit dem Hinweis, sie sind eh zu blöd für Mathematik o.ä.
Und noch vieles, vieles mehr.
Selbst die Rassentrennung in den USA hat sich ja selbst verpflichtet "separate but equal" zu sein. Das war zwar in der Praxis ein schlechter Witz, aber die Südafrikaner haben sich ja noch nicht mal für ihren Rassismus geschämt, du sie also nicht über den Widerspruch der Gewährung bürgerlicher Gleichheit packen konntest, wie viele Diskriminierungen heutzutage. Diesen Widerspurch hättest du auch in Israel, da sie selbst als "jüdischer Staat" die Gleichheit der Staatsbürger garantieren sollen.
Das ist schon wesentlich und nicht die Diskriminierung.
Ebenso sollten wir schon aufpassen, was wir meinen, wenn wir PalästinenserInnen sagen. Meinen wir damit die arabischstämmigen Israelis (die ja selbst noch mal untergliedert werden können in Palästinener oder Drusen, die sich nicht als Palsästinenser sehen und relativ geschlossen zu Israel stehen) oder meinen wie die BewohnerInnen der besetzten Gebiete.
Den die BewohnerInnen der besetzen Gebiete sind keine Staatsbürger, wollen aber auch kein sein. Und Nicht-Staatsbürger sind leider überalle auf der Welt schlechter gestellt. Wir sollten das aus Gründen der Klarheit nicht vermischen.
Der Konflikt dreht sich ja anders als in Südafrika oder den USA nicht um den Status der eigenen Bevölkerung auf dem eigenen Territorium ab, sondern er dreht sich primär um den Status einer fremden Bevölkerung auf einen fremden Territorium, das leider militärische Besetzt ist, mit einer unklaren Zukunft und einem Besatzungsregime, dass offensichtlich gerne noch den ein oder anderen Teil dieses Territoriums gerne in sich eingliedern möchte, bevor es irgendwann mal unabhängig wird - was verältnismäßig unwahrscheinlich wirkt, da die palästinensichen Gruppen die bisherigen Bedingungen ihrer Unabhägigkeit ablehnen, Israel aber wenig entgegensetzen können.
Das ist eine sehr spezielle Situation.
Das Begriffe wie Apartheid, Faschismus und Rassismus so gerne benutzt werden hat aber auch wenig damit zu tun, dass ständig ergebnisoffene Untersuchungen mannigfaltig Wesensgemeinheiten entdecken, sondern weil die harten aber erfolgreichen Kämpfe dazu geführt haben, dass diese Begriffe allgemein akzeptiere Worst-Case-Szenarien geworden sind und daher dirty words sind. Und nun wollen viele AktivistInnen offensichtlich den Weg abkürzen und gleich mal darauf aufbauen. Das ist zwar verständlich, aber auch fatal.
Nicht nur, dass damit der eigene Standard der Wissenschaflichkeit verletzt wird und man dann irgendwann nicht mehr allzu glaubwürdig und überlegen agieren kann, so hat das auch für die politische Praxis höchst problematisch Züge.
Je mehr ich diese Begriffe erweitere, kann es sein, dass es sich ins gegenteil verkehrt. Wenn jede politische unkorrektheit bereits als Rassismus gewertet wird, jeder Verschäftung von Polizeigesetzten als Faschismus und jede ethnische Diskriminierung als Apartheid, braucht man sich nicht wundern, wenn der Haupteffekt des ganzen ist, dass immer mehr Leute diese Begriffe nicht ernst nehmen und dann war die ganz Arbeit umsonst. Und das ist ein sehr reales Problem, siehe die Strategie der Aktuere des aktuellen Rechtsrucks. Sie setzten an Phänomen großteils nicht nachvollziehbarer poltical correctness in der Bevölkerung an und versuchen dann gleich noch den NS mit Rehabilitieren.
Ebenso haben diese Diskussion meisten das Problem, dass statt Worst-Case-Szenarios zu bleiben, sie irgendwann zu Mindesvoraussetzungen werden sich überhaupt zu engagieren. Wenn kein Faschist, ist es nicht zu schlimm.
Was wir tun sollten ist den Standard immer weiter rauf zusetzen.
Nicht erst Rassismus oder Apartheid ist schlimm, sondern jede Art der Spaltung der Arbeiterklasse.
Nicht erst Faschismus, sondern jeder Regierungsform unterhalb des Sozialismus.
Ich will nicht erst mit Holocaust, Lagern, Stacheldraht und Toten kommen müssen um Leute zu agitieren.
Ich will, dass sie sich bereits empören, dass ihre Arbeit irgendeine Privatperson reicht macht.
Dazu müssten wir aber erst mal mit unserer Vorliebe für die Big Dirty Words brechen.
•NEUER BEITRAG19.03.2018, 16:13 Uhr
EDIT: FPeregrin
19.03.2018, 16:14 Uhr
19.03.2018, 16:14 Uhr
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Israel: antifa.-dem. Stoßrichtung
Oioioi!
Also abgesehen von der putzigen Zitierweise, mit der Du Dir selbst suggerieren kannst, als wäre es mir egal, ob eine Aussage sachlich zutrifft oder nicht...
Was ist das für ein metaphysisches Verständnis von Benennungsvorgängen?! "[...] sind sie nicht Begriffe die sich im Lauf der Zeit ändern sollten, weil sich die Zeit ändert. Dann brauchen wir eben neue Begriffe." In einem marxistischen Verständnis von Erkenntnisprozessen ist der 'Begriff' (= 'Bedeutung' in Bezug auf Wörter oder Termini; die Lautgestalt = 'Bezeichnung' interessiert uns hierbei in aller Regel nicht) gleichermaßen Abbild wie Werkzeug, d.h. er ist immer auch Instrument der Veränderung der Wirklichkeit, die er erfaßt. Wäre das anders, hätte sich nicht nur Hermann Paul die Arbeit an seinem Dt. Wb. sparen können, sondern könnten wir gar nicht sinnvoll kommunizieren, da nicht möglich ist, für jede - in der Regel fließende - begriffliche Veränderung eine neue 'Bezeichnung' zu besorgen, die ja auch noch kommunikativ sein muß. Das gilt nicht nur für den Wortschatz des Alltags, sondern auch für den der Wissenschaft. Ein harmloses Beispiel: mittellat. planeta (aus gr. πλανήτης), dt. Planet, engl. planet 'Planet' zeigt eine Begriffsentwicklung, in der sich sehr schön das Ineinander der Abbild- und der Werkzeugfunktion dingfest machen lassen.
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Historizität und Veränderung von Begriffen ist nicht bürgerliche Beliebigkeit!
Und tautologisch wäre die hier zugrundegelegte Definition von 'Apartheid' auch nicht, wenn sie wirklich ganz (!) zur Kenntnis genommen würde: "[...] jegliche Arten von ethnisch bzw. rassistisch motivierter Segregation verwendet, bei der die Staatsgewalt in einem Land zur Einschränkung der sozialen und bürgerlichen Rechte einer Gruppe missbraucht wird." - Hier ist des Pudels Kern: Nicht nur die faktische Diskriminierung, sondern deren juristische Sanktioniertheit. Ich möchte gern hinzufügen - es scheint auch so gemeint zu sein -: "in formal demokratischen Systemen" - dann hätten wir Ähnliches in offen terroristischen Diktaturen (z.B. Nürnberger Rassegesetze) ausgeschlossen und könnten uns entsprechende Gleichsetzungsunterstellungen sparen. Tatsächlich bleiben ja dann auch nicht wirklich viele historische Beispiele übrig: Südafrika in der Apartheid-Zeit, Rhodesien unter der Herrschaft der Rhodesian Front, die USA in der Zeit der Segregation, Nord-Irland in der Zeit des Stormont-Regimes, Israel. Es ist sicher kein Zufall, daß dies alles Staatsbildungen sind, in deren Geschichte Siedlerkolonialismus eine bestimmende Rolle gespielt hat.
"Nicht erst Rassismus oder Apartheid ist schlimm, sondern jede Art der Spaltung der Arbeiterklasse. / Nicht erst Faschismus, sondern jeder Regierungsform unterhalb des Sozialismus."
Aber ist das von den Kampf- und Überlebensbedingungen her für Dich wirklich alles éine Wichse - Faschismus oder demokratische Republik, Shoa oder israelische Nationalitätengesetz? Wer ist hier unscharf?
Was rätst Du also der KP Israels? Daß sie dabei zusehen sollte, wie eine formale bürgerliche Demokratie in eine faschistische Diktatur abrutschen könnte, weil es egal ist, wie und durch wen die Bourgeoisie regiert? Wie es in der BRD einen Unterschied macht, ob die SPD oder die AfD regiert, so auch in Israel den, ob es haAwoda oder Jisra'el Beitenu tun, sowohl für die jüdische wie die arabische Arbeiterklasse!
P.S.: Ach, weil auch da Unklarheit bestand: Erklärung und Interview bezogen sich erkennbar auf die 48er Gebiete, für die eben diese formal-bürgerlichen Zustände (noch?) Geltung haben, nicht für de facto unter Besatzungsrecht (+ "Autonomie"-Zirkus) stehenden 67er Gebiete. Es geht mithin um die Rechte der arabischen Bürger Israels und nicht um die Frage, wer denn 'Palästinenser' ist.
Also abgesehen von der putzigen Zitierweise, mit der Du Dir selbst suggerieren kannst, als wäre es mir egal, ob eine Aussage sachlich zutrifft oder nicht...
Was ist das für ein metaphysisches Verständnis von Benennungsvorgängen?! "[...] sind sie nicht Begriffe die sich im Lauf der Zeit ändern sollten, weil sich die Zeit ändert. Dann brauchen wir eben neue Begriffe." In einem marxistischen Verständnis von Erkenntnisprozessen ist der 'Begriff' (= 'Bedeutung' in Bezug auf Wörter oder Termini; die Lautgestalt = 'Bezeichnung' interessiert uns hierbei in aller Regel nicht) gleichermaßen Abbild wie Werkzeug, d.h. er ist immer auch Instrument der Veränderung der Wirklichkeit, die er erfaßt. Wäre das anders, hätte sich nicht nur Hermann Paul die Arbeit an seinem Dt. Wb. sparen können, sondern könnten wir gar nicht sinnvoll kommunizieren, da nicht möglich ist, für jede - in der Regel fließende - begriffliche Veränderung eine neue 'Bezeichnung' zu besorgen, die ja auch noch kommunikativ sein muß. Das gilt nicht nur für den Wortschatz des Alltags, sondern auch für den der Wissenschaft. Ein harmloses Beispiel: mittellat. planeta (aus gr. πλανήτης), dt. Planet, engl. planet 'Planet' zeigt eine Begriffsentwicklung, in der sich sehr schön das Ineinander der Abbild- und der Werkzeugfunktion dingfest machen lassen.
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Historizität und Veränderung von Begriffen ist nicht bürgerliche Beliebigkeit!
Und tautologisch wäre die hier zugrundegelegte Definition von 'Apartheid' auch nicht, wenn sie wirklich ganz (!) zur Kenntnis genommen würde: "[...] jegliche Arten von ethnisch bzw. rassistisch motivierter Segregation verwendet, bei der die Staatsgewalt in einem Land zur Einschränkung der sozialen und bürgerlichen Rechte einer Gruppe missbraucht wird." - Hier ist des Pudels Kern: Nicht nur die faktische Diskriminierung, sondern deren juristische Sanktioniertheit. Ich möchte gern hinzufügen - es scheint auch so gemeint zu sein -: "in formal demokratischen Systemen" - dann hätten wir Ähnliches in offen terroristischen Diktaturen (z.B. Nürnberger Rassegesetze) ausgeschlossen und könnten uns entsprechende Gleichsetzungsunterstellungen sparen. Tatsächlich bleiben ja dann auch nicht wirklich viele historische Beispiele übrig: Südafrika in der Apartheid-Zeit, Rhodesien unter der Herrschaft der Rhodesian Front, die USA in der Zeit der Segregation, Nord-Irland in der Zeit des Stormont-Regimes, Israel. Es ist sicher kein Zufall, daß dies alles Staatsbildungen sind, in deren Geschichte Siedlerkolonialismus eine bestimmende Rolle gespielt hat.
"Nicht erst Rassismus oder Apartheid ist schlimm, sondern jede Art der Spaltung der Arbeiterklasse. / Nicht erst Faschismus, sondern jeder Regierungsform unterhalb des Sozialismus."
Aber ist das von den Kampf- und Überlebensbedingungen her für Dich wirklich alles éine Wichse - Faschismus oder demokratische Republik, Shoa oder israelische Nationalitätengesetz? Wer ist hier unscharf?
Was rätst Du also der KP Israels? Daß sie dabei zusehen sollte, wie eine formale bürgerliche Demokratie in eine faschistische Diktatur abrutschen könnte, weil es egal ist, wie und durch wen die Bourgeoisie regiert? Wie es in der BRD einen Unterschied macht, ob die SPD oder die AfD regiert, so auch in Israel den, ob es haAwoda oder Jisra'el Beitenu tun, sowohl für die jüdische wie die arabische Arbeiterklasse!
