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Der chinesische Schriftsteller und Oppositionelle Liu Xiaobo bekommt den Friedensnobelpreis. Mario Vargas Llosa wird Nobelpreisträger für Literatur. Beide Ehrungen sind politisch motiviert. Man kann sie als in gleichem Ungeiste vergebene Würdigungen betrachten, als westlich-imperialistische Giftspritzerei. Llosa begann einst als sozialkritischer Autor; seine frühen Romane blieben aber lange weithin unbekannt. Nach und nach wurde dieser peruanische Schriftsteller zum Verräter an seinen eigenen Idealen. Ein Mann, der die Privatisierung des Bankensektors in Peru vorantreiben half, sich der peruanischen Oberschicht und der imperialen Politik der USA andienerte (und im Verdacht steht, sich von der CIA steuern zu lassen), in Europa, derzeit in London, ein gut bürgerliches Leben führt - Typ sozialer Aufsteiger, der seinen Ursprung leugnet.

Zudem ein Freund des Dalai Lama, versteht sich. Und damit haben wir nun die gedankliche Brücke, über die wir zum aktuellen Friedensnobelpreisträger kommen. Als Schriftsteller ist Liu in China allerdings weithin unbekannt. Als "Dissident" ebenso.

Liu wurde wegen angeblicher staatsfeindlicher Tätigkeit anno 2009 zu elf Jahren Haft verurteilt. Genaues, Gesichertes weiß man im Westen nicht. der Prozess fand hinter verschlossenen Türen statt. Wir haben uns deshalb, wenn wir uns denn selbst eine Meinung bilden wollen, an verfügbare Fakten und Indizien zu halten, von denen allerdings einige aus durchsichtigen Gründen von den Medien der "westlichen Wertegemeinschaft" nicht erwähnt werden.

Liu ist Präsident des chinesischen PEN-Clubs und Initiator der "Charta 08". In diesem Manifest fordert er die Umwandlung Chinas nach westlichem Demokratiemodell. Er skizziert eine Utopie ohne Beziehung zur politischen und kulturellen Realität in der VR China. Es ist darauf hinzuweisen, dass China als UNO-Mitglied die Erklärung der Allgemeinen Menschenrechte unterzeichnet hat - was bedeutsamer ist und langfristig mehr Wirkung entfaltet als Lius "Charta 08". Ein Nachweis für menschenrechtlich einwandfreie Staatsführung ist es zwar nicht. Aber andererseits: In welchem Land der Welt wird die UN-MenschenrechtsCharta vorbehaltlos beachtet? Chinas Defizite sind nicht singulär. Schweigen wir über die Menschenrechtsverletzungen z. B. der USA - und fangen wir vor allem vor der eigenen Tür zu kehren an! Lius "Charta 08" enthält sich jeglicher Aussage, wie ein Umwandlung Chinas ohne destruktive Einflussnahme des westlichen Auslands ermöglicht werden könnte. Wie die Verhältnisse zu ändern wären, ohne dass es in der autoritär verfassten Volksrepublik zu Chaos, Bürgerkrieg und unvorstellbarem Blutvergießen kommt, in diesem 1,5 Milliarden Einwohner zählenden, multisprachigen und multi-ethnischen Riesenreich, das nur von der Staatspartei zusammengehalten wird.

Liu wurde vom Rundfunk-Magazin Democracy Now propagiert und kontaktiert. Von einem vorgeblich aus Spenden finanzierten US-amerikanischen Politiksender. Über den Grad seiner "Unabhängigkeit" wüsste man mehr, wenn man die komplette Liste seiner großherzigen Spender einsehen könnte. Anzunehmen ist, dass Democracy Now von der CIA Geld und "Informationen" erhält.

