Wer wurde in der Schule nicht damit gequält, mit Goethes oller Geschichte vom Zauberlehrling, der die Geister, die er rief, nicht wieder loswird?! Kennst du nicht? Kaum weiter tragisch, pass einfach mal in der Innenpolitik gut auf, der Sinngehalt erschließt sich selbsttätig. Alzu grotesk wirkt doch das Schauspiel vom armen, demokratischen Staat, der sich vor seinen Todfeinden nicht schützen kann, weil er ihnen dummerweise einen Freibrief ausgestellt hat. Nicht anders kann man die derzeitige Situation rund um die NPD bezeichnen: die Braunen haben, im wahrsten Sinne, Narrenfreiheit - ein gesetzloser Raum sozusagen, indem keine nach links so erprobten und schlagkräftigen staatsschützenden Mechanismen mehr greifen wollen. Der gescheiterte Verbotsprozeß, der der NPD Anfang dieses Jahrtausends nicht nur diesen Freibrief, sondern auch immensen Prestigegewinn beschert hat, lähmt die staatlichen Eliten geradezu. Ein zweiter Prozeß, so unken verschiedenste Stellen, würde an denselben Gründen scheitern wie der erste: den Verfassungsschutz-Agenten in der Partei. Rund ein Zehntel der Funktionäre, so wurde im Laufe des Prozesses geschätzt, seinen V-Leute. Die NPD als Verfassungsschutz-Außenstelle; oder, böse formuliert: bei der bekannten Sitzungsträgheit, die nun wirklich in allen Parteien anzutreffen ist, hätte der Verfassungsschutz durchaus mal alle bezahlten Spitzel und V-Leute zusammenrufen und die Selbstauflösung der NPD beschließen können. Die Stimmmehrheit hätten sie wohl gehabt.
Nun wird argumentiert, ohne V-Leute kämen die wahren Ziele der NPD nicht ans Tageslicht; dieselben Gerichte, die Beweise fordern, lehnen dann einen Verbotsprozeß aus Gründen ab, die mit der Beweisbeschaffung in unmittelbarem Zusammenhang stehen. Ich möchte mich gar nicht weiter auslassen über das meines Erachtens höchst fragwürdige Rechtsverständnis deutscher Gerichte - dass deutsches Recht meistens der Gerechtigkeit diametral entgegengesetzt ist, dürfte beinahe ein Axiom sein. Viel mehr Stutzen macht mich indes das Argument, die V-Leute sollten "Beweise" für die Verfassungsfeindlichkeit dieser Partei beschaffen. Meine Herren! Die Beweise liegen vielleicht nicht auf der Straße - dafür marschieren, grölen und prügeln sie dort in einer Dummdreistigkeit herum, die ihresgleichen sucht! Wenn es nach mir ginge, würde das bloße herzeigen einer Reichskriegsflagge für's Zuchthaus genügen, doch der deutsche Staat übt sich in einer beinahe bewunderswerten Milde beim Handhaben menschenverachtender Symbole. Braucht es da noch Parteivorsitzende, die in aller Öffentlichkeit ankündigen, das Mahnmal für die Opfer des Holocaust schleifen und als Grundstein für eine neue Reichskanzlei nutzen zu wollen? Die Hitler als "großen Staatsmann" loben? Hier übt sich ein Staat, der nach Links bei jeder sich bietenden Gelegenheit mit aller polizeistaatlichen Gewalt und Willkür losschlägt, in Demut und Zurückhaltung. Mehr noch: die Nazis bekommen Geld, Medien, Sendeminuten und Polizeischutz. Wo bei nahezu jeder Nazidemonstration die Anzahl der Gegendemonstranten vollkommen ausreichen würde, um den Ewiggestrigen einen Denkzettel in ihrer ureigensten Sprache zu verpassen, stehen regelmäßig tausende aus Steurgeldern bezahlte Büttel Spalier, um die Faschisten vor fliegenden Eiern zu beschützen.
