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NEUES THEMA08.10.2018, 09:19 Uhr
Nutzer / in
retmarut

• Zur China-Politik der USA unter Trump Ein sehr gut aufbereiteter Beitrag der gfp zur aktuellen antichinesischen Politik der USA und dem Versuch, die EU bzw. Deutschland in diese Strategie mit einzubinden:
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So wird auch klarer, warum die USA sich für ein Abkommen mit Nordkorea einsetzen.
Die Vereinbarungsklausel in USMCA ist schon harter Tobak.


Eine Giftpille gegen China
08.10.2018

BERLIN/WASHINGTON/BEIJING (Eigener Bericht) - Die US-Administration will die EU fest in einen antichinesischen Wirtschaftsblock einbinden. Dies geht aus aktuellen Äußerungen von US-Handelsminister Wilbur Ross hervor. Demnach will Washington in das Freihandelsabkommen mit der EU, über das zur Zeit verhandelt wird, eine Ausstiegsklausel aufnehmen, die zur Beendigung des Abkommens führt, sollte die EU einen Handelsvertrag mit China schließen. Ross nennt die Klausel eine "Giftpille", die eine engere Kooperation mit Beijing verhindern soll. Dieser und weitere Schritte der US-Administration träfen auch deutsche Unternehmen, für die China wichtigster Handelspartner, drittgrößter Investitionsstandort sowie bedeutendster Wachstumsmarkt ist. Äußerungen von US-Vizepräsident Mike Pence lassen zudem Sanktionen gegen China, die womöglich auch deutsche Firmen einhalten müssten, als denkbar erscheinen. Nicht zuletzt will die Trump-Administration ihre militärischen Aktivitäten rings um China verstärken. Die Bundeswehr nimmt bereits an US-geführten Manövern im Pazifik teil.
Ein antichinesischer Wirtschaftsblock

Die US-Administration will die EU in einem künftigen Freihandelsabkommen zum Verzicht auf ein etwaiges Handelsabkommen mit China zwingen. Dies geht aus Äußerungen von Handelsminister Wilbur Ross hervor. Vorbild ist die Nachfolgevereinbarung zum Nordamerikanischen Freihandelsabkommen NAFTA (North American Free Trade Agreement), auf die sich die Vereinigten Staaten, Kanada und Mexiko unlängst geeinigt haben (United States-Mexico-Canada Agreement, USMCA). Sie sieht für den Fall, dass einer der drei Vertragsstaaten ein Handelsabkommen mit einem "nicht marktwirtschaftlich verfassten Land" schließt, vor, dass die zwei anderen das USMCA binnen sechs Monaten verlassen und ein Zweierbündnis bilden können - ohne den mit dem "nicht marktwirtschaftlich verfassten Land" kooperierenden Staat. Faktisch ist damit die Volksrepublik China gemeint, der Washington den Status einer Marktwirtschaft nicht zuerkennt. Handelsminister Ross hat am Freitag erklärt, die Aufnahme der Ausstiegsklausel in das USMCA "helfe" beim Versuch, sie in andere Freihandelsabkommen zu integrieren, insbesondere in die Abkommen mit der EU und mit Japan, über die derzeit verhandelt wird. Brüssel und Tokio gelten als womöglich erpressbar, weil die Autoindustrien Deutschlands und Japans hohe Profite aus ihrem US-Geschäft ziehen; Washington hat die Drohung, dieses Geschäft mit Kfz-Strafzöllen zu zerstören, nur für die Dauer der aktuellen Freihandelsgespräche ausgesetzt. Faktisch läuft die Ausstiegsklausel auf den Versuch hinaus, einen antichinesischen Wirtschaftsblock zu zementieren, dem neben Japan auch Deutschland und die EU angehören sollen. Ross äußert dazu: "Es ist eine Art Giftpille."[1]

