Der AnÂtiÂisÂlaÂmisÂmus sei der AnÂtiÂseÂmiÂtisÂmus der heuÂtiÂgen Zeit, der AnÂtiÂisÂlaÂmisÂmus erÂsetÂze den AnÂtiÂseÂmiÂtisÂmus. DieÂse AnÂsicht beÂkommt man seit eiÂniÂgen JahÂren häufig zu hören. AnÂtiÂisÂlaÂmisÂmus soll also im GrunÂde das GleiÂche sein wie AnÂtiÂseÂmiÂtisÂmus? Wir sind dieÂser AnÂsicht nicht. Und wir halÂten sie für gefährÂlich, weil sie die GeÂfahr des AnÂtiÂseÂmiÂtisÂmus unÂterschätzt. Aber zunächst wolÂlen wir mal festÂstelÂlen, wie es zu dieÂser AnÂschauÂung kommt, und worÂin tatsächlich die GeÂmeinÂsamÂkeit zwiÂschen AnÂtiÂseÂmiÂtisÂmus und AnÂtiÂisÂlaÂmisÂmus beÂsteht.
Gemeinsamkeit – RassismusJeÂder, der sich mit der GeÂschichÂte des deutÂschen FaÂschisÂmus beschäftigt hat und nun den Text des bayeÂriÂschen EntÂwurfs zu eiÂnem InÂteÂgraÂtiÂonsÂgeÂsetz
1 liest, wird sich mit ErÂschreÂcken an die NürnÂberÂger RasÂsenÂgeÂsetÂze von 1935
2 erÂinÂnert fühlen. Das soÂgeÂnannÂte „ReichsbürgerÂgeÂsetz“ schuf zweiÂerÂlei Staatsbürger. Dort hieß es: „Reichsbürger ist nur der StaatsÂanÂgehörige deutÂschen oder artÂverÂwandÂten BluÂtes, der durch sein VerÂhalÂten beÂweist, dass er geÂwillt ist, in Treue dem DeutÂschen Volk und Reich zu dieÂnen“. Und weiÂter: „Der Reichsbürger ist der alÂleiÂniÂge Träger der volÂlen poÂliÂtiÂschen RechÂte nach Maßgabe des GeÂsetÂzes.“ Wie man sieht, wenÂdet sich dieÂses GeÂsetz (im GeÂgenÂsatz zu eiÂnem weiÂteÂren NürnÂberÂger GeÂsetz) nicht ausÂschÂließlich geÂgen JuÂden. Umso ofÂfenÂsichtÂliÂcher ist die ÄhnÂlichÂkeit mit dem bayeÂriÂschen EntÂwurf. Da werÂden auch zweiÂerÂlei Staatsbürger geÂschafÂfen. Und das ausÂgeÂhend vom StammÂbaum bis zu den GroßelÂtern – entÂspreÂchend dem GlobÂke-KomÂmenÂtar zu den NürnÂberÂger RasÂsenÂgeÂsetÂzen. Mit dieÂsem KomÂmenÂtar wurÂde der Halb- und VierÂtelÂjuÂde geÂschafÂfen. In BayÂern solÂlen darÂaus nun der Halb-Türke und der VierÂtel-AraÂber werÂden. Die GeÂsinÂnungsÂverÂfolÂgung im bayeÂriÂschen EntÂwurf gibt es auch: Das GeÂsetz richÂtet sich geÂgen dieÂjeÂniÂgen, die „in beÂsonÂdeÂrer WeiÂse inÂteÂgraÂtiÂonsÂbedürfÂtig“ sind. Wie im NürnÂberÂger „ReichsbürgerÂgeÂsetz“ richÂtet sich dieÂse GeÂhirnwäsche auch geÂgen Staatsbürger ohne soÂgeÂnannÂten „MiÂgraÂtiÂonsÂhinÂterÂgrund“. BeÂreits in der PräamÂbel des GeÂsetzÂentÂwurÂfes wird jeÂder auf die LoyaÂlität geÂgenüber Volk, Staat und GeÂsetÂzen verÂpflichÂtet und wer erÂkenÂnen lässt, dass er die freie deÂmoÂkraÂtiÂsche GrundÂordÂnung nicht akÂzepÂtiert, kann nach Art. 13 zu KurÂsen über die WerÂteÂordÂnung verÂdonÂnert werÂden. In den NürnÂberÂger RasÂsenÂgeÂsetÂzen und der akÂtuÂelÂlen KoÂpie aus BayÂern zeigt sich sehr deutÂlich: Der AnÂtiÂseÂmiÂtisÂmus ist RasÂsisÂmus, geÂnauÂso wie der AnÂtiÂisÂlaÂmisÂmus. RasÂsisÂmus ist die LehÂre von der bioÂloÂgiÂschen oder abÂstamÂmungsmäßigen UnÂgleichÂheit der MenÂschen. Eine LehÂre, die sich geÂgen die bürgerÂliÂche GleichÂheit wenÂdet. RasÂsisÂmus stellt UnÂterÂschieÂde zwiÂschen den MenÂschen fest, die es in WirkÂlichÂkeit nicht gibt, und leugÂnet den einÂziÂgen geÂsellÂschaftÂliÂchen UnÂterÂschied, den es wirkÂlich gibt: den KlasÂsenÂunÂterÂschied.
