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NEUES THEMA22.08.2008, 19:20 Uhr
 Kollektiv 
Sommercamp 'Makarenko'
• 7. Kapitel - Fiktives Kapital
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Die ersten vier Teile des 7. Kapitels können hier als separate Artikel gelesen werden. Ihr Inhalt stimmt mit der Kommunistischen Arbeiterzeitung (KAZ) #299 überein.
Fiktives Kapital [ I ] - Börse - Krieg - Krise index.php?show=article&id=685Fiktives Kapital [ II ] - Was ist fiktives Kapital?Fiktives Kapital [ III ] - Was bestimmt die Börsenkurse? index.php?show=article&id=686Fiktives Kapital [ IV ] - Sonstige Formen fiktiven Kapitals index.php?show=article&id=688

I.h) Zur Kreditkrise
„Ist meine Bank schon pleite und sollte ich schnell meine Schulden abheben?“

Seit Anfang August tickern vermehrt Meldungen über die Krise verschiedener Banken in den Nachrichten. Von riesigen Milliardenbeträgen ist die Rede, eine Landesbank wird ohne Parlamentssitzung übers Wochenende verkauft, die Europäische Zentralbank stellte an einzelnen Tagen bis zu 90 Milliarden Euro Kredit zur Verfügung. Wie hängt das alles zusammen, was steckt hinter den etwas hektisch anmutenden Meldungen, und was hat es mit uns zu tun?

Der Grundwiderspruch zwischen privater Aneignung und gesellschaftlicher Produktion

[test7_html_mbba341e.gif]Im Kapitalismus erfolgt die Produktion und Verteilung der Waren nicht nach den Bedürfnissen der Mehrheit der Menschen, sondern nach den Profitinteressen der besitzenden Minderheit (Kapitalisten). Das Profitinteresse ist der Maßstab für ökonomisches Handeln. Dies führt zu Anarchie und Chaos auf allen wirtschaftlichen Gebieten, völlig unnützen Produkten einerseits, Mangel und Elend anderseits, zu unzureichender technischer Entwicklung, ständig steigenden Kosten und damit Verschwendung für Werbung usw. Nicht diejenigen, die die Werte schaffen entscheiden was und wie produziert wird, sondern die Regulierung erfolgt durch die zahlungskräftige Nachfrage. Die Nachfrage wäre - insbesondere weltweit - weit höher als das, was derzeit produziert wird. Schon die Grundbedürfnisse werden vielerorts nicht befriedigt, Milliarden Menschen hungern und haben kein sauberes Wasser. Die Kapitalisten lassen nur das produzieren, was auch verkauft wird, bzw. was sie glauben verkaufen zu können. Die Größe, die sie beachten, ist die zahlungskräftige Nachfrage, sie wollen (und können im Kapitalismus auch nicht) nichts verschenken. Daraus folgt in kapitalistischer Logik, dass die Produktionsmenge weit niedriger ist als das, was produziert werden könnte. Die Produktionsanlagen für weit mehr Produkte sind vorhanden, aber der Absatz ist das Problem, die Betriebe sind nicht ausgelastet. Dieser Zustand ist in Zeiten des Monopolkapitalismus längst zu einem Dauerzustand, zur allgemeinen Krise geworden - auch in sogenannten Aufschwungphasen, wie sie uns in Deutschland gerade mal wieder eingeredet werden.

Gleichzeitig versuchen in der kapitalistischen Konkurrenz immer wieder die einzelnen Unternehmen die Menge doch etwas zu steigern, mehr abzusetzen, machen Billigaktionen, verlängern die Ladenöffnungszeiten usw. Auch wenn in der Summe nicht mehr abgesetzt werden kann, so versucht der Einzelkapitalist, das einzelne Monopol, noch einen Tick mehr zu schaffen, seine Produktionsmenge zu Lasten anderer zu steigern. In der Summe steht am Ende - trotz der Unterauslastung der Betriebe - ein Produktionsüberhang, der garnicht mehr abgesetzt wird und zu Kapitalvernichtung führt, also in irgendwelchen Lagern verrottet, verfault, kaputtgeht. Diese Überproduktion steigt in Krisenzeiten an, führt zu erhöhten Konkursen, verringert den Profit und bewirkt so eine Umkehr des ursprünglich Ziels: Der Gewinn fällt, weil zuviel produziert wurde, es werden Arbeiter entlassen, weil zuviel produziert wurde, die Armut wächst, weil zuviel Reichtum geschaffen worden ist.