Chinas Aufstieg verhindern

Ross' Äußerung erfolgte nur einen Tag nach einer gegen China gerichteten Brandrede, die US-Vizepräsident Mike Pence am Donnerstag vor dem konservativen Washingtoner Hudson Institute hielt. In der Rede wies Pence darauf hin, dass Beijing bemüht sei, mit seinem Plan "Made in China 2025" eine weltweit führende Rolle in Spitzentechnologien wie Robotik, Biotechnologie und Künstliche Intelligenz zu erlangen; darüber hinaus versuche es, die militärische Überlegenheit der Vereinigten Staaten zu reduzieren oder gar zu brechen. "Sie werden scheitern", sagte Pence voraus; um dies zu erreichen, wende die Trump-Administration "gegenüber China einen neuen Ansatz" an.[2] So habe man kürzlich das Committee on Foreign Investment (CFIUS) gestärkt, um Investoren aus China leichter abwehren zu können. Zudem setze man darauf, dass US-Unternehmen es sich künftig "zweimal überlegen", ob sie Geschäfte in der Volksrepublik machten. Explizit forderte Pence den Konzern Google auf, seine Aktivitäten in China "unverzüglich" einzustellen. Darüber hinaus stellte der US-Vizepräsident Behauptungen auf, die als Grundlage für Sanktionen gegen die Volksrepublik dienen können. Demnach mische sich Beijing "in Amerikas Demokratie" ein, unter anderem in die Zwischenwahlen in diesem Jahr und in die Präsidentenwahl im Jahr 2020. Aus Geheimdienstkreisen sei zu hören, gegenüber Chinas Einmischung verblasse diejenige Russlands, behauptete Pence. Mit Moskaus angeblicher Einmischung in die US-Wahl 2016 hat Washington Sanktionen gegen Russland begründet.

Der bedeutendste Wachstumsmarkt

Mit den Äußerungen von Ross und Pence zeichnen sich weitreichende Folgen für die deutsche Wirtschaft ab. Scharfe Maßnahmen zur Abwehr chinesischer Investoren hat die Bundesregierung längst eigenständig auf den Weg gebracht; so will sie den Einstieg auswärtiger Investoren bei deutschen Firmen künftig bereits ab einem Anteil von 15, womöglich sogar 10 Prozent verbieten können. Bisher liegt die Schwelle bei 25 Prozent. Der Schritt wird von Unternehmensverbänden energisch bekämpft: "Wenn das Ausland uns mit Investitionsbeschränkungen ebenso behandelt, wird es kritisch", warnt Carl Martin Welcker, Präsident des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA).[3] Darüber hinaus hat Berlin Washington mehrmals angeboten, gegenüber Beijing gemeinsam auf günstigere Investitionsbedingungen und auf weitere Zugeständnisse an westliche Unternehmen zu dringen und dazu Änderungen in der WTO anzustreben (german-foreign-policy.com berichtete [4]). Fatal wäre aus Sicht deutscher Firmen allerdings eine Debatte über Sanktionen. Droht schon Washingtons Verschärfung der Russland-Sanktionen der deutschen Wirtschaft einen schweren Schlag zu verpassen (german-foreign-policy.com berichtete [5]), so würden Boykottmaßnahmen gegen China zu gewaltigen Verlusten führen: Die Volksrepublik ist wichtigster Handelspartner, drittgrößter Investitionsstandort und - aufgrund ihrer dynamischen Entwicklung - bedeutendster Wachstumsmarkt der deutschen Industrie.