RasÂsisÂmus jegÂliÂcher Art bilÂdeÂte sich herÂaus mit der EntÂwickÂlung der WaÂrenÂproÂdukÂtiÂon, die den KaÂpiÂtaÂlisÂmus herÂvorÂbrachÂte. In seiÂnem höchsÂten StaÂdiÂum, dem ImÂpeÂriaÂlisÂmus, erÂreichÂten auch die verÂschieÂdeÂnen AusÂprägunÂgen des RasÂsisÂmus ihr uns beÂkannÂtes schreckÂliÂches GeÂsicht.
Der RasÂsisÂmus geÂgen MenÂschen mit nicht weißer HautÂfarÂbe hat seiÂne UrÂsaÂche im KoÂloÂniaÂlisÂmus, in der imÂpeÂriaÂlisÂtiÂschen ArÂroÂganz geÂgenüber den unÂterÂdrückÂten Völkern. Eine beÂsonÂdeÂre Art des KoÂloÂniaÂlisÂmus gab es in den USA, wo nicht GeÂbieÂte sonÂdern MenÂschen aus AfriÂka geÂraubt und verÂsklavt wurÂden. Auch hier liegt in dieÂser beÂsonÂdeÂren Art von KoÂloÂniaÂlisÂmus die UrÂsaÂche des RasÂsisÂmus geÂgen MenÂschen schwarÂzer HautÂfarÂbe.
Der AnÂtiÂseÂmiÂtisÂmus ist RasÂsisÂmus anÂdeÂrer Art. Er ist der AufÂstand der MitÂtelmäßigÂkeit geÂgen das WeiÂterÂentÂwiÂckelÂte, das ErÂfolgÂreiÂcheÂre. Er ist die IdeoÂloÂgie und PoÂliÂtik der zu spät und zu kurz GeÂkomÂmeÂnen. Und weil die deutÂsche BourÂgeoiÂsie zu spät und zu kurz geÂkomÂmen ist und darÂaus ihre beÂsonÂdeÂre AgÂgresÂsiÂvität erwächst, ist der AnÂtiÂseÂmiÂtisÂmus eine ihr beÂsonÂders entÂspreÂchenÂde IdeoÂloÂgie. Der AnÂtiÂseÂmiÂtisÂmus ist ihr soÂzuÂsaÂgen auf den Leib geÂschneiÂdert.
Der RasÂsisÂmus nach unÂten ist im Großen und GanÂzen nicht auf VerÂnichÂtung, sonÂdern auf UnÂterÂwerÂfung und VerÂsklaÂvung von anÂgebÂlich „minÂderÂwerÂtiÂgen“ Völkern aus.
Was sagt uns daÂgeÂgen der Blick auf den AnÂtiÂseÂmiÂtisÂmus: Er hat, so wie insÂgeÂsamt der RasÂsisÂmus, in vieÂlen Ländern zu schreckÂliÂchen VerÂbreÂchen geführt. Aber nur der deutÂsche AnÂtiÂseÂmiÂtisÂmus hat zur sysÂteÂmaÂtiÂschen, staatÂlich orÂgaÂniÂsierÂten, faÂbrikmäßig beÂtrieÂbeÂnen, als KriegsÂwafÂfe einÂgeÂsetzÂten ErÂmorÂdung von MilÂlioÂnen von MenÂschen geführt. Als eliÂmiÂnaÂtoÂriÂschen AnÂtiÂseÂmiÂtisÂmus hat der ameÂriÂkaÂniÂsche HisÂtoÂriÂker GoldÂhaÂgen den deutÂschen AnÂtiÂseÂmiÂtisÂmus chaÂrakÂteÂriÂsiert. DieÂsem Teil seiÂner AnaÂlyÂse (die eine bürgerÂliÂche AnaÂlyÂse ist) kann man nur zuÂstimÂmen. SeiÂne BeÂgriffsÂbeÂstimÂmung eliÂmiÂnaÂtoÂriÂscher AnÂtiÂseÂmiÂtisÂmus für den deutÂschen AnÂtiÂseÂmiÂtisÂmus ist verÂdienstÂvoll.
