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NEUES THEMA11.07.2016, 13:47 Uhr
EDIT: retmarut
11.07.2016, 13:49 Uhr
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retmarut

• Thanasis Spanidis zur KP China Wohl wissend, dass es hier im Forum in dieser Frage sehr weit auseinandergehende Positionen gibt, bringe ich hier mal den aktuellen Beitrag des Genossen Spanidis aus der T&P.

Wirklich neu ist an seiner Argumentation eigentlich nichts, aber das wird auch nicht vorausgesetzt. Hauptproblem scheint mir: Echten Einblick in die reale gesellschaftliche und politische Situation der VR China scheint er nicht zu haben, dafĂŒr um so mehr Stereotype, wie sie u.a. in Nordamerika und Teilen Europas gepflegt werden. Es ist halt nicht gar so einfach, sich aus dem eigenen diskursiven Bezugssystem zu lösen.

Mir scheint zudem, hier wird die Geschichte des Niedergangs des traditionellen Sozialismus (d.h. der osteuropĂ€ischen Staaten) als Schablone genommen, nicht die historische Entwicklung der VR China und ihre besonderen Entwicklungspfade (als weiterhin großes und bevölkerungsreiches Entwicklungsland). Auch scheint Spanidis mit allzu kurzen historischen Zeitspannen zu operieren, jedenfalls anders als die KP China, die aus meiner Sicht wesentlich realistischere Zeitfenster angibt fĂŒr den Aufbau des Sozialismus in diesem Riesenland. Die objektiven Verbesserungen der Lebensbedingungen der Bevölkerung sowie die ProduktivitĂ€tszuwĂ€chse sind bei ihm bis 1976 alle in Ordnung, fĂŒr die Zeit nach 1976 dann aber plötzlich kapitalistisches Teufelszeug.

Spanidis schreibt: "Die Linie Chinas impliziert im Gegenteil, die Rolle der Imperialisten zu verharmlosen und zu verschleiern und wo möglich auf BĂŒndnisse mit ihnen zu orientieren. In diesem Kontext sind auch die verschiedenen AnnĂ€herungsversuche an LĂ€nder der EU zu verstehen."
Wenn man keine Scheuklappen trĂŒge, wĂŒrde man sehen, dass die KP China versucht, die bestehenden zwischenimperialistischen WidersprĂŒche auszunutzen. FĂŒr ein sozialistisches Land in einem Meer von kapitalistischen RĂ€ubern eine selbstverstĂ€ndliche Notwendigkeit, egal ob dieses Land nun Cuba, Vietnam, Laos, DVR Korea oder VR China heißt. Nur dass die VR China wegen ihres großen Marktes eben wesentlich attraktiver ist fĂŒr die auslĂ€ndischen Kapitalisten als beispielsweise Cuba oder Laos.

Weiter heißt es bei ihm: "Die KP Chinas orientiert dabei nicht auf das BĂŒndnis mit den klassenbewussten Teilen der Arbeiterklasse und den kommunistischen Parteien ihrer PartnerlĂ€nder, sondern sie verhandelt mit Vertretern der Regierungen und des Kapitals."
Soll die KP China als Regierungspartei jetzt mit der DKP in Verhandlungen ĂŒber die Außen- und Wirtschftspolitik Deutschlands eintreten? Das ist doch albern.

Spanidis schreibt ja sonst durchaus ganz gute Sachen, aber hier verrennt er sich in den eigenen Vorurteilen. Entsprechend dann auch sein Fazit.

Ich weiß grundsĂ€tzlich, wo der Genosse Thanasis Spanidis politisch so steht (und das ist im Grunde eine Position, die sich in weiten Teilen mit der meinigen deckt), aber in dieser Angelegenheit scheinen doch Welten zwischen uns zu liegen.

Als Kommunist einer (leider) kleinen kommunistischen Partei in einem fĂŒhrenden imperialistischen Staat kĂ€me ich mir jedenfalls ziemlich borniert und albern vor, einer jetzt 95 Jahre alten 88-Millionen-KP mit solch einer Chuzpe abzusprechen, eine Kommunistische Partei zu sein. Wenn man dann noch die Schlussfolgerung daraus zieht: "Die SolidaritĂ€t mit dem kapitalistischen Restaurationsprojekt in China ist nicht nur vom Standpunkt kommunistischer und antiimperialistischer Programmatik und des proletarischen Internationalismus nicht zu rechtfertigen. Sie ist auch dazu geeignet, die GlaubwĂŒrdigkeit der Partei als konsequent antikapitalistischer Kraft zu kompromittieren.", dann hört sich das mehr nach Linkssektierertum an denn nach proletarischem Internationalismus. Ohne polemisch sein zu wollen, aber streckenweise erinnert der Text (insb. im Fazitteil) in seinen ArgumentationsstrĂ€ngen und seiner Begriffswahl eher trotzkistischen Traktaten ĂŒber die SU oder VR China. Das ist sehr schade, gerade jetzt zum 95. Jahrestag der GrĂŒndung der KP China mit solch einem Text aufzuwarten.

Vielleicht eignet sich der Beitrag trotzdem als Diskussionsanregung hier im Forum. Daher will ich mich auch vorerst auf diese kurzen einleitenden Worte beschrÀnken.



Ausdruck der weltanschaulichen Krise der kommunistischen Weltbewegung

Posted on 11. Juli 2016

Die Diskussion um den Klassencharakter der VR China

(Langfassung – eine gekĂŒrzte Fassung des Textes ist in Heft #41 veröffentlicht.)

Thanasis Spanidis

In der aktuellen innerkommunistischen Debatte scheint die mehrheitlich geteilte Position bezĂŒglich des Charakters der VR China diejenige zu sein, derzufolge das bevölkerungsreichste Land der Welt nach wie vor auf sozialistischen ProduktionsverhĂ€ltnissen beruht oder sich zumindest auf dem Weg dahin befindet. DafĂŒr wird eine Reihe von Argumenten vorgebracht, die ich ohne Anspruch auf VollstĂ€ndigkeit wie folgt verstehe:

Erstens sei in China nach wie vor die Kommunistische Partei an der Macht, was die grundsĂ€tzlich sozialistische Entwicklungsrichtung, in manchen Sichtweisen[1] auch die Herrschaft der Arbeiterklasse verbĂŒrge.

Zweitens wird auf das Fortbestehen von öffentlichem Eigentum, sowie die teilweise wachsende Bedeutung makroökonomischer zentraler Steuerung und binnenmarktorientierter Sozial- und Infrastrukturpolitik verwiesen, was nach diesen Auffassungen wohl fĂŒr einen rudimentĂ€ren Sozialismus oder doch wenigstens die lenkende Rolle der Staatsmacht, also auch der KP stehen soll.

Drittens werden Verlautbarungen der KP Chinas, die den Sozialismus weiterhin als gesellschaftspolitisches Ziel und den Marxismus-Leninismus als Richtschnur von Strategie und Taktik der Partei bestimmen, fĂŒr glaubwĂŒrdige Belege einer entsprechenden Zielsetzung gehalten.

