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•NEUES THEMA27.07.2019, 13:44 Uhr
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• Neues zum Reichstagsbrand '33
Nicht, daß wir es nicht ohnehin wissen, wer den Reichstag angesteckt hat ..., aber ein neuer Archiv-Fund weist nun eindeutig in dieselbe Richtung. Das werden die Berufslügner des Klassenfeinds so schnell nicht wegkriegen. jW heute:
Einzeltäter im Dutzend
Von SA-Kommando zum Tatort gebracht: Spektakulärer Archivfund erschüttert die These, Marinus van der Lubbe allein habe 1933 den Reichstag angezündet
Von Leo Schwarz
Ein bislang unbekanntes Dokument erschüttert die 1959/60 in einer Spiegel-Serie von dem niedersächsischen Verfassungsschutzbeamten Fritz Tobias etablierte und bis in die Gegenwart von einer Mehrheit zumindest der deutschen Zeithistoriker akzeptierte These, der Niederländer Marinus van der Lubbe habe am Abend des 27. Februar 1933 das Berliner Reichstagsgebäude allein und ohne fremde Hilfe in Brand gesteckt.
In einer von einem Notar beurkundeten, auf den 8. November 1955 datierten eidesstattlichen Versicherung von Hans-Martin Lennings, die im Archiv des Amtsgerichts Hannover aufgefunden und junge Welt vom Landeskriminalamt Niedersachsen in Kopie zur Verfügung gestellt wurde, wird beschrieben, wie van der Lubbe von einem in Zivil gekleideten dreiköpfigen SA-Kommando, dem Lennings angehörte, am Abend des Brandes in der Lützowstraße im Bezirk Tiergarten abgeholt und in den Reichstag gebracht worden war. Der Niederländer habe schlecht sehen können, sich in einem »benommenen Zustand« befunden und »kein Wort« gesprochen.
An einem Nebeneingang des Reichstagsgebäudes sei van der Lubbe »zwischen 20 und 21 Uhr« von einer Person »in bürgerlicher Kleidung« in Empfang genommen worden. Im Gebäude will Lennings bereits »einen eigenartigen Brandgeruch« wahrgenommen haben. Nach der Übergabe van der Lubbes seien die drei SA-Leute von dem Zivilisten aufgefordert worden, »so schnell wie möglich« wieder abzufahren. Später habe er van der Lubbe auf Zeitungsfotos wiedererkannt. Nach seiner Überzeugung könne van der Lubbe unmöglich der Brandstifter gewesen sein, da »nach unseren Feststellungen« der Reichstag schon gebrannt haben müsse, »als wir van der Lubbe dort ablieferten«.
1934 seien im Zuge des sogenannten Röhm-Putsches »fast alle erschossen« worden, die mit dem Reichstagsbrand zu tun gehabt hätten. Auch der Berliner SA-Chef Karl Ernst sei »nur aus diesem Grunde« erschossen worden. Lennings gibt an, damals in die Tschechoslowakei geflohen zu sein. Nach seiner Ausweisung habe er Ende 1934 und 1936/37 in verschiedenen »Schutzhaftlagern« gesessen.
Der 1904 geborene Lennings war nach eigenen Angaben seit 1924 in der »deutsch-völkischen Bewegung« aktiv und trat 1926 der NSDAP bei. Der SA habe er sich erst im Januar 1933 als »einfacher Truppführer« angeschlossen und im Februar 1933 einem SA-Trupp »zur besonderen Verwendung« angehört. Von Ernst sei diese Truppe für verschiedene »besondere Aufgaben« herangezogen worden. Den Notar in Hannover suchte Lennings dem Dokument zufolge zehn Jahre nach Kriegsende auf, um seine Aussage für ein damals diskutiertes Verfahren mit dem Ziel der Aufhebung des vom Leipziger Reichsgericht gefällten Todesurteils gegen van der Lubbe verfügbar zu machen. Der Katholik Lennings gab an, seine Aussage »aus freien Stücken auf Anraten meines Beichtvaters« gemacht zu haben. Er habe demnach vorgehabt, die Bundesrepublik »für längere Zeit« zu verlassen. 1962 ist er verstorben.