P.S.: Ach, weil auch da Unklarheit bestand: Erklärung und Interview bezogen sich erkennbar auf die 48er Gebiete, für die eben diese formal-bürgerlichen Zustände (noch?) Geltung haben, nicht für de facto unter Besatzungsrecht (+ "Autonomie"-Zirkus) stehenden 67er Gebiete. Es geht mithin um die Rechte der arabischen Bürger Israels und nicht um die Frage, wer denn 'Palästinenser' ist.
•NEUER BEITRAG20.03.2018, 23:43 Uhr
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joe123 | |
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Israel: antifa.-dem. Stoßrichtung
"Oioioi!" find ik jut.
Ansonsten heiklige Sache - falls jemanden Bekenntnisse intressieren, neig ik eher dazu, Smersch hiers Recht zu geben, würd aber auch nicht zu viel dran fiseln, obs nu dort eine Apartheid ist oder nicht im 48er oder 67er Israel.
Ik sehs dort anyway alles bissel als Kriegsgebiet - eben seit 1967 spätestens. Da unten die da unten die Und im Kriege fallts demokratistische Vögelgezwitscher eh als erstes, he?
Aber höllisch weit weg die Sache. Höllisch weit weg. Nahostalarm – Antrag Debattenende – lieber beschweigen und verdrängen als Austragen bis zur theoretischen Endlösung )))
Ansonsten heiklige Sache - falls jemanden Bekenntnisse intressieren, neig ik eher dazu, Smersch hiers Recht zu geben, würd aber auch nicht zu viel dran fiseln, obs nu dort eine Apartheid ist oder nicht im 48er oder 67er Israel.
Ik sehs dort anyway alles bissel als Kriegsgebiet - eben seit 1967 spätestens. Da unten die da unten die Und im Kriege fallts demokratistische Vögelgezwitscher eh als erstes, he?
Aber höllisch weit weg die Sache. Höllisch weit weg. Nahostalarm – Antrag Debattenende – lieber beschweigen und verdrängen als Austragen bis zur theoretischen Endlösung )))
•NEUER BEITRAG21.03.2018, 11:34 Uhr
EDIT: FPeregrin
21.03.2018, 20:59 Uhr
21.03.2018, 20:59 Uhr
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FPeregrin | |
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Israel: antifa.-dem. Stoßrichtung
@joe 123: Ich nehme das nur mal an zwei Formulierungen auf, um es zurechtzurücken.
"Bekenntnisse": Darauf wollte ich nicht hinaus, und das sollten wir uns auch nicht leisten, in diesen Foren den Nahostkonflikt - nur éiner von leider sehr sehr vielen internationalen Konflikten - auf die Ebene des Bekenntnistums hochzukochen - Schalke vs. Hannover 96. Das passiert leider sehr schnell - und ist offenbar ansatzweise auch hier passiert, ohne das es intendiert war - und führt zu nichts, nichts, nichts! - Oder besser: Das führt zu irreparablen Schäden!
"Nahostalarm – Antrag Debattenende – lieber beschweigen und verdrängen als Austragen bis zur theoretischen Endlösung )))": Die theoretische (wie die einzig zählende praktische!) "Endlösung" wird sowieso nicht am Debattentisch zwischen Schalke- und 96-Fans - sämtlich mit Bundestrainerambitionen - erzielt. Insofern gebe ich Dir unbedingt recht, daß es auch in dieser Hinsicht wenig sinnvoll ist, diese Debatte bis zum Exzeß weiterzuführen. Absichtsvoll habe ich auch vermieden, hier nun kleinklein festlegen zu wollen, ab wann nun "Apartheid" für irgendwelchen israelischen Maßnahmen das richtige Logo ist - smersch macht mir "Beliebigkeit' draus -, denn das war hier für mich in der Tat nicht entscheidend.
M.E.: Entscheidend: Eine KP wählt in einer konkreten Situation - nennen wir sie "Rechtsentwicklung", damit es niemandem Begriffsprobleme bereitet - eine Strategie mit einer klar antifaschistisch-demokratischen Stoßrichtung. Auch wenn dies unter den komplizierten Bedingungen des Nahostkonflikts geschieht - die diese Festlegung vielleicht sogar erleichtern -, enthält dies Entscheidung der KP Israels etwas Verallgemeinerbares. Darum ging es mir, nicht um den großen und ganzen Nahostkonflikt und seine "Lösung" als Fan-Randale. Aber: Meine Bekenntnis-Reflexe muß ich da auch unterdrücken - schadet auch nicht! -; ich bitte andere, das aber auch zu tun. Aus irgendeiner alten Primär-Solidarisierung kommen wir leider alle.
Dies als Peaceline?
"Bekenntnisse": Darauf wollte ich nicht hinaus, und das sollten wir uns auch nicht leisten, in diesen Foren den Nahostkonflikt - nur éiner von leider sehr sehr vielen internationalen Konflikten - auf die Ebene des Bekenntnistums hochzukochen - Schalke vs. Hannover 96. Das passiert leider sehr schnell - und ist offenbar ansatzweise auch hier passiert, ohne das es intendiert war - und führt zu nichts, nichts, nichts! - Oder besser: Das führt zu irreparablen Schäden!
"Nahostalarm – Antrag Debattenende – lieber beschweigen und verdrängen als Austragen bis zur theoretischen Endlösung )))": Die theoretische (wie die einzig zählende praktische!) "Endlösung" wird sowieso nicht am Debattentisch zwischen Schalke- und 96-Fans - sämtlich mit Bundestrainerambitionen - erzielt. Insofern gebe ich Dir unbedingt recht, daß es auch in dieser Hinsicht wenig sinnvoll ist, diese Debatte bis zum Exzeß weiterzuführen. Absichtsvoll habe ich auch vermieden, hier nun kleinklein festlegen zu wollen, ab wann nun "Apartheid" für irgendwelchen israelischen Maßnahmen das richtige Logo ist - smersch macht mir "Beliebigkeit' draus -, denn das war hier für mich in der Tat nicht entscheidend.
M.E.: Entscheidend: Eine KP wählt in einer konkreten Situation - nennen wir sie "Rechtsentwicklung", damit es niemandem Begriffsprobleme bereitet - eine Strategie mit einer klar antifaschistisch-demokratischen Stoßrichtung. Auch wenn dies unter den komplizierten Bedingungen des Nahostkonflikts geschieht - die diese Festlegung vielleicht sogar erleichtern -, enthält dies Entscheidung der KP Israels etwas Verallgemeinerbares. Darum ging es mir, nicht um den großen und ganzen Nahostkonflikt und seine "Lösung" als Fan-Randale. Aber: Meine Bekenntnis-Reflexe muß ich da auch unterdrücken - schadet auch nicht! -; ich bitte andere, das aber auch zu tun. Aus irgendeiner alten Primär-Solidarisierung kommen wir leider alle.
Dies als Peaceline?
•NEUER BEITRAG07.11.2022, 23:43 Uhr
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Nach ungefähr 4 1/2 Jahren:
"Entscheidend: Eine KP wählt in einer konkreten Situation - nennen wir sie "Rechtsentwicklung", damit es niemandem Begriffsprobleme bereitet - eine Strategie mit einer klar antifaschistisch-demokratischen Stoßrichtung."
So sieht es jetzt aus - jW morgen -:
Land ohne Linke
Israels Sozialdemokraten auf tiefstem Punkt seit Staatsgründung. Meretz nicht mehr im Parlament
Von Knut Mellenthin
Bei der vorgezogenen Neuwahl des israelischen Parlaments am vorigen Dienstag konnte Benjamin Netanjahus langjähriger Unterstützerblock die Zahl seiner Abgeordneten in der Knesset von 52 auf 64 steigern. Auf der anderen Seite verzeichnete die Arbeitspartei mit nur vier Mandaten – drei weniger als bei der vorangegangenen Wahl vom 23. März 2021 – das schlechteste Ergebnis seit ihrer Formierung unter diesem Namen im Jahre 1968. Die links von der Arbeitspartei stehende Meretz scheiterte an der 3,25-Prozent-Sperrklausel. Lediglich die fast ausschließlich arabische Chadasch, die im Rahmen der Vereinigten Liste antrat, blieb mit drei Mandaten stabil. An diesem Bündnis ist unter anderem die Kommunistische Partei beteiligt.
Die Arbeitspartei, hebräisch meist nur kurz »Awoda« (Arbeit) genannt, ist jetzt die kleinste der zehn Fraktionen im neuen Parlament. Mit 3,69 Prozent der Stimmen musste sie während der Auszählung sogar um ihren Wiedereinzug bangen. Das ist der vorläufige Tiefpunkt in der Geschichte der traditionsreichen Partei, die – früher unter dem Namen Mapai – von der Staatsgründung 1948 bis 1977 die israelische Gesellschaft dominiert und alle Regierungskoalitionen geführt hatte. Damals stürzte sie von 44 Mandaten bei der vorangegangenen Wahl 1973 auf nur noch 28 ab. Der rechte Likud unter Menachem Begin wurde mit 33,4 Prozent der Stimmen und 43 Abgeordneten erstmals stärkste Fraktion und Regierungsführer.
In der Folgezeit erholte sich die Arbeitspartei zunächst und erreichte bei der Wahl 1992 mit 44 Mandaten noch einmal ihre alte zahlenmäßige Stärke, aber bei weitem nicht ihren früheren gesellschaftlichen Einfluss. Nach der Ermordung des von ihr gestellten Premierministers Jitzchak Rabin durch einen ultrarechten Attentäter am 4. November 1995 ging es mit den Wahlergebnissen der Awoda nur noch gradlinig bergab, von 34 Abgeordneten 1996 auf 18 Mandate bei der Wahl 2006.
Es folgten Listenverbindungen mit anderen Parteien oder Parteiabspaltungen. 2009 trat die Arbeitspartei zusammen mit früheren Likud-Politikern als Kadima, 2015 als Zionistische Union an. Als sie 2019 wieder unter ihrem eigenen Namen kandidierte, kam sie nur noch auf 4,43 Prozent, was gerade mal für sechs Abgeordnetensitze reichte.
Die Linkspartei Meretz hatte sich vor der Wahl am vorigen Dienstag aufgrund ihrer schlechten Umfrageergebnisse um eine Listenverbindung mit der Awoda bemüht. Das lehnte deren Vorsitzende Merav Michaeli jedoch ab – und wird dafür nachträglich auch in ihrer eigenen Partei kritisiert. Mit 3,16 Prozent scheiterte Meretz knapp an der Sperrklausel, ihre rund 150.000 Stimmen gingen dem »Anti-Netanjahu-Block« verloren. Es ist das erste Mal seit ihrer Formierung vor 30 Jahren – damals zunächst noch als Listenverbindung dreier Parteien –, dass Meretz nicht mehr in der Knesset vertreten ist. Ihr bestes Ergebnis erreichte sie bei ihrem ersten Antreten 1992 mit zwölf Mandaten. Nach der letzten vorausgegangenen Wahl am 23. März 2021 hatte sie immerhin noch sechs Abgeordnete gestellt.
Von ihrer Entstehung her vereinigt Meretz unterschiedliche Herkunftsmilieus, die sich 1997 zu einer gemeinsamen Partei zusammenschlossen. Dominierend war in der Anfangszeit die couragierte Politikerin Schulamit Aloni, Mitglied der Mapai seit 1959. Die 1973 unter ihrer Führung gegründete Ratz (Bewegung für Bürgerrechte und Frieden) lehnte die 1967 erfolgte Besetzung der Westbank und des Gazastreifens ab und trat von Anfang an für Verhandlungen mit der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) ein. Ein anderes Element der Vereinigung war die aus der Arbeiterbewegung kommende, 1948 gegründete Mapam. Nach ihrem eigenen Verständnis war das zunächst eine sozialistische Partei mit einem ausgesprochen freundschaftlichen Blick auf die Sowjetunion, von der sie sich aber in der Folgezeit immer weiter entfernte.
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Es ist sicher nicht ganz unwichtig, ob eine antifaschistisch-demokratische Stoßrichtung einer marginalisierten KP in einer - ich sag's mal vorsichtig! - 'Ethnokratie' überhaupt eine Chance hatte. Wenn es eine gewesen sein sollte, scheint es vorerst die letzte gewesen zu sein. Die Hauptstützen-Funktion der Sozialdemokratie kann für die Gründung und Geschichte Israels wohl kaum ernstlich bestritten werden. Wer in der gegenwärtigen Entwicklung innerhalb dessen, was sich hier als Staatsgebilde versteht, progressive Aspekte sehen will, macht besser die Augen ganz, ganz fest zu!
"Entscheidend: Eine KP wählt in einer konkreten Situation - nennen wir sie "Rechtsentwicklung", damit es niemandem Begriffsprobleme bereitet - eine Strategie mit einer klar antifaschistisch-demokratischen Stoßrichtung."
