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In seiner Fernsehansprache "an die Nation" am 24. Februar sagte Bundeskanzler Olaf Scholz: "Wir erleben derzeit den Beginn eines Krieges, den wir in Europa seit fast 80 Jahren nicht mehr erlebt haben."
Was für eine erbärmliche Lüge. Das Jahr 1999 ist nicht 80, sondern 23 Jahre her. Damals bombardierte die deutsche Luftwaffe Jugoslawien, über schreckliche drei Monate lang, auf Befehl einer Regierung von SPD und Grünen.
Die Krokodilstränen der Regierung haben nichts mit unseren Schmerzen zu tun. Die Sowjetunion, einst Hoffnung aller Unterdrückten und Geknechteten, Befreier der Menschheit vom Hitlerfaschismus, ist in kapitalistische Länder zerfallen. Es ist das passiert, was die Imperialisten weltweit, einschließlich unserer Ausbeuter, wollten und wollen: Den Sozialismus auslöschen. Sie haben es zum Teil geschafft. Nun führt eine frühere Sowjetrepublik gegen eine andere Krieg.

Und so bleibt uns nichts anderes übrig, das, was zurzeit in der Ukraine geschieht, mit derselben Elle zu messen, mit der wir von Kapitalisten geführte Kriege auch sonst messen. Ist es das Gleiche?
Da ist es dann schon merkwürdig, dass das, was gerade in der Ukraine geschieht, in aller Augen ein Krieg ist - während die brutale Bombardierung Jugoslawiens von der BRD niemals als Krieg bezeichnet wurde - und dieser offiziellen Lesart entspricht auch die dreiste Lüge von Olaf Scholz, siehe oben.

Auch sehr bizarr ist die Empörung über die Anerkennung der beiden Volksrepubliken im Donbass durch Russland. 1992 begann die Zerstörung Jugoslawiens mit der Anerkennung von Slowenien und Kroatien als Staaten durch die BRD, und das im Widerspruch zu den USA und im Widerspruch zur Mehrheit der Staaten der Europäischen Union. Diese Anerkennung war ein Brandbeschleuniger, der jahrelang furchtbares Leid über die Völker des zerfallenden Jugoslawien gebracht hat. Bei der Anerkennung der Volksrepubliken im Donbass genügt ein Blick auf die Landkarte, um zu sehen, dass das kein Akt der Zerstörung der Integrität der Ukraine ist. Aber Putin ist nun mal der Böse, während der BRD-Außenminister Genscher, der 1992 bei der Zerstörung Jugoslawiens maßgeblich mithalf, als geehrter und geachteter Mann sterben durfte.

Schon vor Jahren war die Aufregung groß, als "Putin" die Krim "annektierte". Was war geschehen: Die Bevölkerung der Krim hat in einer regulären Abstimmung die Lostrennung von der Ukraine und die Angliederung an Russland verlangt. Das darf nach offizieller Lesart hierzulande nicht sein. Was sein darf ist: die DDR wurde der BRD einverleibt, nicht als gleichberechtigter Partner, sondern wie ein annektiertes, kolonialisiertes Land, mit ungleichen Rechten, Bestrafung der Einwohner, wenn sie zu "staatsnah" waren (Rentenstrafrecht), mit Kriminalisierung von Menschen aus dem Staats- und Parteiapparat, mit der Deindustrialisierung des DDR-Gebiets und der Enteignung ihrer Bewohner. Abgestimmt über die Eingliederung der DDR in die BRD wurde niemals. Und dennoch ist Putin der Annektierer, und hierzulande geht es nur rein demokratisch zu.