Militärische Provokationen

In seiner Brandrede gegen China hat US-Vizepräsident Pence noch weitere Schritte gegen China in Aussicht gestellt. Diese richten sich unter anderem gegen chinesische Medien. So habe die US-Administration angeordnet, das China Global Television Network (Ex-CCTV International) müsse sich als "ausländischer Agent" registrieren lassen, teilte Pence mit. Aktiv werden sollten neben der Regierung auch westliche Journalisten; ihnen hat der US-Vizepräsident die Aufgabe zugedacht, "tief zu graben, um herauszufinden, wo China sich in unsere Gesellschaft einmischt".[6] Zugleich kündigte Pence an, das US-Militär werde "amerikanische Interessen im Indo-Pazifik" sichern und dazu stärkere Bindungen zu Staaten in der gesamten Region entwickeln - "von Indien bis Samoa". Dazu werde man sich unter anderem für die "Navigationsfreiheit" im Südchinesischen Meer einsetzen. Dabei geht es - anders, als der PR-Ausdruck "Navigationsfreiheit" suggeriert - nicht um die Freiheit der Schifffahrt, die China überhaupt nicht in Frage stellt; es geht vielmehr darum, Beijings Anspruch auf Inseln und Inselgruppen im Südchinesischen Meer zu konterkarieren. Weil bekannt ist, dass China - ganz wie auch andere Staaten, darunter Malaysia und Vietnam - darauf besteht, dass Kriegsschiffe fremder Staaten nur nach vorheriger Anmeldung seine Küstengewässer kreuzen dürfen, durchqueren US-Kriegsschiffe regelmäßig unangemeldet die Küstengewässer vor von China beanspruchten Inseln im Südchinesischen Meer. Dies soll Beijing provozieren und klarstellen, dass Washington bereit ist, gegen chinesische Ansprüche vorzugehen.[7]

Kriegsspiele im Pazifik

Nicht nur US-amerikanische, auch britische und französische Kriegsschiffe passieren inzwischen immer wieder demonstrativ die Küstengewässer vor Inseln im Südchinesischen Meer. Dabei sind Eskalationen nicht ausgeschlossen: Anfang vergangener Woche kam es beinahe zu einem Zusammenstoß eines US-Kriegsschiffs mit einem Schiff der chinesischen Marine.[8] Dass dabei künftig auch deutsche Soldaten involviert werden, ist nicht ausgeschlossen: Anfang Juni berichtete die Pariser Verteidigungsministerin Florence Parly, bei einer Patrouillenfahrt der französischen Marine hätten sich "deutsche Beobachter" mit eingeschifft.[9] Zudem werden Forderungen laut, auch die deutsche Marine solle unter der PR-Parole "Navigationsfreiheit" provozierende Fahrten durch die Küstengewässer vor umstrittenen Inseln im Südchinesischen Meer durchführen.[10] An Großmanövern im Pazifik, die erkennbar gegen China gerichtet waren, hat die deutsche Marine bereits mehrmals teilgenommen - zuletzt vor gut zwei Monaten.[11]



[1] David Lawder, Karen Freifeld: U.S. Commerce's Ross eyes anti-China 'poison pill' for new trade deals. reuters.com 05.10.2018.

[2] Remarks by Vice President Pence on the Administration's Policy Toward China. whitehouse.gov 04.10.2018.

[3] "Wir brauchen nicht mehr Schutz vor China". Frankfurter Allgemeine Zeitung 08.09.2018.

[4] S. dazu Gemeinsam gegen Beijing.

[5] S. dazu Druck plus Profit und Pipelines im Visier.

[6] Remarks by Vice President Pence on the Administration's Policy Toward China. whitehouse.gov 04.10.2018.

[7] S. dazu Ostasiens Mittelmeer (I) und Ostasiens Mittelmeer (II).

[8] Matthias Müller: Amerikanisches und chinesisches Kriegsschiff kommen sich gefährlich nahe. nzz.ch 02.10.2018.

[9] S. dazu Kriegsspiele im Pazifik.

[10] S. dazu "China herausfordern".

[11] S. dazu Kriegsspiele im Pazifik.
NEUER BEITRAG08.10.2018, 13:23 Uhr
Nutzer / in
FPeregrin

Dank an retmarut für das verposten dieses aufschlußreichen Artikels!

Dringend festhaltenswert halte ich den Umstand, daß das Vorgehen der USA ganz offensichtlich zwei Stoßrichtungen hat, neben der Isolierung der VR China die Schwächung der imperialistischen Konkurrenz - "einbinden" finde ich hier zu schwach formuliert: Der deutsche Imperialismus wird bei dieser Strategie geschwächt, wie immer er sich entscheiden mag, für oder gegen die chinesische Option.