So sieht es jetzt aus - jW morgen -:
Land ohne Linke
Israels Sozialdemokraten auf tiefstem Punkt seit Staatsgründung. Meretz nicht mehr im Parlament
Von Knut Mellenthin
Bei der vorgezogenen Neuwahl des israelischen Parlaments am vorigen Dienstag konnte Benjamin Netanjahus langjähriger Unterstützerblock die Zahl seiner Abgeordneten in der Knesset von 52 auf 64 steigern. Auf der anderen Seite verzeichnete die Arbeitspartei mit nur vier Mandaten – drei weniger als bei der vorangegangenen Wahl vom 23. März 2021 – das schlechteste Ergebnis seit ihrer Formierung unter diesem Namen im Jahre 1968. Die links von der Arbeitspartei stehende Meretz scheiterte an der 3,25-Prozent-Sperrklausel. Lediglich die fast ausschließlich arabische Chadasch, die im Rahmen der Vereinigten Liste antrat, blieb mit drei Mandaten stabil. An diesem Bündnis ist unter anderem die Kommunistische Partei beteiligt.
Die Arbeitspartei, hebräisch meist nur kurz »Awoda« (Arbeit) genannt, ist jetzt die kleinste der zehn Fraktionen im neuen Parlament. Mit 3,69 Prozent der Stimmen musste sie während der Auszählung sogar um ihren Wiedereinzug bangen. Das ist der vorläufige Tiefpunkt in der Geschichte der traditionsreichen Partei, die – früher unter dem Namen Mapai – von der Staatsgründung 1948 bis 1977 die israelische Gesellschaft dominiert und alle Regierungskoalitionen geführt hatte. Damals stürzte sie von 44 Mandaten bei der vorangegangenen Wahl 1973 auf nur noch 28 ab. Der rechte Likud unter Menachem Begin wurde mit 33,4 Prozent der Stimmen und 43 Abgeordneten erstmals stärkste Fraktion und Regierungsführer.
In der Folgezeit erholte sich die Arbeitspartei zunächst und erreichte bei der Wahl 1992 mit 44 Mandaten noch einmal ihre alte zahlenmäßige Stärke, aber bei weitem nicht ihren früheren gesellschaftlichen Einfluss. Nach der Ermordung des von ihr gestellten Premierministers Jitzchak Rabin durch einen ultrarechten Attentäter am 4. November 1995 ging es mit den Wahlergebnissen der Awoda nur noch gradlinig bergab, von 34 Abgeordneten 1996 auf 18 Mandate bei der Wahl 2006.
Es folgten Listenverbindungen mit anderen Parteien oder Parteiabspaltungen. 2009 trat die Arbeitspartei zusammen mit früheren Likud-Politikern als Kadima, 2015 als Zionistische Union an. Als sie 2019 wieder unter ihrem eigenen Namen kandidierte, kam sie nur noch auf 4,43 Prozent, was gerade mal für sechs Abgeordnetensitze reichte.
Die Linkspartei Meretz hatte sich vor der Wahl am vorigen Dienstag aufgrund ihrer schlechten Umfrageergebnisse um eine Listenverbindung mit der Awoda bemüht. Das lehnte deren Vorsitzende Merav Michaeli jedoch ab – und wird dafür nachträglich auch in ihrer eigenen Partei kritisiert. Mit 3,16 Prozent scheiterte Meretz knapp an der Sperrklausel, ihre rund 150.000 Stimmen gingen dem »Anti-Netanjahu-Block« verloren. Es ist das erste Mal seit ihrer Formierung vor 30 Jahren – damals zunächst noch als Listenverbindung dreier Parteien –, dass Meretz nicht mehr in der Knesset vertreten ist. Ihr bestes Ergebnis erreichte sie bei ihrem ersten Antreten 1992 mit zwölf Mandaten. Nach der letzten vorausgegangenen Wahl am 23. März 2021 hatte sie immerhin noch sechs Abgeordnete gestellt.
Von ihrer Entstehung her vereinigt Meretz unterschiedliche Herkunftsmilieus, die sich 1997 zu einer gemeinsamen Partei zusammenschlossen. Dominierend war in der Anfangszeit die couragierte Politikerin Schulamit Aloni, Mitglied der Mapai seit 1959. Die 1973 unter ihrer Führung gegründete Ratz (Bewegung für Bürgerrechte und Frieden) lehnte die 1967 erfolgte Besetzung der Westbank und des Gazastreifens ab und trat von Anfang an für Verhandlungen mit der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) ein. Ein anderes Element der Vereinigung war die aus der Arbeiterbewegung kommende, 1948 gegründete Mapam. Nach ihrem eigenen Verständnis war das zunächst eine sozialistische Partei mit einem ausgesprochen freundschaftlichen Blick auf die Sowjetunion, von der sie sich aber in der Folgezeit immer weiter entfernte.
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Es ist sicher nicht ganz unwichtig, ob eine antifaschistisch-demokratische Stoßrichtung einer marginalisierten KP in einer - ich sag's mal vorsichtig! - 'Ethnokratie' überhaupt eine Chance hatte. Wenn es eine gewesen sein sollte, scheint es vorerst die letzte gewesen zu sein. Die Hauptstützen-Funktion der Sozialdemokratie kann für die Gründung und Geschichte Israels wohl kaum ernstlich bestritten werden. Wer in der gegenwärtigen Entwicklung innerhalb dessen, was sich hier als Staatsgebilde versteht, progressive Aspekte sehen will, macht besser die Augen ganz, ganz fest zu!
•NEUER BEITRAG08.11.2022, 22:56 Uhr
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Israel: antifa.-dem. Stoßrichtung
jW morgen:
Kahane mit am Tisch
Israel: Regierungsbeteiligung öffnet Ultrarechten Tür zur internationalen Anerkennung. Annektion der besetzten Gebiete droht
Von Knut Mellenthin
Benjamin Netanjahu, Premierminister vom 18. Juni 1996 bis zum 6. Juli 1999 und vom 31. März 2009 bis zum 13. Juni 2021, wird voraussichtlich in wenigen Wochen die nächste israelische Regierung bilden. Seine zu erwartende Mehrheit von 64 der 120 Abgeordneten in der Knesset verdankt der 73jährige dem Wahlerfolg der Religiös-Zionistischen Partei: Diese Listenverbindung dreier ultrarechter und ultraorthodoxer Parteien konnte bei der Wahl am 1. November die Zahl ihrer Mandate von sechs auf 14 steigern. Davon entfallen sieben auf die Partei gleichen Namens, sechs auf Otzma Jehudit (Jüdische Stärke) und eines auf Noam. Damit sind die Ultrarechten die drittstärkste Fraktion hinter Netanjahus Likud und der liberalen Jesch Atid (Es gibt eine Zukunft) von Oppositionsführer Jair Lapid, der zur Zeit noch als Premierminister amtiert.
Aus Kach hervorgegangen
Israel bekommt nun die rechteste Regierungskoalition seit der Staatsgründung 1948. Für diesen Fall, der sich in den Meinungsumfragen schon seit einigen Wochen abzeichnete, hatten Politiker und ehemalige Militärs aus dem »Anti-Netanjahu-Lager« während des Wahlkampfs das Ende der Demokratie und sogar die Möglichkeit eines Bürgerkriegs beschworen. Aber nachdem die befürchtete Situation wirklich eingetreten ist, werden die meisten Vertreter dieses Lagers die Gefahr vermutlich herunterspielen und die US-Regierung ebenso wie die außerhalb Israels lebenden Jüdinnen und Juden zur »Respektierung« des Wahlergebnisses drängen. Staatspräsident Isaac Herzog, der aus der sozialdemokratischen Arbeitspartei kommt, hat das wenige Tage vor der Wahl bei einem Besuch in Washington schon getan.
Durch ihre Regierungsbeteiligung, an der praktisch kaum noch ein Weg vorbeiführt, steht Israels Ultrarechten erstmals die Tür zu einer international anerkannten Gesellschaftsfähigkeit offen. Das unterscheidet die Religiös-Zionistische Partei wesentlich von der Kach, aus der sie hervorgegangen ist und zu deren Weltanschauung, Politik und Methoden sich viele ihrer Politiker und Anhänger immer noch bekennen. Die 1971 von Meir Kahane gegründete Kach galt weithin als faschistisch. Sie erreichte nur einmal, 1984, einen einzigen Sitz in der Knesset, den Kahane selbst einnahm. Während seiner Reden verließen regelmäßig alle anderen Abgeordneten den Sitzungssaal. Wegen »Aufstachelung zum Rassismus« wurde die Partei 1988 und 1992 von der Wahl ausgeschlossen und schließlich 1994 aufgrund der Antiterrorgesetzgebung verboten. Den letzten Anstoß dazu gaben Stellungnahmen, in denen Kach die Mordtat ihres Anhängers Baruch Goldstein unterstützte. Dieser hatte am 25. Februar 1994 während eines Morgengebets in Hebron 29 Palästinenser durch Schüsse getötet und weitere 150 verletzt.
Keine Einwände
Der Vorsitzende der Otzma Jehudit, Itamar Ben-Gvir, schloss sich schon als 14jähriger der Kach an. Später hing in seinem Wohnzimmer jahrelang ein Foto Goldsteins, das er erst entfernte, als eine öffentliche Karriere näher rückte. Der heute 46jährige gilt unter den Anhängern der Religiös-Zionistischen Allianz, bei denen es sich überwiegend um junge Männer handelt, als charismatischer Anführer und rangiert im Ansehen noch vor deren formalem Chef, dem vier Jahre jüngeren Bezalel Smotrich.
Ben-Gvir wird in der demnächst zu bildenden Regierung das Amt des Ministers für Innere Sicherheit beanspruchen, das in Israel vom Innenministerium getrennt ist. Netanjahu hat schon angedeutet, dass er keine grundsätzlichen Einwände dagegen hat. Wie weit die Ultrarechten damit auch ihre »sicherheitspolitischen« Vorstellungen durchsetzen können, wird sich jedoch erst künftig von Fall zu Fall entscheiden. Grundsätzlich fordern sie unter anderem, den Schusswaffengebrauch der Polizei gegen die palästinensische Bevölkerung der besetzten Gebiete zu erleichtern und dienstliche Einsätze von der Strafverfolgung auszuschließen. Israelische Staatsbürger arabischer Herkunft, die sich »illoyal« verhalten, sollen ausgewiesen werden. Als Teil der nächsten Regierung werden die Ultrarechten außerdem auf schnelle Annektion der besetzten Gebiete drängen.
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Kahane mit am Tisch
Israel: Regierungsbeteiligung öffnet Ultrarechten Tür zur internationalen Anerkennung. Annektion der besetzten Gebiete droht
Von Knut Mellenthin
Benjamin Netanjahu, Premierminister vom 18. Juni 1996 bis zum 6. Juli 1999 und vom 31. März 2009 bis zum 13. Juni 2021, wird voraussichtlich in wenigen Wochen die nächste israelische Regierung bilden. Seine zu erwartende Mehrheit von 64 der 120 Abgeordneten in der Knesset verdankt der 73jährige dem Wahlerfolg der Religiös-Zionistischen Partei: Diese Listenverbindung dreier ultrarechter und ultraorthodoxer Parteien konnte bei der Wahl am 1. November die Zahl ihrer Mandate von sechs auf 14 steigern. Davon entfallen sieben auf die Partei gleichen Namens, sechs auf Otzma Jehudit (Jüdische Stärke) und eines auf Noam. Damit sind die Ultrarechten die drittstärkste Fraktion hinter Netanjahus Likud und der liberalen Jesch Atid (Es gibt eine Zukunft) von Oppositionsführer Jair Lapid, der zur Zeit noch als Premierminister amtiert.
Aus Kach hervorgegangen
Israel bekommt nun die rechteste Regierungskoalition seit der Staatsgründung 1948. Für diesen Fall, der sich in den Meinungsumfragen schon seit einigen Wochen abzeichnete, hatten Politiker und ehemalige Militärs aus dem »Anti-Netanjahu-Lager« während des Wahlkampfs das Ende der Demokratie und sogar die Möglichkeit eines Bürgerkriegs beschworen. Aber nachdem die befürchtete Situation wirklich eingetreten ist, werden die meisten Vertreter dieses Lagers die Gefahr vermutlich herunterspielen und die US-Regierung ebenso wie die außerhalb Israels lebenden Jüdinnen und Juden zur »Respektierung« des Wahlergebnisses drängen. Staatspräsident Isaac Herzog, der aus der sozialdemokratischen Arbeitspartei kommt, hat das wenige Tage vor der Wahl bei einem Besuch in Washington schon getan.
Durch ihre Regierungsbeteiligung, an der praktisch kaum noch ein Weg vorbeiführt, steht Israels Ultrarechten erstmals die Tür zu einer international anerkannten Gesellschaftsfähigkeit offen. Das unterscheidet die Religiös-Zionistische Partei wesentlich von der Kach, aus der sie hervorgegangen ist und zu deren Weltanschauung, Politik und Methoden sich viele ihrer Politiker und Anhänger immer noch bekennen. Die 1971 von Meir Kahane gegründete Kach galt weithin als faschistisch. Sie erreichte nur einmal, 1984, einen einzigen Sitz in der Knesset, den Kahane selbst einnahm. Während seiner Reden verließen regelmäßig alle anderen Abgeordneten den Sitzungssaal. Wegen »Aufstachelung zum Rassismus« wurde die Partei 1988 und 1992 von der Wahl ausgeschlossen und schließlich 1994 aufgrund der Antiterrorgesetzgebung verboten. Den letzten Anstoß dazu gaben Stellungnahmen, in denen Kach die Mordtat ihres Anhängers Baruch Goldstein unterstützte. Dieser hatte am 25. Februar 1994 während eines Morgengebets in Hebron 29 Palästinenser durch Schüsse getötet und weitere 150 verletzt.