Die Erklärung von Lennings ist die erste zweifelsfrei dokumentierte Aussage einer zumindest mittelbar an der Brandstiftung beteiligten Person. Was genau am 27. Februar 1933 zwischen 21 und 22 Uhr am und im Reichstagsgebäude passiert ist, steht seit Jahrzehnten im Mittelpunkt einer erbittert geführten wissenschaftlichen und publizistischen Kontroverse. Über van der Lubbe waren bislang bereits einige Merkwürdigkeiten bekannt, die nahelegen, dass er in Berlin an Polizeispitzel geraten war, die ihn in der Absicht bestärkten, eine spektakuläre »direkte Aktion« gegen die Nazis durchzuführen. Angehörige einer »rätekommunistischen« Gruppe in Berlin, mit denen er Kontakt aufgenommen hatte, brachen die Verbindung zu ihm ab, weil sie davon ausgingen, dass er »Provokateuren« aufgesessen sei. Lennings gibt an, seinen Auftrag (und einen »schriftlichen Sonderausweis«) von einem ihm bereits bekannten »Polizeispitzel« erhalten zu haben.
Zuletzt hat der US-amerikanische Historiker Benjamin Carter Hett 2014 in seiner Arbeit »Burning the Reichstag« die Indizien und Argumente für die These zusammengetragen, dass van der Lubbe den Reichstag nicht oder zumindest nicht allein angezündet haben kann. Im Juli 2008 hatte er, am Anfang seiner Recherchen stehend, den 95jährigen Fritz Tobias in dessen Haus in Hannover aufgesucht und ihn gefragt, was eigentlich der Kern der Reichstagsbrandkontroverse sei. Tobias, schreibt Hett in seinem Buch, habe »lebhaft und klar« (»brisk and clear«) zu verstehen gegeben, dass es immer nur um die Kommunisten gegangen sei: »Sie denken, dass die Kommunisten weg sind? Sie sind nicht weg. Ihr Staat ist es, aber sie nicht.«
Das sollte heißen: Mit seinem eisernen Beharren auf der schon immer mindestens fragwürdigen Einzeltäterthese verfolgte ihr führender Vertreter das Ziel, »den Kommunisten« die »Propagandawaffe«, die ihnen durch die Freisprüche für Georgi Dimitroff und die anderen im Reichstagsbrandprozess angeklagten Kommunisten zugefallen sei, wieder zu entreißen. Und das hieß: Durchzusetzen war die Ansicht, dass nicht, wie »die Kommunisten« behaupteten, die Nazis den Reichstag angezündet hatten, um einen Vorwand für die Zerschlagung der Arbeiterbewegung und der antifaschistischen Opposition zu schaffen, sondern dass ein halbblinder, in der Verhandlung vor dem Reichsgericht von unbekannter Hand sedierter Niederländer das alles ganz allein angestellt hatte. Nebenbei und nicht ohne Absicht wurde damit nahegelegt, dass die faschistische Diktatur ihre historische Gestalt nicht planvollem Handeln, sondern wesentlich einem »Zufall« verdankt, der in der Gestalt van der Lubbes auftrat: eine brauchbare Entschuldigung für die Leute, die der NSDAP die Regierungsgewalt übertragen hatten. Es stand und steht also ein ganzes Gebäude nützlicher Geschichtsideologie auf dem Spiel, wenn die Einzeltäterthese ins Wanken gerät.
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Einzeltäter im Dutzend
Von SA-Kommando zum Tatort gebracht: Spektakulärer Archivfund erschüttert die These, Marinus van der Lubbe allein habe 1933 den Reichstag angezündet
Von Leo Schwarz
Ein bislang unbekanntes Dokument erschüttert die 1959/60 in einer Spiegel-Serie von dem niedersächsischen Verfassungsschutzbeamten Fritz Tobias etablierte und bis in die Gegenwart von einer Mehrheit zumindest der deutschen Zeithistoriker akzeptierte These, der Niederländer Marinus van der Lubbe habe am Abend des 27. Februar 1933 das Berliner Reichstagsgebäude allein und ohne fremde Hilfe in Brand gesteckt.
In einer von einem Notar beurkundeten, auf den 8. November 1955 datierten eidesstattlichen Versicherung von Hans-Martin Lennings, die im Archiv des Amtsgerichts Hannover aufgefunden und junge Welt vom Landeskriminalamt Niedersachsen in Kopie zur Verfügung gestellt wurde, wird beschrieben, wie van der Lubbe von einem in Zivil gekleideten dreiköpfigen SA-Kommando, dem Lennings angehörte, am Abend des Brandes in der Lützowstraße im Bezirk Tiergarten abgeholt und in den Reichstag gebracht worden war. Der Niederländer habe schlecht sehen können, sich in einem »benommenen Zustand« befunden und »kein Wort« gesprochen.