Zu einer ähnlichen gemischten Konstellation - zwischenimperialistische Konkurrenz & Klassenfeindschaft - äußert sich Stalin in "Ökonomische Probleme des Sozialismus in der UdSSR" (1952) u.a. so:

"Man sagt, daß die Gegensätze zwischen dem Kapitalismus und dem Sozialismus stärker sind als die Gegensätze zwischen den kapitalistischen Ländern. Theoretisch ist das natürlich richtig. Das ist nicht nur jetzt, in der gegenwärtigen Zeit, richtig, das war auch vor dem zweiten Weltkrieg richtig. Und dessen waren sich die Machthaber der kapitalistischen Länder mehr oder weniger bewußt. Und dennoch begann der zweite Weltkrieg nicht mit einem Krieg gegen die UdSSR, sondern mit dem Krieg zwischen den kapitalistischen Ländern. Warum? Erstens, weil ein Krieg gegen die UdSSR, als das Land des Sozialismus, für den Kapitalismus gefährlicher ist als ein Krieg zwischen den kapitalistischen Ländern, denn wenn es bei einem Krieg zwischen den kapitalistischen Ländern nur um die Frage der Vorherrschaft dieser oder jener kapitalistischen Länder über andere kapitalistische Länder geht, so muß ein Krieg gegen die UdSSR unbedingt die Frage der Existenz des Kapitalismus selbst aufwerfen. Zweitens, weil die Kapitalisten, obwohl sie zum Zwecke der „Propaganda" über eine Aggressivität der Sowjetunion zetern, selbst nicht an solche Aggressivität glauben, da sie der Friedenspolitik der Sowjetunion Rechnung tragen und wissen, daß die Sowjetunion die kapitalistischen Länder nicht von sich aus angreifen wird. / Nach dem ersten Weltkrieg hat man ebenfalls angenommen, Deutschland sei endgültig erledigt, ebenso wie auch heute manche Genossen meinen, Japan und Deutschland seien endgültig erledigt. Damals wurde auch davon geredet und in der Presse darüber geschrien, daß die Vereinigten Staaten von Amerika Europa auf Ration gesetzt haben, daß Deutschland nicht wieder auf die Beine kommen könne, daß es von nun an zwischen den kapitalistischen Ländern keine Kriege mehr geben könne. Doch hat sich Deutschland nach seiner Niederlage trotzdem in etwa 15-20 Jahren wiederaufgerichtet und ist als Großmacht wieder auf die Beine gekommen, nachdem es aus der Knechtschaft ausgebrochen war und den Weg einer selbständigen Entwicklung beschritten hatte.
Dabei ist charakteristisch, daß niemand anders als England und die Vereinigten Staaten von Amerika Deutschland geholfen haben, sich ökonomisch aufzurichten und sein kriegswirtschaftliches Potential zu erhöhen. Natürlich verfolgten die USA und England, als sie Deutschland halfen, sich ökonomisch aufzurichten, die Absicht, Deutschland, nachdem es sich aufgerichtet hat, gegen die Sowjetunion zu lenken, es gegen das Land des Sozialismus auszuspielen. Deutschland richtete seine Kräfte jedoch in erster Linie gegen den englisch-französisch-amerikanischen Block. Und als Hitlerdeutschland der Sowjetunion den Krieg erklärte, schloß sich der englisch-französisch-amerikanische Block nicht nur nicht Hitlerdeutschland an, sondern war im Gegenteil gezwungen, eine Koalition mit der UdSSR gegen Hitlerdeutschland einzugehen. / Folglich erwies sich der Kampf der kapitalistischen Länder um die Märkte und der Wunsch, ihre Konkurrenten abzuwürgen, praktisch als stärker denn der Gegensatz zwischen dem Lager des Kapitalismus und dem Lager des Sozialismus. / Es fragt sich, welche Garantien gibt es, daß Deutschland und Japan nicht erneut auf die Beine kommen, daß sie nicht versuchen werden, aus der amerikanischen Knechtschaft auszubrechen und ein selbständiges Leben zu führen? Ich denke, solche Garantien gibt es nicht. / Daraus folgt aber, daß die Unvermeidlichkeit von Kriegen zwischen den kapitalistischen Ländern bestehen bleibt."
(SW 15, 325ff.)