Viertens gibt es den Verweis auf eine sich vom weltpolitischen Gebaren der etablierten imperialistischen MĂ€chte unterscheidende Außenpolitik, die auf die Wahrung des Friedens und Kooperation statt gewaltsame Unterwerfung setze.

Und fĂŒnftens schließlich liegt all dem meistens implizit oder explizit die sehr grundsĂ€tzliche Argumentation zugrunde, dass der Sozialismus in einem unterentwickelten Land, das China in vielen Bereichen seiner Gesellschaftsstruktur unzweifelhaft immer noch ist, nur ĂŒber eine lange Zwischenetappe erreicht werden könne, wofĂŒr dann gerne auch allerlei Klassiker-Zitate bemĂŒht werden.

NatĂŒrlich treten diese Argumente in verschiedenen Variationen und Kombinationen auf, allerdings geht es mir nicht darum, auf einen bestimmten individuellen Diskussionsbeitrag zu antworten, sondern möglichst zu verallgemeinerbaren Schlussfolgerungen zu kommen, die eine systematische Diskussion erleichtern. Im Folgenden werde ich eine fundamentale Gegenposition zu der oben skizzierten Argumentation darlegen und begrĂŒnden.

Als Ausgangspunkt eignet sich die grundsĂ€tzliche Frage, ob es ĂŒberhaupt eine mögliche Strategie sein kann, den „kapitalistischen Tiger (zu) reiten“[2], also kapitalistische ProduktionsverhĂ€ltnisse gezielt einzusetzen, um sich antikapitalistischen, letztlich sozialistischen Zielen zu nĂ€hern. FĂŒr den Historischen Materialismus bewegen sich die Argumente zu solchen Fragen nie allein im luftleeren Raum, als abstrakte Begriffsableitungen, sondern stĂŒtzen sich auf die Verarbeitung historischer Erfahrungen. Konkret wird oft die Neue Ökonomische Politik (NEP) in der frĂŒhen Sowjetunion als Beispiel zitiert, das Ă€hnlich dem heutigen China die Möglichkeit einer kommunistisch gelenkten, aber teilweise auf kapitalistischen ProduktionsverhĂ€ltnissen beruhenden Übergangsphase zum Sozialismus demonstriere. Nun sind erstens die gravierenden Unterschiede zwischen der Politik der chinesischen KP und der NEP offensichtlich: Die NEP war nie mehr als eine Notlösung, dabei behielt die revolutionĂ€re Partei die politische Macht in den HĂ€nden. Sie richtete sich in erster Linie an die Bauernschaft als Ablösung der Politik der Zwa

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retmarut

[...] Thanasis Spanidis zur KP China [...]

ngsabgaben aus der Zeit des BĂŒrgerkriegs. Kapitalistische Unternehmen waren nur im kleinen Maßstab erlaubt, Industrie, Außenhandel und Finanzwesen blieben im Wesentlichen Teil des sozialistischen Staatssektors. Zweitens sollte nicht vergessen werden, dass die NEP sich politisch als sehr kostspielig herausstellte, da sie die Entstehung einer neuen großbĂ€uerlichen und bĂŒrgerlichen Klasse (Kulaken und „NEPmen“) begĂŒnstigte, die fĂŒr die Sowjetmacht spĂ€ter eine existentielle Bedrohung darstellten. Daher war die NEP wĂ€hrend ihrer gesamten Dauer auch in der Partei stark umstritten und wurde nach weniger als einem Jahrzehnt wieder beendet. Zum dritten Einwand, nĂ€mlich ob im heutigen China eine solche Phase notwendig und/oder möglich ist, komme ich spĂ€ter.

Die Vorstellung vom Kapitalismus als kontrollierter Zwischenphase zum Sozialismus neigt in jedem Fall dazu, gesellschaftliche VerhĂ€ltnisse und historische GesetzmĂ€ĂŸigkeiten in der Betrachtung instrumentalistisch zu verkĂŒrzen. Besonders deutlich wird das im bekannten Ausspruch Deng Xiaopings: Ihm sei egal, ob eine Katze weiß oder schwarz sei, so lange sie MĂ€use fange. Markt und Plan gelten demnach als zwei prinzipiell neutrale oder zumindest fĂŒr unterschiedliche gesellschaftspolitische Ziele einsetzbare Instrumente (Verteilungsmechanismen), die je nach Situation im Sinne maximaler Effizienz kombiniert werden können. Die Einsicht, dass Kapital und Wertgesetz gesellschaftliche VerhĂ€ltnisse darstellen, die auf der Produktionsweise der Bourgeoisie beruhen, dass Kapitalakkumulation und Expansion der Warenform zwei Seiten desselben Gesetzes sind, geht dabei tendenziell unter. Eine politische FĂŒhrung, die dem sozialistischen Wirtschaftssektor einen kapitalistischen beigesellt, produziert damit auch sĂ€mtliche WidersprĂŒche der kapitalistischen Produktionsweise; sie muss Arbeitsrechte, soziale und ökologische Gesichtspunkte der Entwicklung des Kapitals opfern und hart erkĂ€mpfte Errungenschaften – wie im Fall Chinas die „eiserne ReisschĂŒssel“, eine Art Grundsicherung – aufgeben; sie schafft eine neue Klasse, die zum sozialen TrĂ€ger der Konterrevolution wird, sie fördert bĂŒrgerliche Bewusstseinsformen und setzt die sozialistische Produktion mindestens indirekt der Konkurrenz der kapitalistischen aus, womit politischer Druck auf „Reformierung“ der sozialistischen Unternehmen nach Gesichtspunkten kapitalistisch-betriebswirtschaftlicher RationalitĂ€t entsteht. Genau das ist in China schließlich auch geschehen: Relativ harmlos scheinende Lockerungen der zentralen Planwirtschaft schufen die Voraussetzungen und den Druck fĂŒr weitergehende Änderungen bis hin zu den umfassenden Privatisierungen der 90er. Es zeigte sich, dass jeder Schritt in Richtung Markt die Voraussetzungen fĂŒr eine zukĂŒnftige Kehrtwende in Richtung Planwirtschaft ein weiteres StĂŒck zerstörte und die Wahrscheinlichkeit einer vollstĂ€ndigen kapitalistischen Restauration erhöhte – die in den 90ern dann erfolgte[3]. Allgemein wird eine ökonomisch herrschende Klasse geschaffen, die alles daran setzen wird, ihre ökonomische in politische Herrschaft zu ĂŒbersetzen und dabei in wesentlichen Punkten erfolgreich ist. Voraussetzungen dafĂŒr bestehen in China in den traditionellen Netzwerken aus persönlichen Beziehungen, GefĂ€lligkeiten und AbhĂ€ngigkeiten (guanxi), außerdem in den engen Verbindungen und personellen Verflechtungen zwischen Staatsapparaten, KP und Bourgeoisie. Diese ergaben sich teilweise daraus, dass das Volkseigentum wie in der Sowjetunion und Osteuropa an ehemalige Betriebsdirektoren und FunktionĂ€re zu Spottpreisen verĂ€ußert oder verschenkt wurde, deutlich erleichtert wurden sie durch die Entscheidung der FĂŒhrung 2002, Angehörigen der Bourgeoisie den Parteibeitritt zu gestatten. Gleichzeitig sind sie unabdingbar als Kompensation fĂŒr fehlende institutionelle Traditionen, die in den alten kapitalistischen LĂ€ndern die Rahmenordnung stellen, und als BrĂŒcken zum Weltmarkt.