Keine Einwände
Der Vorsitzende der Otzma Jehudit, Itamar Ben-Gvir, schloss sich schon als 14jähriger der Kach an. Später hing in seinem Wohnzimmer jahrelang ein Foto Goldsteins, das er erst entfernte, als eine öffentliche Karriere näher rückte. Der heute 46jährige gilt unter den Anhängern der Religiös-Zionistischen Allianz, bei denen es sich überwiegend um junge Männer handelt, als charismatischer Anführer und rangiert im Ansehen noch vor deren formalem Chef, dem vier Jahre jüngeren Bezalel Smotrich.
Ben-Gvir wird in der demnächst zu bildenden Regierung das Amt des Ministers für Innere Sicherheit beanspruchen, das in Israel vom Innenministerium getrennt ist. Netanjahu hat schon angedeutet, dass er keine grundsätzlichen Einwände dagegen hat. Wie weit die Ultrarechten damit auch ihre »sicherheitspolitischen« Vorstellungen durchsetzen können, wird sich jedoch erst künftig von Fall zu Fall entscheiden. Grundsätzlich fordern sie unter anderem, den Schusswaffengebrauch der Polizei gegen die palästinensische Bevölkerung der besetzten Gebiete zu erleichtern und dienstliche Einsätze von der Strafverfolgung auszuschließen. Israelische Staatsbürger arabischer Herkunft, die sich »illoyal« verhalten, sollen ausgewiesen werden. Als Teil der nächsten Regierung werden die Ultrarechten außerdem auf schnelle Annektion der besetzten Gebiete drängen.
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•NEUER BEITRAG21.11.2022, 00:18 Uhr
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Israel: antifa.-dem. Stoßrichtung
Ich zitiere mich leider selbst: "Wer in der gegenwärtigen Entwicklung innerhalb dessen, was sich hier als Staatsgebilde versteht, progressive Aspekte sehen will, macht besser die Augen ganz, ganz fest zu!" Ich schelte nicht vergangenes Laberrahabarber, werde aber zukünftiges mit wenig Gleichmut behandeln. - jW heute:
Kahanismus reloaded
Nach Wahlen in Israel: Rechtsruck gefährlich, aber nicht wirklich überraschend
Von Wieland Hoban
Hilflose Linksliberale
Abgesehen von dem guten Abschneiden der Kahanisten war am Wahlergebnis auch bemerkenswert, wie schlecht es für die Mitte-links-Parteien ausfiel. Die Arbeitspartei, so etwas wie die israelische SPD, bekam nur vier Sitze – drei weniger als 2021. Meretz, die sich als links verkauft, aber klar zionistisch ist, scheiterte mit 3,1 Prozent der Stimmen knapp an der geltenden 3,25-Prozent-Hürde. Dafür behielt das jüdisch-arabische kommunistische Bündnis Chadasch seine fünf Sitze, und die Islamisten von Raam erhöhten ihren Anteil von vier auf fünf Sitze.
Während manche Prominente schon vom Auswandern sprachen, reagierte Meretz auf das eigene parlamentarische Ausscheiden mit Vorwürfen gegen Linke und Palästinenser. Hätten sie doch für sie gestimmt, nicht für die palästinensisch-nationalistische Balad, die ohnehin den Einzug in die Knesset verpasste. Man fühlte sich an die Reaktion mancher US-Demokraten nach der Wahl Trumps 2016 erinnert. Statt sich zu fragen, warum wirkliche Linke und Palästinenser nicht für eine zionistische Partei stimmen, suchen die Linksliberalen die Verantwortung bei anderen. Balad wiederum gab Chadasch-Wählern die Schuld. Die verhältnismäßig hohe Wahlbeteiligung von Palästinensern – viele boykottieren die Wahlen, da sie kein Vertrauen in die parlamentarische Politik haben – war ihnen nicht zugute gekommen. Chadasch schoss zurück und konnte sich darüber freuen, die Arbeitspartei überholt zu haben. Insgesamt deutet das Wahlergebnis eine weitere Polarisierung an, deren Tragweite noch schwer absehbar ist. Wie in anderen Ländern ist auch hier zu beobachten, wie der Vormarsch der Rechten mit der Spaltung der Linken einhergeht. Bei allen Unterschieden hinsichtlich politischer Tischmanieren lässt die Stärke des rechten Blocks – sofern die angestrebte Koalition tatsächlich gebildet wird – eine stabilere Regierung als in der letzten Legislaturperiode erwarten. Die Korruptionsvorwürfe gegen Netanjahu konnten ihm bisher wenig anhaben, er wurde vom Präsidenten Isaac Herzog mit der Regierungsbildung beauftragt. Das endgültige Ergebnis dürfte bis Jahresende feststehen. (wh)
Wieland Hoban, Komponist und Übersetzer, ist Vorsitzender der Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost
Im November hat die Bevölkerung in Israel zum fünften Mal in vier Jahren gewählt – oder zumindest haben es diejenigen Menschen, die wahlberechtigt sind. Die israelische parlamentarische Politik ist berüchtigt für ihre Instabilität, die zum Teil an der niedrigen Hürde für einen Eintritt in das Parlament liegt (bis 2014 zwei Prozent, ab 2014 3,25 Prozent). Diese führt zu brüchigen Koalitionen aus Parteien, die keinen großen Stimmanteil haben. 2021 wurde das besonders deutlich bei einer Koalition, die nach der Devise »alles, nur nicht Netanjahu« das Spektrum von links nach rechts abdeckte. Zum ersten Mal war eine palästinensische Fraktion beteiligt, die konservativ islamische Raam-Partei. Letztere Tatsache hat zusammen mit der Beteiligung der linksliberalen Meretz-Partei manche zu dem Irrglauben verleitet, es würde sich etwas öffnen in der israelischen Gesellschaft. Auf die Gutgläubigen wirkte der Hinweis zynisch, dass Raam das politische System eben nicht in Frage stelle und vor allem Lokalpolitik betreibe, wodurch sie keine Gefahr für die vom nationalreligiösen Naftali Bennett und dem liberalen Jair Lapid geführte Regierung darstellte.
Raam hatte sogar das Gesetz durchgewinkt, welches das Zusammenleben palästinensisch-israelischer Paare in Israel verbietet. Letztlich war für die Partei im April dieses Jahres aber doch die Schmerzgrenze erreicht, als es immer mehr Aggressionen durch Siedler und Polizei gegen Moscheebesucher auf dem Tempelberg gab. Es wurde dann bald absehbar, dass es noch vor Jahresende Neuwahlen geben würde. Und obwohl es knapp gelungen war, Netanjahu 2021 von der Macht fernzuhalten, war seine Beliebtheit in der Bevölkerung noch groß. Die Unstimmigkeit der »Anti-Netanjahu«-Regierung hat zu ihrem Niedergang geführt und ließ erahnen, dass es ein Comeback geben würde. Und Netanjahu hatte bereits in den Wahlen davor gezeigt, dass er dazu bereit war, mit den rechtesten Parteien Israels zusammenzuarbeiten.
Netanjahus Likud-Partei war am 1. November klarer Wahlsieger und errang 32 von 120 Sitzen. Jesch Atid unter der Führung des amtierenden Premierministers Jair Lapid bekam 24 Sitze. Drittstärkste Kraft wurde mit 14 Sitzen die Partei Religiöser Zionismus, ein Zusammenschluss der Parteien Religiöser Zionismus, Jüdische Macht und Noam, die sich zusammentaten, um nicht einzeln an der Hürde zu scheitern. Diese drei Parteien vertreten Positionen, die man als rechtsaußen bis faschistisch bezeichnen kann: von offenen Forderungen nach Ausweisung aller palästinensischen Bürger über noch mehr Freiheit zur Gewalt seitens der Armee und die Bezeichnung von Homosexualität als Krankheit mit Zustimmung zu Konversionstherapien bis hin zu einer Verschärfung religiöser Gesetze, die letztlich das Ziel eines Gottesstaats mit offensichtlichen Parallelen zu fundamentalistischen islamischen Vorstellungen verfolgen.
Die Koalition mit Likud und kleineren Parteien ist noch nicht beschlossenen. Aber das starke Abschneiden der Extremisten, die unter Soldaten sogar 20 Prozent aller Stimmen bekommen haben, bleibt unabhängig von der Regierungsbildung aussagekräftig.
Im westlichen Mainstream gab es Erschrecken über das Wahlergebnis. In den USA drückte die Anti-Defamation League, eine wichtige proisraelische Antidiskriminierungsorganisation, in ihrer offiziellen Stellungnahme zur Wahl »Besorgnis« über die erwartete Regierungsbeteiligung der Extremisten in der Regierung aus und schrieb: »Als Organisation, die sich für die Sicherheit und das Wohlsein Israels als jüdischer und demokratischer Staat einsetzt, glauben wir, dass die Teilnahme dieser rechtsextremen Personen und Parteien Israels Grundprinzipien widersprechen würde.« Derweil tweetete Anna Staroselski, Präsidentin der Jüdischen Studierendenunion Deutschland: »Ich mache mir ernsthaft Sorgen um mein geliebtes Israel. Die liberale Demokratie, auf die ich so stolz bin, droht in die Brüche zu gehen.«
Wer die Entwicklungen in Israel mit seiner Demokratie für Juden bei ungleicher Behandlung palästinensischer Bürger über einen längeren Zeitraum hinweg verfolgt hat, wusste bereits, wie stark rechte Kräfte dort sind. Nicht nur die Mordphantasien des neuen rechten Stars Itamar Ben-Gvir, der die Partei Jüdische Macht anführt und gerne mit Pistole in der Hand öffentliche Drohungen gegen Palästinenser ausspricht, sind brutal, auch die Staatsideologie des politischen Zionismus, der zwischen Ende 1947 und Mitte 1948 zur Vertreibung von rund 750.000 Palästinensern mit etlichen Massakern geführt hat, ist gewaltvoll.
Insofern könnte man den vermeintlichen Rechtsruck als Illusion bezeichnen, ähnlich wie der Rassismus in den USA nicht erst mit der Wahl von Donald Trump aufkam; es wurde lediglich offen ausgesprochen, was viele schon immer dachten. Der palästinensische Premierminister Mohammed Schtaja verglich den Unterschied zwischen israelischen Parteien mit dem zwischen Pepsi und Cola, viele linke Kritiker quittierten das Wahlergebnis mit einem Achselzucken.
Beide Reaktionen – die entsetzte sowie die eher gleichgültige – sind verfehlt. Natürlich haben viele Liberale die Augen vor dem strukturellen Rassismus in der israelischen Gesellschaft seit Jahrzehnten zugedrückt und Apartheidvorwürfe empört zurückgewiesen. Dennoch übersehen diejenigen Kritiker, die sich nur auf die ideologische Kontinuität des Zionismus konzentrieren, die Auswirkungen dieser politischen Entwicklung auf den Alltag von Palästinensern sowohl innerhalb Israels als auch in den besetzten Gebieten, wo militante Siedler sich sogar von der Armee schwer bändigen lassen.
Die Trumpsche Bigotterie war zwar nicht neu, aber ihre Legitimierung durch seine Wahl hat zu einem deutlichen Anstieg der Hasskriminalität und einer Verrohung des gesellschaftlichen Klimas geführt, wie es auch in Israel zu befürchten ist. Nicht, dass es dort nicht davor schon roh zuging; gerade Itamar Ben-Gvir begab sich gerne in palästinensische Viertel Jerusalems, um Bewohner zu schikanieren und zu bedrohen, und in der Knesset rief Bezalel Smotrich, der Vorsitzende der Formation Religiöser Zionismus, dass David Ben Gurion damals die Vertreibung der »Araber« hätte zu Ende führen sollen. Ben-Gvir selbst versucht sich seit der Wahlkampagne etwas moderater zu geben – er spricht nicht mehr von »Tod den Arabern«, sondern von »Tod den Terroristen«. Dennoch lässt sich der Mob seiner Anhänger nicht unbedingt auf solche kosmetischen Maßnahmen ein. Das Verhalten jener, die nach der Wahl sofort Palästinenser mit Steinen beworfen haben, lässt vermuten, dass es für diese noch gefährlicher werden könnte.
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Kahanismus reloaded
Nach Wahlen in Israel: Rechtsruck gefährlich, aber nicht wirklich überraschend
Von Wieland Hoban
Hilflose Linksliberale
Abgesehen von dem guten Abschneiden der Kahanisten war am Wahlergebnis auch bemerkenswert, wie schlecht es für die Mitte-links-Parteien ausfiel. Die Arbeitspartei, so etwas wie die israelische SPD, bekam nur vier Sitze – drei weniger als 2021. Meretz, die sich als links verkauft, aber klar zionistisch ist, scheiterte mit 3,1 Prozent der Stimmen knapp an der geltenden 3,25-Prozent-Hürde. Dafür behielt das jüdisch-arabische kommunistische Bündnis Chadasch seine fünf Sitze, und die Islamisten von Raam erhöhten ihren Anteil von vier auf fünf Sitze.