Nun ist seitdem einiges passiert, nicht zuletzt die Fette Konterrevolution am Ende des 20 Jh.s Damit ist aber die Wahrscheinlichkeit zwischenimperialistischer Kriege grundsätzlich noch einmal gestiegen. Es ist also keineswegs ausgemacht, daß der nächste Große Krieg als Krieg "des Westens"gegen die Volksrepublik China ausbricht, die sowohl Staat des Klassengegners als auch Konkurrent ist (das ist allerdings neu), sondern wahrscheinlicher als zwischenimperialistischer Krieg, der allerdings ein gemischter Krieg werden kann. Die VR China wird - wie die SU im Vorfeld des 2. WK - alle Möglichkeiten nutzen, daß es keine geschlossene imperialistische Front gegen den Sozialismus geben wird. Und der Möglichkeiten sind für die "Wirtschaftsmacht" China mehr als die SU je hatte.

Die für uns wichtige Frage ist und bleibt, wie sich der deutsche Imperialismus - als unser Hauptfeind - hier fürderhin verhalten wird.

Dies nur als Fußnote.
NEUER BEITRAG08.10.2018, 19:50 Uhr
Nutzer / in
secarts

Danke für Artikel und Zitat. So sieht es aus: US-Vorgehen gegen sämtliche Konkurrenten, die da in erster Linie China (gesellschaftlich und ökonomisch), Deutschland (ökonomisch) und Russland (militärisch) sind. Bislang waren alle Maßnahmen der USA unter Trump darauf ausgerichtet, immer mindestens zwei, besser alle drei Kontrahenten gleichzeitig empfindlich zu treffen. Das war schon bei den Sanktionen gegen Russland so, die nebenbei dem deutschen Kapital erheblichen Schaden bereitet haben (China hingegen nutzen), und das gilt auch jetzt für die Zölle gegen China (die Deutschland vielfältig treffen, nicht zuletzt durch eine Überschwemmung eigener Absatzmärkte durch "chinaflüchtige" Unternehmen anderer Nationalität).

Das sieht nach einer US-Strategie der höchsten Not aus. Denn das Risiko, eigentliche (politische) Verbündete in die (wirtschaftliche) Gegnerschaft zu treiben, ist hier ja eklatant, auf die Bedeutung des Chinageschäftes für die BRD hat der Artikel hingewiesen. Und gerade, weil das so ist, steigt das Risiko einer Eskalation bis hin zu Kriegen.

Von den - früher ja auch medial so inszenierten - "besonderen" transatlantischen Beziehungen werden wir uns aber sowieso dauerhaft zu verabschieden haben. Ein new style, eine ruppigere und auch offen antiamerikanische Ausdrucksweise gegenüber den USA gehört für die deutsche Regierungspolitik zur neuen Normalität, anders herum natürlich genauso.
NEUER BEITRAG09.10.2018, 04:51 Uhr
Nutzer / in
joe123

Die deutsch-imperialistische Verabschiederei vom "Transatlantikertum" looft nu aber ooch schon quasi gute 75 Jahr mit mehr oder minder Wellen und Sukzessionen. Gab schon immer auch solche Stimmen seit den 50ern.
NEUER BEITRAG09.10.2018, 09:27 Uhr
Nutzer / in
retmarut

Mit einem ökonomischen Konkurrenten kann man sich meist irgendwie arrangieren, mit einem militärischen wird das schon etwas schwerer, ist aber auch nicht unmöglich. Bei Mitspielern, die man als ökonomische und militärische Gefahr ansieht, wird ein Ausgleich schon deutlich schwieriger.