Es ist offensichtlich, dass es sich hierbei um grundsĂ€tzliche Fragen kommunistischer Strategie handelt sowie um die Frage, was fĂŒr eine Vorstellung vom Sozialismus vertreten wird und welches Bild in der Sozialismuspropaganda der Kommunisten vermittelt wird. Die „China-Frage“ ist somit kein randstĂ€ndiges Problem der kommunistischen Bewegung, sondern die darin auftauchenden Meinungsverschiedenheiten und Unklarheiten sind Ausdruck allgemeiner Probleme in der Theorie und Praxis der kommunistischen Bewegung, die an bestimmten Punkten unvermeidlich in Aporien fĂŒhren mĂŒssen.

Nun zur WĂŒrdigung der oben skizzierten Argumente derer, die an einer Verteidigung der chinesischen FĂŒhrung, mit welcher Vehemenz auch immer, prinzipiell festhalten:

Argument 1: In China ist die kommunistische Partei an der Macht

ZunĂ€chst besteht ein kommunistisches Programm selbstverstĂ€ndlich nicht darin, eine Partei an die Macht zu bringen, sondern die Arbeiterklasse und ihre VerbĂŒndeten, wobei die KP den am besten organisierten und bewusstesten Teil ausmacht und deshalb eine FĂŒhrungsrolle spielt. In China regiert offensichtlich in erster Linie eine Partei- und StaatsbĂŒrokratie, wĂ€hrend die institutionalisierte politische Rolle der Volksschichten eher marginal ist. SelbstverstĂ€ndlich hĂ€ngt aber die Frage, wie „sauber“ sich demokratische Institutionen und Verfahren in einem sozialistischen Übergangsprozess herausbilden können, von den konkreten historischen UmstĂ€nden ab und erfordert eine tiefere Analyse, als es hier möglich ist. SelbstverstĂ€ndlich bedeutet auch die Abwesenheit von imaginierten „Idealtypen“ sozialistischer Sozialformen nicht, dass von sozialistischen VerhĂ€ltnissen im eingeschrĂ€nkten Sinne nicht dennoch gesprochen werden kann. Deshalb werde ich mich im Folgenden stattdessen auf die Frage konzentrieren, ob die KPCh tatsĂ€chlich, wie sie behauptet, eine kommunistische Partei ist.

Welche Kriterien muss eine Partei erfĂŒllen, damit wir sie eine kommunistische nennen? Da sind zunĂ€chst die Leninschen Organisationsprinzipien (Demokratischer Zentralismus, Kritik und Selbstkritik) zu nennen, dann ein kommunistisches Programm, eine marxistisch-leninistische Weltanschauung und ein proletarischer Klassencharakter. Keins dieser Elemente reicht dabei fĂŒr sich genommen aus, um eine kommunistische Partei auszumachen.

Von einem kommunistischen Programm kann jenseits staatsoffizieller Phrasen schwerlich die Rede sein, wie die forcierte Durchsetzung kapitalistischer VerhĂ€ltnisse im ganzen Land zeigt. Die Behauptung, es handle sich dabei um eine vorĂŒbergehende Zwischenphase ist nicht nur unbewiesen bzw. sie wĂ€re erst im Nachhinein durch den Sieg des Kommunismus beweisbar, sondern auch theoretisch ĂŒberaus schlecht begrĂŒndet und zweifelhaft. Das umgesetzte Programm der KPCh fĂŒhrt zu einer tiefgreifenden Transformation der ganzen Gesellschaft, der Wirtschaftsstrukturen und Staatsapparate hin zu bĂŒrgerlichen VerhĂ€ltnissen, unbeschadet dessen, dass man sich bemĂŒht, den roten Anstrich zu erhalten. Zweifellos sind nicht alle Mitglieder der Partei gleichermaßen mit diesem Kurs einverstanden, was bei einer Organisation, deren Mitgliederzahl in etwa der Einwohnerzahl der BRD entspricht, auch schwer vorstellbar wĂ€re. Dissens und abweichende Herangehensweisen artikulierten sich immer wieder, zuletzt noch in der Bo Xilai-AffĂ€re. Der Parteichef der Industriemetropole Chongqing galt als profilierter Vertreter der linken Minderheit in der Partei. Sein in Chongqing praktiziertes Entwicklungsmodell setzte auf eine gestĂ€rkte Rolle der Staatsunternehmen, Aufwertung von Sozialprogrammen, sozialem Wohnungsbau, Gesundheits- und Bildungswesen und Antikorruptionskampagnen. Gleichzeitig fand im Bereich der Propagandakultur eine RĂŒckbesinnung auf die Mao-Ära statt einschließlich kampagnenartiger Massenmobilisierungen, die an die Kulturrevolution erinnerten. Bo Xilai wurde unter dem Vorwand des Machtmissbrauchs kaltgestellt, was westliche Medien zurecht als parteiinternen Machtkampf deuteten, mit dem Ergebnis de

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[...] Thanasis Spanidis zur KP China [...]

r Liquidation eines gesellschaftspolitischen Experiments, das geeignet war, die entwicklungspolitische Strategie der Staatspartei infrage zu stellen[4]. Laut Statut der Partei besteht die ideologische Grundlage im Marxismus-Leninismus, den Mao-Zedong-Ideen, der Deng-Xiaoping-Theorie, den vom Ex-Parteichef Jiang Zemin erfundenen „wichtigen Gedanken der drei Vertretungen“ und seit dem 16. Parteitag von 2002, dem „wissenschaftlichen Entwicklungskonzept“. Die „drei Vertretungen“ bestehen in der Entwicklung fortgeschrittener ProduktivkrĂ€fte, der Entwicklung der „fortschrittlichen“ Kultur und den „grundlegenden Interessen“ der Mehrheit des chinesischen Volkes; das „wissenschaftliche Entwicklungskonzept“ soll laut Statut zudem den Menschen „in den Mittelpunkt“ stellen[5]. Die AufzĂ€hlung zeigt bereits, dass der „Marxismus-Leninismus“ hier eher zum Traditionsbestand gehört, den man neben allen möglichen anderen praktischen Richtlinien nennt, der aber keineswegs das ĂŒbergreifende weltanschauliche GebĂ€ude darstellt, auf dem das Programm fußt. Eine auch nur andeutungsweise ErlĂ€uterung, was mit „Marxismus-Leninismus“ gemeint sein könnte, erfolgt im Programm ĂŒbrigens nicht, sodass es mehr oder weniger der ParteifĂŒhrung ĂŒberlassen bleibt, wie sie diesen auslegt. Wie es um den im Statut ja noch enthaltenen „Marxismus-Leninismus“ und seine „Erweiterung“ um die Ideen von Mao und Deng in der KPCh in Wirklichkeit bestellt ist, davon kann jeder Interessierte sich bei verschiedener Gelegenheit ein Bild machen. Ein Beispiel bietet der US-amerikanische Sozialwissenschaftler David Kotz, der 2006 einer akademischen Konferenz ĂŒber Eigentumsformen beiwohnen durfte, die von der Rosa Luxemburg Stiftung (!) gefördert wurde. Darin vertraten profilierte Ideologen der Partei unter anderem folgende Auffassungen: Die Aktiengesellschaft reprĂ€sentiere die Vergesellschaftung des Eigentums, wie von Marx und Engels angestrebt, daher seien die USA ein besseres Modell der Vergesellschaftung als China. Andere argumentierten, Sozialismus und Kapitalismus hĂ€tten nichts mit den EigentumsverhĂ€ltnissen zu tun, sondern eine sozialistische Ökonomie sei lediglich dadurch gekennzeichnet, dass der Staat den Mehrwert besteuere. Wieder andere sahen im „modernen Kapitalismus“, der die Interessen der Arbeiter berĂŒcksichtige, eine graduelle AnnĂ€herung an den Sozialismus usw usf[6].