Russland verletzt die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine, so lautet ein weiterer Vorwurf der öffentlichen Empörung. Haben diejenigen, die sich jetzt empören, auch nur eine Sekunde überlegt, was die Souveränität und territoriale Integrität Jugoslawien noch wert war, als dort die deutschen Bomben fielen? Was hat sie die Souveränität der DDR 1989/1990 geschert, als es nur noch um die Zerstörung der DDR ging? Und nicht zu vergessen ist die massive Einmischung der Bundesregierung 2014, als der damalige Außenminister Steinmeier tatkräftig mit dabei war, einen Staatsstreich in der Ukraine zu inszenieren und Marionetten der deutschen Interessen zur Macht zu verhelfen. Dabei hatte Steinmeier nicht die geringsten Berührungsängste gegenüber offenen Faschisten, militanten Antisemiten, ukrainischen Bündnispartnern der deutschen NPD. Auch dass von diesen Putschisten die russische Sprache verboten und antifaschistische Denkmäler geschleift wurden, war ihm kein Problem (Letzteres kennt er ja auch aus den behördlichen anti-antifaschistischen Maßnahmen gegen die annektierte DDR).

Russland bricht das Völkerrecht - das ist der Vorwurf, mit dem man Putin und den russischen Staat vor Gericht sehen will. Dabei wird geflissentlich übersehen, dass die NATO gar nicht nach Osten bis an die russische Grenze erweitert werden durfte. So war der Stand im Jahr 1990: "Der amerikanische Außenminister James Baker hat gegenüber Michail Gorbatschow zugesichert, dass es keine Bestrebungen geben werde, die NATO nach Osten zu erweitern, wenn ein vereinigtes Deutschland NATO-Mitglied bleiben dürfe. Unter anderem bestätigt das der damalige US-Botschafter in Moskau, Jack Matlock; er war doch dabei!" (Klaus von Dohnanyi, SPD, Interview in "der Freitag" 07/22) Dass Russland jährlich mehr bedroht wurde, und dass die Bedrohung heute schon erheblich stärker wäre, wenn nicht die Corona-Pandemie das Zusammenziehen der NATO-Truppen einschließlich der Bundeswehr an der russischen Grenze verzögert hätte - all das spielt keine Rolle für unsere so "friedfertige" Regierung.

Schluss mit der Hetze gegen Russland - das ist ein demokratisches Gebot! Keine Sanktionen gegen Russland!

Mit den Wölfen heulen wird den Frieden nicht wieder herstellen. Das Schlachtfeld ist nicht nur in der Ukraine. Die Widersprüche zwischen Imperialisten, zwischen den USA und Deutschland, werden auf dem Rücken der Völker ausgetragen. Unsere Ausbeuter schlagen sich zurzeit auf die Seite der USA. Lieber sind sie dabei gegen Russland und schießen sich lieber selber ins Knie (siehe Nord Stream 2), als dass sie Ruhe geben.
Frieden wird es erst dann geben, wenn die Imperialisten, die Kriegstreiber der Welt, gestürzt sind. Und da gilt für uns eine ganz einfache Regel, eine Jahrhunderte alte Weisheit:

Jeder kehre vor seiner eigenen Tür!

Wenn wir gegen unsere Ausbeuter, gegen Regierung und Kapital vorgehen, dann können wir auch die Völker Russlands und der Ukraine entlasten. Wenn wir die Kapitalisten, die Regierung hierzulande beschäftigen, dann ist das Friedensarbeit, dann können sie nicht mehr ihre Profitinteressen ungehindert verfolgen. Jeder Streik, jede antifaschistische Widerstandsaktion, jedes Aufbegehren gegen Rechtsentwicklung und Verelendung in diesem Land ist Kampf für den Frieden.

Wir schulden den Völkern der früheren Sowjetrepubliken keine Ratschläge und keine Verhaltensmaßregeln. Wir schulden ihnen die Wiederherstellung des antifaschistischen Friedens, für den sie so unsagbar viele Opfer gebracht haben. Wir schulden ihnen den Kampf gegen das deutsche Monopolkapital, in dessen Auftrag die Sowjetunion barbarisch überfallen worden war.
Wir schulden ihnen unseren Beitrag zur Friedenssicherung, die letztlich nur so aussehen kann, wie es in einem alten Arbeiterlied heißt:
Erst dann wird der Friede nicht mehr gestört, wenn dem Proleten die Welt gehört!
Deshalb heißt unsere Friedenslosung:

Der Hauptfeind steht im eigenen Land!

Gruppe Kommunistische Arbeiterzeitung (Fraktion "Für Dialektik in Organisationsfragen") www.kaz-online.de
27.02.2021

 
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