Will sagen: Der Konflikt der USA mit Deutschland ist derzeit wirklich ein nachgeordneter. Trump versucht, seine Konditionen zu diktieren, was auf deutscher Seite zu direkten (Einfuhrzölle gegen EU) und v.a. indirekten (Zollbann gegen China, Iran, Russland) Handelseinbußen führt. Die deutsche Seite wird sich mittelfristig daran anpassen und sich andere Felder suchen, um Verluste zu kompensieren bzw. Wege einschlagen, um die Embargos und Restriktionen der USA gegen Dritte zu unterlaufen (wie weiland das Embargo gegen den Iran oder das Apartheid-Südafrika von deutscher Seite stets unterlaufen wurde, weil es sich ökonomisch gelohnt hat). Deutsche Monopolunternehmen haben in den vergangenen vier Jahrzehnten immer wieder bewiesen, dass sie da auch vor keiner noch so dreckigen Maßnahme zurückschrecken und notfalls auch Gerichtsentscheide mit Millionenforderungen in den USA gegen sich in Kauf nehmen. (Ist halt wieder die Sache mit dem lockenden Profit, für den man auch die Gefahr des Strickes in Kauf nimmt.)

Mir ging es mit dem Thread aber auch gar nicht darum, den deutschen Imperialismus und seine Reaktionen auf die US-Strategie zu beleuchten, sondern die US-Strategie selbst einmal in den Blick zu nehmen. Und dort ist unter Trump eine immer wiederkehrende Taktik zu erkennen: verbale und ökonomische Attacken nach mehreren Seiten, um danach auszuloten, welcher Konkurrent zuerst auf seine Forderungen einlenkt. Dieser wird dann eine zeitlang gebauchpinselt und auf die eigene Linie gelotst, bis das nächste Fass aufgemacht wird und das Spielchen von Neuem losgeht. - Klappt erstaunlich gut, weil die Widersprüche zwischen den diversen Konkurrenten offenbar zu groß und mannigfaltig sind, um eine mögliche Front gegen die USA zu bilden. Keiner will/kann halt auf den lukrativen US-Markt verzichten.
Die Unberechenbarkeit der Trumpschen Politik im Detail basiert daher auf einem durchaus berechneten, erprobten Plot.
NEUER BEITRAG09.10.2018, 23:35 Uhr
Nutzer / in
secarts

"Die Unberechenbarkeit der Trumpschen Politik im Detail basiert daher auf einem durchaus berechneten, erprobten Plot."

Das glaube ich auch. Wir haben es nicht mit Irren zu tun, sondern mit kalkuliert eingesetzten, um den Bluff ergänzten Rowdymethoden. Was wir allerdings nicht wissen und worüber wir nur mutmaßen können: wohin führen denn die Berechnungen, die ein Gebaren wie das des aktuellen Präsidenten ratsam erscheinen lassen? Bzw.: Wie weit sind die Strategen bereit zu gehen? Die Frage gewinnt insofern Relevanz, als das sich das Vorgehen der Trumpschen Administration (hinter der mithin eine aktuelle Mehrheit des US-Kapitals steht) nicht anders denn als Strategie der Schwäche erklären lässt. Es sind genau diese Zustände, die einen Imperialismus bis zur Kriegswilligkeit bringen.