Antisemitismus – eine imperialistische IdeologieAnÂtiÂseÂmiÂtisÂmus ist eine imÂpeÂriaÂlisÂtiÂsche IdeoÂloÂgie. Nun wird oft der AnÂtiÂseÂmiÂtisÂmus mit jegÂliÂchem JuÂdenÂhass gleichÂgeÂsetzt. WarÂum ist es wichÂtig, den AnÂtiÂseÂmiÂtisÂmus von dem alÂten JuÂdenÂhass zu unÂterÂscheiÂden? Der im SpätmitÂtelÂalÂter mit den Kreuzzügen sich ausÂbilÂdenÂde JuÂdenÂhass hatÂte ökoÂnoÂmiÂsche UrÂsaÂchen, die mit deÂnen des heuÂtiÂgen AnÂtiÂseÂmiÂtisÂmus nicht verÂgleichÂbar waÂren. Er hing zuÂsamÂmen mit dem ZinsÂverÂbot, das dem feuÂdaÂlisÂtiÂschen, mit großen Gütern geÂsegÂneÂten KleÂrus große VorÂteiÂle bot. Nun war aber die WaÂrenÂproÂdukÂtiÂon doch schon so weit entÂwiÂckelt, dass HanÂdel und WanÂdel mit eiÂnem ZinsÂverÂbot toÂtal unÂreaÂlisÂtisch waÂren. DesÂhalb schaffÂte man ein VenÂtil, inÂdem die JuÂden Zins nehÂmen, aber kein Land beÂsitÂzen durfÂten. Die JuÂden wurÂden so unÂgeÂwollt zu eiÂnem bürgerÂlich-reÂvoÂluÂtiÂonären EleÂment in der mitÂtelÂalÂterÂliÂchen GeÂsellÂschaft. GleichÂzeiÂtig wurÂden sie zu VerÂhassÂten und VerÂfolgÂten. Mit der ReÂforÂmaÂtiÂon verÂlor die KirÂche entÂscheiÂdend an Macht. Das aufÂstreÂbenÂde BürgerÂtum konnÂte ein ZinsÂverÂbot überÂhaupt nicht geÂbrauÂchen, und die GroßhanÂdelsÂfaÂmiÂlie FugÂger hatÂte sich schon lanÂge darüber hinÂwegÂgeÂsetzt. Das ZinsÂverÂbot fiel, aber auf die bürgerÂliÂchen FerÂtigÂkeiÂten, die die geldÂverÂleiÂhenÂden JuÂden inÂzwiÂschen erÂworÂben hatÂten, konnÂte die unÂentÂwiÂckelÂte WaÂrenÂproÂdukÂtiÂon überÂhaupt noch nicht verÂzichÂten. So besÂserÂte sich die Lage der JuÂden nicht: Sie waÂren notÂwenÂdig für die bürgerÂliÂche EntÂwickÂlung, und gleichÂzeiÂtig waÂren sie als KonÂkurÂrenÂten des aufÂstreÂbenÂden BürgerÂtums verÂhasst. DarÂaus erklären sich auch die beÂkannÂten blutrünsÂtiÂgen HassÂtiÂraÂden MarÂtin LuÂthers auf die JuÂden, die er erst losÂließ, als das verräteÂriÂsche BündÂnis der deutÂschen BourÂgeoiÂsie mit den FürsÂten perÂfekt war, als er schon die geÂgen den FeuÂdaÂlisÂmus kämpÂfenÂden BauÂern für voÂgelÂfrei erklärt hatÂte. Erst im 19. JahrÂhunÂdert beÂgann die beÂsonÂdeÂre ökoÂnoÂmiÂsche FunkÂtiÂon der geldÂverÂleiÂhenÂden JuÂden zu schwinÂden. Mit der VerÂallÂgeÂmeiÂneÂrung der WaÂrenÂproÂdukÂtiÂon, der EntÂwickÂlung des KaÂpiÂtaÂlisÂmus verÂlor der JuÂdenÂhass