Diesen je nach Lage mehr oder weniger stark ausgeprägten Vorgang der Überproduktion versucht das Kapital abzumildern, so wie eben geschehen in den USA durch überhöhte Ausweitung der Kreditvergabe an Privatkunden. Den grundlegenden Widerspruch zwischen Produktionsmöglichkeiten auf der einen Seite und den Grenzen der Konsumtionsfähigkeit auf der anderen kann es jedoch nicht lösen. Dies ist auch der Ausgangspunkt für die aktuelle Bankenkrise.

Was die Immobilienkredite in den USA ...

Wie verkauft man Risiken und Kredite?

Im Kern funktionieren diese Geschäfte ähnlich wie eine Versicherung. Die amerikanischen Banken haben zunächst die einzelnen Kredite an die Privatleute ausgezahlt. Eine größere Anzahl der Einzelkredite wird dann von der amerikanischen Bank in große Beträge zusammengefasst, zum Beispiel 10.000 Einzelkredite von je 100.000 US-Dollar zu einem „Paket“ von 1.000.000.000 US-Dollar (in Worten: Eine Milliarde US-Dollar). Diese eine Milliarde kauft dann zum Beispiel die deutsche Sachsen LB insgesamt der amerikanischen Bank ab, zahlt ihr also die zuvor an die Häuslebauer ausgegebene Milliarde zurück. Dafür erhält die Sachsen LB entsprechend Zinsen, der amerikanische Häuslebauer merkt davon nichts, er hat weiterhin nur mit „seiner“ Bank einen Kreditvertrag. Zusätzlich übernahm die Sachsen LB jedoch das Risiko aus den Krediten, also das Risiko, dass die Häuslebauer nicht zurückzahlen können. Dafür erhält sie zusätzlich einen Betrag, sozusagen eine Prämie als Ausgleich für das übernommene Risiko. Die amerikanische Bank war damit das Risiko wieder los und hatte frisches Geld, um neue Kredite auszugeben, sie war sozusagen gegen die Nichtzahlung ihrer Kunden jetzt versichert. Je nachdem, wie viele der 10.000 Kredite am Ende wirklich nicht zurückbezahlt werden, hat die Sachsen LB hierbei einen Gewinn oder einen Verlust im Verhältnis zu der mit der Risikoübernahme erhaltenen Prämie. Ganz wie eine Versicherung eben (im modernen Finanzwesen sind Banken und Versicherungen und ihre Geschäfte ohnehin weitgehend verschmolzen). Nachdem nun die Zahlungsunfähigkeit vieler Kunden eingetreten ist oder droht, hat z.B. die Sachsen LB hohe Verluste, die Einnahmen aus der erhaltenen Prämie sind viel zuwenig. Sie haben keine angemessene Risikoeinschätzung gemacht (oder machen können, weil kapitalistischen Wirtschaften eben Anarchie ist und bleibt...).

Ursächlich für die Krise sind somit nicht irgendwelche anonymen, scheffelnden und raffenden Aasgeier, sondern die ganz gewöhnlichen, kapitalistischen Gesetzmäßigkeiten, die Gier nach Profiten, die an anderer Stelle aufgrund der permanenten Überproduktion und des Falls der Profitrate nicht realisiert werden können. Diese Situation weckt entsprechende Fantasie und neue Formen der alten Kreditgeschäfte des Kapitals. Doch sie können damit der Grundsituation nicht entkommen und dies heißt dann eben ab und an Kapitalvernichtung und weitere Konzentration des Kapitals (Übernahme der schwächelnden Banken).In den USA ist es traditionell in höherem Maße üblich als z.B. in der BRD seine Wohnung/Haus zu kaufen statt zur Miete zu wohnen. Dabei wird oftmals ein großer Teil (oder sogar alles) auf Bankkredit finanziert. Statt Miete zahlt man halt Zinsen an die Bank. Die relativ1 geringere Staatsverschuldung und insgesamt weniger Kreditaufnahmen der Betriebe führten in den vergangenen Jahren zu sehr niedrigen Zinsen, auch in den USA. Um den fehlenden Profit durch die geringere Kreditnachfrage von Staat und Betrieben auszugleichen, begannen die Banken verstärkt günstige Kredite für Hauskäufer anzubieten. Oftmals wurden diese dann mit den zeitweilig besonders günstigen kurzfristigen, variablen Zinsen finanziert. Dahinter steht die Tatsache, dass es tendenziell etwas günstiger ist, sich Geld für einen kürzeren Zeitraum zu leihen, als zum Beispiel für 10 Jahre die Zinsen fest zu vereinbaren.2 Es war somit im ersten Schritt „billiger“ sich das Geld zu leihen, aber es gab keine Festschreibung der Zinsen für einen längeren Zeitraum. Auch bei denjenigen, die Festschreibungen hatten, war der Zins zunächst ungewöhnlich niedrig. Bei Verlängerung (nach Ablauf der ersten Festschreibung) ging es dann sprunghaft nach oben. Auf diesen Aspekt weist der langjährige Chef der US-Notenbank Alan Greenspan hin: „Der niedrige Realzins habe den Immobilienboom ausgelöst.“3