Ansonsten:
- Ob der stärkste militärische Konkurrent der USA (Russland, immer noch) wirklich auch die größte "Gefahr" darstellt, würde ich bezweifeln (selbst aus US-Perspektive). Russland fehlen doch die globalen Ambitionen, von seiner überragenden militärischen Macht umfassend Gebrauch zu machen, zwischen Bomberarsenal und Stärke des Finanzkapitals, das überhaupt ein Interesse an der (gewaltsamen) Ausdehnung des Herrschaftsbereichs haben könnte, liegen doch wirklich Welten.
- Das wiederum ist bei Deutschland umgekehrt: der Appetit ist immer im Weltmaßstab, aber militärisch reicht es eben nicht. (Und hat es übrigens auch noch nie, was zwei Weltkriege nicht verhindern konnte...)
- China hingegen hat militärisch sicherlich die Fähigkeit, jeden Angriff der USA zu überstehen und zurückzuwerfen; vielleicht kann die Volksbefreiungsarmee auch die ostasiatischen Garnisonen der US Army neutralisieren. Aber zu mehr als einigen Vergeltungsschlägen auf US-Territorium (vermutlich könnten alle Millionenstädte empfindlich attackiert oder auch ganz vernichtet werden) reicht die Kapazität nicht, schon gar nicht zu einer Eroberung der USA (Hawaii mal außen vor). Die wissen das natürlich. Insofern würde auch China ja zu den "nur-ökonomischen" Konkurrenten zählen, aus Sicht der USA also auf einem Level mit der BRD (die allerdings keine Zweitschlagsfähigkeit hat) liegen...

Kurzum: unübersichtliche Lage. Alles ist möglich.
NEUER BEITRAG10.10.2018, 10:09 Uhr
Nutzer / in
retmarut

Wobei ich nicht verhehlen möchte, dass ich den derzeitigen US-Präsidenten für altersdebil und irre halte. Beide Phänomene waren und sind in den USA aber nie ein Hinderungsgrund gewesen, im Amt zu bleiben und Politik mitzugestalten, vgl. den 40. Präsidenten Ronald Reagan, der mit diesen Attributen sogar zwei Amtszeiten durchgerockt hat. Auch eklatante Halbbildung, über die sich v.a. die Europäer gerne mit realem Schaudern mokieren, war nie ein Ausschlusskriterium für ein Präsidenten- oder Ministeramt in den USA. Okay, da wissen etliche nicht, dass Belgien keine Stadt, Irland eine Insel und Myanmar in Asien liegt; aber Hand aufs Herz: wer kennt hier in Europa schon alle US-Bundesstaaten und deren Hauptstädte?

Ich denke mal, dass Trump einfach die Methoden, die er über Jahrzehnte in seinen halblegalen Immobilien- und Firmendeals eingeübt hat, so sehr verinnerlicht hat, dass er die automatisiert als Schablone auch über innen- und außenpolitische Fragen legt. Solange er mit diesen Gaunereien und dem Pavianverhalten durchkommt und das seinem Wahlvolk (bei ihm ist ja gefühlt Dauerwahlkampf) als großen Sieg verkaufen kann, läuft der Kahn. Problematisch wird es, wenn er an den Punkt gelangt, dass seine Methode nicht mehr greift, z.B. weil die Chinesen blocken und wesentlich geschicktere Gegenmittel auf anderer Ebene einsetzen, also über Bande spielen.

Momentan scheint es ja so zu sein, wenn man Insiderberichten aus dem Weißen Haus glauben schenken mag, dass seine Verwaltung als Löwendompteur und Putztruppe agiert, um die größte Fauxpas und Entgleisungen des Präsidenten auf internationalem Parkett abzuwenden, und sei es auch auf dem Wege der Obstruktion. (Am lustigsten finde ich immer noch die Story, dass Trump seine offiziellen Papiere gerne nach dem Lesen zerreißt. Da die ganze Korrespondenz des Präsidenten aufgrund gesetzlicher Regelung archiviert werden muss, sitzen da also gutbezahlte Staatsbedienstete, die diese Fetzen jeden Tag wieder mühsam zusammenpuzzeln und -kleben müssen.)

Noch kurz zu Russland: Der Russlandhass hat sicher auch etwas damit zu tun, dass man das Narrativ des Kalten Krieges "against Russia" (es ging ja im Englischen selten gegen die SU) nie wirklich abgelegt hat, weil sich der Kampf gegen ein großes "Evil Empire" sehr schön in ein dichotomes Weltbild verdichten lässt. Das hat in den USA eben eine gewisse Tradition, die die Republicans auch in den vergangenen Jahrzehnten immer gut bedient haben.
Russland wird aber auch deswegen als Feindbild aufgebaut, weil es eben ökonomisch so schwach ist und auf der Weltbühne nur wegen seiner Militärmacht, die tatsächlich interventionsfähig ist (siehe Syrienkrieg), überhaupt noch ein Faktor ist. Es geht letztlich darum, Russland auf allen Ebenen Schaden zuzufügen, damit sich das Land diesen Militärapparat nicht mehr leisten kann. Daher die direkten und indirekten Embargos.