endgültig seiÂnen maÂteÂriÂelÂlen BoÂden. Die deutÂsche BourÂgeoiÂsie konnÂte so langÂsam auf die JuÂden verÂzichÂten. Wir waÂren soÂzuÂsaÂgen alle zu JuÂden geÂworÂden, jeÂder muss gleiÂcherÂmaßen verÂkauÂfen und kauÂfen, es geht imÂmer nur ums Geld. Das gilt selbst für dieÂjeÂniÂgen, die nur ihr bissÂchen ArÂbeitsÂkraft zu verÂkauÂfen haÂben. Nicht die kaÂpiÂtaÂlisÂtiÂsche AusÂbeuÂtung, sonÂdern das Geld als solÂches scheint geÂraÂde den imÂmer mehr in ihÂrer ExisÂtenz beÂdrohÂten Kleinbürgern die WurÂzel alÂlen Ãœbels zu sein. Auf dieÂser GrundÂlaÂge beÂgann sich der AnÂtiÂseÂmiÂtisÂmus zu entÂwiÂckeln. Die TatÂsaÂche daÂgeÂgen, dass der Zins nur ein Teil des von den ArÂbeiÂtern geÂschafÂfeÂnen MehrÂwerts ist, ist nicht ofÂfenÂsichtÂlich und nur durch wisÂsenÂschaftÂliÂches StuÂdiÂum erÂkennÂbar. Dies zu entÂdeÂcken, blieb dem TheoÂreÂtiÂker der ArÂbeiÂterÂbeÂweÂgung Karl Marx vorÂbeÂhalÂten. GeÂgen Ende des 19. JahrÂhunÂderts war der KaÂpiÂtaÂlisÂmus so weit ausÂgeÂbilÂdet, dass er in sein höchsÂtes und letzÂtes StaÂdiÂum einÂtrat, den ImÂpeÂriaÂlisÂmus. InÂdusÂtrie- und BankÂkaÂpiÂtal waÂren unÂunÂterÂscheidÂbar im FiÂnanzÂkaÂpiÂtal verÂflochÂten. Umso perÂverÂser wurÂden die anÂtiÂseÂmiÂtiÂschen SchlagÂworÂte, die mit der Lüge vom ausländiÂschen rafÂfenÂden und inländiÂschen schafÂfenÂden KaÂpiÂtal hauÂsieÂren ginÂgen (so z.B. die NSÂDAP ab 1925).
WorÂin unÂterÂscheiÂdet sich der AnÂtiÂseÂmiÂtisÂmus vom herkömmÂliÂchen JuÂdenÂhass? Er speist sich aus dem alÂten JuÂdenÂhass, aber er ist rasÂsisÂtisch. Das ist der weÂsentÂliÂche forÂmaÂle (und desÂhalb nicht weÂniÂger grauÂsaÂme) UnÂterÂschied. Dem alÂten JuÂdenÂhass konnÂte man entÂgeÂhen, inÂdem man zum ChrisÂtenÂtum konÂverÂtierÂte, und das haÂben auch vieÂle geÂtan, die siÂcherÂlich keiÂne beÂsonÂders fromÂmen ChrisÂten waÂren (z. B. HeinÂrich HeiÂne). Der rasÂsisÂtiÂsche JuÂdenÂhass, der AnÂtiÂseÂmiÂtisÂmus, lässt keiÂnem BeÂtrofÂfeÂnen mehr eine Wahl, er beÂseiÂtigt die letzÂten HemmÂnisÂse für Willkür, Mord und TotÂschlag. Er beÂfrieÂdigt nicht nur die RaÂcheÂgelüste des KleinbürgerÂtums für ihre elenÂde Lage, er ist, wie geÂsagt, die ideaÂle WeltÂanÂschauÂung für den zu spät und zu kurz geÂkomÂmeÂnen deutÂschen ImÂpeÂriaÂlisÂmus. Der frühere JuÂdenÂhass war ökoÂnoÂmisch beÂdingt, der