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•NEUES THEMA03.07.2011, 07:30 Uhr
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Gretl Aden | ||
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• eine Verschiebung der internationalen Kräfteverhältnisse
index.php?show=article&id=1114Die III. Konferenz "Der Hauptfeind steht im eigenen Land" - Schwerpunkt "'Heim ins Reich'? - Deutsche Volksgruppenpolitik" index.php?show=article&id=1114 wurde von Link ...jetzt anmelden! veranstaltet und fand vom 02. bis zum 05. Juni 2011 in Göttingen statt.
Dieser Text wurde als Referat auf der III. Konferenz gehalten. Weitere Referate der III. Konferenz werden im Laufe der Zeit verschriftlicht sowie als Audiodateien zum Download bereitgestellt.
Verschiebung der Kräfteverhältnisse
Mindestens eben so deutlich treten die Kräfteverschiebungen und damit die Widersprüche direkt innerhalb der EU zu Tage. Vor allem im Zuge der weltweiten Wirtschaftskrise und in ihrem Gefolge der sog. Eurokrise haben sich die Verhältnisse weiter zugunsten des deutschen Imperialismus verschoben, was die Vertreter des französischen Imperialismus zunehmend in Zugzwang bringt. Auf der politischen Ebene spiegelt sich das in dem hegemonialen Gehabe der deutschen Regierung wieder, das, nicht nur in Frankreich, herbe Kritik hervorruft. Das lange Verweigern von Finanzhilfen für den griechischen Staat 2010, bei dem, noch vor den deutschen, französische Banken Hauptgläubiger sind, bis die Lage schließlich so angespannt war, dass die Merkelregierung ihr Diktat drastischer Einsparungen in Griechenland und damit das außer Kraft setzen der haushaltspolitischen Souveränität eines anderen Staates als Vorbedingung innerhalb der EU durchsetzen konnte, war nur der Anfang eines Prozesses weiterer deutscher Diktate und offener deutsch-französischer Machtkämpfe. Wesentlicher Streitpunkt ist dabei die mit Hilfe der Sozialdemokratie und ihrem Einfluss in den Gewerkschaften und Betrieben durchgesetzte deutsche Wirtschafts- Arbeits- und Sozialpolitik, durch die sich die deutsche Bourgeoisie einen stetig wachsenden Konkurrenzvorteil gegenüber den Konkurrenten verschafft. Sie drängt so die Krisenfolgen nicht nur an den Rand der EU und bringt kleinere EU-Länder an den Rand des Staatsbankrotts, sondern zwingt auch das imperialistische Frankreich, dieser Politik zu folgen. Nun geht es der französischen Monopolbourgeoisie natürlich nicht um die Lage der Arbeiter in der BRD oder die der eigenen Arbeiterklasse. Frankreichs Wirtschaft produziert mehr für den Absatz im eigenen Land, als die traditionell extrem exportabhängige deutsche Wirtschaft. Eine gezielt herbei geführte Verarmung der Arbeiterklasse und des Kleinbürgertums ist daher nicht im Interesse des französischen Staates als Gesamtkapitalist, zumal, da die deutschen Exportoffensiven den französischen Absatzanteil bereits in den letzten Jahren vor der großen Krise stagnieren ließ, wie die Bundesbank schon 2003 feststellte1. Und es sind innerhalb der EU vor allem die südlichen EU-Mitglieder, in die Frankreich Waren, vor allem aber Kapital exportiert, die nun durch die Rettungsbedingungen der Deutschen immer weiter in die Rezension getrieben werden. So sind französische Banken in den von der Krise besonders gebeutelten Staaten Griechenland, Portugal, Spanien und Irland außer in Irland (hier ist Großbritannien mit 230 Mrd. Dollar der größte Kreditgeber) jeweils mit höheren Krediten an diese Staaten, ihre Banken und Konzerne involviert als deutsche Banken.2