Ob Liu als aufrechter Demokrat und loyaler chinesischer Staatsbürger unschuldig Opfer eines politisch motivierten Fehlurteils wurde oder irgendwie mit der CIA im Bunde war: Wir werden es kaum je erfahren. Konnotation: Auch einem Bundesbürger drohte schwerste Strafe, wenn er mit ausländischen Terroristen und Spionen kommunizierte und kooperierte; sein Prozess würde im Interesse des "Staatsschutzes" ebenfalls weitestgehend geheim geführt, unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

Man muss füglich gemäß grundsätzlicher Überzeugung hervorheben, dass geheime Anklagen und geheime Prozesse fundamental gegen demokratische und rechtsstaatliche Grundsätze verstoßen. Das Urteil gegen Liu - elf Jahre! - wirkt außerdem geradezu maßlos. Es spricht ganz entschieden gegen die chinesische Justiz. Aber spricht es für Lius Nobelpreiswürdigkeit? Bessert die Auszeichnung etwas an den Ereignissen und Sachverhalten in China? Hilft sie dem Häftling Liu? Oder stärkt sie nur die Selbstgerechtigkeit der westlichen Kritiker?

Letzteres ist anzunehmen. Unsere Selbstgerechten in Politik und Medien übersehen absichtlich eine ganze Reihe von Indizien, die das Nobel-Komitee als eine Instanz am Hofe des kapitalistischen Imperiums ausweisen.

Die überwältigende Mehrheit der Chinesen hat kein Interesse an Lius "Charta 08", falls sie die überhaupt kennt. Man strebt nicht nach für uns löblichen ideellen Rechten. Chinesen leben in ihrem eigenen, konfuzianisch geprägten Kulturraum, nicht nach unserem abendländisch-humanistischen Wertekanon. Sie suchen vorrangig nach Erfüllung täglicher materieller Bedürfnisse und nach Teilhabe an einem allmählich sichtbaren bescheidenen Wohlstand, nicht nach demokratischer Selbstverwirklichung. Ganz ausdrücklich ist das von den fast 250 Millionen Wanderarbeitern zu sagen, von denen viele noch in Armut leben und, häufig genug von westlichen Firmen (auch von deutschen!), ausgebeutet werden.

Übersehen wird, dass die Chinesen zwar ein Viertel der Menschheit stellen und sich ganz sicher gleichermaßen nach Frieden sehnen wie alle anderen; übersehen wird, dass es europäische, amerikanische und afrikanische Friedensnobelpreisträger gab, aber nie zuvor einen Chinesen. Nun soll ausgerechnet ein Liu Xiaobo den Anfang machen?

Wenn es um chinesische Angelegenheiten geht, holen wir, unsere Politiker und unsere Konzernmedien uns gewohnheitsmäßig unsere meinungsbildenden Zerrbilder in der Washingtoner Giftküche ab. Wer käme hierzulande schon auf die Idee, sich an die Chinesen selbst zu wenden und die um ihre Meinung zu ihren Angelegenheiten zu fragen? Das könnte doch westliche Vorurteile ruinieren ...

Die Regierung der VR China muss die Verleihung des Friedensnobelpreises an Liu als Affront sondergleichen empfinden. Als einen der ungezählten Versuche, die innerchinesische Opposition zu munitionieren. Das wird Liu Xiaobos Schicksal, gleich wie unverdient es möglicherweise ist, in keiner Weise erleichtern. Eher kann es seine Hoffnungen auf Straferleichterung zunichte machen. Der Westen schafft sich, wie so oft, einen Märtyrer im Lager seines Gegners.

Das Nobel-Komitee, diese versammelte Polit-Arroganz, lieferte eine Portion Steine, mit denen unsere anmaßenden Superdemokraten aus unserem Glashaus auf die Zielscheibe China werfen. Der seit 25 Jahren - wahrscheinlich unschuldig - in einer Todeszelle sitzende schwarze US-Amerikaner Abu Mumia Jamal, würde mit Sicherheit nie genobelt werden; auch die in US-Isolationshaft schmachtenden "Cuban Five" hätten keine Chance.