AnÂtiÂseÂmiÂtisÂmus ist eine poÂliÂtiÂsche WafÂfe und hat im GeÂgenÂsatz zum alÂten JuÂdenÂhass keiÂne maÂteÂriÂelÂle BaÂsis. Was ist der UnÂterÂschied zwiÂschen ÖkoÂnoÂmie und PoÂliÂtik? LeÂnin drückte das so aus, „dass die PoÂliÂtik der konÂzenÂtrierÂtesÂte AusÂdruck der ÖkoÂnoÂmik ist“. Das beÂdeuÂtet in dieÂsem Fall, dass der AnÂtiÂseÂmiÂtisÂmus nicht unÂbeÂdingt den einÂzelÂnen BanÂken und KonÂzerÂnen mehr ProÂfit bringt. In einÂzelÂnen Fällen war das zwar bei der VerÂnichÂtung der JuÂden so, wie bei den IG FarÂben als GiftÂgasÂlieÂfeÂrant oder der DeÂgusÂsa als VerÂwerÂter von ZahnÂgold. Und auch die soÂgeÂnannÂte AriÂsieÂrung erÂfreuÂte einÂzelÂne MoÂnoÂpoÂlisÂten. Aber das waÂren nicht die HauptÂvorÂteiÂle für die MoÂnoÂpolÂbourÂgeoiÂsie, das hatÂte keiÂne beÂdeuÂtenÂden ökoÂnoÂmiÂschen AusÂwirÂkunÂgen für den deutÂschen ImÂpeÂriaÂlisÂmus. Der AnÂtiÂseÂmiÂtisÂmus dient als ideoÂloÂgiÂsche, poÂliÂtiÂsche und miÂlitäriÂsche WafÂfe – und daÂmit der geÂsamÂten MoÂnoÂpolÂbourÂgeoiÂsie. So ist auch zu erklären, dass im faÂschisÂtiÂschen DeutschÂland der Staat als ideÂelÂler GeÂsamtÂkaÂpiÂtaÂlist den AnÂtiÂseÂmiÂtisÂmus als StaatsÂdokÂtrin überÂnahm. Der eliÂmiÂnaÂtoÂriÂsche AnÂtiÂseÂmiÂtisÂmus des deutÂschen FaÂschisÂmus ist nur durch die rasÂsisÂtiÂsche KomÂpoÂnenÂte zu erklären. Nur mit HilÂfe dieÂser RasÂse-KonÂstrukÂtiÂon konnÂte der AnÂtiÂseÂmiÂtisÂmus in eine maÂteÂriÂelÂle KriegsÂwafÂfe – durch VerÂnichÂtung von MenÂschenÂmasÂsen v.a. in PoÂlen und der SoÂwjetÂuniÂon, und beÂginÂnend mit dem Krieg geÂgen die SoÂwjetÂuniÂon – verÂwanÂdelt werÂden. So war der AnÂtiÂseÂmiÂtisÂmus der HitÂlerÂfaÂschisÂten auch stets verÂbunÂden mit dem RasÂsisÂmus nach unÂten. Nicht nur, weil den JuÂden „die VerÂpesÂtung durch NeÂgerÂblut am Rhein im HerÂzen EuÂroÂpas“
3 vorÂgeÂworÂfen wurÂde. Die UnÂgleichÂwerÂtigÂkeit aufÂgrund von HerÂkunft und StammÂbaum, die durch den AnÂtiÂseÂmiÂtisÂmus in den Köpfen verÂanÂkert wurÂde, ebÂneÂte den Weg für weiÂteÂre ForÂmen des RasÂsisÂmus. Hier zeigt sich die erÂschreÂckenÂde ÄhnÂlichÂkeit des BayÂriÂschen InÂteÂgraÂtiÂonsÂgeÂsetzÂentÂwurfs mit den NürnÂberÂger RasÂseÂgeÂsetÂzen – jegÂliÂcher RasÂsisÂmus, jegÂliÂche BeÂtoÂnung von verÂmeintÂliÂcher UnÂgleichÂwerÂtigÂkeit ebÂnet den Weg für weiÂteÂren RasÂsisÂmus.