Marxistisches Vokabular wird zum Teil als staatsideologische Formel beibehalten, der Inhalt wird den HerrschaftsbedĂŒrfnissen der aktuellen Elite so weit angepasst, bis es sich nicht mehr um kritische Gesellschaftstheorie, um revolutionĂ€re Theorie und Praxis handelt sondern um ein Instrumentarium zur Rechtfertigung des Status Quo sowie jeder Drehung und Wendung in der Politik der Partei. Diese Partei wĂŒrde sich, wenn sie noch eine kommunistische wĂ€re, als Vertretung der Arbeiter und Bauern Chinas verstehen, als Partei des Klassenkampfes. Die KPCh sieht sich laut Statut aber nicht nur als „Vorhut der Arbeiterklasse“, sondern auch als „Vorhut des chinesischen Volkes und der chinesischen Nation (!)“, was die Bourgeoisie inklusive ihrer imperialistischen Fraktion einschließt. Ihre Politik beschrĂ€nkt sich also nicht darauf, die Kapitalakkumulation als Hebel der Produktivkraftentwicklung zu nutzen, sondern sie versteht sich explizit als Interessenvertretung auch des Kapitals. Die Interessen des Proletariats und der Bauernschaft sollen in der „harmonischen Gesellschaft“, die die chinesische KP anstrebt, mit denen des Kapitals auf einmal vereinbar sein. Der Gewerkschaftsbund ACGB sichert dieses Ziel durch seinen dezidiert sozialpartnerschaftlichen Kurs ab. Die Partei dient der Bourgeoisie als Karrierekanal sowie als Feld zum Ausgleich ihrer widersprĂŒchlichen Interessen, die in der Partei aggregiert und in eine kohĂ€rente Herrschaftsstrategie ĂŒbersetzt werden können. Sie hat vielen der heutigen Kapitalisten ihren Status verliehen, indem sie sie an der gigantischen Raub- und Korruptionsorgie teilnehmen ließ, im Zuge derer die Staatsbetriebe privatisiert wurden – auf Kosten der Arbeiter, die millionenfach ihre Existenzgrundlage und die mit dem Arbeitsplatz garantierten sozialen Standards verloren. Das Magazin Forbes zĂ€hlt heute 370 MilliardĂ€re in der „Volksrepublik“[7]. Viele von Chinas Superreichen sind Mitglieder der Partei oder, wie der milliardenschwere ehemalige Premierminister Wen Jiabao, sogar deren hochrangige FunktionĂ€re. Andere Mitglieder des Zentralkomitees sind oder waren CEOs bei großen Unternehmen der Telekommunikation, Stahlbranche oder des Öl- und GasgeschĂ€fts[8]. Ein Einsatz fĂŒr einen sozialistischen Entwicklungsweg, der die MillionĂ€re und MilliardĂ€re Chinas ihr Vermögen, ihre Macht und ihre Privilegien kosten wĂŒrde, ist von diesem Personenkreis wohl nicht zu erwarten. Ähnliches gilt fĂŒr die zahlreichen Kader, die ĂŒber diverse Netzwerke und Verbindungen vom Luxus der Oberschicht profitieren und sich nicht den UnwĂ€gbarkeiten einer Konfrontation mit dem Kapital aussetzen wollen.

Argument 2: Der Staat spielt noch eine wichtige Rolle in der chinesischen Wirtschaft

Es ist zweifellos richtig, dass der Staat eine besonders zentrale Stellung in der chinesischen Ökonomie beibehĂ€lt. Der chinesische Kapitalismus ist keineswegs einfach eine schlechte Kopie westlicher, neoliberaler Rezepte, so wie es in der Sowjetunion und vielen osteuropĂ€ischen LĂ€ndern mit katastrophalen Folgen versucht wurde. Der Staat behĂ€lt die Kontrolle ĂŒber strategische Bereiche der Ökonomie, durch mehrheitliches Staatseigentum an den grĂ¶ĂŸten Betrieben in SchlĂŒsselsektoren wie Energie, Metallurgie, RĂŒstung und Telekommunikation. Die Zahl der großen Staatsunternehmen liegt landesweit bei etwa 500 und diese spielen eine wichtige Rolle in der staatlichen Entwicklungsstrategie. Kapitalverkehr, Wechselkurse und das Bankensystem bleiben staatlich reglementiert, allerdings sind seit 2005 auch zunehmend private Banken im GeschĂ€ft. Gleichzeitig ist die Wirtschaftsverfassung in mancher Hinsicht durchaus marktliberal geprĂ€gt: Vor allem lokale Behörden mischen sich in Chinas relativ dezentralem System wenig in die privatkapitalistischen Unternehmen ein, sondern fĂŒhren einen Standortwettbewerb gegeneinander um die Bereitstellung des profitabelsten Wirtschaftsklimas. Die „Chinesische Volksbank“ ist anders als europĂ€ische Zentralbanken staatlicher Kontrolle unterworfen, allerdings ist sie laut dem seit 1995 geltenden Zentralbankgesetz deutlich neoliberal-monetaristisch ausgerichtet: Hauptziel ist auch fĂŒr sie die GeldwertstabilitĂ€t und Wirtschaftswachstum wird erst als abgeleitetes SekundĂ€rziel angestrebt. In der Weltwirtschaftskrise legte der chinesische Staat mit knapp 600 Mrd US$ ein gewaltiges Konjunkturprogramm auf, um die Wachstumsdelle zu kompensieren. Besonders seit der FĂŒhrung von Hu Jintao (Parteichef zwischen 2002 und 2012) begann eine von Liberalisierung einerseits und sozialökologischer „Einbettung“ andrerseits geprĂ€gte Doppelbewegung der Wirtschaftspolitik: Außenöffnung und Privatisierungen wurden fortgesetzt, aber gleichzeitig Renten-, Arbeitslosen- und Krankenversicherungen eingefĂŒhrt, die Löhne angehoben und der Umweltschutz gestĂ€rkt[9].