Derweil bieten die bürgerlichen Parteien ein regelrechtes Bild des Jammers: Stoiber wirft Schröder vor, die Erfolge der NPD provoziert zu haben durch verfehlte Arbeitsmarktpolitik. Die Regierung wirft Stoiber niedrigstes Niveau vor. Sachsens "Milbi" kann sich derweilen im eigenen Parlament nicht mehr sicher fühlen; und die CDU beauftragt den neuen General Kauder, ein Konzept zu entwickeln, mit dem NPD-Wähler "zurückgewonnen" (!) werden können. Der Puffer nach Rechts von ehedem scheint zumindest in den neuen Bundesländern den alten Parteien der rechten Mitte langsam über den Kopf zu wachsen, die Nerven liegen also blank. Wenn dazu noch kritische Worte aus dem Ausland kommen, Investoren ihre Projekte aus den Bundesländern, die es am Bittersten nötig hätten zurückziehen und in aller Welt Vergleiche mit dem historischen deutschen Faschismus aufkommen, sollte das Maß eigentlich voll sein. Das dem nicht so ist, haben wir in erster Linie jahrzehntelanger Duldungs- und klammheimlicher Unterstützungspolitik gegenüber den neuen Nazis zu verdanken: der Pöbel, der einst die Straßen freiprügelte, macht sich selbständig. Denn die Partei, der es hier mit stumpfesten Parolen gelingt, sämtliche politischen Debatten zu dominieren, gäbe es, zumindest in ihrer jetzigen Form, ohne Geld für V-Leute, die in Wahrheit wohl häufig eher Doppelagenten der NPD im Verfassungsschutz sein dürften, und regelmäßigen Zuschüssen für Wählerstimmen wohl gar nicht mehr.
Nein, ich beende das für heute. Diese Spekulationen könnten das rechtsstaatliche Verständnis minderjähriger Leser erschüttern, und das wollen wir ja nicht.
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- kein neuer Verbotsprozeß (Spiegel online) - Verfassungsschutz in der "Zwickmühle"? (Spiegel online) - wenig Chancen für NPD-Verbot (Focus) - Verfassungsschutz fürchtet "Quadratur des Kreises". (FAZ NET) - Verbot ohne V-Leute "äußerst schwierig" (Welt) - der Verfassungsschutz kandidiert als NPD - Verfassungsschutz und NPD (hagalil.com) - jeder siebte (!) NPD-Funktionär beim Verfassungsschutz. - die "Lernfähigkeit" des Verfassungsschutzes (Telepolis) - mündliche Verhandlung im NPD-Verbotsprozeß geplatzt - gefährliche Wahlverwandtschaft (sopos) - Ist die NPD Verfassungsschutzresidentur? - Verfassungsschutz skeptisch über mögliches NPD-Verbot (AP)
ok... viel Spaß beim Lesen!
• Kommentar zum Artikel von 128179:
Mittwoch, 09.02.2005 - 17:08
sry, aber diese Sache konnte ich nur eher schlecht als recht verfolgen und hab deshalb auch nicht so ganz verstanden, worums in diesem Artikel eigentlich geht. Kann mich jemand mit Links versorgen?
Das hauptproblem liegt sicher in den V-Leuten begründet. Ich fand es in Ordnung, daß das Verfassungsgericht entschieden hatte, einer Partei mit einem derart aktiven Beamtenkern könne man ihr Handeln nicht komplett vorwerfen. Ein fällige Ohrfeige für den Verfassungsschutz und den linken Anwalt Otto Schily, den ehemals linken Anwalt Otto Schily.
Die ganze Gweschichte tendiert irgendwo zwischen abgekartert und lächerlich: der Staat schickt so viele V-Leute in die Partei, dass tatsächlich in manchen Gremien dauerhafte Stimmmehrheit durch Beamte erreicht werden musste. Dennoch radikalisiert sich die einstige Ex-Landser-Partei zunehmend und sucht - gerade in der Zeit unter der Ägide der V-Leute! - den Schulterschluss mit den sog. "freien Kameradschaften", den Prüglern auf der Straße. Schon komisch, irgendwie. Und diese Mischung - Jugendkultur brutal zu dominieren, gleichzeitig aber breitere bürgerliche Lager ebenfalls anzusprechen - hat den jetzigen (und höchstwahrscheinlich nicht unbedingt wieder massiv sinkenden) Erfolg der NPD ausgemacht. Das wirklich Groteske dabei: man braucht der Partei ihr Handeln überhaupt nicht komplett vorwerfen; es reichen m.E. öffentliche Publikationen, Symbole, Demonstrationen zu einem Verbot. Wer erst in der Korrospondenz des inneren Führungszirkels mitlesen muss, um zu erkennen, dass diese Leute Arges im Schilde führen, ist mit Blindheit geschlagen!
