Hallo, daheim Gebliebene!
Ich bin jetzt genau einen Monat in der Volksrepublik China - und habe damit, leider!, bereits mehr als die Haelfte meines Urlaubes hinter mir. Deutschland vermisse ich gar nicht sonderlich, von gelegentlichen Umtruenken, Festivitaeten und anderen Anlaessen mit Freunden + Familie, die ich hier so nicht habe, mal abgesehen...
Und meine Zeit hier in China ist viel zu knapp, das wird mir jeden Tag auf's Neue schmerzlich bewusst: mehr als ein paar oberflaechliche Eindruecke dieses riesigen Landes kann ich in so kurzer Zeit gar nicht sammeln.
Sei's drum, um eine oder gerne auch mehr erneute Reisen nach China werde ich wohl nicht drumherum kommen...
Wie ich bereits schrieb, befinde ich mich nun im laengsten "Block" meiner Reise, naemlich meinem Aufenthalt in Beijing, der Hauptstadt. Heute habe ich den ganzen Tag ueber die "Verbotene Stadt", den ehemaligen Kaiserpalast und die kaiserlichen Wintergaerten besichtigt - gegen diese riesigen, absolut symmetrisch aufgebauten und ausserordentlich aesthetischen feudalen Gebaeude wirkt jedes beliebige deutsche Schloss wie eine mickrige Hundehuette...
Der Kaiserpalast in Beijing ist die groesste Herrscherresidenz der Welt - er verfuegt genau ueber 9999 und einen "halben", also sehr kleinen, Raum, denn nur der Himmel hat, so die chinesische Legende, 10.000 Raeume.
Es ist ganz klar, dass selbst mehrere Tage nicht reichen wuerden, die gesamte Anlage zu besichtigen. So muss ich mich auch hier leider beschraenken.
Mein Urlaub hier ist nun zu ueber der Haelfte vorbei. Das ist fuer mich Anlass, eine Zwischenbilanz zu ziehen: bis jetzt habe ich all das, was ich mir vorgenommen hatte, durchfuehren koennen. Natuerlich gab es dabei Schwierigkeiten; nicht immer konnte ich puenktlich zur Minute reisen, nicht immer bekam ich sofort ein passendes Zimmer. Diese Unbilden muss ich allerdings in Kauf nehmen, wenn ich keinen Charter-Urlaub im Bus mit Reisefuehrer, der einem Zeitkontingente fuer Photos, Essen und Schlafen zuteilt, machen will: als Individualreisender mit all seinem Gepaeck auf dem Ruecken (mein Rucksack wiegt irgendwas ueber 25 Kilogramm und wird irgendwie immer schwerer ;-) hat man grosse Flexibilitaet, aber auch immer eine Portion Unsicherheit: kriege ich das benoetigte Ticket? Ist noch ein Zimmer in der Jugendherberge frei? Kostet es mehr als eingeplant?
Lohn fuer diese Muehe ist ein Einblick in's Land, den man sonst nicht bekommt: kleine Doerfer, touristisch nicht erschlossene Staedte, originale Einblicke in das Leben der normalen Bevoelkerung. Und das ist mit keinem Geld aufzuwiegen und rechtfertigt auch alle Muehen, die ich bisher so hatte...
Alles in Allem kann ich China als Reiseland nur empfehlen: die Menschen hier sind freundlich, interessiert und kooperativ; trotz Sprachbarrieren ist es mir bisher immer gelungen, mich notfalls mit Haenden und Fuessen irgendwie durchzuwurschteln. Wer ratlos mit einem Stadtplan in der Hand in Beijing auf der Strasse steht, kann damit rechnen, innerhalb kuerzester Zeit von einem hilfsbereiten Polixisten oder Passanten angesprochen zu werden, der weiterhelfen moechte.
Auch "unsicher", dass heisst bedroht oder bedraengt, habe ich mich hier noch nie gefuehlt: im Vorfeld meiner Reise bekam ich dutzende wohlmeinende Ratschlaege, diese und jene Ecken zu meiden, im Dunkeln nicht alleine auf die Strasse zu gehen, keine Geschenke anzunehmen und keine Gespraeche mit Fremden zu beginnen. Sicher hat das alles seine Berechtigung und eine Spur gesundes Misstrauen hat ja auch bekanntlich noch nie geschadet - wer sich allerdings von jeder Gefahr fernhalten will, muesste sich im Hotel einschliessen, das Zimmer nie verlassen und obendrein die Tuer verrammeln - man muss also, wenn man in Kontakt zu den hier lebenden Menschen kommen will, einen Mittelweg finden, denn sonst verbringt man seinen Urlaub autistisch und ohne Resultat.
Sicher gibt es hier Kriminalitaet, Gebiete, die man besser meidet und Vorsichtsregeln, die man einhalten sollte. Ich war nun schon oft genug alleine auch des Nachts unterwegs und habe eine ganze Menge Gespraeche mit Fremden gefuehrt - bedroht gefuehlt habe ich mich dabei nie. Wird es mir zu aufdringlich oder merkwuerdig, gehe ich halt einfach weiter - Beijing ist obendrein, wie zum Beispiel Guangzhou auch, dicht abgedeckt von Leuten, die sich um Sicherheit kuemmern. Die wenigsten davon sind regulaere Polizisten, aber jedes Hochhaus und jede Einkaufspassage hat ihren eigenen, meistens unbewaffneten oder lediglich mit Schlagstoecken versehenen Sicherheitsdienst - alleine ist man hier nie, auch um drei Uhr in der Fruehe nicht. In noch keiner Grossstadt der Welt, die ich bisher kennen lernen konnte, habe ich mich so sicher wie hier gefuehlt - das ist keine Uebertreibung.
