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NEUES THEMA05.02.2024, 22:00 Uhr
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• Namibia: Zum Tod von Hage Geingob jW morgen:

Diplomat für die Freiheit

Namibia: Eine der führenden Stimmen der SWAPO ist verstummt. Zum Tod des Präsidenten Hage Geingob

Von Christian Selz, Kapstadt

Wäre es nach dem südafrikanischen Apartheidregime gegangen, hätte Hage Geingobs Leben ein frühes und jähes Ende genommen. Weil er das rassistische Bildungssystem nicht mittragen wollte, hatte Geingob seine junge Lehrerlaufbahn nach nur einem Jahr abgebrochen und war aus seiner Heimat, dem damals von Südafrika besetzten Südwestafrika, ins Nachbarland Botswana geflohen. Im August 1963 sollte er mit einem von der südafrikanischen Befreiungsbewegung African National Congress (ANC) gecharterten Flugzeug nach Daressalam fliegen. Doch der südafrikanische Geheimdienst sprengte die Maschine.

Sein Leben verdankte der spätere Präsident Namibias Geingob einzig der Tatsache, dass die Bombe früher als beabsichtigt explodierte, als das Flugzeug noch leer auf dem Rollfeld stand. Geingob wurde so zunächst Repräsentant seiner Partei South West African People’s Organisation (SWAPO) in Bots­wana und arbeitete schließlich mehr als zwei Jahrzehnte als wichtigster Diplomat der Befreiungsbewegung bei der UNO in New York. Am Sonntag starb Namibias Staatspräsident im Alter von 82 Jahren in einem Krankenhaus in der Hauptstadt Windhoek.

Namibias Befreiungskampf, den die SWAPO nach einer gescheiterten Klage beim Internationalen Gerichtshof ab 1966 bewaffnet führte, war stets mit dem politischen Ringen um Anerkennung bei den Vereinten Nationen Hand in Hand gegangen. Geingob war dabei der wichtigste Diplomat. Ab 1964 fungierte er als Repräsentant seiner Organisation bei der UNO und blieb dort auch, nachdem er 1969 Mitglied des Zentralkomitees und des Politbüros der SWAPO geworden war. 1972 ging er als politischer Offizier ins UN-Sekretariat und wurde ab 1975 Direktor der Kaderschule United Nations Institute for Namibia im sambischen Lusaka.

Geingobs Wirken ist es maßgeblich mit zu verdanken, dass die Vereinten Nationen Südafrika zunächst 1966 das Mandat für Namibia entzogen und die Befreiungsorganisation schließlich 1976 zum alleinigen rechtmäßigen Repräsentanten des namibischen Volks erklärten. Dass das Apartheidregime in Pretoria sich den entsprechenden UN-Resolutionen widersetzen konnte, lag maßgeblich auch daran, dass es zunächst noch offen, später im Geheimen von westlichen Ländern unterstützt wurde. So lieferten beispielsweise westdeutsche Konzerne wie Rheinmetall oder Daimler trotz UN-Embargos noch in den 1980er Jahren Waffen oder militärisch genutzte Fahrzeuge an Südafrika. Die DDR, die Sowjetunion und Kuba unterstützten derweil den Befreiungskampf.

Nachdem die südafrikanische Armee Anfang 1988 mit wesentlicher Hilfe kubanischer Truppen in der Schlacht bei Cuito Cuanavale im Süden Angolas zurückgeschlagen worden war, musste Pretoria schließlich in einen Übergangsprozess zur Unabhängigkeit Namibias einlenken, der von der UNO überwacht wurde. Geingob kehrte im Folgejahr in sein Heimatland zurück und war maßgeblich an der Ausarbeitung der neuen demokratischen Verfassung beteiligt. Mit der Erreichung der offiziellen Unabhängigkeit am 21. März 1990 wurde er Premierminister unter dem SWAPO-Gründungspräsidenten und ersten demokratisch gewählten Präsidenten Namibias, Sam Nujoma. Seit 2015 war Geingob selbst Präsident Namibias.