Der AnÂtiÂseÂmiÂtisÂmus ist daÂbei beÂsonÂders gut geÂeigÂnet, die HauptÂfeinÂde des deutÂschen ImÂpeÂriaÂlisÂmus auf eiÂnen NenÂner zu brinÂgen (VerÂnichÂtung der ArÂbeiÂterÂklasÂse und der imÂpeÂriaÂlisÂtiÂschen KonÂkurÂrenÂten). Die ProÂbe für AuschÂwitz und anÂdeÂre VerÂnichÂtungsÂlaÂger wurÂde mit InÂsasÂsen von psychÂiaÂtriÂschen AnÂstalÂten geÂmacht. Sie wurÂden bis zum SomÂmer 1941 verÂgast, beÂvor die eiÂgentÂliÂche JuÂdenÂverÂnichÂtung beÂgann. Hier zeigt sich ein weiÂteÂrer AsÂpekt, der durch die VerÂanÂkeÂrung der verÂmeintÂliÂchen UnÂgleichÂwerÂtigÂkeit von MenÂschen aufÂgrund willkürlich beÂstimmÂter MerkÂmaÂle zur VerÂnichÂtung von LeÂben führte. So wurÂde die VerÂnichÂtung von als „unÂwert“ anÂgeÂseÂheÂnem LeÂben geÂrechtÂferÂtigt. Die SinÂti und Roma, die einÂfach als StörfakÂtor galÂten, wurÂden ab 1943 masÂsenÂhaft verÂgast, da man ja schon mal das geÂsamÂte InÂstruÂmenÂtaÂriÂum hatÂte, um dieÂsen BevölkeÂrungsÂgrupÂpe auch noch ganz schnell losÂzuÂwerÂden. Das sind nur zwei BeiÂspieÂle, wie der eliÂmiÂnaÂtoÂriÂsche AnÂtiÂseÂmiÂtisÂmus das Wüten des RasÂsisÂmus nach unÂten befördert hat.
Funktionen des AntiislamismusDer AnÂtiÂisÂlaÂmisÂmus hat zwei AsÂpekÂte: ErsÂtens ist er RasÂsisÂmus nach unÂten, geÂgen anÂdeÂre Völker, geÂgen MenÂschen aus anÂdeÂren Ländern, die pauÂschal als MusÂliÂme gelÂten, aber auch geÂgen EmÂporkömmÂlinÂge in der araÂbiÂschen Welt (soÂweit es dem KaÂpiÂtal geÂraÂde nützt). Im GeÂgenÂsatz zum AnÂtiÂseÂmiÂtisÂmus, der in den JuÂden die heimÂliÂchen DrahtÂzieÂher und WeltÂbeÂherrÂscher wähnt, schürt der AnÂtiÂisÂlaÂmisÂmus die Angst vor eiÂner „ÜberÂfluÂtung“ isÂlaÂmiÂscher MasÂsen, die masÂsenÂhaft KinÂder krieÂgen (laut SarÂraÂzin lauÂter KopfÂtuchmädchen herÂvorÂbrinÂgen). Der RasÂsisÂmus nach unÂten ist auch ein wichÂtiÂges InÂstruÂment zur SpalÂtung der ArÂbeiÂterÂklasÂse (daÂvon können die meisÂten GeÂnosÂsen in den BeÂtrieÂben ein Lied sinÂgen). Der AnÂtiÂisÂlaÂmisÂmus hat nun die BeÂsonÂderÂheit, dass er verÂedelÂter RasÂsisÂmus ist: Ich kann geÂgen „den IsÂlam“ hetÂzen, inÂdem ich die GleichÂbeÂrechÂtiÂgung der Frau, das Recht der HoÂmoÂseÂxuÂelÂlen, das Recht auf Schweinswürstl und Bier, das Recht überÂhaupt (geÂgen die SchaÂria) „verÂteiÂdiÂge“, mich als aufÂgeklärten MenÂschen verÂsteÂhen kann, also als das geÂnaue GeÂgenÂteil von eiÂnem priÂmiÂtiÂven RasÂsisÂten darÂstelÂlen kann! DaÂbei entÂlarvt sich der AnÂtiÂisÂlaÂmisÂmus als RasÂsisÂmus alÂlein schon desÂhalb, weil er MusÂliÂme anÂhand der HerÂkunft und nicht anÂhand der tatsächliÂchen ReÂliÂgiÂonsÂzuÂgehörigÂkeit deÂfiÂniert. JeÂder, der aus eiÂnem Land mit mehrÂheitÂlich musÂliÂmiÂscher BevölkeÂrung kommt, ist ein MusÂlim – ob er in WirkÂlichÂkeit AleÂvit, Christ, Jude oder reÂliÂgiÂonsÂlos ist, das ist egal