Offensichtlich ist ein stĂ€rker keynesianisch und sozialdemokratisch orientierter wirtschaftspolitischer Ansatz, selbst wenn er weniger marktliberal fundiert ist als der chinesische, aber etwas völlig anderes als Sozialismus, oder auch, wenn man so etwas fĂŒr möglich hĂ€lt, als eine „antimonopolistische Zwischenphase“. Die Monopole werden durch die derzeitige chinesische Entwicklungsstrategie nicht in Schach gehalten sondern gezielt geschaffen und gestĂ€rkt – was durchaus aus Sicht der FĂŒhrung Sinn macht, da es notwendige Voraussetzung dafĂŒr ist, dass China auf dem Weltmarkt seine Stellung als Global Player ausbauen kann. Der erfolgreichen Herstellung kapitalistischer GesellschaftsverhĂ€ltnisse folgt zwangslĂ€ufig die Etablierung als (zunĂ€chst ökonomische) Großmacht im imperialistischen Konzert der MĂ€chte. 2

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[...] Thanasis Spanidis zur KP China [...]

013 gehörten zu den 500 grĂ¶ĂŸten Transnationalen Konzernen auch 89 Konzerne aus China – fĂŒnf Jahre zuvor waren es noch 34 gewesen, was die rapide Herausbildung monopolkapitalistischer Komplexe anzeigt. Drei davon (Sinopec Group, China National Petroleum und State Grid) gehörten sogar zu den Top 10 der Welt[10]. Der Staat fungiert bei der Bildung einer chinesischen Monopolbourgeoisie als Katalysator, gerade auch als Anteilseigner an den kapitalistischen Betrieben. Auch in den grĂ¶ĂŸten Unternehmen, die sich weiterhin in mehrheitlichem Staatsbesitz befinden, hat faktisch ein tiefgreifender Privatisierungs- und Kommodifizierungsprozess stattgefunden. Hierzu ist es wichtig, zu verstehen, dass Privatisierung nicht zwangslĂ€ufig die Form eines vollstĂ€ndigen Ausverkaufs annehmen muss, sondern dass z.B. der Börsengang eines Staatsunternehmens auch dann dieses Unternehmen zunehmend den Prinzipien des Shareholder Value unterwirft, wenn der Staat weiterhin die Mehrheit der Anteile hĂ€lt. Die chinesischen Konzerne unterscheiden sich in der Form der BetriebsfĂŒhrung (Corporate Governance) nicht mehr wesentlich von ihren westlichen Konkurrenten. Ein Sektor mit sozialistischen ProduktionsverhĂ€ltnissen, was weit mehr als bloßen Staatsbesitz voraussetzen wĂŒrde, existiert de facto in China nicht mehr. Stattdessen hat sich mittlerweile in deutlichen ZĂŒgen ein staatsmonopolistischer Kapitalismus herausgebildet, freilich in einer Variante, die in hohem Maße auf staatlicher Beteiligung und Lenkung beruht. Diese Entwicklungsstrategie wird von der chinesischen Partei verfolgt, weil nur so ein anhaltendes, durch KapitalzuflĂŒsse noch beschleunigtes Wirtschaftswachstum möglich ist, ohne sich den zerstörerischen Folgen eines entfesselten Kapital- und Devisenverkehrs auszusetzen; außerdem, weil die gewaltigen WidersprĂŒche innerhalb des Landes, zwischen arm und reich, Stadt und Land, Ost und West, Han-Chinesen und ethnischen Minderheiten, Exportorientierung und sozialen AnsprĂŒchen im Inneren nur auf diese Weise unter Kontrolle zu halten sind. WĂŒrde es sich nicht um eine nominell kommunistische Partei handeln, wĂŒrde wohl niemand ein solches Herrschaftsprojekt mit dem Sozialismus in Verbindung bringen.

Argument 3: Die VR China verfolgt eine alternative, auf Frieden und Kooperation ausgerichtete Außenpolitik

Auch hier ist es zweifellos richtig, dass die Außenpolitik Chinas keine einfache Imitation westlicher Muster darstellt. Auch handelt es sich dabei wohl nicht nur um die Heuchelei einer FĂŒhrung, die um die Gunst der Öffentlichkeit buhlt, sondern tatsĂ€chlich um eine von der Politik der USA und der stĂ€rksten EU-LĂ€nder abweichende Konzeption. Es ist allerdings keineswegs ungewöhnlich, dass LĂ€nder, die verschiedene Stellungen und damit auch Funktionen innerhalb des kapitalistischen Weltsystems einnehmen, auch verschiedenartige internationale Strategien zur Wahrung ihrer Interessen einschlagen. China hat ein Interesse an einer offenen Weltmarktordnung, um weitere Marktanteile fĂŒr seine Konzerne zu gewinnen, und gleichzeitig an einer Einhaltung des Völkerrechts, dessen Geist und Wortlaut tendenziell die SchwĂ€cheren vor den StĂ€rkeren schĂŒtzt. Eine vorrangig gewaltförmige zwischenstaatliche Politik ist im Zeitalter der Atomwaffen nicht nur eine stĂ€ndige Bedrohung fĂŒr das Überleben der Menschheit, sondern auch gegen das Interesse der aufsteigenden Wirtschaftsmacht, die Raum zum Atmen fĂŒr die Entfaltung ihrer ökonomischen Potenziale braucht. Bekanntlich verhielten sich auch die USA weltpolitisch im 19. und frĂŒhen 20. Jahrhundert vergleichsweise zurĂŒckhaltend, so lange die Voraussetzungen noch nicht gegeben waren, um die Rolle als globale imperialistische FĂŒhrungsmacht ausfĂŒllen zu können. Heute verlieren die USA wiederum lĂ€ngerfristig an Bedeutung, was auch der gegenwĂ€rtige Fracking-Boom nicht aufhalten dĂŒrfte. Neben der Stellung des Dollars im WeltwĂ€hrungssystem ist das MilitĂ€r die zentrale StĂ€rke ihrer verbleibenden Machtstellung. Die Stellung der USA als Supermacht hĂ€ngt eng mit ihrer Positionierung im Weltfinanzsystem und diese wiederum mit der Aufrechterhaltung einer von den USA gefĂŒhrten Weltordnung zusammen, wofĂŒr regelmĂ€ĂŸig militĂ€rische Gewalt die ultima ratio ist. LĂ€nder wie China und Russland setzen hingegen auf jeweils andere Karten: Russland, weil es ökonomisch schwach ist und den Status Quo gegen die Einkreisungsversuche der NATO verteidigt; China, weil es ökonomisch erstarkt, aber sich nicht wie die USA auf ein globales Imperium stĂŒtzen kann.