An einem Nebeneingang des Reichstagsgebäudes sei van der Lubbe »zwischen 20 und 21 Uhr« von einer Person »in bürgerlicher Kleidung« in Empfang genommen worden. Im Gebäude will Lennings bereits »einen eigenartigen Brandgeruch« wahrgenommen haben. Nach der Übergabe van der Lubbes seien die drei SA-Leute von dem Zivilisten aufgefordert worden, »so schnell wie möglich« wieder abzufahren. Später habe er van der Lubbe auf Zeitungsfotos wiedererkannt. Nach seiner Überzeugung könne van der Lubbe unmöglich der Brandstifter gewesen sein, da »nach unseren Feststellungen« der Reichstag schon gebrannt haben müsse, »als wir van der Lubbe dort ablieferten«.
1934 seien im Zuge des sogenannten Röhm-Putsches »fast alle erschossen« worden, die mit dem Reichstagsbrand zu tun gehabt hätten. Auch der Berliner SA-Chef Karl Ernst sei »nur aus diesem Grunde« erschossen worden. Lennings gibt an, damals in die Tschechoslowakei geflohen zu sein. Nach seiner Ausweisung habe er Ende 1934 und 1936/37 in verschiedenen »Schutzhaftlagern« gesessen.
Der 1904 geborene Lennings war nach eigenen Angaben seit 1924 in der »deutsch-völkischen Bewegung« aktiv und trat 1926 der NSDAP bei. Der SA habe er sich erst im Januar 1933 als »einfacher Truppführer« angeschlossen und im Februar 1933 einem SA-Trupp »zur besonderen Verwendung« angehört. Von Ernst sei diese Truppe für verschiedene »besondere Aufgaben« herangezogen worden. Den Notar in Hannover suchte Lennings dem Dokument zufolge zehn Jahre nach Kriegsende auf, um seine Aussage für ein damals diskutiertes Verfahren mit dem Ziel der Aufhebung des vom Leipziger Reichsgericht gefällten Todesurteils gegen van der Lubbe verfügbar zu machen. Der Katholik Lennings gab an, seine Aussage »aus freien Stücken auf Anraten meines Beichtvaters« gemacht zu haben. Er habe demnach vorgehabt, die Bundesrepublik »für längere Zeit« zu verlassen. 1962 ist er verstorben.
Die Erklärung von Lennings ist die erste zweifelsfrei dokumentierte Aussage einer zumindest mittelbar an der Brandstiftung beteiligten Person. Was genau am 27. Februar 1933 zwischen 21 und 22 Uhr am und im Reichstagsgebäude passiert ist, steht seit Jahrzehnten im Mittelpunkt einer erbittert geführten wissenschaftlichen und publizistischen Kontroverse. Über van der Lubbe waren bislang bereits einige Merkwürdigkeiten bekannt, die nahelegen, dass er in Berlin an Polizeispitzel geraten war, die ihn in der Absicht bestärkten, eine spektakuläre »direkte Aktion« gegen die Nazis durchzuführen. Angehörige einer »rätekommunistischen« Gruppe in Berlin, mit denen er Kontakt aufgenommen hatte, brachen die Verbindung zu ihm ab, weil sie davon ausgingen, dass er »Provokateuren« aufgesessen sei. Lennings gibt an, seinen Auftrag (und einen »schriftlichen Sonderausweis«) von einem ihm bereits bekannten »Polizeispitzel« erhalten zu haben.