Während manche Prominente schon vom Auswandern sprachen, reagierte Meretz auf das eigene parlamentarische Ausscheiden mit Vorwürfen gegen Linke und Palästinenser. Hätten sie doch für sie gestimmt, nicht für die palästinensisch-nationalistische Balad, die ohnehin den Einzug in die Knesset verpasste. Man fühlte sich an die Reaktion mancher US-Demokraten nach der Wahl Trumps 2016 erinnert. Statt sich zu fragen, warum wirkliche Linke und Palästinenser nicht für eine zionistische Partei stimmen, suchen die Linksliberalen die Verantwortung bei anderen. Balad wiederum gab Chadasch-Wählern die Schuld. Die verhältnismäßig hohe Wahlbeteiligung von Palästinensern – viele boykottieren die Wahlen, da sie kein Vertrauen in die parlamentarische Politik haben – war ihnen nicht zugute gekommen. Chadasch schoss zurück und konnte sich darüber freuen, die Arbeitspartei überholt zu haben. Insgesamt deutet das Wahlergebnis eine weitere Polarisierung an, deren Tragweite noch schwer absehbar ist. Wie in anderen Ländern ist auch hier zu beobachten, wie der Vormarsch der Rechten mit der Spaltung der Linken einhergeht. Bei allen Unterschieden hinsichtlich politischer Tischmanieren lässt die Stärke des rechten Blocks – sofern die angestrebte Koalition tatsächlich gebildet wird – eine stabilere Regierung als in der letzten Legislaturperiode erwarten. Die Korruptionsvorwürfe gegen Netanjahu konnten ihm bisher wenig anhaben, er wurde vom Präsidenten Isaac Herzog mit der Regierungsbildung beauftragt. Das endgültige Ergebnis dürfte bis Jahresende feststehen. (wh)
Wieland Hoban, Komponist und Übersetzer, ist Vorsitzender der Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost
Im November hat die Bevölkerung in Israel zum fünften Mal in vier Jahren gewählt – oder zumindest haben es diejenigen Menschen, die wahlberechtigt sind. Die israelische parlamentarische Politik ist berüchtigt für ihre Instabilität, die zum Teil an der niedrigen Hürde für einen Eintritt in das Parlament liegt (bis 2014 zwei Prozent, ab 2014 3,25 Prozent). Diese führt zu brüchigen Koalitionen aus Parteien, die keinen großen Stimmanteil haben. 2021 wurde das besonders deutlich bei einer Koalition, die nach der Devise »alles, nur nicht Netanjahu« das Spektrum von links nach rechts abdeckte. Zum ersten Mal war eine palästinensische Fraktion beteiligt, die konservativ islamische Raam-Partei. Letztere Tatsache hat zusammen mit der Beteiligung der linksliberalen Meretz-Partei manche zu dem Irrglauben verleitet, es würde sich etwas öffnen in der israelischen Gesellschaft. Auf die Gutgläubigen wirkte der Hinweis zynisch, dass Raam das politische System eben nicht in Frage stelle und vor allem Lokalpolitik betreibe, wodurch sie keine Gefahr für die vom nationalreligiösen Naftali Bennett und dem liberalen Jair Lapid geführte Regierung darstellte.
Raam hatte sogar das Gesetz durchgewinkt, welches das Zusammenleben palästinensisch-israelischer Paare in Israel verbietet. Letztlich war für die Partei im April dieses Jahres aber doch die Schmerzgrenze erreicht, als es immer mehr Aggressionen durch Siedler und Polizei gegen Moscheebesucher auf dem Tempelberg gab. Es wurde dann bald absehbar, dass es noch vor Jahresende Neuwahlen geben würde. Und obwohl es knapp gelungen war, Netanjahu 2021 von der Macht fernzuhalten, war seine Beliebtheit in der Bevölkerung noch groß. Die Unstimmigkeit der »Anti-Netanjahu«-Regierung hat zu ihrem Niedergang geführt und ließ erahnen, dass es ein Comeback geben würde. Und Netanjahu hatte bereits in den Wahlen davor gezeigt, dass er dazu bereit war, mit den rechtesten Parteien Israels zusammenzuarbeiten.
Netanjahus Likud-Partei war am 1. November klarer Wahlsieger und errang 32 von 120 Sitzen. Jesch Atid unter der Führung des amtierenden Premierministers Jair Lapid bekam 24 Sitze. Drittstärkste Kraft wurde mit 14 Sitzen die Partei Religiöser Zionismus, ein Zusammenschluss der Parteien Religiöser Zionismus, Jüdische Macht und Noam, die sich zusammentaten, um nicht einzeln an der Hürde zu scheitern. Diese drei Parteien vertreten Positionen, die man als rechtsaußen bis faschistisch bezeichnen kann: von offenen Forderungen nach Ausweisung aller palästinensischen Bürger über noch mehr Freiheit zur Gewalt seitens der Armee und die Bezeichnung von Homosexualität als Krankheit mit Zustimmung zu Konversionstherapien bis hin zu einer Verschärfung religiöser Gesetze, die letztlich das Ziel eines Gottesstaats mit offensichtlichen Parallelen zu fundamentalistischen islamischen Vorstellungen verfolgen.
Die Koalition mit Likud und kleineren Parteien ist noch nicht beschlossenen. Aber das starke Abschneiden der Extremisten, die unter Soldaten sogar 20 Prozent aller Stimmen bekommen haben, bleibt unabhängig von der Regierungsbildung aussagekräftig.
Im westlichen Mainstream gab es Erschrecken über das Wahlergebnis. In den USA drückte die Anti-Defamation League, eine wichtige proisraelische Antidiskriminierungsorganisation, in ihrer offiziellen Stellungnahme zur Wahl »Besorgnis« über die erwartete Regierungsbeteiligung der Extremisten in der Regierung aus und schrieb: »Als Organisation, die sich für die Sicherheit und das Wohlsein Israels als jüdischer und demokratischer Staat einsetzt, glauben wir, dass die Teilnahme dieser rechtsextremen Personen und Parteien Israels Grundprinzipien widersprechen würde.« Derweil tweetete Anna Staroselski, Präsidentin der Jüdischen Studierendenunion Deutschland: »Ich mache mir ernsthaft Sorgen um mein geliebtes Israel. Die liberale Demokratie, auf die ich so stolz bin, droht in die Brüche zu gehen.«
Wer die Entwicklungen in Israel mit seiner Demokratie für Juden bei ungleicher Behandlung palästinensischer Bürger über einen längeren Zeitraum hinweg verfolgt hat, wusste bereits, wie stark rechte Kräfte dort sind. Nicht nur die Mordphantasien des neuen rechten Stars Itamar Ben-Gvir, der die Partei Jüdische Macht anführt und gerne mit Pistole in der Hand öffentliche Drohungen gegen Palästinenser ausspricht, sind brutal, auch die Staatsideologie des politischen Zionismus, der zwischen Ende 1947 und Mitte 1948 zur Vertreibung von rund 750.000 Palästinensern mit etlichen Massakern geführt hat, ist gewaltvoll.
Insofern könnte man den vermeintlichen Rechtsruck als Illusion bezeichnen, ähnlich wie der Rassismus in den USA nicht erst mit der Wahl von Donald Trump aufkam; es wurde lediglich offen ausgesprochen, was viele schon immer dachten. Der palästinensische Premierminister Mohammed Schtaja verglich den Unterschied zwischen israelischen Parteien mit dem zwischen Pepsi und Cola, viele linke Kritiker quittierten das Wahlergebnis mit einem Achselzucken.
Beide Reaktionen – die entsetzte sowie die eher gleichgültige – sind verfehlt. Natürlich haben viele Liberale die Augen vor dem strukturellen Rassismus in der israelischen Gesellschaft seit Jahrzehnten zugedrückt und Apartheidvorwürfe empört zurückgewiesen. Dennoch übersehen diejenigen Kritiker, die sich nur auf die ideologische Kontinuität des Zionismus konzentrieren, die Auswirkungen dieser politischen Entwicklung auf den Alltag von Palästinensern sowohl innerhalb Israels als auch in den besetzten Gebieten, wo militante Siedler sich sogar von der Armee schwer bändigen lassen.
Die Trumpsche Bigotterie war zwar nicht neu, aber ihre Legitimierung durch seine Wahl hat zu einem deutlichen Anstieg der Hasskriminalität und einer Verrohung des gesellschaftlichen Klimas geführt, wie es auch in Israel zu befürchten ist. Nicht, dass es dort nicht davor schon roh zuging; gerade Itamar Ben-Gvir begab sich gerne in palästinensische Viertel Jerusalems, um Bewohner zu schikanieren und zu bedrohen, und in der Knesset rief Bezalel Smotrich, der Vorsitzende der Formation Religiöser Zionismus, dass David Ben Gurion damals die Vertreibung der »Araber« hätte zu Ende führen sollen. Ben-Gvir selbst versucht sich seit der Wahlkampagne etwas moderater zu geben – er spricht nicht mehr von »Tod den Arabern«, sondern von »Tod den Terroristen«. Dennoch lässt sich der Mob seiner Anhänger nicht unbedingt auf solche kosmetischen Maßnahmen ein. Das Verhalten jener, die nach der Wahl sofort Palästinenser mit Steinen beworfen haben, lässt vermuten, dass es für diese noch gefährlicher werden könnte.
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•NEUER BEITRAG21.11.2022, 00:22 Uhr
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FPeregrin | |
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Ebd.:
Gewalt gegen Palästinenser
Ideologie des Kahanismus begründet Unterdrückung nicht nur rassistisch, sondern auch theologisch
Von Wieland Hoban
Im Zusammenhang mit dem Erstarken der israelischen extremen Rechten wird oft vom Kahanismus gesprochen, mit dem Hinweis, dass mit dem Einzug von Kahanisten in die Regierung eine rote Linie überschritten werde. Namensgeber dieser Bewegung war Meir Kahane, ein orthodoxer New Yorker Rabbiner, der 1968 die Jewish Defense League gründete. Diese Gruppe, die 2001 vom FBI als terroristische Vereinigung eingestuft wurde, stellte sich selbst als Bürgerwehr für Juden dar, die sich nur gegen Antisemitismus verteidigen wollten. In Wahrheit ging sie aber viel weiter: Sie verübte Bombenattentate auf arabische und sowjetische Einrichtungen, Einzelpersonen sowie Neonazis. Kahane wurde wegen der Angriffe mehrfach verurteilt, verbrachte allerdings kaum Zeit hinter Gittern.
1971 zog Kahane nach Israel, wo er im selben Jahr die Kach-Partei gründete. Auch dort wurde er immer wieder verhaftet, schaffte es aber in die Knesset. Im Parlament war er aktiv, bis er und Kach von der Wahl im Jahr 1988 aufgrund seines extremen Rassismus ausgeschlossen wurden.
Kahane wurde 1990 bei einem Attentat getötet. Sein Anhänger Baruch Goldstein, ein Siedler aus New York, verübte 1994 ein Massaker in der Stadt Hebron im Westjordanland. Im muslimischen Teil der Grotte der Patriarchen erschoss er 29 Betende und verletzte mindestens 150 Personen, bevor er von Anwesenden überwältigt und getötet wurde. Während die Tat im israelischen Mainstream klar verurteilt wurde, wurde Goldstein zu einer Ikone der Kahanisten. Bis heute steht ein Denkmal in Hebron, und Itamar Ben-Gvir, der in der Kach-Jugendorganisation aktiv war, hatte jahrelang ein Porträt Goldsteins zu Hause.
Was Figuren wie Kahane, den Siedleranführer Baruch Marzel oder Ben-Gvir von arrivierten Politikern wie Netanjahu oder dem ehemaligen General Benjamin Gantz unterscheidet, die 2014 gemeinsam für die Bombardierung von Gaza und somit das Töten von etwa 2.000 palästinensischen Zivilisten verantwortlich waren, ist ihr soziales Milieu. Die Kahanisten gehören nicht dem wohlhabenden Establishment an, sondern zur Straße. Ihre Gewalt ist nicht die der Armee, sondern die der Graswurzelterroristen und Schlägertrupps. Auch Ben-Gvir wurde mehrfach verurteilt, und seine Ansichten galten als so extrem rechts, dass er vom Militärdienst ausgenommen wurde. Hinzu kommt der religiöse Fanatismus. Im Vergleich zur herrschenden säkularen politischen Klasse begründet er die Gewalt nicht nur rassistisch, sondern auch theologisch. Während Tel Aviv sich als queeres Partyparadies verkauft, würden diese Politiker Homosexualität am liebsten verbieten. Somit stellt ihr Aufstieg nicht nur eine Steigerung der Gefahr für Palästinenser und ihre Unterstützer dar, sondern birgt auch das Potential für einen Kulturkrieg in der israelischen Gesellschaft.