Überhaupt ist es völlig irrefĂŒhrend, die kooperative Haltung der chinesischen FĂŒhrung mit einer Außenpolitik im Interesse der Völker, der Ausgebeuteten und UnterdrĂŒcken zu verwechseln. Die Linie Chinas impliziert im Gegenteil, die Rolle der Imperialisten zu verharmlosen und zu verschleiern und wo möglich auf BĂŒndnisse mit ihnen zu orientieren. In diesem Kontext sind auch die verschiedenen AnnĂ€herungsversuche an LĂ€nder der EU zu verstehen. Die KP Chinas orientiert dabei nicht auf das BĂŒndnis mit den klassenbewussten Teilen der Arbeiterklasse und den kommunistischen Parteien ihrer PartnerlĂ€nder, sondern sie verhandelt mit Vertretern der Regierungen und des Kapitals. Die internationale Kooperation der kommunistischen Parteien ist fĂŒr die KPCh nur eine unter mehreren Möglichkeiten, dem chinesischen Entwicklungsmodell im Ausland Anerkennung zu verschaffen. Eine andere ist die AnnĂ€herung an die „Sozialistische Internationale“ oder sozialdemokratisch-bĂŒrgerliche Parteien wie die griechische SYRIZA. So begrĂŒĂŸte der stellvertretende Leiter der Abteilung fĂŒr Internationale Beziehungen des Zentralkomitees der KP Chinas Liu Jieyi bei einem Besuch in Griechenland 2010 nicht nur die KĂŒrzungs- und Privatisierungspolitik der damaligen PASOK-Regierung, sondern Ă€ußerte sich grundsĂ€tzlich zur Haltung Chinas gegenĂŒber der „Sozialistischen Internationale“: „Wir halten die Fortsetzung und die Koordinierung des Meinungsaustausches sowie den strategischen Dialog zwischen der Sozialistischen Internationale und der KP Chinas fĂŒr sehr wichtig. Unsere Absicht ist diesen Dialog weiter fortzusetzen weil, wie wir in den GesprĂ€chen der letzten Tage festgestellt haben, es sehr viele Gemeinsamkeiten zwischen der sozialistischen Internationale und der politischen Orientierung der KP Chinas gibt“[11].

Von einer „StĂŒtze“ und einem „Freund“ im Klassenkampf, wie Corell es formuliert, kann also bei der außenpolitischen Rolle der VR China kaum die Rede sein.

Argument 4: China kann den Sozialismus nur ĂŒber eine lange Zwischenphase erreichen

FĂŒr den Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft gibt es bekanntlich neben den subjektiven Voraussetzungen auch objektive, vor allem eine ausreichende Entwicklung der ProduktivkrĂ€fte sowie eine fortgeschrittene Vergesellschaftung der Produktion und des Verkehrs. Diese Bedingungen waren 1949 in China kaum erfĂŒllt: Das Land gehörte zu den Ă€rmsten der Erde, eine Industrie gab es in AnsĂ€tzen nur an der OstkĂŒste und weite Landstriche verharrten noch in tiefster RĂŒckstĂ€ndigkeit. Trotzdem drĂ€ngten die objektiven WidersprĂŒche auch im damaligen Entwicklungsstadium bereits zum Sozialismus. Das Kapital hatte bereits einen relativ hohen Grad der Konzentration erreicht und war mit der Grundherrenklasse und dem auslĂ€ndischen Kapital eng verflochten, sodass nur im Kampf gegen das Kapital die Überwindung der vorkapitalistischen Produktionsweisen und nationalen AbhĂ€ngigkeit möglich war. Deshalb wurden nach einer relativ kurzen Übergangsphase (Neue Demokratische Revolution) auch damals schon entscheidende Schritte in Richtung Sozialismus gegangen: Der Aufbau einer staatlichen Industrie wurde begonnen, die Infrastruktur entwickelt, die Landwirtschaft kollektiviert und im ganzen Land Einrichtungen zur Gesundheitsversorgung, Volksbildung und sozialen Absicherung geschaffen. Der zeitweise grassierende Voluntarismus der chinesischen FĂŒhrung und Misserfolge sollten nicht darĂŒber hinwegtĂ€uschen, dass der sozialistische Aufbaupr

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[...] Thanasis Spanidis zur KP China [...]

ozess in China insgesamt ein großer Erfolg war: Zum ersten Mal konnten Hunderte Millionen Menschen Bildung und grundlegende Gesundheitsversorgung in Anspruch nehmen, die ErnĂ€hrungslage verbesserte sich enorm und BeschĂ€ftigung war mit sozialer Absicherung verbunden. Die durchschnittliche Lebenserwartung stieg wĂ€hrend der Mao-Ära jedes Jahr um etwa ein Jahr an. Das Wachstum der Industrie war nicht so astronomisch hoch wie nach der kapitalistischen Restauration, wird aber selbst in der chaotischen Phase der Kulturrevolution immerhin auf beachtliche 10% pro Jahr geschĂ€tzt[12]. In dieser Epoche wurden die Grundlagen fĂŒr den rasanten Aufschwung ab den 80ern gelegt, indem ein handlungsfĂ€higer Zentralstaat geschaffen, die Infrastruktur ausgebaut, eine Industrie auf bescheidener Grundlage entwickelt und das Bildungsniveau der Massen erhöht wurde. Die „Theorie“ der KPCh, dass die „Marktwirtschaft“ die Voraussetzungen fĂŒr den zukĂŒnftigen Sozialismus schaffe, verdreht somit die Tatsachen: In Wirklichkeit war es umgekehrt die sozialistische Entwicklungsphase, die die ökonomischen, kulturellen und politischen Voraussetzungen schuf, die die schnelle Entwicklung des heutigen chinesischen Kapitalismus ermöglichen. Gleichzeitig kam es in der Mao-Ära auch zu gravierenden Fehlorientierungen mit destruktiven Folgen, vor allem in der Periode der Kulturrevolution. Bei Maos Tod 1976 stand die chinesische FĂŒhrung vor ernsthaften Problemen, die auf eine baldige Lösung drĂ€ngten: Die groben Steuerungsmechanismen waren fĂŒr eine sich ausdifferenzierende Ökonomie zunehmend ungeeignet, Löhne stagnierten seit zwei Jahrzehnten, es kam zu Verschwendung und Mangel[13]. Angesichts der positiven Gesamtbilanz gab es jedoch wenig objektive GrĂŒnde, an der Richtigkeit der grundlegenden Orientierung auf den sozialistischen Aufbau zu zweifeln: China stand ökonomisch sehr viel besser da als 30 Jahre zuvor, die Lebenssituation hatte sich trotz weiterhin großer Armut sehr verbessert und die Massen standen im Großen und Ganzen hinter der kommunistischen Partei und dem sozialistischen Projekt. Eine Hegemoniekrise des Sozialismus, wie sie sich in einigen osteuropĂ€ischen LĂ€ndern, vor allem Polen, abzuzeichnen begann, war weit entfernt. Die Behauptung, dass eine Alternative zum von Deng eingeleiteten konterrevolutionĂ€ren Prozess unmöglich war, bleibt somit unplausibel. Sie ist die unkritische Übernahme der staatsoffiziellen chinesischen Geschichtsbetrachtung, die Mao als wichtige Figur der nationalen Befreiung und StaatsgrĂŒnden in Ehren hĂ€lt, aber seine Vorstellungen sozialer Befreiung stillschweigend unter den Teppich kehrt bzw. ihre Umsetzung in der Vergangenheit tendenziell diskreditiert.

