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Was sind eigentlich Spareinlagen? Also, ich kenne Einlagen aus meiner Kindheit. Die wurden mir in die Schuhe gelegt und waren ziemlich unbequem. Ich sollte damit laufen, damit ich keinen schiefen Gang kriegte oder der schon schiefe Gang sollte wieder weg, geholfen hat es glaube ich nicht viel. Also das waren Einlagen - sind Spareinlagen dann vielleicht die aktuelle Version dieser Einlagen, nur eben die Sparausgabe aufgrund der ungefähr 17 Gesundheitsreformen, die seitdem durchgezogen wurden? Könnte sein, aber was sind dann Termineinlagen und Sichteinlagen? Die modische Variante? Ich frage mal meinen Kumpel Sascha und gehe zu ihm rüber. Zu Besuch ist gerade sein kleiner Bruder Kai, der liest gerne Harry Potter und macht seit etwas mehr als einem Jahr eine Ausbildung bei der hiesigen Sparkasse. Er konnte mir die Frage beantworten: Spar-, Sicht, Termineinlagen usw. sind keine Gesundheitsinstrumente, sondern Bezeichnungen für Geld, was man bei zum Beispiel „seiner“ Sparkasse „anlegen“ kann. Dann bekommt man Zinsen dafür gutgeschrieben. Kai findet übrigens, ich sollte eher „unsere“ Sparkasse sagen, weil eigentlich ist die Sparkasse eine Einrichtung der Stadt und gehört sozusagen allen Bürgern, die hier wohnen. Das findet er schön und deshalb arbeitet er so gerne da. Und Kai wählt SPD, denn die sorgen dafür, dass die Sparkasse immer unsere Sparkasse bleibt. Wenn er in die SPD eintreten würde, könnte er wahrscheinlich sogar immer bei der Sparkasse arbeiten.

Da erinnerte ich mich, dass meine Oma früher auch immer ihr Geld bei der Sparkasse „angelegt“ hat. Eigentlich müsste es wohl eher eingezahlt statt angelegt heißen. Denn meine Oma hat das Geld ja nicht an die Sparkasse herangelegt, sondern eben zur dortigen Kasse gebracht. Dann war es weg, denn Gespartes wieder abheben, das macht man nicht. Gespartes hebt man auf für schwere Zeiten, oder zumindest für den Führerschein. Und da ich noch einige Jahre bis zum Führerschein hatte damals, blieb das Geld bis dahin im Keller der Sparkasse. Meine Oma kriegte dann auch Zinsen dafür und zu Weihnachten immer eine Einladung zum Kuchenessen in der Halle der Sparkasse. Am Weltspartag (das ist immer der 30.Oktober, zumindest in Deutschland, anderswo ist es wohl der 31., aber die Welt könnte sich eigentlich mal etwas mehr nach uns richten, findet Kai) jedenfalls, ging meine Oma immer extra mit mir zur Sparkasse und zahlte aus dem Sparschwein etwas ein. Kai findet den Weltspartag auch gut, weil die Kinder dadurch gut lernen mit Geld umzugehen, was ja wichtig ist. Am Weltspartag arbeitet Kai dann immer freiwillig etwas länger - und in ein paar Wochen ist es wieder soweit.

Allerdings könnte es dieses Jahr sein, dass der Weltspartag ausfällt. Nämlich dann, wenn es bis dahin zu einer Kernschmelze des Finanzsystems kommen sollte. Kai hat ein bisschen Angst davor, aber er hält es für sehr unwahrscheinlich. Sein Ausbildungsleiter - der übrigens sehr nett ist und ein bisschen so aussieht wie unser Bundespräsident Horst Köhler - hat Kai und seinen Mit-Auszubildenden das extra ausführlich erklärt, was da gerade passiert. Ich hatte jetzt schon wieder was Falsches gedacht. Kernschmelze kenne ich noch aus der Zeit, als ich immer gegen die Castortransporte demonstriert habe. Damit es keine Kernschmelze gibt, wollten wir, dass alle Atomkraftwerke sofort abgeschaltet werden. Bei diesem Finanzschmelz ist das aber schwieriger. Denn der Schmelz kommt dann wohl erst recht, wenn man jetzt zum Beispiel die Sparkasse von Kai abschalten würde. Das mit dem Schmelzen der Sparkasse hat übrigens nichts mit der dortigen Heizung zu tun. Die ist total neu und ökologisch mit so 'nem kleinen Brenner nur und läuft einwandfrei von Ende Oktober bis Anfang April, manchmal auch noch ein paar Tage länger, immer wie warm es ist. Da kümmert sich der Vater von Kais Mit-Auszubildendem drum, der ist da Hausmeister bei der Sparkasse.

