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Hutong-Viertel in Beijing |
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Als Hauptstadt ist Beijing Chinas Fenster zur Welt: hier sind die Botschaften, Rundfunksender und Fernsehstationen der Welt versammelt, hier finden die groessten Messen das Landes statt und im Jahre 2008 die Olympischen Spiele.
Beijing war auch die erste Grossstadt Chinas, die nach Gruendung der Volksrepublik im Jahre 1949 systematisch modernisiert und umgestaltet wurde - die erste U-Bahn, die ersten Hochhaeuser, der Tian'anmen-Platz.
Die alte Stadt Beijing fiel und faellt diesen Umgestaltungen natuerlich zu grossen Teilen zum Opfer: allgemein als Fehler wird heute zum Beispiel der beinahe komplette Abriss der damals noch weitgehend intakten Stadtmauer in den fruehen 60er Jahren beurteilt - die Errichtung moderner, vielspuriger Strassen und der Bau des Tian'anmen als Zentrum der Stadt forderte den Abriss vieler alter Gebaeude und Schutzanlagen.
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Beruehmt ist das alte Beijing fuer seine "Hutongs" gewesen - Wohnhoefe, die sich ueber ganze Strassenzuege erstrecken. Die traditionellen Hutongs sind eingeschossig, aus grauen Ziegeln errichtet und durch Mauern zur Strasse abgegrenzt; hinter diesen Mauern gehen kleine Gassen an den in Reihenform errichteten Gebaeuden entlang. Die Hutongs bieten Platz fuer ganze Grossfamilien und enge nachbarschaftliche Verhaeltnisse; beim Gang durch die winzigen, verwinkelten Gassen sieht man allerorten kleine wie grosse Grueppchen von Anwohnern an der Strasse sitzen, ins Schach- oder Majongspiel vertieft. Die Menschen essen hier gemeinsam, sitzen des Abends vor aufgebautem Fernsehgeraet in den Hoefen und trennen sich erst wieder zum Schlafen - mit der gemeinsamen Qigong-Morgengymnastik mit allen Nachbarn beginnt der gemeinsame Tag wieder.
Trotz aller Umgestaltungen Beijings gibt es sie nach wie vor, die Hutongs. Selbst der "zweite Stadtring", das ganze Areal um den Tian'anmen und die "Verbotene Stadt", besteht zu grossen Teilen noch aus den traditionellen Wohnhoefen - durchzogen von breiten Schneisen, die die modernen, zwoelfspurigen Stadthighways mit Hochhaeusern, Einkaufszentren und Regierungsgebaeuden durch sie geschnitten haben.
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Hutong-Viertel in Beijing |
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Ein Gang durch die "Hutongs" ist ein Besuch in einer anderen Welt: zwei Strassen hinter den glitzernden Hochhaeuserschluchten, die so auch in beinahe allen anderen Grossstaedten der Welt stehen koennten, beginnt das Leben Beijings, wie es auch vor 50 oder 100 Jahren schon gewesen sein mag: verwinkelte Gaesschen, von Baeumen beschattet; spielende Kinder auf den autofreien Wegen; Grossvaeter, die mit ihren Vogelkaefigen (Vogelzucht gehoert zu einem der beliebtesten Hobbies in China) in den Gruenanlagen sitzen; laut diskutierende Grueppchen um zwei Go-Spieler auf klapperigen Holztischen am Strassenrand. Abgesehen von den allgegenwaertigen Klimaanlagen, Strommasten und Motorraedern koennten sich diese Szenen auch am Anfang des letzten Jahrhunderts abgespielt haben.
Diese Welt geht Stueck fuer Stueck unter: an vielen Hauswaenden der Hutongs ist bereits das chinesische Schriftzeichen fuer "wird abgerissen" zu sehen - die Bewohner ziehen nach und nach in modernere neue Wohnblocks an den Stadtraendern, die Wohnhoefe werden planiert, an ihrer Stelle entstehen Buerokomplexe, Einkaufszentren und Verwaltungsbauten.