Die Strategie der chinesischen KP hat nach 1978 durchaus neue Ressourcen fĂŒr den Wirtschaftsaufbau erschlossen, die sonst nicht in diesem Maße verfĂŒgbar geworden wĂ€ren, vor allem die Nutzung des exilchinesischen Kapitals und der Zugang zu auslĂ€ndischen MĂ€rkten. Dadurch hat sie aber die sozialistische Zielstellung und die Interessen seiner Arbeiterklasse dem Wachstumsziel geopfert. Der wachsende Lebensstandard und die Verringerung der Armut, die oft als Argumente fĂŒr die Richtigkeit des gegenwĂ€rtigen Kurses angefĂŒhrt werden, lassen sich kaum bestreiten. Sie gehen aber einher mit explodierender sozialer Ungleichheit, hemmungsloser Ausbeutung großer Teile der Arbeiterklasse, verheerender Umweltzerstörung, einer Desorganisation und Entmachtung der Arbeiterklasse und generell der Zerstörung jeder Hoffnung auf eine sozialistische Zukunft in SolidaritĂ€t, Gleichheit und Freiheit. Seit einigen Jahren wĂ€chst der Widerstand der chinesischen Arbeiterklasse und der Bauern gegen die Politik der Regierung und oft bezieht man sich dabei explizit auf die revolutionĂ€ren Traditionen der Vergangenheit. Sprunghaft wachsende, fĂŒr europĂ€ische VerhĂ€ltnisse gewaltige Streikbewegungen wurden ergĂ€nzt durch Mobilisierungen der Kleinbauern und wachsendes Interesse am Marxismus und der Mao-Ära unter oppositionellen Studenten. Die herrschende Partei beantwortete diese Bewegungen aber nicht mit Sympathie und SolidaritĂ€t, sondern mit brutaler Polizeigewalt, GefĂ€ngnisstrafen und UnterstĂŒtzung fĂŒr die Arbeitgeberseite.

Der Name des Sozialismus ist durch die WidersprĂŒche des chinesischen Kapitalismus und ihre propagandistische Ausnutzung durch die reaktionĂ€ren westlichen Medien belastet mit teilweise barbarischer Ausbeutung, die unter der Aufsicht einer „kommunistischen“ Partei stattfindet. Das chinesische Volk und die internationale kommunistische Bewegung haben fĂŒr den Wirtschaftsaufschwung einen Preis bezahlt, der völlig inakzeptabel ist.

Doch unabhĂ€ngig davon, ob es 1978 historische Alternativen gab, ist heute die Ausgangssituation ohnehin eine ganz andere: China ist heute die zweitgrĂ¶ĂŸte Volkswirtschaft der Welt, es besitzt in vielen Wirtschaftsbereichen transnational operierende Konzerne, die auf dem Weltmarkt FĂŒhrungspositionen einnehmen. Es ist politisch und militĂ€risch stark genug, um seine UnabhĂ€ngigkeit zu behaupten. Das bedeutet nicht, dass vor dem Sozialismus in China nicht noch gigantische Aufgaben liegen wĂŒrden. Es bedeutet aber, dass diese Aufgaben durch die Vorteile zentraler Planung und auf Grundlage des bereits geschaffenen Reichtums lösbar wĂ€ren, ohne dabei die grauenhaften WidersprĂŒche des jetzigen Wachstumsmodells in Kauf nehmen zu mĂŒssen.

Thesen fĂŒr die weitere Diskussion

Nachdem gezeigt wurde, dass die typischen Argumente, die den restaurativen Kurs der chinesischen KP legitimieren und mit marxistischen Weihen versehen, nicht haltbar sind, sind folgende Schlussfolgerungen zu ziehen.

China ist kein sozialistisches Land, sondern ein kapitalistisches, das seinen Platz in der imperialistischen Pyramide einzunehmen bestrebt ist.
Die KPCh ist keine kommunistische Partei, sondern eine rechtsopportunistische bis liberale Partei mit an den Rand gedrÀngten marxistischen KrÀften in ihrem Inneren.
Der „Umweg“ ĂŒber den Kapitalismus in China stellte und stellt keinen „Sachzwang“ dar, sondern eine bewusste Entscheidung politischer Eliten, die sich auf diesem Weg auf obszöne Weise bereichert haben und dies weiterhin auf Kosten der Massen tun. Alternativen dazu gibt es genauso, wie es Alternativen zur reaktionĂ€ren Krisenpolitik der EU gĂ€be – jeweils bei entsprechenden KrĂ€fteverhĂ€ltnissen zwischen den Klassen.
Eine sozialistische Kehrtwende der chinesischen Politik ist heute nicht mehr möglich. Die Politik der KPCh hat die Perspektiven fĂŒr den Sozialismus auf absehbare Zeit, zumindest ohne eine Revolution von unten unter FĂŒhrung einer wirklich revolutionĂ€ren KP, zerstört und damit fĂŒr die internationale kommunistische und Arbeiterbewegung unermesslichen Schaden angerichtet.
Die DKP und andere kommunistische Parteien tĂ€ten gut daran, sich vom Wunschdenken und oberflĂ€chlichen Analysen bezĂŒglich Chinas zu verabschieden und stattdessen die chinesische Erfahrung als einen weiteren Fall zu analysieren, wie weltanschaulicher Revisionismus und die Schaffung einer sozialen Basis fĂŒr denselben zu gegenseitig verstĂ€rkenden Faktoren werden können, die ein sozialistisches Projekt zu Fall bringen können. Die SolidaritĂ€t mit dem kapitalistischen Restaurationsprojekt in China ist nicht nur vom Standpunkt kommunistischer und antiimperialistischer Programmatik und des proletarischen Internationalismus nicht zu rechtfertigen. Sie ist auch dazu geeignet, die GlaubwĂŒrdigkeit der Partei als konsequent antikapitalistischer Kraft zu kompromittieren. Sie fĂŒhrt dazu, sich nicht mit dem erstarkenden Widerstand der Arbeiter und Bauern gegen die kapitalistische Restauration zu verbĂŒnden, sondern mit der verbĂŒrgerlichten KPCh-FĂŒhrung, die Proteste und ArbeitskĂ€mpfe im Interesse der Bourgeoisie brutal unterdrĂŒckt. Die fatalen Illusionen, die Teile der kommunistischen Bewegung bezĂŒglich Chinas weiterhin pflegen, sind somit ein weiteres Symptom der tiefen weltanschaulichen Krise der Bewegung, die sic

[...]

NEUER BEITRAG11.07.2016, 13:47 Uhr
Nutzer / in
retmarut

[...] Thanasis Spanidis zur KP China [...]

h seit dem Zweiten Weltkrieg bemerkbar gemacht und seit 1989/90 offen ausgebrochen ist.