Die Grundprämisse, daß das, was man beobachtet und kontrolliert, nicht gefährlich werden kann, ist im Falle des deutschen Rechtsextremismus widerlegt. Der Verfassungsschutz hat kräftig mitgeholfen, die NPD in der kritischen Zeit nach 1970 zu erhalten, er hat nach der Wiedervereinigung mit Sicherheit beim Aufbau Ost (vermutlich nannten die Arschlöcher das Aufbau Mitte) auf dem Gebiet der DDR mitgeholfen und trägt somit einen großen Teil der Schuld an der jetzigen Situation.
Hier kann ich dir entschieden zustimmen. Noch vor den Konsumwessis kamen die ersten westdeutschen Faschisten in die (damals noch bestehende) DDR gereist, um dort zügig Logistik und Personal zu rekrutieren, was ihnen, realistisch gesehen, auch absolut vortrefflich gelungen ist: In nur 15 Jahren ist das Gebiet, in dem 40 Jahre lang kaum ein Faschist nicht mehrjährige Freiheitsstrafen abzusitzen hatte, von Rechts überrollt worden. Ob das völlig in Eigenregie, durch stille Duldung oder sanfte Förderung vom Westen aus geschah, um etwa die "Postkommunisten" zu schädigen, ist im Rückblick eigentlich nicht mehr sehr wichtig - ein Verbot des Verfassungsschutzes steht (leider!) sowieso nicht auf der Tagesordnung.
Kommentar zum Artikel von Stephan:
Dienstag, 08.02.2005 - 11:47
Das hauptproblem liegt sicher in den V-Leuten begründet. Ich fand es in Ordnung, daß das Verfassungsgericht entschieden hatte, einer Partei mit einem derart aktiven Beamtenkern könne man ihr Handeln nicht komplett vorwerfen. Ein fällige Ohrfeige für den Verfassungsschutz und den linken Anwalt Otto Schily, den ehemals linken Anwalt Otto Schily.
Aus einzelnen Büchern um die Gründung der RAF kennt man vielleicht immer einzelne Gestalten, die stets irgendwelche Waffen und Sprengstoffe organisieren konnten und so aus drogensüchtigen Dummschwätzern drogensüchtige gefährliche Dummschwätzer machten. Daß ein eingeschleuster Agent in einer staatskritischen Gruppe nicht das Hohelied der Freiheitlich-Demokratischen Grundordnung im besten aller Systeme singen darf, um nicht sofort von allen wichtigen Infos ausgeschlossen zu werden, ist eine Sache, Unterstützen von kriminellen Aktionen ist schon ein anderes Kapitel für einen Staatsschützer, aber wenn dank der Schlapphüte Aktionen erst stattfiinden und Strukturen andernfalls in Vergessenheit geratender Gruppen aufrechterhalten werden, wird der Originalauftrag des Verfassungs"schutzes" vollkommen ins Gegenteil verkehrt.
Was hätte denn den VS gehindert, sich plötzlich von allem aus der NPD zurückzuziehen? Oder nur die Funktionsträger? Der Gedanke mit der beschlossenen Selbstauflösung vom Secarts klingt zwar charmant, ist wohl eher sarkastisch gemeint, steht aber im direkten Widerspruch zu allen bisherigen Tätigkeiten!
Die Grundprämisse, daß das, was man beobachtet und kontrolliert, nicht gefährlich werden kann, ist im Falle des deutschen Rechtsextremismus widerlegt. Der Verfassungsschutz hat kräftig mitgeholfen, die NPD in der kritischen Zeit nach 1970 zu erhalten, er hat nach der Wiedervereinigung mit Sicherheit beim Aufbau Ost (vermutlich nannten die Arschlöcher das Aufbau Mitte) auf dem Gebiet der DDR mitgeholfen und trägt somit einen großen Teil der Schuld an der jetzigen Situation.
Schuld auch an den Toten der Faschisten in den Jahren nach der Vereinigung, auch wenn die knüppelschwingende Hand nicht hauptberuflich die Verfassung schützt. Die Prozesse gegen die "Mauermörder" erlangen so eine besondere Pikanterie.