„Nun müssen wir auch noch für die Italiener bezahlen“ schimpfte kürzlich eine engagierte Gewerkschaftskollegin zornig. Ein ganz praktisches Beispiel dafür, wie sehr die herrschende Meinung die Meinung der Herrschenden ist. Die nämlich haben allen Grund uns das glauben zu lassen.
Und so bläst die Bundesregierung, blasen Rundfunk, Fernsehen, Zeitungen, so genannte Wirtschaftswissenschaftler und wer sich sonst noch berufen fühlt, alle in das gleiche Horn: Wir Deutschen müssen für die Italiener oder Griechen oder Spanier bezahlen. Eine Mehrheit der Herren und Damen aus der Großbourgeoisie und ihrer Sprecher aus der Politik und den Medien sind dabei noch der Meinung, dies wäre nötig für einen weiterhin lukrativen Fortgang ihrer Geschäfte. Ein kleine, aber größer werdende Minderheit sieht das inzwischen als Belastung, die sie nicht tragen will, beschwört einen möglichen Verlust deutscher Souveränität usw. Dass die „anderen“ „uns“ auf der Tasche liegen hetzen sie alle. Dabei fallen oft die einfachsten Tatsachen unter den Tisch, die komplizierteren werden sowieso verschwiegen und mit allerlei Müll zugeschüttet.
Fangen wir mit dem ganz Einfachen an:
Muss die BRD die ganze Eurozone retten?Auch wenn man bei all dem Getöse diesen Eindruck gewinnt – es ist nicht so. In die so genannten Rettungspakete oder -schirme zahlt nicht nur die BRD. Jeder Staat der Eurogruppe zahlt proportional zur Wirtschaftsleistung gleich viel ein. Ausgenommen sind nur die Staaten, die sich bisher gezwungen sahen, entsprechende Hilfen in Anspruch zu nehmen, also Griechenland, Irland und Portugal. Das ganze Geschrei, als würde die BRD den Rest der Eurozone retten müssen, ist also schon alleine deshalb nichts als Hetze.
Die für jeden Normalverdiener Schwindel erregenden Milliardensummen, die da genannt werden, sind nicht als Geschenke gedacht. Es sind Kredite oder Bürgschaften auf Kredite. D.h. die betroffenen Staaten müssen sie zurückzahlen, mit Zins natürlich. Nur wenn diese Staaten zahlungsunfähig werden oder besser gesagt, durch all die unsägliche Auflagen in die Zahlungsunfähigkeit getrieben werden, sind die Milliardensummen tatsächlich weg und bleiben anteilig als zusätzliche Staatsschulden übrig.
Wer bezahlt diese?Der Steuerzahler wird behauptet, also wir alle. Doch auch das ist nur die halbe Wahrheit. Der größte und zunehmend wachsende Teil der staatlichen Steuereinnahmen besteht aus den Steuern der lohnabhängig Beschäftigten, also der Arbeiter und Angestellten, sowie aus den Verbrauchssteuern (Mehrwertsteuer, Benzinsteuer, Tabaksteuer usw.) Diese müssen alle bezahlen, auch diejenigen, die kaum was zum Leben haben. Für die die 19 Prozent Mehrwertsteuer auf notwendige Kleidung z.B. einen immens viel größeren Teil des vorhandenen Geldes ausmachen, als z.B. für die Familie Siemens. Die Steuern der Konzerne und der Vermögenden wurden in den letzten Jahrzehnten dagegen kontinuierlich gesenkt. D.h. letztendlich bezahlt die große Masse der Bevölkerung, die Arbeiterklasse und kleinen Selbstständigen, während die winzige Klasse der Großbourgeoisie immer weniger zur Kasse gebeten wird.
Diese hat ein Vermögen in einer Höhe angehäuft, das die Milliardenbeträge für die „Eurorettung“ eher klein aussehen lässt. 4,9 Billionen Euro Geldvermögen, also ohne Grund- oder Immobilienbesitz und den Besitz an Fabriken, existiert in der BRD (Süddeutsche Zeitung, 13. Juli 2012). 60 Prozent davon, 2,9 Billionen, befinden sich in den Händen der reichsten 10 Prozent der erwachsenen Bevölkerung und davon wiederum ein Großteil in den Händen weniger Familien. Allein mit diesen 2,9 Billionen könnten sämtliche Staatsschulden der BRD (gut 2 Billionen), Griechenlands (350 Milliarden) Portugals (183 Milliarden) und Irlands (164 Milliarden) beglichen werden. Dann allerdings müsste z.B. die Familie Siemens arbeiten gehen, statt von den Kapitalerträgen ihres Vermögens ein materiell sorgloses Leben führen zu können. Für diese natürlich schlichtweg undenkbar.
Für wen?[file-periodicals#157]Also bezahlen wir doch? Klar, aber eben nicht wir Deutschen, sondern wir Arbeiter. Und nicht nur wir Arbeiter hier, sondern auch die Arbeiter in den anderen EU-Staaten. Für wen? Schon gar nicht bezahlen wir für die Italiener, denn die italienische Regierung hat bisher überhaupt keine Gelder aus dem Rettungsschirm beantragt. Die italienischen Kollegen aber bezahlen mit Lohn-, Renten- und sonstigen Kürzungen der Sozialleistungen, damit sich die Besitzer italienischer Staatsanleihen sicher fühlen, dass sich ihr eingesetztes Kapital auch weiterhin profitabel vermehrt. Und Milliarden solcher Staatsanleihen befinden sich in deutscher Hand. Die Kollegen in Italien bezahlen natürlich auch für ihre Bank- und Konzernherren, damit sich diese in der Konkurrenz mit den deutschen besser durchsetzen können. Letztere haben das ganze Programm uns hier ja längst aufgezwungen und brüsten sich mit ihrer Wettbewerbsfähigkeit als Vorbild für die gesamte EU.
Wir bezahlen aber auch nicht für Griechen oder Portugiesen. Weder die griechischen, noch die portugiesischen Kollegen sehen irgendetwas von den sog. Rettungspaketen. Ganz im Gegenteil. Sie bezahlen mit grassierender Armut in unvorstellbarem Ausmaß, verordnet von der deutschen Regierung. Sie bezahlen, damit der griechische oder portugiesische Staat die Auflagen für den Erhalt weiterer Gelder erfüllt. Gelder, die sofort weiter geleitet werden an die Gläubiger. Und das sind unter anderem wiederum deutsche Banken und all diejenigen, die über diese Banken mStaatsanleihen gekauft haben, um ihr Kapital sicher und profitabel „arbeiten zu lassen“.
„Euroretttung“ – wer soll da gerettet werden? Wir bezahlen also auch bei der sog. Eurorettung über Umwegen für diese winzige Klasse hier, die den größten Teil des von der Arbeiterklasse geschaffenen Reichtums in Händen hat, die nur auf deren Rücken existieren kann. Reichtum, der sich vermehren muss, weil er sonst in den Händen dieser Klasse wertlos wird. All die hektischen Aktivitäten der Merkelregierung drehen sich darum, wie das zu gewährleisten ist.
Unser Zorn soll sich jedoch gegen die „anderen“ richten, gegen „das Ausland“ und so auch gegen die Arbeiter in den anderen EU-Staaten. Damit unsere Herren weiterhin auf unsere und deren Kosten ihren Reichtum und ihre Macht vermehren können.