So wie die politisch motivierte Nobelpreisvergabe dem Liu nichts nützen wird, so schadet sie den internationalen Beziehungen zur VR China. Auf Bemühungen, die Volksrepublik in ein globales System zur Harmonisierung der Währungen und damit in ein Friedenskonzept einzufügen, wirkt sie kontraproduktiv. Dabei braucht der Westen die Regierung in Peking bei der Bewältigung existenzieller Probleme: im Kampf gegen den Klimagau, bei der Korrektur und Kontrolle der Finanzmärkte, der Regulierung des Welthandels, bei der Bekämpfung der Cyberkriminalität, der Sicherung der Urheberrechte und der Lösung regionaler Konflikte. Partnerschaft mit China als zweitgrößter Wirtschaftsmacht der Welt, Zahlmeister und Bürge US-amerikanischer und europäischer Pleitiers, ist für den Westen unumgänglich. Spuckt man einem Partner von hinten an den Frack?

In den Augen vieler chinesischer Bürger wird die Preisvergabe an Liu den gleichen Negativ-Effekt haben wie seinerzeit die Preisvergabe an den Dalai Lama: Sie wird als Angriff empfunden, als Unterstützung für jemanden, der das Große Ganze der Volksrepublik infrage stellt und der das Verhältnis zum Ausland belastet. In den Augen vieler Chinesen sinkt das Ansehen des Friedensnobelpreises nun ebenso, wie einst in unseren Augen, als die Mörder Menachem Begin, Henry Kissinger und Frederik Willem de Klerk genobelt wurden.

Das Nobelpreiskomitee ist keine auswählende Runde von der Realität enthobenen Honoratioren. Es ist eine Truppe elitärer Dienstboten des westlichen Imperiums. Diese Figuren treten der Führung der Weltmacht China nun voller Absicht auf die Füße. Der Friedensnobelpreis für Liu Xiaobo ist keine Großtat für Freiheit und Menschenrecht, sondern ein übler Fehlentscheid, dem vor allem die Hardliner in den USA und ihre Wasserträger rund um den Globus applaudieren. Nachdenklichere und um Verständigung bemühte Mitmenschen müssen die Preisvergabe als heuchlerisch und genau so kontraproduktiv empfinden, wie sie offenkundig gemeint war.

So sehr dem Geehrten Liu persönliche Freiheit und die Freiheit zur Äußerung seiner Gedanken zu gönnen wären: Für den Nobelpreis hätte es geeignetere Kandidaten gegeben.

Womit nicht der ebenfalls nominierte Helmut Kohl gemeint ist. Bekäme er den Preis, so fände das wohl den Beifall der VR China. Und wir Linken in Deutschland hätten Spaß an solcher Realsatire. Nach den Preisvergaben an Llosa und Liu vergeht uns jedoch das Lachen. Das Nobel-Komitee darf Washington und dessen Vasallen melden: Auftrag ausgeführt.

 
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  Kommentar zum Artikel von retmarut:
Mittwoch, 10.11.2010 - 14:29

Kleine Korrektur am Rande, ohne den Beitrag schmälern zu wollen:
Mumia Abu-Jamal sitzt seit dem 09.12.1981 in Haft, also fast 29 Jahre. Davon 28 Jahre in der Todeszelle im US-Bundesstaat Pennsylvania.

Außerdem finde ich, dass in dem Beitrag viel über CIA-Finanzierung etc. gemutmaßt wird, ohne diese zu belegen. Mit Spekulationen kann ich wenig anfangen und finde ich hier auch deplaziert.

Dass Liu Xiaobo und Mario Vargas Llosa aufgrund politischer Zweckmäßigkeit westlicher Staaten nominiert und vom Nobelpreis-Komitee ausgewählt wurden, ist auch anhand der öffentlich zugänglichen Quellen deutlich, da muss mensch nicht im Geheimdienstnebel stochern.

Der Friedens- wie auch der Literaturnobelpreis werden schon seit langem nach politischen Zweckdienlichkeiten vergeben, und zwar nicht nur im Sinne der USA, sondern auch europäischer Staaten; für letzteres siehe u.a. den Friedennobelpreis für Kriegspräsident Obama, was ein eindeutiger Wink mit dem Zaunpfahl seitens der "europäischen Partner" war.