Zuletzt hat der US-amerikanische Historiker Benjamin Carter Hett 2014 in seiner Arbeit »Burning the Reichstag« die Indizien und Argumente für die These zusammengetragen, dass van der Lubbe den Reichstag nicht oder zumindest nicht allein angezündet haben kann. Im Juli 2008 hatte er, am Anfang seiner Recherchen stehend, den 95jährigen Fritz Tobias in dessen Haus in Hannover aufgesucht und ihn gefragt, was eigentlich der Kern der Reichstagsbrandkontroverse sei. Tobias, schreibt Hett in seinem Buch, habe »lebhaft und klar« (»brisk and clear«) zu verstehen gegeben, dass es immer nur um die Kommunisten gegangen sei: »Sie denken, dass die Kommunisten weg sind? Sie sind nicht weg. Ihr Staat ist es, aber sie nicht.«
Das sollte heißen: Mit seinem eisernen Beharren auf der schon immer mindestens fragwürdigen Einzeltäterthese verfolgte ihr führender Vertreter das Ziel, »den Kommunisten« die »Propagandawaffe«, die ihnen durch die Freisprüche für Georgi Dimitroff und die anderen im Reichstagsbrandprozess angeklagten Kommunisten zugefallen sei, wieder zu entreißen. Und das hieß: Durchzusetzen war die Ansicht, dass nicht, wie »die Kommunisten« behaupteten, die Nazis den Reichstag angezündet hatten, um einen Vorwand für die Zerschlagung der Arbeiterbewegung und der antifaschistischen Opposition zu schaffen, sondern dass ein halbblinder, in der Verhandlung vor dem Reichsgericht von unbekannter Hand sedierter Niederländer das alles ganz allein angestellt hatte. Nebenbei und nicht ohne Absicht wurde damit nahegelegt, dass die faschistische Diktatur ihre historische Gestalt nicht planvollem Handeln, sondern wesentlich einem »Zufall« verdankt, der in der Gestalt van der Lubbes auftrat: eine brauchbare Entschuldigung für die Leute, die der NSDAP die Regierungsgewalt übertragen hatten. Es stand und steht also ein ganzes Gebäude nützlicher Geschichtsideologie auf dem Spiel, wenn die Einzeltäterthese ins Wanken gerät.
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•NEUER BEITRAG28.07.2019, 23:37 Uhr
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Otto Köhler kommentiert in der jW von morgen:
Der Spiegel schweigt
Archivfund zum Reichstagsbrand
Von Otto Köhler
Otto Köhler war von 1966 bis 1972 Medienkolumnist des Spiegel
Der einstige Verfassungsschützer Fritz Tobias durfte sich Ende 1959 im »Nachrichtenmagazin« in einer elfteiligen Artikelfolge auslassen. Mit durchschlagendem Erfolg: »Über den Reichstagsbrand wird nach dieser Spiegel-Serie nicht mehr gestritten werden. Es bleibt nicht der Schatten eines Beleges, um den Glauben an die Mittäterschaft der Naziführer lebendig zu erhalten. Einer Jahrhundertlegende wird der Todesstoß oder, um im Bilde zu bleiben, der Dolchstoß versetzt. Wir haben künftigen Geschichtsschreibern ein kleines Stück Kärrnerarbeit abgenommen, was dem Journalisten nur höchst selten und mit viel Glück vergönnt ist.«
Das verkündete urbi et orbi der Spiegel-Gründer Rudolf Augstein – am 25. November darf seine Mannschaft in der großen Montagskonferenz das sechzigjährige Jubiläum dieses Lehrschreibens begehen. Seit dem Tag dieser Verlautbarung hat sich manches verändert. Der Spiegel ist vom Hamburger Pressehaus – ewigliche Goebbels-Worte ruhen in dessen Fundament – 1968 bunt lackiert an den Dovenfleet gezogen, und seit 2011 liegt das neue imponierende Spiegel-Gebäude direkt am Hafen, an der Ericusspitze. Immobil, aber ansonsten kaum unterscheidbar von den Riesenkreuzfahrtschiffen, die alle Hafenstädte der Welt verpesten.
Die Nachricht, dass das Augstein-Dogma geplatzt ist, kam am Freitag nachmittag nach 15 Uhr. Die junge Welt räumte zügig die Titelseite der Wochenendausgabe frei, auch andere Blätter berichteten: Die Nazis haben ihre Unschuld am Reichstagsbrand verloren. Der Historiker Hersch Fischler hat zusammen mit seinem Kollegen Conrad von Meding im Nachlass des Spiegel-Autors Fritz Tobias ein Dokument entdeckt, das die Unschuld des angeblichen Brandstifters Marinus van der Lubbe belegt. Tobias, der vom Staatsschutz kam, sorgte sich um seine wieder eingestellten Nazikollegen. Das Dokument durfte daher nicht an die Öffentlichkeit gelangen, es hätte seine These vom Einzeltäter van der Lubbe widerlegt. Der ehemalige SA-Mann Hans-Martin Lennings bekundete am 4. November 1955 – also vier Jahre vor der von Tobias verfassten und von Augstein zum Nachweis der Naziunschuld erhobenen Spiegel-Serie –, dass er zusammen mit anderen SA-Leuten den Kommunisten van der Lubbe auf Befehl im Auto zum Reichstag gebracht habe. Dort roch man schon den Rauch des Feuers, das van der Lubbe, der verspätet angeliefert wurde, der Legende nach erst entzünden sollte.