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Gewalt gegen Palästinenser
Ideologie des Kahanismus begründet Unterdrückung nicht nur rassistisch, sondern auch theologisch
Von Wieland Hoban
Im Zusammenhang mit dem Erstarken der israelischen extremen Rechten wird oft vom Kahanismus gesprochen, mit dem Hinweis, dass mit dem Einzug von Kahanisten in die Regierung eine rote Linie überschritten werde. Namensgeber dieser Bewegung war Meir Kahane, ein orthodoxer New Yorker Rabbiner, der 1968 die Jewish Defense League gründete. Diese Gruppe, die 2001 vom FBI als terroristische Vereinigung eingestuft wurde, stellte sich selbst als Bürgerwehr für Juden dar, die sich nur gegen Antisemitismus verteidigen wollten. In Wahrheit ging sie aber viel weiter: Sie verübte Bombenattentate auf arabische und sowjetische Einrichtungen, Einzelpersonen sowie Neonazis. Kahane wurde wegen der Angriffe mehrfach verurteilt, verbrachte allerdings kaum Zeit hinter Gittern.
1971 zog Kahane nach Israel, wo er im selben Jahr die Kach-Partei gründete. Auch dort wurde er immer wieder verhaftet, schaffte es aber in die Knesset. Im Parlament war er aktiv, bis er und Kach von der Wahl im Jahr 1988 aufgrund seines extremen Rassismus ausgeschlossen wurden.
Kahane wurde 1990 bei einem Attentat getötet. Sein Anhänger Baruch Goldstein, ein Siedler aus New York, verübte 1994 ein Massaker in der Stadt Hebron im Westjordanland. Im muslimischen Teil der Grotte der Patriarchen erschoss er 29 Betende und verletzte mindestens 150 Personen, bevor er von Anwesenden überwältigt und getötet wurde. Während die Tat im israelischen Mainstream klar verurteilt wurde, wurde Goldstein zu einer Ikone der Kahanisten. Bis heute steht ein Denkmal in Hebron, und Itamar Ben-Gvir, der in der Kach-Jugendorganisation aktiv war, hatte jahrelang ein Porträt Goldsteins zu Hause.
Was Figuren wie Kahane, den Siedleranführer Baruch Marzel oder Ben-Gvir von arrivierten Politikern wie Netanjahu oder dem ehemaligen General Benjamin Gantz unterscheidet, die 2014 gemeinsam für die Bombardierung von Gaza und somit das Töten von etwa 2.000 palästinensischen Zivilisten verantwortlich waren, ist ihr soziales Milieu. Die Kahanisten gehören nicht dem wohlhabenden Establishment an, sondern zur Straße. Ihre Gewalt ist nicht die der Armee, sondern die der Graswurzelterroristen und Schlägertrupps. Auch Ben-Gvir wurde mehrfach verurteilt, und seine Ansichten galten als so extrem rechts, dass er vom Militärdienst ausgenommen wurde. Hinzu kommt der religiöse Fanatismus. Im Vergleich zur herrschenden säkularen politischen Klasse begründet er die Gewalt nicht nur rassistisch, sondern auch theologisch. Während Tel Aviv sich als queeres Partyparadies verkauft, würden diese Politiker Homosexualität am liebsten verbieten. Somit stellt ihr Aufstieg nicht nur eine Steigerung der Gefahr für Palästinenser und ihre Unterstützer dar, sondern birgt auch das Potential für einen Kulturkrieg in der israelischen Gesellschaft.
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•NEUER BEITRAG21.11.2022, 00:26 Uhr
EDIT: FPeregrin
21.11.2022, 12:25 Uhr
21.11.2022, 12:25 Uhr
Nutzer / in | |
FPeregrin | |
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Das ganze mit Ansage! - Und: Nein, nicht nur in Israel! ... aber auch! Mithin Zeit, normale analytische Maßstäbe anzulegen ...!
•NEUER BEITRAG21.11.2022, 15:02 Uhr
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arktika | |
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"Aber das starke Abschneiden der Extremisten, die unter Soldaten sogar 20 Prozent aller Stimmen bekommen haben, bleibt unabhängig von der Regierungsbildung aussagekräftig."
Und ist nicht wirklich beruhigend. Eine zunehmende Faschisierung des militärischen Apparats - und möglicherweise oder sogar vermutlichen nicht nur von diesem, sondern auch von denen der Bullerei und der Geheimdienste - zeigt (analog zu ähnlichen Entwicklungen in der BRD, oder s. auch die "Eingliederung" der faschistischen Kampftruppen in die 'reguläre' ukrainische Armee oder Polizei) die Fahrtrichtung des Zuges an. Sowohl in Richtung der Staatsentwicklung als auch in Richtung der immer besseren Aufrüstungsmöglichkeiten der FaschistInnen.
Und ist nicht wirklich beruhigend. Eine zunehmende Faschisierung des militärischen Apparats - und möglicherweise oder sogar vermutlichen nicht nur von diesem, sondern auch von denen der Bullerei und der Geheimdienste - zeigt (analog zu ähnlichen Entwicklungen in der BRD, oder s. auch die "Eingliederung" der faschistischen Kampftruppen in die 'reguläre' ukrainische Armee oder Polizei) die Fahrtrichtung des Zuges an. Sowohl in Richtung der Staatsentwicklung als auch in Richtung der immer besseren Aufrüstungsmöglichkeiten der FaschistInnen.
•NEUER BEITRAG19.12.2022, 17:32 Uhr
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FPeregrin | |
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Zur historisch-ideologischen Einordnung des #Kahanismus jW vom 17. Dezember:
Kahanes Traum
Zur Herkunft, Ideologie und Erfolgsgeschichte der radikalsten Form zionistischer Herrschaft
Von Susann Witt-Stahl
uf keinem ihrer Aufmärsche dürfen »Tötet alle Araber!«-Rufe fehlen. Wie jüngst in Hebron, als 30.000 ihrer fanatisierten Anhänger bewaffnet durch die Palästinenserviertel zogen, brüllen sie sich regelmäßig selbst in Rage – bevor sie marodieren, Häuser besetzen und die Bewohner auf die Straße prügeln. Seit einem halben Jahrhundert stehen die Kahanisten an der Spitze der militanten Rechten Israels, die sich vorwiegend aus der Siedlerbewegung rekrutiert.
Auf ihr Konto geht eine Reihe von Terroranschlägen. 1994 erschoss der ehemalige Militärarzt Baruch Goldstein 29 betende Palästinenser und verletzte weitere 150. 1995 ermordete der Student Jigal Amir den damaligen Premierminister und Architekten des Osloer Friedensabkommens Jitzchak Rabin. 2002 konnte nur knapp die Explosion eines mit 200 Litern Benzin befüllten Fahrzeuganhängers vor einer arabischen Mädchenschule in Ostjerusalem verhindert werden, mit der Kahanisten ein Blutbad anrichten wollten. Unzählige weniger spektakuläre, aber nicht vereitelte Verbrechen, die zu Toten und Verletzten führten, sollten folgen.
Amerikanische Werte
Gründer der Ideologie und Bewegung war der Rabbiner Meir Kahane, der 1932 in Brooklyn, New York geboren wurde. Sein Vater Charles war ein Freund und Anhänger Wladimir Jabotinskys. »Der militante revisionistische Zionist war zu Gast in meinem Haus. Wir organisierten ein Treffen in unserem Wohnzimmer für ihn«, erinnerte er sich später. Der junge Kahane wurde Mitglied in Jabotinskys Jugendorganisation Betar. Als ihm diese nicht mehr radikal genug war, wechselte er 1952 zu den national-religiösen »Kindern Akiwas«, einer Keimzelle der Siedlerbewegung.
1968 rief Kahane die jüdische Bürgerwehr Jewish Defense League (JDL) ins Leben – »um unerhörte Dinge zu tun«, wie er sagte. Das hieß zunächst, erklärte Feinde mit Baseballschlägern, Ketten und Molotowcocktails zu bearbeiten. Die JDL, die nach eigenen Angaben schnell auf 12.000 Mitglieder anwuchs und Ableger unter anderem in Frankreich und Großbritannien unterhielt, war anfangs von den Ideen der Selbstverteidigungsbewegungen ethnischer Minderheiten beeinflusst und bekämpfte auch Neonazis. Bald richtete sich ihre Wut aber zunehmend gegen das assimilierte jüdische Establishment, noch mehr gegen jüdische Linke, die sie als »Verräter« und »selbsthassende Juden« verächtlich machte.
Früh fokussierte die JDL ihre Aktionen auf den »schwarzen Antisemitismus« von Afroamerikanern, der zwar existierte, aber im Verhältnis zum vom rechten Lager propagierten Judenhass marginal blieb. James Baldwin betrachte ihn in seinem Essay »Negroes Are Anti-Semitic Because They’re Anti-White« von 1967 als Reaktion auf den Konformismus bürgerlicher Juden gegenüber dem noch in der US-amerikanischen Sklavenhaltergesellschaft des 19. Jahrhunderts verankerten Rassismus, der eine Solidarität der Unterdrückten verhindere. Kahanes Biograph Shaul Magid hebt hervor, dass der JDL-Führer wie viele privilegierte weiße Amerikaner die schwarze Bevölkerung »zynisch und instrumentell behandelt« habe.
Kahane stellte sich mit seinen »Chayas« (Tieren), wie er seine Schlägertruppe nannte, teils mit finanzieller Unterstützung der CIA, auf die Seite des US-Imperialismus gegen die antikolonialen Befreiungskämpfe und das Friedenslager. »Ich war besonders alarmiert durch das Übergewicht der Juden in der Antikriegsbewegung«, sagte Kahane der New York Times 1971, vier Jahre nachdem er in seinem Buch »The Jewish Stake in Vietnam«, das er mit seinem Mitstreiter Joseph Churba, dem späteren Berater des US-Präsidenten Ronald Reagan, geschrieben hatte, von jungen Juden die Teilnahme am »Milchemet mitzvah« (Krieg, der geführt werden muss) verlangt hatte. Er forderte vehement mehr Engagement gegen die Ausbreitung des Kommunismus in Südostasien und der sogenannten Dritten Welt. »Hätten die USA einen größeren Kampfeswillen gehabt, dann würden jetzt vermutlich nicht 20.000 sowjetische Soldaten in Ägypten stehen.«
Kahane hielt jüdisches Leben in einer sozialistischen Gesellschaft für ausgeschlossen. »Der Kommunismus ist für die jüdische Seele das, was der Nazismus für den Körper war«, schrieb er in der Wochenzeitung Jewish Press. Bald profilierte sich Kahane als Advokat vorwiegend rechtsgerichteter oppositioneller Juden in der UdSSR, die keine Ausreisegenehmigung bekommen hatten. Als strikter Gegner der Entspannungspolitik von Richard Nixon startete er eine »Kampagne für einen kompletten Zusammenbruch der sowjetisch–amerikanischen Beziehungen«, wie es in einem FBI-Report heißt. JDL-Aktivisten griffen Kultureinrichtungen der UdSSR, ihre Fluggesellschaft Aeroflot, ihr UN-Büro, aber auch sowjetische Diplomaten und deren Familien an. Dabei wurden auch Schusswaffen und Sprengstoff eingesetzt.
»Hört zu, Sowjetjuden!«
Kahanes Hass auf die Sowjetunion wurzelte in der antibolschewistischen Matrix des revisionistischen Zionismus, den der aus Odessa stammende Journalist Wladimir Jabotinsky zu Beginn der 1920er Jahre begründet hatte. Jabotinsky richtete seine Ideologie »diametral« gegen den Internationalismus. Dieser widersprach seinen schon Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelten metaphysischen Vorstellungen vom Individualismus als einem jüdischen Wesenszug und der Besonderheit des »jüdischen Blutes«.
Der Rat der Volkskommissare wies 1918 alle Sowjets an, »die antisemitische Bewegung an den Wurzeln effektiv zu zerstören«. Lenin hatte bereits 1913 in seinen »Kritischen Bemerkungen zur nationalen Frage« als einen der »großen universal-fortschrittlichen Züge« der diasporajüdischen Kultur den Internationalismus hervorgehoben. Und so wurden in der Kommunistischen Partei Jewsekzijas gebildet, jüdische Sektionen, die den Zionismus als »ideologischen Nationalismus« bekämpften, aber die Entwicklung der »jüdischen proletarischen Kultur« fördern sollten. Die »bolschewistische Doktrin«, die viele Juden zum Eintritt in die Rote Armee bewog, sei »unglaublich kühn und von einem echt demokratischen Geist erfüllt« gewesen, schrieb Alfredo Bauer in seiner »Kritischen Geschichte der Juden« – sie sollte den Zionismus als Spaltpilz der Arbeiterklasse historisch überwinden und gleichzeitig die emanzipatorischen Errungenschaften des Judentums bewahren.
Jabotinsky begriff die bolschewistische Doktrin als Kriegserklärung, wollte eine antisowjetische jüdische Militäreinheit gründen und schreckte nicht einmal vor einem Zweckbündnis mit dem ukrainischen Nationalisten und Antisemiten Simon Petljura zurück, der für Pogrome mitverantwortlich war, denen rund 40.000 Juden zum Opfer fielen. Jabotinsky fürchtete, dass die Oktoberrevolution bis nach Palästina Wellen schlagen und der Klassenkampf das jüdische und das arabische Proletariat vereinen könnte. Arbeiterstreiks »kollidieren mit den obersten Interessen des Zionismus«.