Wie sehr sich durch die Krise die Kräfteverhältnisse noch einmal verschoben haben, zeigen einige Zahlen. So ist das BIP 2010 in allen 4 Quartalen gegenüber dem Vorjahrsstand in Deutschland wesentlich höher gestiegen, als in Frankreich, und übrigens auch in Großbritannien oder Italien3, von den kleineren Staaten wie Griechenland oder Portugal ganz zu schweigen. Die Entwicklung der Handelsbilanzen ist noch krasser. Stieg der Exportüberschuss der BRD von 138,9 Mrd. Euro im Jahre 2009 auf 152,4 Euro im vergangenen Jahr, so stieg das Exportdefizit Frankreichs von 54,1 Mrd. Euro auf 64,1 Milliarden. Und noch eine Zahl, die die Verschiebung der Kräfteverhältnisse zwischen Frankreich und der BRD in den letzten Jahren aufzeigt: betrugen die gesamten französischen Ausfuhren im Jahr 2003 mit 341,9 Milliarden Euro noch 51,5 Prozent der deutschen (661,6), so waren das im Jahr 2010 mit 393 Mrd. Euro nur mehr 41% der gesamten deutschen Ausfuhren in Höhe von 957 Milliarden Euro.4
Kein Wunder also, dass in der französischen Öffentlichkeit sich heftiger Unmut über die deutsche Regierung breit macht. Berlin strebe ein „Heiliges Germanisches Euroreich“ an, kritisiert z.B. die französische Zeitschrift La Libération5. Doch die Kritik nicht nur Frankreichs, sondern vor allem auch der südlichen EU-Staaten, wie übrigens auch der US-amerikanischen Regierung, prallt ab. Der geschäftsführende Ausschuss der deutschen Monopole, der anderen Staaten ihre Haushalte diktieren will, lehnt jegliche europäische Abstimmung bezüglich der eigenen Haushaltspolitik ab und zieht sein Sparprogramm im Alleingang durch. Sarkozy sieht sich, auch aufgrund steigender Zinsen für französische Staatsanleihen gezwungen, seinen Widerstand aufzugeben und willigt ein, Verstöße gegen den Euro-Stabilitätspakt zukünftig hart zu betrafen, notfalls sogar mit dem Entzug der Stimmrechte innerhalb der europäischen Gremien. Le Figaro berichtet, Merkel habe Sarkozy offen gedroht, aus der Eurozone auszusteigen, wenn Frankreich nicht ebenfalls ein Sparprogramm durchziehe; diese Drohung wird als „Emser Depesche der Kanzlerin an Sarkozy“ bezeichnet, wobei man wissen muss, dass mit der Emser Depesche Bismarck 1870 die französische Kriegserklärung an das Deutsche Reich provozierte6. Nicht nur in Frankreich, auch in Großbritannien und den USA wird in der öffentlichen Diskussion eine „neue deutsche Frage“ gesehen, was ja nichts anderes bedeutet als die Feststellung, dass ein Scheitern der ursprünglichen Absicht der Einbindung und Eindämmung des deutschen Imperialismus mit Hilfe der EU und der Nato ins Auge gefasst wird.
Hierzulande finden diese Befürchtungen im Ausland ihre Entsprechung in einem lauter werden der Stimmen, die auf einen Alleingang des deutschen Imperialismus hinauslaufen. Da ist nicht nur die Klage gegen den Eurorettungsschirm vor dem Bundesverfassungsgericht solch notorischer „Alleingänger“ wie Peter Gauweiler – diese Klagen haben alle wichtigen Entscheidungen der sog. „Vertiefung“ der EU begleitet – sondern die Tatsache, dass diese Klage auf viel fruchtbareren Boden fällt, als vorangegangene. Die Empörung über Transferleistungen innerhalb der EU, über die hart erarbeiteten deutschen Milliarden für überschuldete EU-Staaten ist überall zu lesen und zu hören. Die SZ vom 14./15.5.11 berichtet z.B. über eine Jahresversammlung eines Verbandes namens „Die Familienunternehmer“ in München, der sich u.a. den Euro-Kläger Markus Kerber zur Podiumsdiskussion eingeladen hat, wie auch Theo Waigel, einst Finanzminister im Kabinett Kohl, und Klaus Regling, Vorsitzender des EU-Stabilitätsfonds EFSF. Lt. SZ hatten dabei die Verteidiger der Euro-Rettung Waigel und Regling, einen schweren Stand. „Waigel … vermisste bei seinen Gesprächspartnern das Verständnis für die historische Dimension. Wer mit der gleichen Währung zahlt schießt nicht (mehr) aufeinander, zählt das denn nicht?“ Waigel ist offensichtlich Teil einer anderen Strömung innerhalb der deutschen Monopolbourgeoisie, die die Entwicklung mit Sorge betrachten und nach wie vor den besten Weg zur Hegemonie über das Bündnis mit Frankreich sehen, wie sie auch, als Beispiel, in einem Kommentar der „Zeit“ zum Ausdruck kommt.
