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Von hth

Wenn man früher die Frage nach dem 'Land der unbegrenzten Möglichkeiten' stellte, so dachte man in der Regel an die USA. Dort konnte man, so lauteten die Legenden, im wilden 'goldenen Westen' auch in Mengen Gold finden und reich werden. Heute liegt das 'Land der unbegrenzten Möglichkeiten' - im Internet. Nutzen bringend, welcher früher nicht möglich war und gleichzeitig Raum für Unheil und Verbrechen, wenn nicht Regularien und gesellschaftliche Kontrolle im Interesse des Volkes dagegen stehen. Gestern hat das Land mit der größten Internetgemeinde der Welt - China - seine Vorstellungen zur Internetnutzung in einem Weißbuch der Regierung kund getan.

Daneben gibt das Dokument auch einen Einblick in die rasante Entwicklung der letzten Jahre. In den 1980er und Anfang der 1990er Jahren war das Internet im Entwicklungsland China zunächst nur ein Diskussionsthema. Erstmals am 20. April 1994 wurde das weltweite Internet über eine 64K-Verbindung mit einem kleinen Netzwerk in Peking für Forschung und Ausbildung verbunden. Danach wurde die Entwicklung der Informationstechnologie und des Internets planmäßig und energisch vorangetrieben. 1997 wurden die Entwicklungsziele bis zum Jahr 2010 formuliert, die 2005 bis zum Jahre 2020 fortgeschrieben wurden. 2002 entstand der gesonderte 'Plan zur informationstechnischen Entwicklung' des Landes. 2006 wurden durch den Nationalen Volkskongress und 2007 durch den Parteitag der KP Chinas weitere Entwicklungsziele und -aufträge festgelegt.

Dementsprechend sind die derzeitigen Resultate. Von Anfang an wurden Glasfasernetze der Telekommunikation und dem Internet zu Grund gelegt. 8,267 Milliarden km Glasfaserleitungen, davon 840.000 km Fernleitungen wurden zwischen 1997 und 2009 gelegt. 99,3% aller Städte und 91,5% aller Dörfer haben Internetanschluss, 96% der Städte haben Breitbandverkabelung. Ende 2009 hatte China 384 Mio. Internetnutzer, das sind 28,9% der Bevölkerung und pro Jahr kommen im Schnitt 32 Mio. Nutzer hinzu. 233 Mio. dieser Nutzer arbeiten schon mit Mobilfunkverbindungen zum Internet.

Große Anstrengungen und Investitionen werden vom chinesischen Staat in Forschung und Entwicklung (F&E) organisiert, um die ständige Modernisierung und den Ausbau auf neuestem Stand voran zu treiben. Das ist auch zweifellos nötig, denn der Status der Nutzung von Informationstechnologien im Land ist sehr ungleich und deckt den Bedarf noch längst nicht. So haben im Osten, in den Küstengebieten 40% der Menschen Zugang zum Internet, im Westen sind es nur 21,5%. 72,2% aller Internetnutzer leben in Städten, 21,5% in ländlichen Gebieten.

Chinas Regierung und die Kommunistische Partei betrachten das Internet (und die Informationstechnologien) als bedeutende technologische Entwicklung, eine moderne fortschrittliche Produktivkraft und als Ausdruck menschlicher Schöpferkraft. Deren Wirkungsfelder in allen Bereichen der Gesellschaft werden als modernisierend und vorantreibend gesehen. Dazu gehören die Entwicklung der Wirtschaft von einer mengen-orientierten Produktionsweise in eine qualitäts-orientierte, die Verbreitung von e-Commerce, die Nutzung in F&E, durch Computer gesteuerte Produktions- und Managementprozesse. Dazu gehört ebenso die Nutzung in sozialen und kulturellen Bereichen: Musik, Video-Filme, Spiele, Literatur, Radio, Fernsehen gewinnen neue Möglichkeiten in Produktion und Verbreitung; 300.000 Online-Datenbanken organisierte die Regierung zur Bewahrung und Vermittlung des kulturellen Erbes der Nationalitäten; in 2009 nahmen 46 Mio. Menschen an Ausbildungen mittels Internet teil, 15 Mio. fanden durch Internet Arbeit, 14 Mio. organisierten Reisen über das Internet.

Besonderen Wert legt der chinesische Staat ferner auf die Nutzung für die Geschäfte der Regierungen auf allen Ebenen, für die Verbindung zur Bevölkerung und zur Kontrolle der Regierungen und Staatsorgane durch das Volk. 45.000 Regierungsportale waren Ende 2009 eingerichtet, darunter 75 zentrale staatliche Portale. 'e-Regierung' dient dazu, die Bürger mit Informationen zu versorgen, zu dem die Regierungen aller Ebenen per Gesetz verpflichtet sind. Eine neue Form der Offenheit in der chinesischen Gesellschaft, die ohne Internet so gar nicht denkbar und umsetzbar gewesen wäre.