Zusätzlich zu diesen günstigen Krediten zum Häuserkauf wurden nach gleichem Modell massenhaft auch bereits (zumindest teilweise) abbezahlte Häuser aufs Neue beliehen, um Autos, Reisen und sonstige Konsumgüter, für die der Lohn nicht reichte, zu bezahlen. Und dies kam nicht nur den Banken gelegen, um Kredite zu verkaufen, sondern auch der Industrie die so - Stichwort Überproduktion/Unterauslastung der Betriebe - mehr absetzen konnte als nach dem Monatseinkommen der Werktätigen an zahlungskräftiger Nachfrage eigentlich vorhanden war. Es erfolgte sozusagen vorweggenommener Konsum.

Die ganze Veranstaltung führte in den letzten Jahren zunächst dazu, dass die Preise für Wohneigentum noch in die Höhe gingen, weil aufgrund der zunächst günstigen Kredite mehr Käufer vorhanden waren. Mehr Nachfrage bedeutet steigende Preise. Dies minderte die Sorge vor den Risiken der laufenden Kredite wie zum Beispiel bei Arbeitsplatzverlust. Im Gegenteil, weil das Haus ja jetzt „mehr wert war“, konnte man möglicherweise für dasselbe Haus noch einen Kredit bekommen usw. Über einige Jahre verdienten die Banken, Bau- und Konsumgüterindustrie gut und die privaten Kreditnehmer wähnten sich in Sicherheit. Doch wie das bei kapitalistischen Spekulationsveranstaltungen immer so ist, brechen sie früher oder später in sich zusammen. Als die Zinssätze auch wegen der künstlich angeheizten Kreditvergabe stiegen, wirkte dies direkt auf die Häuslebauer, die den vorher günstigen Zins ohne Festschreibung gewählt hatten. Schon allein bei 1%-Punkt Steigerung war die Erhöhung der Zinskosten locker ein Viertel und viele konnten die Raten schon bald nicht mehr zahlen. Gleichzeitig kam der Markt für Hauskäufer ins Stocken, die Immobilienpreise purzelten.

Die Kreditnehmer kamen von zwei Seiten in Schwierigkeiten: höhere Zinskosten und geringere Werte ihrer Häuser trieben viele zu Notverkäufen oder gar in die Zwangsversteigerung, die immer schlechteste Preise bedeutet. Dies ging dann auch nicht spurlos an den Banken vorüber, Kredite (Forderungen) in Milliardenhöhe mussten abgeschrieben (in Buchhaltersprache: „wertberichtigt“) werden. Die kapitalistische Anarchie ist wieder einmal vollendet: Sie zogen aus, ihre Profite zu sichern und zu erhöhen, am Ende steht Kapitalvernichtung und Pleite. Wie viele Milliarden hierbei letztlich auf dem Spiel stehen, weiß niemand genau. Fest steht aber, dass nicht wenige Banken erklärt haben, bzw. gezwungen wurden, bis auf weiteres garkeine Kredite mehr herauszugeben.