2001 noch hatte der Spiegel mit einem Eiersalat historischer Mutmaßungen abermals das Augstein-Dogma bestätigt: Der völlig ahnungslose Vegetarier Hitler habe gerade zu Hause bei dem ebenso unschuldigen Goebbels (der speiste Forelle) Eier mit Salat verzehrt, als Auslandspressechef Ernst Hanfstaengl anrief: Der Reichstag brennt. Die so gespielte Ahnungslosigkeit der Naziführer wurde zur Schlüsselszene für das Unschuldsdogma. Fritz Tobias hatte sie Hanfstaengls Memoiren entnommen. Und viele deutsche Geschichtswissenschaftler, zuletzt der angesehene Zeit-Historiker Volker Ullrich, haben das von ihm abgeschrieben, einschließlich der Quellenangabe. Hätten sie in dem von ihnen gewissenhaft angegebenen Hanfstaengl-Buch auch nur einmal nachgeschlagen, auf der gegenüberliegenden Seite hätten sie es gefunden: Hanfstaengl fühlte sich als Opfer eines Fakes – er glaubte, dass die Überraschung von Hitler und Goebbels gespielt gewesen sei.
Alle maßgebenden Medien haben inzwischen – wenigstens auf ihren Webseiten – über das neue Dokument berichtet, das die Nazitäterschaft am Reichstagsbrand belegt. Aber einer schweigt: der Spiegel, er schweigt jetzt schon zwei Tage lang (wenigstens bis zum jW-Redaktionschluss, Sonntag 17.30 Uhr). Zeit hatte er zu sprechen. Innerhalb der wenigen Stunden, die ihm bis zum Redaktionsschluss blieben – die Onlineausgabe wurde am Freitag gegen 19 Uhr ins Netz gestellt. Zu dieser Zeit musste auch die gedruckte Auflage abgeschlossen sein, es hätte an der Spitze des neuen Heftes noch eine neue Hausmitteilung geben können. Und über die vielen Websites, über die es verfügt, hätte das geübte Nachrichtenmagazin Stellung nehmen oder wenigstens die selbst vom Basisdienst der dpa vermeldete Nachricht von der Entdeckung liefern können.
Ja, er, der Spiegel, hätte sogar diesen Fund aus der Welt schaffen können. Einer tat es: Sven-Felix Kellerhoff, der geübte Fälscher von der alten Welt, der schon einmal ein ganzes Buch erfand, um dessen Autor besser verleumden zu können (jW, 28.2.2012). Kellerhoff hat am Samstag in einem Interview mit dem Deutschlandfunk Kultur überzeugend erklärt, dass das von »windigen Experten« präsentierte neue Dokument nicht aussagekräftig sei. Warum? Ganz einfach: Es stimmt nicht mit den Ermittlungsakten der damals schon ganz vom Nazigeist infizierten Politischen Polizei Preußens über den Tagesablauf van der Lubbes überein.
Liebe Kollegen vom Spiegel, macht diesen Relotius der Geschichtswissenschaft zu Eurem neuen – Ihr habt doch schon so viele Nieten verbraucht – Chefredakteur. Ihr kommt aus Eurer Verlegenheit heraus und der versierte, hochrenommierte Fälscher könnte an der Spitze des Spiegels seine Fähigkeiten voll entfalten.
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Der Spiegel schweigt
Archivfund zum Reichstagsbrand
Von Otto Köhler
Otto Köhler war von 1966 bis 1972 Medienkolumnist des Spiegel
Der einstige Verfassungsschützer Fritz Tobias durfte sich Ende 1959 im »Nachrichtenmagazin« in einer elfteiligen Artikelfolge auslassen. Mit durchschlagendem Erfolg: »Über den Reichstagsbrand wird nach dieser Spiegel-Serie nicht mehr gestritten werden. Es bleibt nicht der Schatten eines Beleges, um den Glauben an die Mittäterschaft der Naziführer lebendig zu erhalten. Einer Jahrhundertlegende wird der Todesstoß oder, um im Bilde zu bleiben, der Dolchstoß versetzt. Wir haben künftigen Geschichtsschreibern ein kleines Stück Kärrnerarbeit abgenommen, was dem Journalisten nur höchst selten und mit viel Glück vergönnt ist.«
Das verkündete urbi et orbi der Spiegel-Gründer Rudolf Augstein – am 25. November darf seine Mannschaft in der großen Montagskonferenz das sechzigjährige Jubiläum dieses Lehrschreibens begehen. Seit dem Tag dieser Verlautbarung hat sich manches verändert. Der Spiegel ist vom Hamburger Pressehaus – ewigliche Goebbels-Worte ruhen in dessen Fundament – 1968 bunt lackiert an den Dovenfleet gezogen, und seit 2011 liegt das neue imponierende Spiegel-Gebäude direkt am Hafen, an der Ericusspitze. Immobil, aber ansonsten kaum unterscheidbar von den Riesenkreuzfahrtschiffen, die alle Hafenstädte der Welt verpesten.