Der Autor sieht das Auseinandersdriften der deutsch-französischen Achse als „besorgniserregend“ und befürchtet: „Europa fällt auseinander“. Weiter stellt er fest „Es droht eine Selbstisolation“. Als Lösung schlägt er eine „offensivere deutsche Außen- und Militärpolitik im Rahmen der EU“ – also mit Frankreich – vor und fordert von der Bundesregierung vor allem „Führung und Orientierung“7. Das allerdings setzt entweder die freiwillige Unterordnung Frankreichs voraus oder führt längerfristig zu denselben Widersprüchen, die jetzt eine Linie des Alleingangs stärken.
Zusammenfassende Einschätzung
Ohne diesen ökonomischen und politischen Hintergrund, ist m.E. weder das Verhalten der imperialistischen Mächte in Bezug auf Libyen, noch dessen Bedeutung für die weitere Entwicklung zu verstehen, auf die wir uns vorbereiten müssen. Zusammengefasst bedeutet das:
Der französische Imperialismus sieht in der Libyenkrise eine Chance, sich gegen seinen Machtverlust im Zuge der hegemonialen Bedrängung durch den deutschen Imperialismus nicht nur in Nordafrika, zur Wehr zu setzen. Die französische Regierung reißt die Führung an sich und zieht, ökonomisch unterlegen, die militärische Karte, um so französische Einflusssphären zu retten und den deutschen Imperialismus mit Hilfe des britischen Koalitionspartners zurück zu drängen. Diese Hinwendung zu Großbritannien und Abwendung von Deutschland hat übrigens sein Vorspiel bereits in den im November 2010 mit der britischen Regierung vereinbarten „Verträgen über die Zusammenarbeit in der Verteidigungs- und Sicherheitspolitik zwischen Großbritannien und Franreich“, während, wie die SZ feststellt „gemeinsame militärische Projekte zwischen Paris und Berlin sich seit Monaten zäh hinzögen.“8
Der US-Imperialismus, von Anfang an einer militärischen Intervention in Libyen eher ablehnend gegenüberstehend, entscheidet sich buchstäblich in letzter Minute, den Kampf um Einfluss in Nordafrika nicht der französisch-britischen Koalition zu überlassen und stärkt so gleichzeitig diese Koalition gegenüber dem deutschen Imperialismus, dem nun nichts anderes mehr übrig bleibt, als sich an der Militärintervention unter Führung Frankreichs zu beteiligen oder aber sein Heil im Alleingang zu suchen und damit sowohl das deutsch-französische Bündnis ernsthaft in Frage zu stellen, wie auch das transatlantische.