Im Amt blieb er ein überzeugter Streiter für die tatsächliche Unabhängigkeit des namibischen Staates. Mehr als einmal äußerte er seinen Unmut über die Arroganz, mit der Berlin die Verhandlungen über eine Anerkennung des Völkermords an den Herero und Nama in seiner ehemaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika und entsprechende Reparationen führte. Noch im Januar, als er seine Krebserkrankung bereits bekannt gemacht hatte, attestierte Geingob Deutschland aufgrund der ablehnenden Haltung der Bundesregierung gegenüber der von Südafrika vor dem Internationalen Gerichtshof angestrengten Völkermordklage gegen Israel eine »Unfähigkeit, Lehren aus seiner schrecklichen Geschichte zu ziehen«. Innenpolitisch blieb sein Werk der Befreiung Namibias aber zumindest auf ökonomischer Ebene unvollendet. An den aus Kolonial- und Apartheidherrschaft resultierenden Besitzverhältnissen hat sich bis heute mit einer der weltweit höchsten Ungleichverteilung von Einkommen und Reichtum wenig verändert. .


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NEUER BEITRAG05.02.2024, 23:37 Uhr
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FPeregrin

Namibia: Zum Tod von Hage Geingob tp heute:

Präsident von Namibia: Wie Hage Geingob Deutschland noch im Tod einen Spiegel vorhält

05. Februar 2024 Uwe Kerkow, Harald Neuber

Kritiker westlicher Politik mit 82 Jahren verstorben. Eine der letzten Wortmeldungen galt deutscher Haltung zu Israel-Krieg. Reaktionen werfen Schlaglicht auf unser Weltbild.

Noch vor gut drei Wochen hatte sich Hage Gottfried Geingob mit scharfer Kritik an Deutschland zu Wort gemeldet. Er sei "zutiefst besorgt" über die Haltung Berlins zur international viel beachteten Völkermord-Klage gegen Israel vor dem Internationalen Gerichtshof im niederländischen Den Haag, ließ Namibias Präsident wissen.

Geingobs Letzte Worte: Scharfe Kritik an Deutschland

Am frühen Morgen des 4. Februar starb Geingob im Alter von 82 Jahren in einem Krankenhaus in Windhoek. In Afrika und in vielen Ländern, die zu Zeiten des antikolonialen Befreiungskampfes dem "Trikont" - Afrika, Asien und Lateinamerika - zugerechnet wurden, löste die Nachricht Bestürzung aus, in Europa war sie eher eine Randnotiz. Nicht nur daran zeigt sich der unterschiedliche Blick auf den Globalen Süden.

Geingob wurde am 3. August 1941 im Distrikt Grootfontein in Südwestafrika geboren, das seit Ende des Ersten Weltkriegs nicht mehr unter deutscher Kolonialherrschaft, sondern unter dem Mandat des Völkerbundes stand. De facto stand das Gebiet jedoch unter der Apartheid-Verwaltung Südafrikas.

Geingobs Wurzeln: Ein Leben unter Kolonialismus und Apartheid

Mit 17 Jahren begann Geingob eine Lehrerausbildung, die er trotz seiner politischen Aktivitäten mit 21 Jahren abschloss. Seine Stelle als Lehrkraft musste er jedoch nach kurzer Zeit wieder aufgeben, da er gezwungen war, unter dem südafrikanischen Bantu Education Act zu unterrichten. Mit diesem Gesetz sollte die Rassentrennung im Schulsystem durchgesetzt werden. Stattdessen floh Geingob ins benachbarte Botswana, um dort die Südwestafrikanische Volksorganisation (Swapo) zu vertreten.

Im Jahr 1964 erhielt Geingob ein Stipendium, das es ihm ermöglichte, in die Vereinigten Staaten zu gehen, wo er einen Master-Abschluss in Politikwissenschaft erwarb. Noch im selben Jahr wurde er zum Vertreter der Swapo bei den Vereinten Nationen ernannt. In den folgenden Jahren setzte er sich intensiv für die internationale Anerkennung des namibischen Befreiungskampfes ein, der seit 1966 auch mit Waffengewalt geführt wurde.

Von der Bildung zur Politik: Geingobs Aufstieg bei der Swapo

Und Geingob hatte Erfolg: 1976 wurde die Swapo schließlich von der Generalversammlung der Vereinten Nationen in der Resolution 31/146 als "einzige und authentische Vertreterin des namibischen Volkes" anerkannt.

Über verschiedene Stationen bei den Vereinten Nationen und Lehraufträge an US-amerikanischen Universitäten erarbeitete sich Geingob in den folgenden Jahren eine Position, die es ihm ermöglichte, 1989 als Mitglied des Politbüros der Swapo den ersten Wahlkampf für die Befreiungsorganisation in Namibia zu leiten.