4. Dem EtiÂkett „MusÂlim“ kann die MehrÂzahl der zu uns GeflüchÂteÂten ebenÂso weÂnig entÂrinÂnen wie vieÂle MenÂschen der DeÂfiÂniÂtiÂon als „Jude“ durch die NaÂzis entÂrinÂnen konnÂten, weil nur ihre HerÂkunft, ihr StammÂbaum zählte. SieÂhe dazu die HetÂze nach der Kölner SilÂvesÂterÂnacht, wo zuÂerst anÂgebÂlich nordÂafriÂkaÂnisch ausÂseÂhenÂde Männer als SexÂgangsÂter ausÂgeÂmacht wurÂden, was dann aber doch zu rasÂsisÂtisch wirkÂte, so dass sie flugs in „MosÂlems“ umÂgeÂwanÂdelt wurÂden. Da nun der AnÂtiÂisÂlaÂmisÂmus als VerÂletÂzung der ReÂliÂgiÂonsÂfreiÂheit anÂgeÂseÂhen werÂden kann, gibt es noch eine weiÂteÂre VerÂedeÂlungsÂstuÂfe: Der IsÂlam sei keiÂne ReÂliÂgiÂon sonÂdern eine poÂliÂtiÂsche BeÂweÂgung, die daÂbei sei, das christÂliÂche AbendÂland zu überÂrolÂlen. Frau von Storch erklärte soÂgar, der IsÂlam sei nicht mit dem GrundÂgeÂsetz verÂeinÂbar. Nun ist die ForÂmel „nicht mit dem GrundÂgeÂsetz verÂeinÂbar“ eine tyÂpisch deutÂsche, die viel mit GeÂsinÂnungsÂverÂfolÂgung und nichts mit dem norÂmaÂlen bürgerÂliÂchen Recht zu tun hat. Als verÂfasÂsungsÂwidÂriÂge OrÂgaÂniÂsaÂtiÂon oder poÂliÂtiÂsche BeÂweÂgung hierÂzuÂlanÂde verÂboÂten zu werÂden, heißt GefängÂnis für jeÂden, der wirkÂlich oder verÂmeintÂlich trotz VerÂbot daÂbei bleibt. So große GefängÂnisÂse, um alle als MusÂliÂme VerdächÂtiÂgen einÂzuÂsperÂren, gibt es alÂlerÂdings nicht. Das wäre nur mit KZs zu maÂchen.
ZweiÂtens ist der AnÂtiÂisÂlaÂmisÂmus VolksÂgeÂmeinÂschaftsÂkitt zum Zweck des AbÂbaus der DeÂmoÂkraÂtie und miÂlitäriÂsche EinÂmiÂschung in alÂler Welt unÂter allÂgeÂmeiÂner ZuÂstimÂmung. Das nennt sich dann TerÂrorÂbekämpÂfung. AnÂtiÂterÂrorÂgeÂsetÂze gibt es schon seit den siebÂziÂger JahÂren, daÂmals unÂter dem VorÂwand, die RAF etc. zu bekämpÂfen. Nach den AnÂschlägen auf das World TraÂde CenÂter in New York 2001 wurÂden weiÂteÂre Anti-TerÂror-GeÂsetÂze erÂlasÂsen. DaÂbei dienÂte und dient das SchlagÂwort vom isÂlaÂmiÂschen TerÂror dazu, dass solÂche GeÂsetÂze – früher von DeÂmoÂkraÂten bekämpft – gar nicht mehr in FraÂge geÂstellt werÂden. Und soÂmit ist jeÂder Willkür Tür und Tor geöffÂnet. UnÂter der ÃœberÂschrift „TerÂrorÂbekämpÂfung” wurÂde in den neunÂziÂger JahÂren die PKK verÂboÂten. 