Die Nachricht, dass das Augstein-Dogma geplatzt ist, kam am Freitag nachmittag nach 15 Uhr. Die junge Welt räumte zügig die Titelseite der Wochenendausgabe frei, auch andere Blätter berichteten: Die Nazis haben ihre Unschuld am Reichstagsbrand verloren. Der Historiker Hersch Fischler hat zusammen mit seinem Kollegen Conrad von Meding im Nachlass des Spiegel-Autors Fritz Tobias ein Dokument entdeckt, das die Unschuld des angeblichen Brandstifters Marinus van der Lubbe belegt. Tobias, der vom Staatsschutz kam, sorgte sich um seine wieder eingestellten Nazikollegen. Das Dokument durfte daher nicht an die Öffentlichkeit gelangen, es hätte seine These vom Einzeltäter van der Lubbe widerlegt. Der ehemalige SA-Mann Hans-Martin Lennings bekundete am 4. November 1955 – also vier Jahre vor der von Tobias verfassten und von Augstein zum Nachweis der Naziunschuld erhobenen Spiegel-Serie –, dass er zusammen mit anderen SA-Leuten den Kommunisten van der Lubbe auf Befehl im Auto zum Reichstag gebracht habe. Dort roch man schon den Rauch des Feuers, das van der Lubbe, der verspätet angeliefert wurde, der Legende nach erst entzünden sollte.
2001 noch hatte der Spiegel mit einem Eiersalat historischer Mutmaßungen abermals das Augstein-Dogma bestätigt: Der völlig ahnungslose Vegetarier Hitler habe gerade zu Hause bei dem ebenso unschuldigen Goebbels (der speiste Forelle) Eier mit Salat verzehrt, als Auslandspressechef Ernst Hanfstaengl anrief: Der Reichstag brennt. Die so gespielte Ahnungslosigkeit der Naziführer wurde zur Schlüsselszene für das Unschuldsdogma. Fritz Tobias hatte sie Hanfstaengls Memoiren entnommen. Und viele deutsche Geschichtswissenschaftler, zuletzt der angesehene Zeit-Historiker Volker Ullrich, haben das von ihm abgeschrieben, einschließlich der Quellenangabe. Hätten sie in dem von ihnen gewissenhaft angegebenen Hanfstaengl-Buch auch nur einmal nachgeschlagen, auf der gegenüberliegenden Seite hätten sie es gefunden: Hanfstaengl fühlte sich als Opfer eines Fakes – er glaubte, dass die Überraschung von Hitler und Goebbels gespielt gewesen sei.
Alle maßgebenden Medien haben inzwischen – wenigstens auf ihren Webseiten – über das neue Dokument berichtet, das die Nazitäterschaft am Reichstagsbrand belegt. Aber einer schweigt: der Spiegel, er schweigt jetzt schon zwei Tage lang (wenigstens bis zum jW-Redaktionschluss, Sonntag 17.30 Uhr). Zeit hatte er zu sprechen. Innerhalb der wenigen Stunden, die ihm bis zum Redaktionsschluss blieben – die Onlineausgabe wurde am Freitag gegen 19 Uhr ins Netz gestellt. Zu dieser Zeit musste auch die gedruckte Auflage abgeschlossen sein, es hätte an der Spitze des neuen Heftes noch eine neue Hausmitteilung geben können. Und über die vielen Websites, über die es verfügt, hätte das geübte Nachrichtenmagazin Stellung nehmen oder wenigstens die selbst vom Basisdienst der dpa vermeldete Nachricht von der Entdeckung liefern können.