Ob die deutsche Regierung anfänglich eine militärische Option unter deutscher Führung in Erwägung gezogen hat oder aber durch die Forderung nach weitgehenden Sanktionen gegen das Gaddafi-Regime eine solche, von Frankreich und Großbritannien geforderte zu verhindern suchte und dabei auf Unterstützung der USA spekulierte, ist aufgrund der zugänglichen Informationen schwer zu beurteilen. Ebenso kann das anfängliche Hin und Her heftigen Kämpfen innerhalb der deutschen Monopolbourgeoisie geschuldet sein, die es ja offensichtlich – und bei Zuspitzung der Widersprüche notgedrungen - gibt, wie die vielfältige Kritik in der bundesdeutschen Öffentlichkeit an der Enthaltung der Merkel/Westerwelle Regierung zeigt. Inzwischen zeichnet sich ab, dass der deutsche Imperialismus wieder als „ehrlicher Makler“ auftreten will, der zwischen den kämpfenden Parteien in Libyen vermittelt und so seinen Einfluss verstärkt – auf Kosten Frankreichs9. Ob diese Rechnung aufgeht, wird sich zeigen. Klar ist auf jeden Fall, dass die deutsche Monopolbourgeoisie kein Interesse daran hatte, sich unter französischer Führung an einer Militärintervention zu beteiligen und so zu einer Stärkung französischen Einflusses in Nordafrika und darüber hinaus beizutragen und dazu auch in Kauf nahm, dem Transatlantischen Bündnispartner auf die Zehen zu treten. Die oben zitierte, befürchtete „Selbstisolation“ ist im Falle Libyen also bereits eingetreten. Die Ablehnung der Militärintervention im UN-Sicherheitsrat ist damit auch ein Anzeichen dafür, dass die Stärke des deutschen Imperialismus eine Größenordnung erreicht hat, die nach Sprengung der westlichen Bündnisse EU und Nato drängt, in deren Schoß er „sich am besten entfalten kann“, wie ein deutscher Universitätsprofessor im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung 199910 feststellte. Konnte, muss man wohl heute sagen. Das aber bedeutet eine Zuspitzung der Widersprüche zwischen den imperialistischen Staaten und damit die zunehmende Gefahr eines dritten Weltkrieges.
Der I. Teil des Referatstextes index.php?show=article&id=1268' target='blank erschien am Montag, den 27.06., der II. Teil index.php?show=article&id=1269' target='blank am Donnerstag, den 30.06.2011 auf secarts.org.
Gretl Aden, KAZ-Arbeitsgruppe „Zwischenimperialistische Widersprüche“.
Referat, gehalten auf der III. Konferenz „Der Hauptfeind steht in eigenen Land!“, Göttingen, Juni 2011
Anmerkungen:
1 Deutsche Bundesbank, Monatsberichte, Oktober 2003, S. 25
2 Griechenland: BRD fast 50 Mrd. Dollar, Frankreich über 100 Mrd.; Portugal: BRD ca. 40 Mrd., Frankreich über 50 Mrd., Spanische Banken mit 110 Mrd.; Spanien: BRD 200 Mrd. Dollar. Frankreich knapp 250 Mrd. Dollar. Quelle: Bank für internationalen Zahlungsausgleich, Juni 2010
3 BRD: 2,1%; 3,9%; 3,9%; 4%, gegenüber 1,2%; 1,6%;1,7%;1,5% in Frankreich
4 Quelle: verschiedene Eurostat Veröffentlichungen
5 nach gfp vom 14.6.2010
6 Le Figaro vom 15.6.2010, zit. nach gfp vom 16.6.2010 „Die Macht in Europa“
7 Die „Zeit“ 3.6.2010; zit. nach gfp vom 14.6.2010: „Führung und Orientierung“
8 SZ 15.12.2010
9 siehe dazu u.a. gfp 16.5.2011 „Der lachende Dritte“
10 Werner Link: „Deutschland als europäische Macht“ in: Werner Weidenfeld (Hg.), Europa-Handbuch, Verlag Bertelsmann Stiftung, Gütersloh 1999, S.562; das genaue Zitat lautet: „Es mag paradox klingen, ist aber zutreffend: Dadurch, dass die europäische Macht Deutschland im europäischen und euro-atlantischen Raum beschränkt ist und mit den anderen Mächten verschränkt ist, kann sie sich am besten entfalten. Das alte und immer wieder neue Problem der kritischen Größenordnung Deutschlands ist auf diese Weise derzeit konstruktiv gelöst - ob auch dauerhaft, hängt ab vom Schicksal der EU und der NATO, das primär von ihren Mitgliedsstaaten, einschließlich Deutschland, bestimmt wird. Amerikanische Beobachter prognostizieren, dass im Falle einer Stagnation oder Erosion der EU und der NATO Deutschland als ungefesselte europäische Macht erneut in den Kreis der konkurrierenden Großmächte aufsteigen werde – als Weltmacht wider Willen.“
#frankreich #gaddafi #libyen #nato
Dieser Text wurde als Referat auf der III. Konferenz gehalten. Weitere Referate der III. Konferenz werden im Laufe der Zeit verschriftlicht sowie als Audiodateien zum Download bereitgestellt.
