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Von secarts

Hast du das schonmal erlebt? Du (bitte ankreuzen)
[ ] surfst morgens zu deiner liebsten Onlinenews-Seite
[ ] blätterst beim Frühstück in der Regionalzeitung deiner Wahl
[ ] schaltest versehentlich das Fernsehgerät ein
und musst entdecken, dass es der Welt scheinbar verdammt gut geht. Da wird nicht mehr über Terroristen gejammert, kein Wort von der Flut und auch dieJobmisere, Hartz IV und die Visa-Affäre fällt kollektivem Vergessen anheim - die Leute können und wollen es alles nicht mehr hören. Anders läßt sich nämlich kaum erklären, warum nur noch Lappalien die Schlagzeilen füllen...


Super-Horst muss Deutschland retten, steht da zum Beispiel.

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Super-Hotte
"Super-Horst" ist mitnichten eine halbhyperliquide Comicfigur mit phantastischen Superkräften wie Tunnelblick, Überbiß und Wankelmut, sondern - unser Bundespräsident. Richtig, der Mann, der morgens mit Essig gurgelt, um sein unnachahmlich säuerliches "Ihr-kotzt-mich-alle-maßlos-an"-Grinsen hinzubekommen. Und der soll jetzt Deutschland retten?!
So ist es, und nicht anders. Beim Job-Gipfel, von der Opposition aus agitatorischen Motiven anberaumt und vom Kanzler aus medientaktischen Gründen akzeptiert, soll der Papiertiger aus dem Palais Schaumburg den Beckmann machen und zwischen den Fronten moderieren. Nur: die Fronten wollen das nicht. Viel Aufregung um nichts also; das "Super-Horst-Kostüm" bleibt im Geheimversteck des bundespräsidialen Kleiderschranks. Wir werden weiter nur die langweilig-bürgerliche Fassade des Bundespräsidenten zu sehen bekommen, denn niemand will den Super-Horst. Warum auch? Uns geht's doch gut! Trotz Job-Gipfel.

U2-Sänger Bono soll Weltbankchef werden, tönt es daraufhin, auf Seite Zwei.

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Bono Bumm-Bumm
Ja Gott, wer denn sonst, wenn nicht Bono "Bumm-Bumm"?! Der zwanghaft sozialdauerengagierte Bono tobt sowieso seit Jahrzehnten auf mehr Wohltätigkeitsgalas als Konzertbühnen herum; ein Chefsessel stände ihm also nicht schlecht zu Gesäß. Der gute Mann hat früh begriffen, wie er mangelndes musikalisches Talent dennoch finanziell ausnutzen kann. Einfach lange genug das soziale Weltgewissen machen; irgendein Spinner wird die Platten dann schon kaufen. Macht ja nix, wenn es mies klingt, ein Cent vom Erlöß geht bestimmt nach Afrika.
Mit dieser raffinierten Masche hat es unser guter Bono immerhin in die Hall-Of-Fame und ins Fernsehen gebracht - warum soll ein drittklassiger Maschinenroboter-Darsteller Gouverneur werden können und ein zweitklassiger Sänger nicht Weltbankpräsident? Kapitalismus ist doch schießlich "anything goes", oder??
Und jetzt die berühmte rethorische Frage zum Schluß: Was ist schlimmer? Ein Weltbankpräsident, der Drittweltländer durch ewige Kreditabhängigkeit in den Abgrund reißt - oder ein Weltbankpräsident, der Verhungernde auch noch mit mit alten Billboard-Charthits quält? Die imperialistische Perfidie wird um eine neue Dimension der Niedertracht bereichert.

Big Brother, "das Dorf", startet.

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...jaa, da werden Mädchenträume wahr!
Das ist gut zu wissen, denn von "Big Brother" bekommt ein psychisch halbwegs gesunder, zu normalem Biorythmus neigender Deutscher kaum noch was mit. Wem Knacks und Muße genug fehlten, sich allabendlich den fünfstündigen Marathon "BigBrother bei Nachtfalke" anzutun, den zudem noch Halbdebile und Berufskretins moderieren, wusste unter Umständen gar nicht mehr, dass immer noch ein paar Irre im Container saßen.
Ja, die Kumpels von Amnesty International können ein Liedchen davon singen: erst geht ein Aufschrei des Mitleids und/oder Entsetzens um die Welt. Spendenaufrufe, Spontandemonstrationen, Verbundenheitsselbstmorde. Doch irgendwann kommt die schnöde Normalität, und die Leute machen den Fernseher wieder an, und keiner kümmert sich mehr drum. Immer verzweifelter und peinlicher wurden denn auch die Schreie nach Aufmerksamkeit, die durch die Blechwände drangen: Nackte Brüste reichten nicht mehr, jetzt mussten Spielchen unter der Dusche, "Rabenmütter", die ihre Kinder für BB sitzenließen und Judenwitze ran. Und wie war das dann mal wieder schön, wenn sich die Presse einen Tag aufgeregt hat... Fast wie damals, als man noch bekannt und berühmt war.
Wo sind sie nur alle abgeblieben, die Ex-Big-Brother-Sternchen? Diese dicke Dachdeckerin zum Beispiel, die lieber ein Mann sein wollte? Oder der singende Automechaniker, bei dessen Anblick junge Mädchen der Fleischeslust für immer abschworen und ins Kloster gingen?! - Weg. Zurück in Castrop-Rauxel, Berlin-Marzahn oder Wanne-Eickel; da, wo sie um jeden Preis rauswollten. Jetzt haben sie immerhin ein paar gerahmte Bild-"Zeitungs"-Artikel in der Plattenbauwohnung hängen und sind die unbestrittenen Stars in der Stammkneipe ihres Blocks. Da wagt es niemand, an der Jukebox vorzudrängeln, und die ewig betrunkene dicke Uschi an der Theke, die alle Folgen auf Video hat, bittet jeden Tag auf's neue um ein Autogramm.
Damit es den nächsten Kandidaten nicht genauso traurig ergeht, hat sich Endemol, die Big-Brother-Firma, was ganz Besonderes ausgedacht: Big-Brother for ever. Das bedeutet: die armen Schweine können den Rest ihres miesen, unterdurchschnittlich langweiligen Lebens im Container verbringen und eine handvoll neurotische Voyeure vor den Mattscheiben unterhalten. Spaßgesellschaft lebenslänglich.


Kaum aufgestanden, könnte man schon beruhigt wieder schlafen gehen, nach diesem kleinen Streifzug durch's Weltgeschehen: es ist anscheinend gar nichts passiert in der weiten Welt. Abgesehen von Superhorsten, explodierenden Waschmaschinen, Drillingsgeburten siamesischer Zwillinge oder Mann-beißt-Hund-Geschichten.
Die Nachrichten und Schlagzeilen werden immer schriller und aufreißender; die Leben immer langweiliger.

 
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