2013 gab es dann zum ersÂten Mal eine VerÂurÂteiÂlung geÂgen eiÂnen anÂgebÂliÂchen PKK-KaÂder nach dem § 129a – eins der GeÂsetÂze von 2002/2003 geÂgen den „isÂlaÂmiÂschen TerÂror“. Und das geÂgen eine OrÂgaÂniÂsaÂtiÂon, die muÂtig und opÂferÂreich geÂgen den „IsÂlaÂmiÂschen Staat“ kämpft! Der AnÂtiÂisÂlaÂmisÂmus begünsÂtigt geÂnau dieÂse Willkür, dass ReÂvoÂluÂtiÂonäre verÂboÂten und in den Knast geÂsteckt werÂden, dass alÂles poÂtenÂziÂell AufständiÂsche einÂgeschüchtert und im Keim erÂstickt wird. Aber wie solÂlen wir uns denn zu den TerÂrorÂanÂschlägen verÂhalÂten? Die TerÂrorÂanÂschläge der letzÂten Zeit in imÂpeÂriaÂlisÂtiÂschen Ländern (FrankÂreich, BriÂtanÂniÂen) sind reÂakÂtiÂonäre AntÂworÂten auf imÂpeÂriaÂlisÂtiÂsche UnÂterÂdrückung. Sie sind die KonÂseÂquenz aus den NieÂderÂlaÂgen der ArÂbeiÂterÂbeÂweÂgung seit 1989-1991. Sie sind die AntÂwort auf die KlasÂsenÂzuÂsamÂmenÂarÂbeit, forÂciert durch die SoÂziÂalÂdeÂmoÂkraÂtie, mit dem ImÂpeÂriaÂlisÂmus. AbÂbau der DeÂmoÂkraÂtie hilft da gar nichts – sonst würde es längst keiÂne AnÂschläge mehr geÂben. Die SachÂwalÂter der BourÂgeoiÂsie haÂben die reÂakÂtiÂonären, faÂschisÂtiÂschen Kräfte, die jetzt TerÂrorÂanÂschläge wahlÂlos auf irÂgendÂwelÂche MenÂschen verüben, erst hochÂgezüchÂtet. Und nun steht die BourÂgeoiÂsie ihÂren eiÂgeÂnen ZiehÂkinÂdern zum eiÂnen machtÂlos geÂgenüber, zum anÂdeÂren nutzt sie dieÂse AnÂschläge, um uns unÂseÂre RechÂte zu nehÂmen, mehr und mehr Willkür statt Recht zu setÂzen und den FaÂschisÂmus zu eiÂner imÂmer wahrÂscheinÂliÂcheÂren OpÂtiÂon zu maÂchen. GleichÂzeiÂtig ist das zurÂzeit eiÂner der besÂten Vorwände, um sich übeÂrÂall auf der Welt poÂliÂtisch und miÂlitärisch einÂzuÂmiÂschen.
AnÂders als der AnÂtiÂseÂmiÂtisÂmus, der die mitÂtelÂalÂterÂliÂche bzw. frühbürgerÂliÂche JuÂdenÂfeindÂschaft abÂgelöst hat, richÂtet sich der AnÂtiÂisÂlaÂmisÂmus ausÂdrückÂlich geÂgen eine ReÂliÂgiÂon. Das ist auch dann der Fall, wenn der IsÂlam als poÂliÂtiÂsche BeÂweÂgung umÂdeÂfiÂniert wird und die HerÂkunft statt der WeltÂanÂschauÂung für dieÂse Art RasÂsisÂmus entÂscheiÂdend ist. Der AnÂtiÂisÂlaÂmisÂmus ist natürlich keiÂne ReÂliÂgiÂonsÂkriÂtik, aber die RasÂsisÂmus-VerÂedeÂlung funkÂtioÂniert nun mal nur über die vorÂgeÂschoÂbeÂne „ReÂliÂgiÂonsÂkriÂtik“. DesÂhalb müssen wir an dieÂser StelÂle auch zur ReÂliÂgiÂon was saÂgen.
Teil II erscheint am 07.08. auf secarts.org, Teil III am 14.08.2016.Anmerkungen:
1 www.bayern.de/wp-content/uploads/2016/02/160223_BayIntG_FassungMinisterrat.pdf.
2 Texte der Rassengesetze mit Ausführungsverordnungen: www.1000dokumente.de/index.html/index.html?c=dokument_de&dokument=0007_nue&object=translation&l=de.
3 „Mein Kampf“, 2. Band, 13. Kapitel.
4 Dem schamlosen Pragmatismus der Ideologen der herrschenden Klasse haben wir zu verdanken, dass bei Berichten aus den angeblich total islamischen Regionen dann von Zeit zu Zeit doch mal verfolgte Jesiden oder Christen hervorgehoben werden, wenn das im Sinne der außenpolitischen Interessen des deutschen Imperialismus gerade opportun ist.