Verschiebung der Kräfteverhältnisse
Mindestens eben so deutlich treten die Kräfteverschiebungen und damit die Widersprüche direkt innerhalb der EU zu Tage. Vor allem im Zuge der weltweiten Wirtschaftskrise und in ihrem Gefolge der sog. Eurokrise haben sich die Verhältnisse weiter zugunsten des deutschen Imperialismus verschoben, was die Vertreter des französischen Imperialismus zunehmend in Zugzwang bringt. Auf der politischen Ebene spiegelt sich das in dem hegemonialen Gehabe der deutschen Regierung wieder, das, nicht nur in Frankreich, herbe Kritik hervorruft. Das lange Verweigern von Finanzhilfen für den griechischen Staat 2010, bei dem, noch vor den deutschen, französische Banken Hauptgläubiger sind, bis die Lage schließlich so angespannt war, dass die Merkelregierung ihr Diktat drastischer Einsparungen in Griechenland und damit das außer Kraft setzen der haushaltspolitischen Souveränität eines anderen Staates als Vorbedingung innerhalb der EU durchsetzen konnte, war nur der Anfang eines Prozesses weiterer deutscher Diktate und offener deutsch-französischer Machtkämpfe. Wesentlicher Streitpunkt ist dabei die mit Hilfe der Sozialdemokratie und ihrem Einfluss in den Gewerkschaften und Betrieben durchgesetzte deutsche Wirtschafts- Arbeits- und Sozialpolitik, durch die sich die deutsche Bourgeoisie einen stetig wachsenden Konkurrenzvorteil gegenüber den Konkurrenten verschafft. Sie drängt so die Krisenfolgen nicht nur an den Rand der EU und bringt kleinere EU-Länder an den Rand des Staatsbankrotts, sondern zwingt auch das imperialistische Frankreich, dieser Politik zu folgen. Nun geht es der französischen Monopolbourgeoisie natürlich nicht um die Lage der Arbeiter in der BRD oder die der eigenen Arbeiterklasse. Frankreichs Wirtschaft produziert mehr für den Absatz im eigenen Land, als die traditionell extrem exportabhängige deutsche Wirtschaft. Eine gezielt herbei geführte Verarmung der Arbeiterklasse und des Kleinbürgertums ist daher nicht im Interesse des französischen Staates als Gesamtkapitalist, zumal, da die deutschen Exportoffensiven den französischen Absatzanteil bereits in den letzten Jahren vor der großen Krise stagnieren ließ, wie die Bundesbank schon 2003 feststellte1. Und es sind innerhalb der EU vor allem die südlichen EU-Mitglieder, in die Frankreich Waren, vor allem aber Kapital exportiert, die nun durch die Rettungsbedingungen der Deutschen immer weiter in die Rezension getrieben werden. So sind französische Banken in den von der Krise besonders gebeutelten Staaten Griechenland, Portugal, Spanien und Irland außer in Irland (hier ist Großbritannien mit 230 Mrd. Dollar der größte Kreditgeber) jeweils mit höheren Krediten an diese Staaten, ihre Banken und Konzerne involviert als deutsche Banken.2
Wie sehr sich durch die Krise die Kräfteverhältnisse noch einmal verschoben haben, zeigen einige Zahlen. So ist das BIP 2010 in allen 4 Quartalen gegenüber dem Vorjahrsstand in Deutschland wesentlich höher gestiegen, als in Frankreich, und übrigens auch in Großbritannien oder Italien3, von den kleineren Staaten wie Griechenland oder Portugal ganz zu schweigen. Die Entwicklung der Handelsbilanzen ist noch krasser. Stieg der Exportüberschuss der BRD von 138,9 Mrd. Euro im Jahre 2009 auf 152,4 Euro im vergangenen Jahr, so stieg das Exportdefizit Frankreichs von 54,1 Mrd. Euro auf 64,1 Milliarden. Und noch eine Zahl, die die Verschiebung der Kräfteverhältnisse zwischen Frankreich und der BRD in den letzten Jahren aufzeigt: betrugen die gesamten französischen Ausfuhren im Jahr 2003 mit 341,9 Milliarden Euro noch 51,5 Prozent der deutschen (661,6), so waren das im Jahr 2010 mit 393 Mrd. Euro nur mehr 41% der gesamten deutschen Ausfuhren in Höhe von 957 Milliarden Euro.4