Bei China sieht die Sache eben ganz anders aus, weil (obwohl developing country) dahinter eine prosperierende Industrie und gesamtgesellschaftliche Planung (auf Makroebene) steht.

Und Deutschland ist halt NATO-Partner. Da kann man schlecht militärische Drohszenarien aufbauen.
(Ich glaube mittlerweile eh, dass eine NATO-Mitgliedschaft heute für die meisten Mitgliedsstaaten in erster Linie zum Schutz vor US-Interventionen sowie dem Zugang zur US-Waffentechnik dient. Andere wie Katar, Kuwait, VAE, Bahrain, die nicht in diesen erlauchten Kreis gelangen, machen es halt mittels gesponsertem US-Militärstützpunkt.)
NEUER BEITRAG10.10.2018, 20:34 Uhr
Nutzer / in
RevLeft

"Bislang waren alle Maßnahmen der USA unter Trump darauf ausgerichtet, immer mindestens zwei, besser alle drei Kontrahenten gleichzeitig empfindlich zu treffen. Das ... gilt auch jetzt für die Zölle gegen China (die Deutschland vielfältig treffen...)"

In der Tat, die Bourgeoisie rechnet schon:

"Trump kostet die Deutschen 50 Milliarden Euro

Seine Zölle, seine Drohungen und die Schockreaktion der Entscheider – der US-Präsident erweist sich als Bremsklotz für die Konjunktur. Deutschland entgehen in diesem und im kommenden Jahr 50 Milliarden Euro Wohlstandszuwachs.
...
"
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NEUER BEITRAG11.10.2018, 01:01 Uhr
EDIT: secarts
11.10.2018, 01:17 Uhr
Nutzer / in
secarts

"Wobei ich nicht verhehlen möchte, dass ich den derzeitigen US-Präsidenten für altersdebil und irre halte"

Das mag sein oder auch nicht sein, es ändert sich nichts: wir haben uns mehr um den Zustand einer Klasse Gedanken zu machen, die gegebenenfalls auf eine berufsmäßige Vertretung durch sich ausagierende Irre oder Psychopathen zurückzugreifen bereit ist. Vielleicht ist Trump ja auch tatsächlich längst durch einen Doppelgänger ausgetauscht worden, wie hier im Forum schon einmal von irgendwem erhellend eingeworfen wurde - so banal muss man sich das, glaube ich, tatsächlich vorstellen: Entweder findet sich, durch trial and error und marktwirtschaftliche Auslese, ein geeignetes "Originalgenie", oder eine Charaktermaske wird gecastet. Ronald Reagan war ein Vertreter der letzteren Gattung. Bei Trump bin ich mir noch lange nicht sicher.

Da aber offenkundig die mad-man-Methode auch außenpolitisch dazugehört, sollte man m. E. gar nicht mehr viel an "Insiderberichten" aus dem Weißen Haus glauben. Nicht, dass es hier eine groß angelegte Verschwörung gäbe, um der Welt den verrückten Hund im Oval Office vorzuspielen - wir haben es vielleicht mehr mit einer bewusst tolerierten Kakophonie an Stimmen vermeintlicher Vertrauter Trumps zu tun. Da kann dann jeder größenwahnsinnige Strippenzieher (wie dieser Stephen Bannon) seinen Kaktus draufsetzen; Trump dementiert mal; gefällt sich mal in der Rolle des Unberechenbaren; mal freut er sich, weil seine liberale Konkurrenz einer justiziablen Falschaussage aufgesessen ist. Ein wahres Eldorado für Demagogen.
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