Als ganz wichtig wird die Nutzung des Internets zur Beaufsichtigung der Regierungen und Staatsorgane erachtet, was in dieser Form wohl nur in wenigen Staaten der Welt als Staatspolitik formuliert wurde. In dem Weißbuch heisst es dazu: "Die chinesische Regierung hat aktiv für das Volk Bedingungen geschaffen, die Regierung zu überwachen und misst dem Internet dabei große Bedeutung bei. Die Regierungen aller Ebenen sind aufgefordert, alle ihnen durch die Öffentlichkeit und über Internet gemeldeten Probleme zeitnah zu untersuchen und zu lösen, sowie die Öffentlichkeit über die Ergebnisse zu informieren. ... Um die Berichte der Bevölkerung über korrupte und entartete Beamte u.ä. Personen zu erleichtern, haben der Oberste Gerichtshof und die Oberste Staatsanwaltschaft und andere zuständige Organe Web-Seiten für Informanten eingerichtet." Gleiches gilt für die Zentrale Kontrollkommission der KP Chinas.

Darüber hinaus ist das Internet zu einem lebendigen Kommunikationskanal zwischen KP und Staatsorganen geworden. "Das Internet ist zu einem neuen Medium der chinesischen Regierung geworden, um die Lage des Volkes kennen zu lernen und die Weisheit der Bevölkerung anzusammeln, so dass in der Folge für das Volk regiert und die Arbeit des Staates verbessert werden kann. Die über das Internet ausgedrückten Meinungen erfahren eine bisher beispiellose Aufmerksamkeit." heisst es in dem Weißbuch. Das dieses auch Wirklichkeit ist, zeigte sich bei vor und während der diesjährigen Tagungen im März des Nationalen Volkskongresses und der Politischen Konsultativkonferenz des Chinesichen Volkes.

Die chinesische Regierung macht aber auch keinen Hehl daraus, dass das Internet und die damit verbundenen Möglichkeiten im gesellschaftlichen Interesse reguliert werden müssen. Basis sind eine Reihe von Gesetzen, die im Weißbuch aufgezählt werden. Diese sind keinesfalls so gestaltet, wie uns die Propagandisten der großen imperialistischen Blöcke, vor allem die Führer der Bourgeoisie in den USA, glauben machen wollen. Wir haben das schon vor Monaten im Zusammenhang mit dem Streit zwischen Google und der chinesischen Regierung aufgezeigt. Hier Beispiele aus dem Weißbuch.

Die 2001 gegründete 'Gesellschaft für das Internet Chinas' hat es als Teil ihres Regulierungsauftrages geschafft, die Zahl der SPAM-eMails von 23% in 2002 auf 4,1% im Jahre 2009 zu drücken. Andere Organisationen widmen sich dem Schutz von Urheberrechten, vor Hackerangriffen und Schadsoftware. Ein besonderes Augenmerk gilt dem Schutz Jugendlicher, die immerhin bei chinesischen Internet-Nutzern ein Drittel ausmachen. Das Weißbuch dazu: "Das Gesetz der Volksrepublik China zum Jugendschutz fordert vom Staat, dass er Maßnahmen zum Schutz der Jugend ergreift. Diese sollen maßlose Aktivität Jugendlicher im Internet verhindern, und jeglicher Organisation oder Person die Produktion, den Verkauf, den Verleih sowie das Zugänglichmachen auf anderem Wege von elektronischen Publikationen oder Internet-Informationen untersagen, welche Pornografie, Gewalt, Mord, Terror, Spiele oder andere für Jugendliche schädliche Inhalte enthalten."

Ganz passend dazu gab die Regierung Chinas am Montag, 7.6.2010, bekannt, dass man in einer seit Februar laufenden Aktion Internet-Spielernetze mit bisher 3.430 verdächtigen Personen ausgehoben und dabei 88 Mio. Dollar Spielgeld beschlagnahmt habe. Geschlossen wurden 670 Internet-Spielcasinos hinter denen 26 illegale Organisationen standen, zum Teil mit Verbindungen ins Ausland. Diese Regulierungsaktion soll noch bis August fortgeführt werden.

Vollständiger Text des Weißbuches: hier.


Dieser Text wurde unter einer Creative-Commons-Lizenz auf der Webseite www.kommunisten.de veröffentlicht. Wir stellen diesen Text unter denselben Bedingungen online.


 
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