Also diese Finanzschmelze, die den Weltspartag ausfallen lassen würde, entsteht dadurch, wenn die Leute ihr Gespartes nicht im Keller der Sparkasse lassen, sondern wiederhaben wollen, was man laut meiner Oma eben nicht macht (wenn es nicht wirklich dringend ist). Das findet Kai auch. Wenn die Leute aber ihr Geld wieder abholen, dann fängt's an zu schmelzen. Ganz langsam natürlich. Das hat der Ausbilder von Kai auch gesagt. Und damit das nicht passiert, hat er ihnen genau erklärt, was sie sagen sollen, wenn Leute kommen und ihr Geld haben wollen. Eigentlich hätte Kai jetzt Berufsschule und müsste nicht arbeiten. Aber weil das im Moment eben so eine wichtige Sache ist, geht er nach der Schule mit allen anderen noch in die Sparkasse arbeiten und hilft den Kollegen. Kai redet dann mit Leuten, die ihr Geld haben wollen und erklärt ihnen die Institutshaftung der Sparkasse und dass sie keine Angst haben brauchen. Das mit der Haft in der Sparkasse ist übrigens kein kleines Gefängnis im Keller (neben dem Geld der Leute), wo die eingesperrt werden, die gleich alles Geld haben wollen oder gelogen haben, weil sie zum Beispiel sagen, sie brauchen das Geld um sich ein Auto zu kaufen (was aber dann gar nicht stimmt, weil sie ja gerade ein Neues haben!).

Diese Institutshaftung hatte Kai schon mal in der Berufsschule. Da hat er gut aufgepasst, weil das total wichtig ist, wie man jetzt sehen kann. Das bewirkt, wenn jetzt zum Beispiel eine Sparkasse schmilzt, dass die Leute dann ihr Geld aus dem Keller einer anderen Sparkasse trotzdem wiederkriegen. Also da sind sozusagen alle Sparkassen zusammen und haben versprochen sich zu helfen, wenn es mal schmilzt. Beziehungsweise - wie Kai sagt - ist das Schmelzen eigentlich kein Schmelzen, sondern eher ein Austrocknen. Alle holen ihr Geld und dann können die Kollegen von Kai aus der Kreditabteilung kein Geld mehr verleihen. Und wenn sie nichts verleihen, nennt man das „auf dem Trockenen“ sitzen. Also erst trocknen sie aus und dann schmilzt die Sparkasse. Das klingt mindestens so gefährlich und unverständlich wie ein Atomkraftwerk, finde ich jedenfalls. Also Kai erklärt den Leuten, dass sie ihr Geld ruhig dalassen sollen und verspricht, dass er und seine Kollegen weiter gut drauf aufpassen. Da er jetzt immer seinen schönen Anzug dafür anzieht, klappt das auch manchmal. Manchmal aber auch nicht. Dann muss Kai seinen Chef fragen, ob er dem, der sein Geld haben will, mehr Zinsen anbieten darf, damit er es doch hier lässt. Das findet Kai aber eigentlich nicht gut, weil das ungerecht ist gegenüber den Leuten, die ihr Geld einfach so hier lassen und Kai, seinem Anzug und der Haft in der Sparkasse vertrauen.

Heute hatte Kai so einen ganz komischen Mann am Schalter. Der redete kompliziert und viel länger und härter als sein Ausbildungsleiter, der aussieht wie Horst Köhler. Trotzdem hat Kai zugehört. Der Mann meinte, dass die Zinsen und überhaupt alles was so Gewinn ist beim Kapital anlegen eigentlich von denen kommt, die arbeiten müssen. Und deshalb sollten die das eigentlich besser auch gleich kriegen, dann würde die Sparkasse auch nicht schmelzen. Und dann würde es auch nur die Sparkasse geben und nicht noch auch die Deutsche Bank und die anderen, wo die Doofen aus Kais Berufsschulklasse so herkommen. Das fände Kai jetzt eigentlich auch besser irgendwie. Aber dann wäre keine Konkurrenz, kein Wettbewerb. Konkurrenz findet Kai aber wichtig, damit sich alle auch anstrengen in ihrer Arbeit. Sein Ausbildungsleiter sagt immer: „Konkurrenz belebt das Geschäft“ und das findet Kai gut. Der komische Mann da heute fand das wohl nicht und erklärte weiter, dass „die Kapitalisten“ eben den Hals nicht voll genug kriegen können und es insgesamt einfach zuviel Kapital gibt und deshalb ist das alles erst so gekommen mit der Finanzkrise, die Frau Merkel jetzt aufhalten muss. Und dann müssen am Ende alle dafür bezahlen, obwohl die Gewinne vorher ja auch an Einzelne gegangen sind. Kai fände auch besser, wenn die Gewinne auch noch mit den Spareinlagen der Leute in den Keller der Sparkasse kämen. Wobei man den Keller dann wohl etwas größer machen müsste, weil da soviel Platz nun auch wieder nicht ist. Allerdings ist es jetzt schon etwas leerer, weil ja manche eben auch ihr Geld abholen. Wegen dem Platz ist das eigentlich nicht schlecht, aber trotzdem findet Kai das nicht gut, wenn die Leute dadurch seine Kollegen austrocknen. Außerdem geht das Vertrocknen ja noch weiter. Ganze Autofabriken, Karstadt und sogar der Bäcker neben der Sparkasse, wo Kai sich manchmal ein Rosinenbrötchen für die Pause holt, werden schon immer trockener.