Nach dem Holocaust, dem Beginn des Kalten Kriegs und der Gründung des Staates Israels, den die Sowjetunion zunächst – nicht zuletzt aus strategischen Interessen – als Errungenschaft des nationalen Befreiungskampfs gegen den britischen Kolonialismus unterstützte, bekam die zionistische Bewegung Zulauf. Als Golda Meir, damals Botschafterin Israels in Moskau, 1948 offen zur Auswanderung der Juden aufrief, zeigten sich Risse im jüdisch-bolschewistischen Projekt. Die antizionistische Agenda der Sowjetunion sei »von Staatsfunktionären mit geringem Verstand, die es offenbar zahlreich gab, nicht selten antisemitisch ausgelegt« worden, so Bauer. Während des »Verknöcherungsprozesses« bis zum Zusammenbruch des Realsozialismus in der UdSSR sei tatsächlich ein »Wiedererstarken des Antisemitismus« zu beobachten gewesen. Dieser regressive Prozess der Schwächung der bolschewistischen Doktrin sollte rechten Ideologien wie dem Kahanismus den Weg ebnen.
Meir Kahane behauptete, die in der UdSSR lebenden Juden seien »versklavt« und einem »nationalen und kulturellen Genozid« ausgesetzt. Er fand aber nicht die gewünschte Resonanz eines Massenexodus ins Heilige Land. In den 1970er und 1980er Jahren verließen nur 290.000 der rund 2,1 Millionen Juden die UdSSR. Die Mehrheit dachte nicht an die Alija, sondern suchte lieber ihr Glück in den USA und Westeuropa. Als sich 1975 abzeichnete, dass die Zahlen hinter seinen Erwartungen zurückblieben, reagierte Kahane mit einem wütenden offenen Brief: »Hört zu, Sowjetjuden, die ihr im Exil geboren seid, ihr seid immer geflohen, und ihr werdet immer fliehen, bis zu dem Tag, an dem ihr gefangen und vernichtet werdet« – eine Dystopie, die die Realität der jüdischen Erfahrung in der UdSSR in wesentlichen Punkten widerlegt hatte: Mit dem Sieg der Roten Armee über den Hitlerfaschismus war bewiesen worden, dass Juden mit dem internationalistischen Projekt und einer Erkenntnis wehrhaft sein können, die Ilja Ehrenburg 1948 in der Prawda pointiert und gegen die »zionistischen Mystiker« in Stellung gebracht hatte: Es gibt kein »jüdisches Blut«, das durch die Adern fließt und Juden zur Nation verbindet – es gibt nur das Blut von Juden, das von Antisemiten vergossen wurde und Juden in einer »Solidarität der Erniedrigten und Beleidigten« verbindet.
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Kahanes Traum
Zur Herkunft, Ideologie und Erfolgsgeschichte der radikalsten Form zionistischer Herrschaft
Von Susann Witt-Stahl
uf keinem ihrer Aufmärsche dürfen »Tötet alle Araber!«-Rufe fehlen. Wie jüngst in Hebron, als 30.000 ihrer fanatisierten Anhänger bewaffnet durch die Palästinenserviertel zogen, brüllen sie sich regelmäßig selbst in Rage – bevor sie marodieren, Häuser besetzen und die Bewohner auf die Straße prügeln. Seit einem halben Jahrhundert stehen die Kahanisten an der Spitze der militanten Rechten Israels, die sich vorwiegend aus der Siedlerbewegung rekrutiert.
Auf ihr Konto geht eine Reihe von Terroranschlägen. 1994 erschoss der ehemalige Militärarzt Baruch Goldstein 29 betende Palästinenser und verletzte weitere 150. 1995 ermordete der Student Jigal Amir den damaligen Premierminister und Architekten des Osloer Friedensabkommens Jitzchak Rabin. 2002 konnte nur knapp die Explosion eines mit 200 Litern Benzin befüllten Fahrzeuganhängers vor einer arabischen Mädchenschule in Ostjerusalem verhindert werden, mit der Kahanisten ein Blutbad anrichten wollten. Unzählige weniger spektakuläre, aber nicht vereitelte Verbrechen, die zu Toten und Verletzten führten, sollten folgen.
Amerikanische Werte
Gründer der Ideologie und Bewegung war der Rabbiner Meir Kahane, der 1932 in Brooklyn, New York geboren wurde. Sein Vater Charles war ein Freund und Anhänger Wladimir Jabotinskys. »Der militante revisionistische Zionist war zu Gast in meinem Haus. Wir organisierten ein Treffen in unserem Wohnzimmer für ihn«, erinnerte er sich später. Der junge Kahane wurde Mitglied in Jabotinskys Jugendorganisation Betar. Als ihm diese nicht mehr radikal genug war, wechselte er 1952 zu den national-religiösen »Kindern Akiwas«, einer Keimzelle der Siedlerbewegung.
1968 rief Kahane die jüdische Bürgerwehr Jewish Defense League (JDL) ins Leben – »um unerhörte Dinge zu tun«, wie er sagte. Das hieß zunächst, erklärte Feinde mit Baseballschlägern, Ketten und Molotowcocktails zu bearbeiten. Die JDL, die nach eigenen Angaben schnell auf 12.000 Mitglieder anwuchs und Ableger unter anderem in Frankreich und Großbritannien unterhielt, war anfangs von den Ideen der Selbstverteidigungsbewegungen ethnischer Minderheiten beeinflusst und bekämpfte auch Neonazis. Bald richtete sich ihre Wut aber zunehmend gegen das assimilierte jüdische Establishment, noch mehr gegen jüdische Linke, die sie als »Verräter« und »selbsthassende Juden« verächtlich machte.
Früh fokussierte die JDL ihre Aktionen auf den »schwarzen Antisemitismus« von Afroamerikanern, der zwar existierte, aber im Verhältnis zum vom rechten Lager propagierten Judenhass marginal blieb. James Baldwin betrachte ihn in seinem Essay »Negroes Are Anti-Semitic Because They’re Anti-White« von 1967 als Reaktion auf den Konformismus bürgerlicher Juden gegenüber dem noch in der US-amerikanischen Sklavenhaltergesellschaft des 19. Jahrhunderts verankerten Rassismus, der eine Solidarität der Unterdrückten verhindere. Kahanes Biograph Shaul Magid hebt hervor, dass der JDL-Führer wie viele privilegierte weiße Amerikaner die schwarze Bevölkerung »zynisch und instrumentell behandelt« habe.
Kahane stellte sich mit seinen »Chayas« (Tieren), wie er seine Schlägertruppe nannte, teils mit finanzieller Unterstützung der CIA, auf die Seite des US-Imperialismus gegen die antikolonialen Befreiungskämpfe und das Friedenslager. »Ich war besonders alarmiert durch das Übergewicht der Juden in der Antikriegsbewegung«, sagte Kahane der New York Times 1971, vier Jahre nachdem er in seinem Buch »The Jewish Stake in Vietnam«, das er mit seinem Mitstreiter Joseph Churba, dem späteren Berater des US-Präsidenten Ronald Reagan, geschrieben hatte, von jungen Juden die Teilnahme am »Milchemet mitzvah« (Krieg, der geführt werden muss) verlangt hatte. Er forderte vehement mehr Engagement gegen die Ausbreitung des Kommunismus in Südostasien und der sogenannten Dritten Welt. »Hätten die USA einen größeren Kampfeswillen gehabt, dann würden jetzt vermutlich nicht 20.000 sowjetische Soldaten in Ägypten stehen.«
Kahane hielt jüdisches Leben in einer sozialistischen Gesellschaft für ausgeschlossen. »Der Kommunismus ist für die jüdische Seele das, was der Nazismus für den Körper war«, schrieb er in der Wochenzeitung Jewish Press. Bald profilierte sich Kahane als Advokat vorwiegend rechtsgerichteter oppositioneller Juden in der UdSSR, die keine Ausreisegenehmigung bekommen hatten. Als strikter Gegner der Entspannungspolitik von Richard Nixon startete er eine »Kampagne für einen kompletten Zusammenbruch der sowjetisch–amerikanischen Beziehungen«, wie es in einem FBI-Report heißt. JDL-Aktivisten griffen Kultureinrichtungen der UdSSR, ihre Fluggesellschaft Aeroflot, ihr UN-Büro, aber auch sowjetische Diplomaten und deren Familien an. Dabei wurden auch Schusswaffen und Sprengstoff eingesetzt.
»Hört zu, Sowjetjuden!«
Kahanes Hass auf die Sowjetunion wurzelte in der antibolschewistischen Matrix des revisionistischen Zionismus, den der aus Odessa stammende Journalist Wladimir Jabotinsky zu Beginn der 1920er Jahre begründet hatte. Jabotinsky richtete seine Ideologie »diametral« gegen den Internationalismus. Dieser widersprach seinen schon Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelten metaphysischen Vorstellungen vom Individualismus als einem jüdischen Wesenszug und der Besonderheit des »jüdischen Blutes«.
Der Rat der Volkskommissare wies 1918 alle Sowjets an, »die antisemitische Bewegung an den Wurzeln effektiv zu zerstören«. Lenin hatte bereits 1913 in seinen »Kritischen Bemerkungen zur nationalen Frage« als einen der »großen universal-fortschrittlichen Züge« der diasporajüdischen Kultur den Internationalismus hervorgehoben. Und so wurden in der Kommunistischen Partei Jewsekzijas gebildet, jüdische Sektionen, die den Zionismus als »ideologischen Nationalismus« bekämpften, aber die Entwicklung der »jüdischen proletarischen Kultur« fördern sollten. Die »bolschewistische Doktrin«, die viele Juden zum Eintritt in die Rote Armee bewog, sei »unglaublich kühn und von einem echt demokratischen Geist erfüllt« gewesen, schrieb Alfredo Bauer in seiner »Kritischen Geschichte der Juden« – sie sollte den Zionismus als Spaltpilz der Arbeiterklasse historisch überwinden und gleichzeitig die emanzipatorischen Errungenschaften des Judentums bewahren.
Jabotinsky begriff die bolschewistische Doktrin als Kriegserklärung, wollte eine antisowjetische jüdische Militäreinheit gründen und schreckte nicht einmal vor einem Zweckbündnis mit dem ukrainischen Nationalisten und Antisemiten Simon Petljura zurück, der für Pogrome mitverantwortlich war, denen rund 40.000 Juden zum Opfer fielen. Jabotinsky fürchtete, dass die Oktoberrevolution bis nach Palästina Wellen schlagen und der Klassenkampf das jüdische und das arabische Proletariat vereinen könnte. Arbeiterstreiks »kollidieren mit den obersten Interessen des Zionismus«.
Nach dem Holocaust, dem Beginn des Kalten Kriegs und der Gründung des Staates Israels, den die Sowjetunion zunächst – nicht zuletzt aus strategischen Interessen – als Errungenschaft des nationalen Befreiungskampfs gegen den britischen Kolonialismus unterstützte, bekam die zionistische Bewegung Zulauf. Als Golda Meir, damals Botschafterin Israels in Moskau, 1948 offen zur Auswanderung der Juden aufrief, zeigten sich Risse im jüdisch-bolschewistischen Projekt. Die antizionistische Agenda der Sowjetunion sei »von Staatsfunktionären mit geringem Verstand, die es offenbar zahlreich gab, nicht selten antisemitisch ausgelegt« worden, so Bauer. Während des »Verknöcherungsprozesses« bis zum Zusammenbruch des Realsozialismus in der UdSSR sei tatsächlich ein »Wiedererstarken des Antisemitismus« zu beobachten gewesen. Dieser regressive Prozess der Schwächung der bolschewistischen Doktrin sollte rechten Ideologien wie dem Kahanismus den Weg ebnen.
Meir Kahane behauptete, die in der UdSSR lebenden Juden seien »versklavt« und einem »nationalen und kulturellen Genozid« ausgesetzt. Er fand aber nicht die gewünschte Resonanz eines Massenexodus ins Heilige Land. In den 1970er und 1980er Jahren verließen nur 290.000 der rund 2,1 Millionen Juden die UdSSR. Die Mehrheit dachte nicht an die Alija, sondern suchte lieber ihr Glück in den USA und Westeuropa. Als sich 1975 abzeichnete, dass die Zahlen hinter seinen Erwartungen zurückblieben, reagierte Kahane mit einem wütenden offenen Brief: »Hört zu, Sowjetjuden, die ihr im Exil geboren seid, ihr seid immer geflohen, und ihr werdet immer fliehen, bis zu dem Tag, an dem ihr gefangen und vernichtet werdet« – eine Dystopie, die die Realität der jüdischen Erfahrung in der UdSSR in wesentlichen Punkten widerlegt hatte: Mit dem Sieg der Roten Armee über den Hitlerfaschismus war bewiesen worden, dass Juden mit dem internationalistischen Projekt und einer Erkenntnis wehrhaft sein können, die Ilja Ehrenburg 1948 in der Prawda pointiert und gegen die »zionistischen Mystiker« in Stellung gebracht hatte: Es gibt kein »jüdisches Blut«, das durch die Adern fließt und Juden zur Nation verbindet – es gibt nur das Blut von Juden, das von Antisemiten vergossen wurde und Juden in einer »Solidarität der Erniedrigten und Beleidigten« verbindet.