Noch kann man in beinahe jeder Seitenstrasse des Beijinger Zentrums die alten Wohnblocks finden; in vielleicht fuenf, vielleicht auch 15 Jahren wird es sie hoechstwahrscheinlch nicht mehr geben.
Eindeutig zu begruessen oder zu verdammen ist dieser Prozess sicherlich nicht - was fuer Touristen idyllisch erscheinen mag, ist gerade fuer die juengeren Bewohner der engen, alten und oftmals baufaelligen Hutongs sicher auch eine Belastung: schlechte Sanitaeranlagen, enge Raeume, keine Privatsphaere, Laerm und Staub. Ich weiss nicht, wie die Bewohner der "Hutongs" diese Wandlungen beurteilen; neben Bedauern um den Wegfall traditionelller Wohngebiete wird es sicherlich auch Freude ueber massiv gestiegene Wohnqualitaet, Anbindung an die neuen Verkehrsmittel und Teilhabe an technischen Errungenschaften geben - genau das sollte man als Tourist bedenken: all die winzigen und alten Haeuser, die gute Photomotive abgeben, muessen auch bewohnt werden. Photographieren will ich sie fuer meinen Teil auch gerne; drin leben muessen moechte ich nicht...
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Blick vom Trommelturm über Beijing |
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Neben dem "neuen Beijing", dem Regierungs- und Verwaltungssitz, gibt es natuerlich auch aufwendig restaurierte alte Gebaeude und Sehenswuerdigkeiten: neben der bereits beschriebenen "Verbotenen Stadt" und den kaiserlichen Gaerten den Sommerpalast zum Beispiel; oder auch verschiedene Tempelanlagen: einen tibetischen Lamatempel, einen beruehmten konfuzianischen Tempel. All diese historischen Gebaeude, die allesamt noch fuer religioese Zwecke benutzt werden, sind teuer und aufwendig restauriert und den Torusiten zugaenglich gemacht worden. Der alte "Glockenturm" und der daneben gelegene "Trommelturm"; in frueheren Zeiten fuer die Bekanntgabe der Stunden des Tages genutzt, sind ebenfalls bekannte Sehenswuerdigkeiten; vom "Trommelturm" habe ich auch das Stadtpanorama im Photo aufgenommen.
Etwas ausserhalb der Innenstadt liegt der "Sommerpalast" der chinesischen Kaiser und das Ruinengelaende "Yuanmingyuan" - diese Palastanlage aus der Qing-Dynastie, genannt das "Versailles des Ostens" und ehemals der groesste Palastgarten der Welt, wurde 1860 von den anglo-franzoesischen Invasionstruppen waehrend des sog. "ersten Opiumkrieges" niedergebrannt und zerstoert.
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© by © by secarts [01.01.1970] | |
Auch das ist ein wichtiger sozialpsychologischer Punkt fuer das chinesische Volk: das Widererstarken nationaler Unabhaengigkeit; das Ende der Schmach auslaendischer Unterdrueckung und Besatzung.
"Nationalismus" im negativen Sinne, also Auslaenderfeindlichkeit oder Ignoranz gegenueber Menschen anderer Kultur, habe ich hier noch nicht erlebt; "Patriotismus" im positiven Sinne, also Stolz auf Geleistetes und eine vreicher und staerker werdende chinesische Nation, erlebe ich hingegen jeden Tag. Junge Leute auf dem Tian'anmen, die sich vor dem Mao-Portrait oder der grossen chinesischen Fahne ablichten lassen, faehnchenschwenkende Touristen auf dem Platz oder vor Sehenswuerdigkeiten - eine teuer, weitlaeufig und ueppig ausgebaute Hauptstadt mit moeglichst den groessten Haeusern, den breitesten Strassen und Plaetzen und den praechtigsten Bauten und Parkanlagen der Welt gehoert dazu - den Stolz der Chinesen auf das Neue Beijing hoere ich bei jeder Frage "do you like our capital?" hinaus.