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•NEUES THEMA04.10.2009, 08:40 Uhr
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Dirk Grobe | ||
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Ob dieser Regierungswechsel allerdings über den Austausch des regierenden Personals hinaus tatsächlich zu einer "historischen" Wende in der japanischen Politik führt, muss sich erst noch zeigen. Die Kommunistische Partei Japans (PCJ), die bei dieser Wahl ihren Platz als viertstärkste Partei des Landes behauptete, nannte die Ablösung der LDP, die auch sie im Wahlkampf als wichtigstes Wahlziel betrieben hatte, in ihrer Erklärung zum Wahlergebnis sehr viel bescheidener einen "ersten großen Schritt vorwärts". Ein grundlegender Politikwechsel wäre durchaus möglich. Die bisherige Regierungskoalition von LDP und Komeito-Partei stürzte in dem 420 Abgeordnete umfassenden japanischen Unterhaus von bisher 331 auf nur noch 140 Mandate ab. Die DJP hingegen konnte ihre Mandatszahl von bisher 115 auf eine satte Mehrheit von 308 Abgeordneten fast verdreifachen.
Gewiss ist dies zum Teil auch das Ergebnis des japanischen Mehrheitswahlsystems, bei dem nur 120 der 420 Parlamentsitze nach dem Verhältniswahlrecht entsprechend dem Prozentanteil der Partei verteilt werden. Über die restlichen 300 Sitze entscheidet das einfache Mehrheitswahlrecht.
Aber vor allem widerspiegelt sich in diesem Ergebnis das Ausmaß der seit Jahren aufgestauten Unzufriedenheit mit der bisherigen Regierung, die durch die Auswirkungen der internationalen Wirtschaftskrise noch verstärkt wurde. Die Arbeitslosenzahl in Japan hatte mit 3,6 Millionen im Juli ihren höchsten Stand seit 1945 erreicht. Die Wirtschaftspolitik der "liberalen" Regierung war schon vor der Krise durch zunehmende Deregulierung, Ersetzung von Vollzeitarbeit durch prekäre Zeitarbeit und wachsende Armut bei gleichzeitig rasant wachsendem Reichtum der Oberschicht gekennzeichnet. Hinzu kamen die Verkrustungen, der Filz und die Finanzskandale einer seit mehr als 50 Jahre regierenden Quasi-Staatspartei.
Die "Demokraten" gewannen die Wahl vor diesem Hintergrund mit einer reichhaltigen Sammlung von Wahlversprechen. Das reichte von der Abschaffung der Autobahngebühren über die Erhöhung des Kindergelds und anderen Sozialleistungen, die Abschaffung des Schulgelds, die Einführung einer Mindestrente und Steuersenkung für Kleinunternehmen bis zur "Wiederankurbelung der Wirtschaft" durch Erhöhung des Massenkonsums, Absage an Privatisierungen und die Zusicherung, keine Erhöhung der Mehrwertsteuer zu planen. Finanziert werden soll das Ganze vor allem durch die Beendigung der "Vergeudung von Staatsgeldern", "Bürokratieabbau" u. ä. Auch die enge Anlehnung an die USA, insbesondere die Stationierung von 50 000 US-Soldaten und die Lagerung US-amerikanischer Atomwaffen in Japan sollte "hinterfragt" werden. Inzwischen hat Hatoyama in einem Telefonat mit Obama nach der Wahl allerdings erklärt, die "Allianz zwischen den Vereinigten Staaten und Japan" bleibe die Grundlage der japanischen Außenpolitik.
Eine "Reichensteuer" gehörte nicht zu Hatoyamas Programm. Der Mann, der hierzulande sogar als sozial engagierter "Linker" vorgestellt wurde, stammt selbst aus einer der reichsten und mächtigsten Familien Japans. Seiner sozialen Herkunft nach gehört er zu der seit Jahrzehnten herrschenden Oberschicht von Kapitaleignern der großen japanischen Konzerne in Verbindung mit hohen Beamten der Staatsbürokratie, monarchistischer Staatsspitze und traditionellem japanischem Militarismus. Schon Hatoyamas Großvater war Ministerpräsident, sein Vater Außenminister, sein Bruder Innenminister, alle in rechtskonservativen LDP-Regierungen. Seine Mutter gehört zum reichen Familienclan der Ishibashi; ihr Vater war Gründer des Bridgestone-Konzerns, eines der weltgrößten Reifenproduzenten. Auch Hatoyamas eigene politische Karriere begann in der LDP. Erst in den 90er Jahren trennte er sich davon.
Die Kommunistische Partei Japans hat bereits im Wahlkampf angekündigt, dass sie nach dem Wahlsieg gegenüber einer DPJ-geführten Regierung die Rolle einer "konstruktiven Opposition" übernehmen werde. Sie werde ihre Haltung zu Vorhaben dieser Regierung von Fall zu Fall entscheiden: "Unsere Haltung wird eine der Kooperation bei der Verwirklichung einer Politik im Interesse der Öffentlichkeit sein. Wir werden alles zurückweisen, was nicht im öffentlichen Interesse ist", heißt es in der Nachwahlerklärung der PCJ. Sie werde "alle Anstrengungen in Zusammenarbeit mit Volksbewegungen unternehmen", um eine neue Politik in Japan durchzusetzen.
Mit 4,94 Millionen Stimmen, ca. 30 000 mehr als bei der letzten Parlamentswahl 2005, konnte die PCJ ihre neun Abgeordnetensitze erfolgreich verteidigen, obwohl sich ihr prozentualer Stimmenanteil infolge von 7,25 auf 7,03 Prozent geringfügig verringert hat. In ihrer Erklärung verweist die KP darauf, dass sich angesichts der realen Möglichkeit einer Abwahl der LDP im Wahlkampf ein starker Trend zu einer "Zwei-Parteien-Entscheidung" entwickelt habe. Das habe sich auf das Wahlergebnis der PCJ stark ausgewirkt. Unter diesen widrigen Umständen sei der Erhalt der KP-Fraktion im Parlament ein wichtiges Ergebnis eines "guten Kampfes".
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