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•NEUER BEITRAG19.12.2022, 17:34 Uhr
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FPeregrin | |
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»Araberfreies« Israel
Als Kahane 1971 seinen Hauptsitz nach Israel verlegte – nicht zuletzt, weil er mehr und mehr unter Druck der US-Strafjustiz geriet – und in Jerusalem ein Büro der JDL eröffnete, hatte sich der Judenstaat bereits als »starker antisowjetischer Alliierter« der USA, wie er ihn charakterisierte, bewährt. Der Sieg im Sechstagekrieg 1967 gab den revisionistischen Zionisten mit ihrer Cherut-Partei, die später im Likud aufging, enormen Auftrieb. Die von ihnen gestützte rechtsnationalistische Großisrael-Bewegung und nationalreligiöse Kräfte strebten die Annexion aller eroberter Gebiete an.
Kahane definierte mit seiner frisch gegründeten Partei Kach – benannt nach dem Motto von Jabotinskys paramilitärischer Organisation Irgun »Rak Kach!« (Nur so!) – das Judentum als religiöse Nation mit einer auf der Halacha basierenden Grundordnung. »Es gibt keine Demokratie im Judentum.« Sein Ziel: »ein absolut araberfreies« Israel. »Wir haben die Wahl, Araber zu schlagen, zu töten oder sie für immer rauszuschmeißen«, sagte er in einem Interview. 1981 stellte er in einer Anzeige in der Tageszeitung Maariv das Kach-Wahlprogramm vor: Darin fand sich das Verbot der »Abscheulichkeit der Assimilation und der Gemeinschaft mit Nichtjuden«, Gefängnisstrafe für jeden Araber, der sexuelle Beziehungen mit einer Jüdin hat, und perspektivisch der Entzug der Staatsbürgerschaft von allen israelischen Arabern. Wenige »Fremde«, Palästinenser, sollten bleiben dürfen, aber sie müssten in einem Apartheidsystem nach dem Vorbild Südafrikas leben. Legitimiert sah Kahane seine Forderungen durch die Bibel – »Gott hat uns das Land Israel gegeben« –, sein Prinzip »Juden zuerst!« und das Recht des militärisch Stärkeren: »Wer ist der Eroberer und wer ist der Eroberte hier!«
Trotz oder vielleicht gerade wegen seiner extremen Gewaltbereitschaft konnte Kahane 1984 für Kach einen Sitz in der Knesset erringen. Als seine Bewegung auch gegen Vertreter des Staates vorging, ihr Einfluss im bürgerlichen Milieu wuchs und die Partei gute Chancen hatte, zur drittstärksten Kraft Israels aufzusteigen, wurde Kach wegen »Anstiftung zum Rassismus und Gefährdung der Sicherheit« von der Parlamentswahl 1988 ausgeschlossen.
Die Kahanisten bildeten die Sturmtruppen des »Amerika-Zion-Prozesses« im Nahen Osten, wie ihn der Gewerkschafter Michael Assaf bereits 1952 beschrieben hatte. Für aus den USA eingewanderte jüdische Rechte ist das zionistische Projekt besonders attraktiv, weil es an den Siedlerkolonialismus des 18. und 19. Jahrhunderts in Nordamerika anknüpft – als »Leute aus Europa kamen und das Land der indianischen Ureinwohner besetzten«, wie Rabbiner Daniel Cohen, einer ihrer Sprecher, erklärt. Ein großer Unterschied zwischen den Siedlern in Amerika und in Palästina bestehe allerdings darin, dass letztere »nach Hause gekommen« und »Pioniere im eigenen Land« seien.
»Wilder Westen« Westjordanland
Bis die »rechte Zeit« für eine ethnische Säuberung mit einem großen Krieg oder anderem Ausnahmezustand gekommen sei, wolle man die arabische Bevölkerung »in selbstverwalteten Nischen« halten, erläutert Moshé Machover, Gründer der Sozialistischen Organisation in Israel (Matzpen), die Strategie der Siedlerbewegung. Die Palästinensergebiete »ähneln den Indianerreservaten in den USA«. Und so betrachten nicht wenige Kahanisten das Westjordanland als »wilden Westen«. Dort können sie nicht nur ungehindert, sondern stets beschützt von den israelischen Sicherheitskräften ihrem Credo »Nur ein toter Araber ist ein guter Araber« – in Anlehnung an die Devise des Indianerschlächters General Philip Sheridan – nachgehen.
Dabei werden sie bis heute von sehr einflussreichen US-amerikanischen Institutionen unterstützt, beispielsweise vom Jewish Heritage Movement, ebenso von den evangelikalen Christians United for Israel, die alle Steuerfreiheit genießen. Viele führende Köpfe der Kahanisten und militante Aktivisten stammen aus den USA: nicht nur Baruch Goldstein, der wie Kahane aus Brooklyn eingewandert ist, auch Baruch Marzel, Kahanes einstige rechte Hand und Nachfolger in Kach, später Chef der Jüdischen Nationalen Front, die 2012 in der Partei von Michael Ben-Ari, Otzma Jehudit (Jüdische Stärke), aufging. Baruch Ben-Jossef, Vorsitzender einer der zahlreichen Organisationen, die die Errichtung des dritten Tempels auf dem Tempelberg in Jerusalem durchsetzen wollen, stammt ebenfalls aus New York.
Ben-Jossef ist wie alle kahanistischen Führer glühender Verfechter des »totalen Krieges«: das einzige, was »uns Erlösung bringen wird«, sagte er vor knapp 20 Jahren, als er seine Anhänger gegen die linkszionistische »Peace Now«-Bewegung mobilisierte, die immer mehr zur Zielscheibe von »Preisschild«-Attacken, Vandalismus als Revanche für zivilgesellschaftliche Projekte zum Schutz der arabischen Bevölkerung, wurde. »Wenn wir die Armee nicht dazu bringen können, wieder in die Offensive zu gehen, wieder eine Armee der Rache zu sein, eine Armee, die sich mehr um Juden kümmert als um jeden anderen, dann werden wir die absolute Befreiung nur auf diesem einzig möglichen Weg finden. Krieg jetzt!« – ein Weltbild, das perfekt zugeschnitten ist für den »Rottweiler des US-Imperialismus«, wie Moshé Machover die Funktion Israels beschreibt.
Shaul Magid nennt ein Problem, das seit der Trump-Ära mit dem Vormarsch von »White Supremacy« enorm befeuert wird: Kahane hat »die Rassenfrage« in den Nahen Osten exportiert, »sehr energisch« in den israelisch-palästinensischen Konflikt eingebracht und diesen damit »übermäßig amerikanisiert«.
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»Araberfreies« Israel
Als Kahane 1971 seinen Hauptsitz nach Israel verlegte – nicht zuletzt, weil er mehr und mehr unter Druck der US-Strafjustiz geriet – und in Jerusalem ein Büro der JDL eröffnete, hatte sich der Judenstaat bereits als »starker antisowjetischer Alliierter« der USA, wie er ihn charakterisierte, bewährt. Der Sieg im Sechstagekrieg 1967 gab den revisionistischen Zionisten mit ihrer Cherut-Partei, die später im Likud aufging, enormen Auftrieb. Die von ihnen gestützte rechtsnationalistische Großisrael-Bewegung und nationalreligiöse Kräfte strebten die Annexion aller eroberter Gebiete an.
Kahane definierte mit seiner frisch gegründeten Partei Kach – benannt nach dem Motto von Jabotinskys paramilitärischer Organisation Irgun »Rak Kach!« (Nur so!) – das Judentum als religiöse Nation mit einer auf der Halacha basierenden Grundordnung. »Es gibt keine Demokratie im Judentum.« Sein Ziel: »ein absolut araberfreies« Israel. »Wir haben die Wahl, Araber zu schlagen, zu töten oder sie für immer rauszuschmeißen«, sagte er in einem Interview. 1981 stellte er in einer Anzeige in der Tageszeitung Maariv das Kach-Wahlprogramm vor: Darin fand sich das Verbot der »Abscheulichkeit der Assimilation und der Gemeinschaft mit Nichtjuden«, Gefängnisstrafe für jeden Araber, der sexuelle Beziehungen mit einer Jüdin hat, und perspektivisch der Entzug der Staatsbürgerschaft von allen israelischen Arabern. Wenige »Fremde«, Palästinenser, sollten bleiben dürfen, aber sie müssten in einem Apartheidsystem nach dem Vorbild Südafrikas leben. Legitimiert sah Kahane seine Forderungen durch die Bibel – »Gott hat uns das Land Israel gegeben« –, sein Prinzip »Juden zuerst!« und das Recht des militärisch Stärkeren: »Wer ist der Eroberer und wer ist der Eroberte hier!«
Trotz oder vielleicht gerade wegen seiner extremen Gewaltbereitschaft konnte Kahane 1984 für Kach einen Sitz in der Knesset erringen. Als seine Bewegung auch gegen Vertreter des Staates vorging, ihr Einfluss im bürgerlichen Milieu wuchs und die Partei gute Chancen hatte, zur drittstärksten Kraft Israels aufzusteigen, wurde Kach wegen »Anstiftung zum Rassismus und Gefährdung der Sicherheit« von der Parlamentswahl 1988 ausgeschlossen.
Die Kahanisten bildeten die Sturmtruppen des »Amerika-Zion-Prozesses« im Nahen Osten, wie ihn der Gewerkschafter Michael Assaf bereits 1952 beschrieben hatte. Für aus den USA eingewanderte jüdische Rechte ist das zionistische Projekt besonders attraktiv, weil es an den Siedlerkolonialismus des 18. und 19. Jahrhunderts in Nordamerika anknüpft – als »Leute aus Europa kamen und das Land der indianischen Ureinwohner besetzten«, wie Rabbiner Daniel Cohen, einer ihrer Sprecher, erklärt. Ein großer Unterschied zwischen den Siedlern in Amerika und in Palästina bestehe allerdings darin, dass letztere »nach Hause gekommen« und »Pioniere im eigenen Land« seien.
»Wilder Westen« Westjordanland
Bis die »rechte Zeit« für eine ethnische Säuberung mit einem großen Krieg oder anderem Ausnahmezustand gekommen sei, wolle man die arabische Bevölkerung »in selbstverwalteten Nischen« halten, erläutert Moshé Machover, Gründer der Sozialistischen Organisation in Israel (Matzpen), die Strategie der Siedlerbewegung. Die Palästinensergebiete »ähneln den Indianerreservaten in den USA«. Und so betrachten nicht wenige Kahanisten das Westjordanland als »wilden Westen«. Dort können sie nicht nur ungehindert, sondern stets beschützt von den israelischen Sicherheitskräften ihrem Credo »Nur ein toter Araber ist ein guter Araber« – in Anlehnung an die Devise des Indianerschlächters General Philip Sheridan – nachgehen.
Dabei werden sie bis heute von sehr einflussreichen US-amerikanischen Institutionen unterstützt, beispielsweise vom Jewish Heritage Movement, ebenso von den evangelikalen Christians United for Israel, die alle Steuerfreiheit genießen. Viele führende Köpfe der Kahanisten und militante Aktivisten stammen aus den USA: nicht nur Baruch Goldstein, der wie Kahane aus Brooklyn eingewandert ist, auch Baruch Marzel, Kahanes einstige rechte Hand und Nachfolger in Kach, später Chef der Jüdischen Nationalen Front, die 2012 in der Partei von Michael Ben-Ari, Otzma Jehudit (Jüdische Stärke), aufging. Baruch Ben-Jossef, Vorsitzender einer der zahlreichen Organisationen, die die Errichtung des dritten Tempels auf dem Tempelberg in Jerusalem durchsetzen wollen, stammt ebenfalls aus New York.
Ben-Jossef ist wie alle kahanistischen Führer glühender Verfechter des »totalen Krieges«: das einzige, was »uns Erlösung bringen wird«, sagte er vor knapp 20 Jahren, als er seine Anhänger gegen die linkszionistische »Peace Now«-Bewegung mobilisierte, die immer mehr zur Zielscheibe von »Preisschild«-Attacken, Vandalismus als Revanche für zivilgesellschaftliche Projekte zum Schutz der arabischen Bevölkerung, wurde. »Wenn wir die Armee nicht dazu bringen können, wieder in die Offensive zu gehen, wieder eine Armee der Rache zu sein, eine Armee, die sich mehr um Juden kümmert als um jeden anderen, dann werden wir die absolute Befreiung nur auf diesem einzig möglichen Weg finden. Krieg jetzt!« – ein Weltbild, das perfekt zugeschnitten ist für den »Rottweiler des US-Imperialismus«, wie Moshé Machover die Funktion Israels beschreibt.
Shaul Magid nennt ein Problem, das seit der Trump-Ära mit dem Vormarsch von »White Supremacy« enorm befeuert wird: Kahane hat »die Rassenfrage« in den Nahen Osten exportiert, »sehr energisch« in den israelisch-palästinensischen Konflikt eingebracht und diesen damit »übermäßig amerikanisiert«.
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