Der komische Mann hat dann noch gesagt, dass Kai in die Gewerkschaft eintreten soll und genau beobachten wie das weitergeht. Es werde noch große Demonstration und viele Arbeitslose deswegen geben und dass man jetzt aufpassen muss, dass die Nazis nicht wieder stärker werden. Das fand Kai jetzt übertrieben und da hat er auch erst mal geguckt, wie viel der Mann eigentlich gespart hat. Da hat er gesehen, dass der gar kein Sparbuch hat und sogar noch Schulden auf dem Konto. Das würde Kai nicht passieren, er spart von seinem Azubi-Gehalt immer schon mindestens 50 Euro jeden Monat. Kai ist froh, dass er davon nicht Aktien gekauft hat wie der wilde Charly aus der Aktienabteilung ihm geraten hatte. Die Aktien sichert Frau Merkel nämlich nicht und auch nicht der Bundespräsident, das hat der Charly jetzt davon. Der Mann am Schalter hat auch noch gesagt, dass jetzt vielleicht auch mehr Menschen erkennen, dass die Ursache von der Krise in dem Wirtschaftssystem liegt und nicht irgendwie in Amerika und wegen irgendwelcher Häuser. Das war nur der Punkt, wo das scheinbar angefangen hat, aber nicht die wirkliche Ursache. Das hatte sich ganz anders angehört als von Kais Ausbildungsleiter. Trotzdem überlegt Kai, ob sich nun vielleicht Einiges ändern könnte in der Sparkasse und der restlichen Finanzwelt.


 
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  Kommentar zum Artikel von czech:
Samstag, 18.10.2008 - 22:15

danke dem verfasser, hab erst gestern den tip für die seite von einem freund bekommen, macht weiter so!


  Kommentar zum Artikel von 127712:
Freitag, 17.10.2008 - 17:55

Richtig erahnt, Paulina.


Und zwar stiegen in der Phase des Aufschwungs auch diverse Rohstoffpreise, was auch zu Spekulationszwecken genutzt wurde (massenhaft horten, bis Preis noch höher). Wenn das Geld (Mehrwert in Geldform) für die Sphäre realen Kapitals zuviel wird, fließt es eben überall hin, wo noch ein vermeintlicher Gewinn lockt. Da haben es einige Leute eben in das vielversprechende Erdöl gesteckt.

Nun ist allgemeine Kreditkrise, das knappe Geld muss zurückfließen zum realen Kapital und für solcherlei Spekulationsgeschäfte ist kein Cent mehr übrig. Also wird im großen Stil versucht, das Erdöl loszuwerden, damit man die Löcher in den Firmen stopfen kann. Prompt wird der Markt überschwemmt mit Öl, und der Preis macht die Biege.


  Kommentar zum Artikel von paulina:
Donnerstag, 16.10.2008 - 22:34

hat eigentlich die finanzkrise was damit zu tun, daß das benzin wieder viel billiger geworden ist?
wenn ja, find ich sie sehr geil!!


  Kommentar zum Artikel von Lars:
Freitag, 10.10.2008 - 21:44

Das Gold ist alle !

Die Postbank war bis vor Kurzem der größte Goldhändler unter den Banken in Deutschland.
Nun steht auf der Webseite:


Wichtiger Hinweis:

Sehr geehrte Kunden,

wie Sie der Presse sicherlich bereits entnommen haben, besteht derzeit deutschlandweit eine hohe Nachfrage nach Goldmünzen und -barren. Seitens der Goldlieferanten kann diese derzeit nicht in vollem Umfang gedeckt werden. Aufgrund großer Lieferverzögerungen ist es nicht möglich, Ihnen einen genauen Ausführungstermin und damit einen verbindlichen Kurs zu nennen.

Bitte beachten Sie, dass wir daher bis auf weiteres keine Goldaufträge entgegen nehmen.


  Kommentar zum Artikel von paulina:
Freitag, 10.10.2008 - 19:14

geil!! erst hab ich gedacht, was für ein dröges thema, aber der artikel ist echt genial geschrieben!! kompliment an den verfasser!