Zurecht kommen koennen muss man in China mit einem Phaenomen, das ich so bisher noch nicht kannte: einer bisweilen totalen Kommunikationsbarriere. Als Mensch, der gerne, viel und ueberall liesst, merke ich das vielleicht besonders stark; andere moegen dies so gar nicht wahrnehmen: es kommt vor, dass ich tagelang kein Wort lesen kann, da mir die chinesischen Schriftzeichen ganz ueberwiegend unbekannt sind. Auch aus den Gespraechen anderer Leute, die man so beilaeufig aufschnappt, ist keine Silbe zu verstehen - dies ist in den Grossstaedten alles nicht weiter dramatisch, da viele Leute Englisch sprechen, eine Menge Auslaender unterwegs sind und auch die allermeisten Ausschilderungen in "Pinyin", der lateinischen Lautumschreibung der chinesischen Schrift, verfuegbar sind. In laendlich oder touristisch unberuehrten kleinstaedtischen Gebieten ist dies allerdings nicht so - dort fuehlt man sich bisweilen tatsaechlich wie ein taubstummer Analphabet, der zu keiner tieferen Kommunikation in der Lage ist....
Ansporn ist das fuer mich, nach meiner Rueckkehr ernsthaft mit derm Erlernen der chinesischen Sprache und Schrift zu beginnen - solange ich unterwegs bin, werde ich versuchen, viel Lesestoff auf Deutsch oder wenigstens Englisch aufzutreiben, um solche Phasen zu ueberbruecken. Es gibt uebrigens im chinesischen Fernsehen einen rein englisch sendenden Kanal (CCTV 9 international) und hier in Beijing wie auch in anderen Grossstaedten Fachbuchhandlungen, die ueber mehrere Etagen fremdsprachige Literatur anbieten - ganz ueberwiegend auf Englisch, aber auch auf Deutsch. Auch die groessten Zeitungen ("Beijing Rundschau", auch auf Deutsch, und die Parteizeitung "Renmin Ribao" auf Englisch) sind mehrsprachig erhaeltlich; deutsche und andere auslaendische Magazine und Zeitungen kann man hier auch kaufen.
Zumindestens, was die fremdsprachigen Buecher betrifft, werde ich bestimmt einen Karton, den ich nach Hause versenden kann, voll bekommen - bei Preisen um durchschnittlich weniger als einen Euro pro Buch und dazu hochwertiger und gut hergestellter Literatur wird mir das ncith weiter schwerfallen...
Nun denn - froh bin ich, dass ich bis jetzt mein selbstgestecktes Ziel, regelmaessig via Internet ueber meine Reise zu berichten, dank der Fortschrittlichkeit der Kommunikationstechnologie in der VR China mehr als einhalten konnte. In Beijing oder Guangzhou in's Internet zu kommen, ist sicher keine besondere Kunst; ich hatte hier aber, wie ich bereits im Journal immer wieder betont habe, selbst in den kleinsten, abgelegenste Doerfern immer die Moeglichkeit, online zu gehen - das ist viel, viel mehr, als ich vorher erwartet hatte. Dieser Fortschritt ermoeglicht es mir, in einer voellig neuen Form Reisebericht zu erstatten, der so selbst vor wenigen Jahren noch nicht denkbar war: in Echtzeit! Und dazu noch bidirektional, denn auf Fragen und Kommentare kann ich und versuche ich immer direkt einzugehen.
Von unterwegs habe ich selbstverstaendlich nur wenige Moeglichkeiten, Photos in grosser und hoher Aufloesung hochzuladen. Die Gallerien, die ich bis jetzt ins Internet gestellt habe, sind immer nur ein winziger Bruchteil des Materials, dass ich hier so photographiert habe - nach meiner Rueckkehr werde ich alles noch mal durcharbeiten und erweitern - nach Moeglichkeit und verfuegbarem Webspace werde ich zu jedem Ort, den ich hier besuche, eine oder mehrere Gallerien hochladen... etwas Geduld also bitte; mehr wird folgen!
Auch weiterhin gilt: ich bin froh ueber alle Rueckmeldungen und Fragen, denn dadurch kann ich auch erkennen, welche Themen vielleicht besonders von Interesse sind - ich will ja hier schliesslich nicht den Reisefuehrer neu schreiben, sondern durchaus auch mal zu kontroversen Bereichen und besonderen Fragen direkt vor Ort Erkundungen einziehen... diese Moeglichkeit habe ich nur hier, also: frei heraus! Wenn es mir moeglich ist, antworte ich direkt darauf und versuche, Antworten zu finden.
Ich habe noch viel Programm vor mir und dafuer viel zu wenig Zeit - deswegen fasse ich mich kurz, wuensche euch daheim alles Gute und mache mich wieder auf Tour!
Viele Gruesse, euer Secarts