Kein Wunder also, dass in der französischen Öffentlichkeit sich heftiger Unmut über die deutsche Regierung breit macht. Berlin strebe ein „Heiliges Germanisches Euroreich“ an, kritisiert z.B. die französische Zeitschrift La Libération5. Doch die Kritik nicht nur Frankreichs, sondern vor allem auch der südlichen EU-Staaten, wie übrigens auch der US-amerikanischen Regierung, prallt ab. Der geschäftsführende Ausschuss der deutschen Monopole, der anderen Staaten ihre Haushalte diktieren will, lehnt jegliche europäische Abstimmung bezüglich der eigenen Haushaltspolitik ab und zieht sein Sparprogramm im Alleingang durch. Sarkozy sieht sich, auch aufgrund steigender Zinsen für französische Staatsanleihen gezwungen, seinen Widerstand aufzugeben und willigt ein, Verstöße gegen den Euro-Stabilitätspakt zukünftig hart zu betrafen, notfalls sogar mit dem Entzug der Stimmrechte innerhalb der europäischen Gremien. Le Figaro berichtet, Merkel habe Sarkozy offen gedroht, aus der Eurozone auszusteigen, wenn Frankreich nicht ebenfalls ein Sparprogramm durchziehe; diese Drohung wird als „Emser Depesche der Kanzlerin an Sarkozy“ bezeichnet, wobei man wissen muss, dass mit der Emser Depesche Bismarck 1870 die französische Kriegserklärung an das Deutsche Reich provozierte6. Nicht nur in Frankreich, auch in Großbritannien und den USA wird in der öffentlichen Diskussion eine „neue deutsche Frage“ gesehen, was ja nichts anderes bedeutet als die Feststellung, dass ein Scheitern der ursprünglichen Absicht der Einbindung und Eindämmung des deutschen Imperialismus mit Hilfe der EU und der Nato ins Auge gefasst wird.
Hierzulande finden diese Befürchtungen im Ausland ihre Entsprechung in einem lauter werden der Stimmen, die auf einen Alleingang des deutschen Imperialismus hinauslaufen. Da ist nicht nur die Klage gegen den Eurorettungsschirm vor dem Bundesverfassungsgericht solch notorischer „Alleingänger“ wie Peter Gauweiler – diese Klagen haben alle wichtigen Entscheidungen der sog. „Vertiefung“ der EU begleitet – sondern die Tatsache, dass diese Klage auf viel fruchtbareren Boden fällt, als vorangegangene. Die Empörung über Transferleistungen innerhalb der EU, über die hart erarbeiteten deutschen Milliarden für überschuldete EU-Staaten ist überall zu lesen und zu hören. Die SZ vom 14./15.5.11 berichtet z.B. über eine Jahresversammlung eines Verbandes namens „Die Familienunternehmer“ in München, der sich u.a. den Euro-Kläger Markus Kerber zur Podiumsdiskussion eingeladen hat, wie auch Theo Waigel, einst Finanzminister im Kabinett Kohl, und Klaus Regling, Vorsitzender des EU-Stabilitätsfonds EFSF. Lt. SZ hatten dabei die Verteidiger der Euro-Rettung Waigel und Regling, einen schweren Stand. „Waigel … vermisste bei seinen Gesprächspartnern das Verständnis für die historische Dimension. Wer mit der gleichen Währung zahlt schießt nicht (mehr) aufeinander, zählt das denn nicht?“ Waigel ist offensichtlich Teil einer anderen Strömung innerhalb der deutschen Monopolbourgeoisie, die die Entwicklung mit Sorge betrachten und nach wie vor den besten Weg zur Hegemonie über das Bündnis mit Frankreich sehen, wie sie auch, als Beispiel, in einem Kommentar der „Zeit“ zum Ausdruck kommt.