Ja, er, der Spiegel, hätte sogar diesen Fund aus der Welt schaffen können. Einer tat es: Sven-Felix Kellerhoff, der geübte Fälscher von der alten Welt, der schon einmal ein ganzes Buch erfand, um dessen Autor besser verleumden zu können (jW, 28.2.2012). Kellerhoff hat am Samstag in einem Interview mit dem Deutschlandfunk Kultur überzeugend erklärt, dass das von »windigen Experten« präsentierte neue Dokument nicht aussagekräftig sei. Warum? Ganz einfach: Es stimmt nicht mit den Ermittlungsakten der damals schon ganz vom Nazigeist infizierten Politischen Polizei Preußens über den Tagesablauf van der Lubbes überein.
Liebe Kollegen vom Spiegel, macht diesen Relotius der Geschichtswissenschaft zu Eurem neuen – Ihr habt doch schon so viele Nieten verbraucht – Chefredakteur. Ihr kommt aus Eurer Verlegenheit heraus und der versierte, hochrenommierte Fälscher könnte an der Spitze des Spiegels seine Fähigkeiten voll entfalten.
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•NEUER BEITRAG07.08.2019, 15:08 Uhr
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"Ja, er, der Spiegel, hätte sogar diesen Fund aus der Welt schaffen können. Einer tat es: Sven-Felix Kellerhoff, der geübte Fälscher von der alten Welt, der schon einmal ein ganzes Buch erfand, um dessen Autor besser verleumden zu können (jW, 28.2.2012). Kellerhoff hat am Samstag in einem Interview mit dem Deutschlandfunk Kultur überzeugend erklärt, dass das von »windigen Experten« präsentierte neue Dokument nicht aussagekräftig sei. Warum? Ganz einfach: Es stimmt nicht mit den Ermittlungsakten der damals schon ganz vom Nazigeist infizierten Politischen Polizei Preußens über den Tagesablauf van der Lubbes überein."
Zu den seinerzeitigen putzigen Ermittlungsmethoden der preußischen Schmiere steht heute etwas in der jW:
Kontroverse um den Reichstagsbrand
»Das kann ich nicht sagen«
Hochbetrieb am Reichstag: Wer waren die Mittäter van der Lubbes?
Von Leo Schwarz
Alle Brandexperten, die sich »von 1933 bis heute« näher mit dem Feuer im Reichstagsgebäude befasst hätten, seien, wie Benjamin Hett 2014 schrieb, zu der Überzeugung gelangt, dass es »irgendwo zwischen höchst unwahrscheinlich und unmöglich« sei, dass Marinus van der Lubbe in der ihm zur Verfügung stehenden Zeit das Feuer im Plenarsaal allein und ohne Hilfe verursacht habe. Außerhalb des Plenarsaales fanden sich nur kleinere, zum Teil von allein erloschene Brand- und Schmorstellen, die er dagegen durchaus allein verursacht haben kann.
Van der Lubbe war 1931 aus dem Jugendverband der Kommunistischen Partei Hollands ausgeschlossen worden und hatte sich der »Gruppe Internationaler Kommunisten« (GIC) angeschlossen, die über recht enge (von den Ermittlern später vollkommen ignorierte) Verbindungen nach Deutschland verfügte. Am 18. Februar 1933 war er in Berlin eingetroffen, wo er mit hoher Wahrscheinlichkeit mehrere Kontaktadressen aufsuchte. Das Lennings-Dokument stützt die Annahme, dass er dabei an einen oder mehrere Polizeispitzel geriet, die ihn in die vorbereitete Inszenierung eines »kommunistischen Aufstandes« einspannten. Seine Selbstbezichtigungen dürften ein Versuch gewesen sein, die entkommenen »Genossen« zu schützen. Vor dem Reichsgericht betonte er in einem seiner wenigen wachen Momente, den Plenarsaal nur durchquert und dabei zwei Vorhänge angezündet zu haben. Angesprochen auf die nachgewiesenen Brandstellen auf dem Präsidententisch, den Abgeordnetenplätzen, der Regierungsbank usw., erklärte er: »Das kann ich gar nicht sagen, wer das angesteckt hat.«
Van der Lubbe war nicht der einzige Mensch, den die Polizei in der Brandnacht am Reichstag aufgriff: Der NSDAP-Reichstagsabgeordnete Herbert Albrecht rannte gegen 21.35 Uhr – nur ein paar Minuten nach der Festnahme van der Lubbes – aus dem Portal V an der Nordseite, ohne auf Rufe zu reagieren; Polizisten verfolgten ihn und stellten seine Identität fest. In seinem Abschlussbericht über die Brandermittlungen log Kriminalkommissar Walter Zirpins am 3. März, dass es sich hier um eine »noch nicht ermittelte Person« gehandelt habe. Kurz nach Mitternacht bemerkte ein Polizeiwachtmeister eine weitere Gestalt, die sich innerhalb der Stunden zuvor vorgenommenen Absperrung »aus dem Schatten des Gebäudes loslöste«. Die Person, ein gewisser Wilhelm Heise, trug Ausrüstungsgegenstände eines Schornsteinfegers sowie neun Universalschlüssel bei sich und gab an, »häufig im Reichstag tätig zu sein«. Dem Eindruck des Polizisten nach bemühte er sich, »starke Trunkenheit« vorzutäuschen. Er wurde nach einer Gegenüberstellung mit zwei NSDAP-Reichstagsabgeordneten bereits um 4.45 Uhr entlassen und nie wieder befragt.