Geingob an der Macht: Erster Premierminister Namibias

Geingob, der auch ein geübter Rhetoriker war und kompromisslos für die Rechte der Unterdrückten eintrat, leitete nun die verfassungsgebende Versammlung in Windhoek und wurde am 21. März 1990 zum ersten Premierminister der Republik Namibia gewählt.

Seitdem hat Geingob der Republik Namibia mit kurzen Unterbrechungen in verschiedenen Regierungsämtern gedient, unter anderem als Minister für Regional- und Kommunalverwaltung und Wohnungsbau, als Minister für Handel und Industrie und als Vizepräsident, bevor er am 28. November 2014 zum Präsidenten Namibias gewählt wurde. Dieses Amt bekleidete er nach seiner Wiederwahl im Jahr 2019 bis zu seinem Tod.

Geingob und der antikoloniale Befreiungskampf: Ein Vermächtnis

Geingob war einer der letzten Vertreter des antikolonialen Befreiungskampfes, der von den westlichen Kolonialstaaten mit einer hierzulande bis heute fast unbekannten Brutalität bekämpft wurde. In vielen Ländern des Südens wird er in einer Reihe mit Fidel Castro oder Nelson Mandela gesehen.

Ganz anders in den ehemaligen Kolonialstaaten. Dort spielte die Nachricht von seinem Tod eine eher untergeordnete Rolle und wurde teilweise einseitig aufgegriffen. Während Tagesschau.de weitgehend sachlich berichtete, reicherte das Nachrichtenmagazin Der Spiegel eine Agenturmeldung über den Tod Geingobs mit dem Satz an: "Doch seine Versprechen hielt er nicht immer."

Kritik und Interpretation: Was sagt Deutschlands Berichterstattung?

Was das genau heißen soll, warum das relevant ist und ob man das nicht von jedem Politiker sagen kann – all das blieb offen. So sagt der Satz mehr über den deutschen Blick auf Afrika aus als über einen verstorbenen afrikanischen Staatschef.

Nicht nur die Aussagen über Afrika lassen Rückschlüsse auf den deutschen Blick auf die Welt zu, sondern auch das, was nicht gesagt und berichtet wird. Drei Wochen vor Geingobs Tod hatte er scharfe Kritik an der Haltung der Bundesregierung gegenüber der Anklage Israels wegen Völkermords vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) geübt.

Deutschland und IGH: Ein Streitpunkt in Geingobs letzten Tagen

Dort war Ende Januar eine Klage Südafrikas gegen Israel wegen mutmaßlichen Völkermords erörtert worden. Zugleich hatte die deutsche Bundesregierung bekannt gegeben, Israel vor dem IGH zur Seite zu stehen.

In einer Stellungnahme verurteilte die namibische Regierung die Haltung Deutschlands, die ihrer Ansicht nach eine "völkermörderischen Absichten des rassistischen israelischen Staates gegen unschuldige Zivilisten in Gaza" unterstützt.

Namibias Standpunkt: Ablehnung der deutschen Unterstützung Israels

Geingob selbst äußerte am Samstag seine "tiefe Besorgnis" über die Entscheidung der deutschen Regierung, die Vorwürfe Südafrikas zurückzuweisen. Er bezeichnete dies als "schockierende Entscheidung" und erinnerte an den Massenmord an Mitgliedern der Volksgruppen der Herero- und Nama durch Deutschland in den Jahren zwischen 1904 und 1908.

Ein historischer Konflikt: Namibias Kritik an Deutschlands Rolle

Namibia lehnt Deutschlands Unterstützung der völkermörderischen Absichten des rassistischen israelischen Staates gegen unschuldige Zivilisten in Gaza ab. Auf namibischem Boden beging Deutschland zwischen 1904 und 1908 den ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts, bei dem Zehntausende unschuldiger Namibier unter unmenschlichsten und brutalsten Bedingungen starben.

Die scharfe Kritik aus Windhoek kam in deutschen Medien vor, gibt man Namibia und Gaza ein, finden sich aber weitaus mehr Artikel in englischer Sprache. Womit der 82-jährige ein letztes Mal deutlich machte, wie der Blick Deutschlands auf Afrika und die Welt ist.


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