Quellen und Anmerkungen:

[1]Siehe z.B. Richard Corell: VR China. Sozialismus als Prozess, T&P 39, MĂ€rz 2015.
[2]Richard Corell: Kampf der Linien in der KPCh, T&P 39, MĂ€rz 2015.
[3]Vgl. Hart-Landsberg, Martin/ Burkett, Paul 2005: China and Socialism, New York.
[4] Zhao Yuezhi 2012: The Struggle for Socialism in China. The Bo Xilai Saga and Beyond, Monthly Review 64 (5).
[5]Statut der Kommunistischen Partei Chinas (2007).
[6]Kotz, David 2007: The State of Official Marxism in China Today, Monthly Review 59 (4).
[7]FAZ vom 22.4.2015
[8]Ten Brink, Tobias 2010: Strukturmerkmale des chinesischen Kapitalismus, MPIfG Discussion Paper 10/1.
[9]Schmalz, Stefan 2010: Chinas neue Rolle im globalen Kapitalismus, Prokla 40 (4), S. 488.
[10]Forbes, 17.7.2013.
[11]KKE (2010): Die Kommunistische Partei Chinas und ihre strategischen GesprÀche mit der Sozialistischen Internationale , online: Link ...jetzt anmelden! abgerufen 23.6.2015
[12] Hart-Landsberg, Martin/Burkett, Paul 2005, S. 37.
[13]Ebd, S. 38.

[ENDE]

NEUER BEITRAG14.07.2016, 18:00 Uhr
Nutzer / in
retmarut

Thanasis Spanidis zur KP China ErgÀnzend dazu ein Auszug aus dem aktuellen Text von Rolf Berthold: Jahre harter KÀmpfe.
GlĂŒckwunsch zum 95. Jahrestag der GrĂŒndung der KP Chinas Link ...jetzt anmelden!



Der Sozialismus chinesischer PrÀgung beinhaltet:

FĂŒhrung durch die KP Chinas; ausgehend von der grundlegenden Situation des Landes den Aufbau der Wirtschaft als zentrale Aufgabe zu betrachten. Festhalten an den 4 Grundprinzipien1, an den Reformen und der Öffnung, die gesellschaftlichen ProduktivkrĂ€fte zu befreien und zu entwickeln,
Aufbau der sozialistischen Marktwirtschaft, der demokratischen Politik, der fortgeschrittenen Kultur, der harmonischen Gesellschaft und der ökologischen Zivilisation des Sozialismus,
Förderung der allseitigen Entwicklung der Menschen, die schrittweise Realisierung des gemeinsamen Wohlstandes des ganzen Volkes, Aufbau eines wohlhabenden, starken, demokratischen, zivilisierten, harmonischen modernen sozialistischen Staates,
Schaffung des grundlegenden politischen Systems mit der Struktur der Volkskongresse, des Systems der Mehrparteienzusammenarbeit und der politischen Konsultation unter FĂŒhrung der KPCh, der Struktur der Autonomie der Regionen der nationalen Minderheiten, der örtlichen Selbstverwaltung an der Basis, des sozialistischen Rechtssystems chinesischer PrĂ€gung,
Ausbau des grundlegenden wirtschaftlichen Systems mit dem Gemeineigentum als Hauptbestandteil und der gemeinsamen Entwicklung der Wirtschaft mehrerer Eigentumsformen. Auf dieser Grundlage sind die konkreten ökonomischen, politischen, kulturellen, gesellschaftlichen Strukturen zu errichten.


Unter den aktuellen historischen Bedingungen entspricht das den Grundprinzipien des wissenschaftlichen Sozialismus.

In einem Artikel des Zentralorgans des ZK der KPCh, Renmin Ribao, vom 2.7.2014 heißt es: „In den letzten Jahren gibt es im In- und Ausland Zweifel, ob das, was China jetzt macht, letztendlich Sozialismus ist. Manche sagen, es sei ‚kapitalistischer Sozialismus’, andere sprechen ohne Umschweife von ‚Staatskapitalismus’, von ‚neuem Kompradorenkapitalismus’. Das ist alles völlig falsch. Wenn wir von Sozialismus chinesischer PrĂ€gung sprechen, ist das Sozialismus. Wie auch die Reformen verlaufen, wie die Öffnung verlĂ€uft, wir halten fest am Weg des Sozialismus chinesischer PrĂ€gung, am theoretischen System des Sozialismus chinesischer PrĂ€gung, an der Ordnung des Sozialismus chinesischer PrĂ€gung, ... . Wir mĂŒssen bescheiden alle Ergebnisse der Zivilisation der menschlichen Gesellschaft studieren und aufnehmen, dĂŒrfen aber nicht unsere Vorfahren vergessen, dĂŒrfen nicht die Entwicklungsmodelle anderer LĂ€nder kopieren. (...) Wir dĂŒrfen nicht den alten Weg der Abkapselung und Verknöcherung gehen, auch dĂŒrfen wir nicht den Irrweg des Flaggenwechsels einschlagen.“

Es gibt bĂŒrgerliche Analytiker, die behaupten, die Erfolge der VR China seien auf ein Verlassen des sozialistischen Weges zurĂŒckzufĂŒhren. Damit soll ein weiteres Argument dafĂŒr gefunden werden, dass ein sozialistischer Weg generell nicht gangbar wĂ€re. Insbesondere in Europa gibt es auch Vertreter linker Gruppierungen, die von einem kapitalistischen Entwicklungsweg Chinas sprechen. Hier handelt es sich vor allem um den Versuch, einer grĂŒndlichen Analyse der Ursachen fĂŒr die Niederlage des Sozialismus in zahlreichen LĂ€ndern auszuweichen.

Mit der Korrektur von 1978 hat die KPCh eine neue strategische Linie eingeschlagen. GestĂŒtzt auf den Marxismus beschreitet China einen neuen sozialistischen Weg, der sich aus den Lehren der Niederlage in der UdSSR und Europa, den Besonderheiten der Lage Chinas und der gegenwĂ€rtigen Situation in der Welt ergibt. Er hat sich bereits in der Praxis bewĂ€hrt.

Es handelt sich um einen Weg des Sozialismus, der auf den Grundprinzipien des Marxismus beruht, sich aber in Vielem von den praktizierten Wegen des gescheiterten Sozialismusmodells unterscheidet und der auch nicht in allen LĂ€ndern mit allen Elementen der Praxis der KPCh identisch sein muss. Es ist ein Weg, der nicht hastig beschritten werden kann und darf. Der chinesische Weg ist die Kristallisation des modernen wissenschaftlichen Sozialismus, der eine enge Verbindung der chinesischen Entwicklung mit der Entwicklung der Welt und der Entwicklung der heutigen Zeit darstellt. Wenn die Verbesserung des Lebensstandards des Volkes als vorrangige Aufgabe formuliert wird und die Überwindung der Armut zielstrebig erfolgt, ist das nichts anderes, als bewusst den sozialistischen Weg zu gehen. Dass dabei Schwierigkeiten und auch Fehler auftreten können, ist der chinesischen FĂŒhrung durchaus bewusst. Aber es gibt keine Partei, die in einem kapitalistischen Land die Regierung stellt, welche die Verbesserung des Lebensstandards des Volkes, das Wohl des Volkes so deutlich als ihre zentrale Aufgabe bezeichnet.
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