Der Autor sieht das Auseinandersdriften der deutsch-französischen Achse als „besorgniserregend“ und befürchtet: „Europa fällt auseinander“. Weiter stellt er fest „Es droht eine Selbstisolation“. Als Lösung schlägt er eine „offensivere deutsche Außen- und Militärpolitik im Rahmen der EU“ – also mit Frankreich – vor und fordert von der Bundesregierung vor allem „Führung und Orientierung“7. Das allerdings setzt entweder die freiwillige Unterordnung Frankreichs voraus oder führt längerfristig zu denselben Widersprüchen, die jetzt eine Linie des Alleingangs stärken.
Zusammenfassende Einschätzung
Ohne diesen ökonomischen und politischen Hintergrund, ist m.E. weder das Verhalten der imperialistischen Mächte in Bezug auf Libyen, noch dessen Bedeutung für die weitere Entwicklung zu verstehen, auf die wir uns vorbereiten müssen. Zusammengefasst bedeutet das:
Der französische Imperialismus sieht in der Libyenkrise eine Chance, sich gegen seinen Machtverlust im Zuge der hegemonialen Bedrängung durch den deutschen Imperialismus nicht nur in Nordafrika, zur Wehr zu setzen. Die französische Regierung reißt die Führung an sich und zieht, ökonomisch unterlegen, die militärische Karte, um so französische Einflusssphären zu retten und den deutschen Imperialismus mit Hilfe des britischen Koalitionspartners zurück zu drängen. Diese Hinwendung zu Großbritannien und Abwendung von Deutschland hat übrigens sein Vorspiel bereits in den im November 2010 mit der britischen Regierung vereinbarten „Verträgen über die Zusammenarbeit in der Verteidigungs- und Sicherheitspolitik zwischen Großbritannien und Franreich“, während, wie die SZ feststellt „gemeinsame militärische Projekte zwischen Paris und Berlin sich seit Monaten zäh hinzögen.“8
Der US-Imperialismus, von Anfang an einer militärischen Intervention in Libyen eher ablehnend gegenüberstehend, entscheidet sich buchstäblich in letzter Minute, den Kampf um Einfluss in Nordafrika nicht der französisch-britischen Koalition zu überlassen und stärkt so gleichzeitig diese Koalition gegenüber dem deutschen Imperialismus, dem nun nichts anderes mehr übrig bleibt, als sich an der Militärintervention unter Führung Frankreichs zu beteiligen oder aber sein Heil im Alleingang zu suchen und damit sowohl das deutsch-französische Bündnis ernsthaft in Frage zu stellen, wie auch das transatlantische.