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Zu den seinerzeitigen putzigen Ermittlungsmethoden der preußischen Schmiere steht heute etwas in der jW:
Kontroverse um den Reichstagsbrand
»Das kann ich nicht sagen«
Hochbetrieb am Reichstag: Wer waren die Mittäter van der Lubbes?
Von Leo Schwarz
Alle Brandexperten, die sich »von 1933 bis heute« näher mit dem Feuer im Reichstagsgebäude befasst hätten, seien, wie Benjamin Hett 2014 schrieb, zu der Überzeugung gelangt, dass es »irgendwo zwischen höchst unwahrscheinlich und unmöglich« sei, dass Marinus van der Lubbe in der ihm zur Verfügung stehenden Zeit das Feuer im Plenarsaal allein und ohne Hilfe verursacht habe. Außerhalb des Plenarsaales fanden sich nur kleinere, zum Teil von allein erloschene Brand- und Schmorstellen, die er dagegen durchaus allein verursacht haben kann.
Van der Lubbe war 1931 aus dem Jugendverband der Kommunistischen Partei Hollands ausgeschlossen worden und hatte sich der »Gruppe Internationaler Kommunisten« (GIC) angeschlossen, die über recht enge (von den Ermittlern später vollkommen ignorierte) Verbindungen nach Deutschland verfügte. Am 18. Februar 1933 war er in Berlin eingetroffen, wo er mit hoher Wahrscheinlichkeit mehrere Kontaktadressen aufsuchte. Das Lennings-Dokument stützt die Annahme, dass er dabei an einen oder mehrere Polizeispitzel geriet, die ihn in die vorbereitete Inszenierung eines »kommunistischen Aufstandes« einspannten. Seine Selbstbezichtigungen dürften ein Versuch gewesen sein, die entkommenen »Genossen« zu schützen. Vor dem Reichsgericht betonte er in einem seiner wenigen wachen Momente, den Plenarsaal nur durchquert und dabei zwei Vorhänge angezündet zu haben. Angesprochen auf die nachgewiesenen Brandstellen auf dem Präsidententisch, den Abgeordnetenplätzen, der Regierungsbank usw., erklärte er: »Das kann ich gar nicht sagen, wer das angesteckt hat.«
Van der Lubbe war nicht der einzige Mensch, den die Polizei in der Brandnacht am Reichstag aufgriff: Der NSDAP-Reichstagsabgeordnete Herbert Albrecht rannte gegen 21.35 Uhr – nur ein paar Minuten nach der Festnahme van der Lubbes – aus dem Portal V an der Nordseite, ohne auf Rufe zu reagieren; Polizisten verfolgten ihn und stellten seine Identität fest. In seinem Abschlussbericht über die Brandermittlungen log Kriminalkommissar Walter Zirpins am 3. März, dass es sich hier um eine »noch nicht ermittelte Person« gehandelt habe. Kurz nach Mitternacht bemerkte ein Polizeiwachtmeister eine weitere Gestalt, die sich innerhalb der Stunden zuvor vorgenommenen Absperrung »aus dem Schatten des Gebäudes loslöste«. Die Person, ein gewisser Wilhelm Heise, trug Ausrüstungsgegenstände eines Schornsteinfegers sowie neun Universalschlüssel bei sich und gab an, »häufig im Reichstag tätig zu sein«. Dem Eindruck des Polizisten nach bemühte er sich, »starke Trunkenheit« vorzutäuschen. Er wurde nach einer Gegenüberstellung mit zwei NSDAP-Reichstagsabgeordneten bereits um 4.45 Uhr entlassen und nie wieder befragt.
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