Ob die deutsche Regierung anfänglich eine militärische Option unter deutscher Führung in Erwägung gezogen hat oder aber durch die Forderung nach weitgehenden Sanktionen gegen das Gaddafi-Regime eine solche, von Frankreich und Großbritannien geforderte zu verhindern suchte und dabei auf Unterstützung der USA spekulierte, ist aufgrund der zugänglichen Informationen schwer zu beurteilen. Ebenso kann das anfängliche Hin und Her heftigen Kämpfen innerhalb der deutschen Monopolbourgeoisie geschuldet sein, die es ja offensichtlich – und bei Zuspitzung der Widersprüche notgedrungen - gibt, wie die vielfältige Kritik in der bundesdeutschen Öffentlichkeit an der Enthaltung der Merkel/Westerwelle Regierung zeigt. Inzwischen zeichnet sich ab, dass der deutsche Imperialismus wieder als „ehrlicher Makler“ auftreten will, der zwischen den kämpfenden Parteien in Libyen vermittelt und so seinen Einfluss verstärkt – auf Kosten Frankreichs9. Ob diese Rechnung aufgeht, wird sich zeigen. Klar ist auf jeden Fall, dass die deutsche Monopolbourgeoisie kein Interesse daran hatte, sich unter französischer Führung an einer Militärintervention zu beteiligen und so zu einer Stärkung französischen Einflusses in Nordafrika und darüber hinaus beizutragen und dazu auch in Kauf nahm, dem Transatlantischen Bündnispartner auf die Zehen zu treten. Die oben zitierte, befürchtete „Selbstisolation“ ist im Falle Libyen also bereits eingetreten. Die Ablehnung der Militärintervention im UN-Sicherheitsrat ist damit auch ein Anzeichen dafür, dass die Stärke des deutschen Imperialismus eine Größenordnung erreicht hat, die nach Sprengung der westlichen Bündnisse EU und Nato drängt, in deren Schoß er „sich am besten entfalten kann“, wie ein deutscher Universitätsprofessor im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung 199910 feststellte. Konnte, muss man wohl heute sagen. Das aber bedeutet eine Zuspitzung der Widersprüche zwischen den imperialistischen Staaten und damit die zunehmende Gefahr eines dritten Weltkrieges.
Der I. Teil des Referatstextes index.php?show=article&id=1268' target='blank erschien am Montag, den 27.06., der II. Teil index.php?show=article&id=1269' target='blank am Donnerstag, den 30.06.2011 auf secarts.org.
Gretl Aden, KAZ-Arbeitsgruppe „Zwischenimperialistische Widersprüche“.
Referat, gehalten auf der III. Konferenz „Der Hauptfeind steht in eigenen Land!“, Göttingen, Juni 2011
Anmerkungen:
1 Deutsche Bundesbank, Monatsberichte, Oktober 2003, S. 25
2 Griechenland: BRD fast 50 Mrd. Dollar, Frankreich über 100 Mrd.; Portugal: BRD ca. 40 Mrd., Frankreich über 50 Mrd., Spanische Banken mit 110 Mrd.; Spanien: BRD 200 Mrd. Dollar. Frankreich knapp 250 Mrd. Dollar. Quelle: Bank für internationalen Zahlungsausgleich, Juni 2010
3 BRD: 2,1%; 3,9%; 3,9%; 4%, gegenüber 1,2%; 1,6%;1,7%;1,5% in Frankreich
4 Quelle: verschiedene Eurostat Veröffentlichungen
5 nach gfp vom 14.6.2010
6 Le Figaro vom 15.6.2010, zit. nach gfp vom 16.6.2010 „Die Macht in Europa“
7 Die „Zeit“ 3.6.2010; zit. nach gfp vom 14.6.2010: „Führung und Orientierung“
8 SZ 15.12.2010
9 siehe dazu u.a. gfp 16.5.2011 „Der lachende Dritte“
10 Werner Link: „Deutschland als europäische Macht“ in: Werner Weidenfeld (Hg.), Europa-Handbuch, Verlag Bertelsmann Stiftung, Gütersloh 1999, S.562; das genaue Zitat lautet: „Es mag paradox klingen, ist aber zutreffend: Dadurch, dass die europäische Macht Deutschland im europäischen und euro-atlantischen Raum beschränkt ist und mit den anderen Mächten verschränkt ist, kann sie sich am besten entfalten. Das alte und immer wieder neue Problem der kritischen Größenordnung Deutschlands ist auf diese Weise derzeit konstruktiv gelöst - ob auch dauerhaft, hängt ab vom Schicksal der EU und der NATO, das primär von ihren Mitgliedsstaaten, einschließlich Deutschland, bestimmt wird. Amerikanische Beobachter prognostizieren, dass im Falle einer Stagnation oder Erosion der EU und der NATO Deutschland als ungefesselte europäische Macht erneut in den Kreis der konkurrierenden Großmächte aufsteigen werde – als Weltmacht wider Willen.“
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