... mit der Schieflage deutscher Banken zu tun haben

[test7_html_m57b73362.gif]Was hat dies nun alles mit unseren „soliden“ deutschen Banken zu tun? Auch die deutschen Banken befanden sich in der Situation, dass das Geschäft in einigen Bereichen nicht so viel einbrachte wie man anstrebte. Der Profit war im Verhältnis zum eingesetzten Kapital (Profitrate) in den letzten Jahren auch nicht üppig4, zumindest aber unterhalb der selbst erklärten Ziele, der sogenannten internationalen Benchmark. Schließlich schläft die Konkurrenz nicht!48 Und da trafen sich zwei, die sich brauchen konnten. Die deutschen Banken wollten an dem boomenden Kreditmarkt der USA mitverdienen und die amerikanischen Finanzierer brauchten neue Mittel, um die Maschine am Laufen zu halten und wollten gleichzeitig die aufgebauten Risiken aus den Geschäften teilweise weitergeben (das nennt man vornehm: „streuen“).

Entgegen der zumeist chauvinistischen Propaganda, das amerikanische Kapital würde in Deutschland einfallen und den geschundenen deutschen Mittelstand erwürgen, ist es nämlich so, dass in den letzten Jahren der Kapitalexport von Deutschland nach Amerika höher war als umgekehrt.5 Also die deutschen Banken wollten mitverdienen an dem leckeren Schröpfen der Häuslekäufer in den USA und bei deren Verschuldung und Enteignung ein gutes Stück abbekommen. Mit steigender Chance auf Rendite wird das Kapital bekanntlich kühn (K. Marx). Und so übernahmen sie gegen ihrer Meinung nach gute Preise Risiken aus dieser Kreditmaschine, um Verluste in ihrem schwächelnden, hiesigen Heimatmarkt auszugleichen. Wer genau und wieviel kann bis heute nur vermutet werden. Dies liegt auch daran, dass die Übernahme dieser Risiken aus den Krediten in juristisch/wirtschaftlich relativ komplizierten Geschäften erfolgt, wo bezweifelt werden darf, ob die Handelnden diese auch immer in vollem Umfang selbst verstanden haben. Gute Auftragslage für Fachjuristen zur Aufklärung dürfte gegeben sein.

Öffentlich bekannt ist bisher auf jeden Fall, dass sich zwei nennenswerte Banken damit an den Rand des Konkurses gebracht haben und dadurch hektische Aktivitäten ausgelöst worden sind.

Nur 2 Banken weniger zum Nutzen der großen Bankmonopole?

Was sind Zentralbanken und wie „drucken“ diese Geld?

Zentralbanken dürfen nicht verwechselt werden mit den kommunalen Sparkassen oder (im Wesentlichen) nach Bundesländern strukturierten Landesbanken (wie NORD LB, Landesbank Baden-Württemberg, West LB usw.). Zentralbanken sind direkt staatliche Einrichtungen, deren Aufgabe das Funktionieren der jeweiligen Währungen sind. Die Deutsche Bundesbank (Zentralbank der BRD) hatte somit die Aufgabe, die Währung Deutsche Mark herauszugeben. Dies beinhaltete ursprünglich den Druck der Geldscheine (Banknoten)* und die Vereinnahmung des damit verbundenen Gewinns (Seignorage), der dem Staatshaushalt zugeführt wird. Mit Fortschreiten der kapitalistischen Entwicklung trat diese Funktion gegenüber der Geldbereitstellung auf den Konten der Banken (Giralgeld) bei der Zentralbank jedoch immer mehr in den Hintergrund. Dieses Kontogeld wird (gegen Zinsen) an die Banken regelmäßig herausgegeben und stellt letztlich nichts anderes dar als „Gelddrucken“, nur eben nicht in Papierform und in ganz anderen Beträgen. Die Zentralbanken haben somit die Aufgabe, einem gewissen Ausgleich zwischen den Banken herzustellen und so das Funktionieren einer Währung sicherzustellen.

Bei Einführung des Euro haben die Zentralbanken der Euro-Länder wesentliche Aufgaben wie die Bargeldausgabe und die Versorgung der Banken mit bestimmten Krediten an die Europäische Zentralbank übertragen. Die Europäische Zentralbank befindet sich quasi als Kopfstelle im Eigentum der weiterhin vorhandenen nationalen Zentralbanken. Die nationalen Zentralbanken sind somit durch den Euro nicht aufgelöst worden, die Kapitalanteile an der Europäischen Zentralbank sind entsprechend der politischen und ökonomischen Macht gewichtet. Die deutsche Bundesbank hat entsprechend den größten Anteil an der Europäischen Zentralbank und logischerweise auch den größten Einfluss, die EZB hat ihren Sitz in Frankfurt/Main usw.

Im Zuge der Entwicklung der Zahlungsschwäche einiger Banken durch die Immobiliengeschäfte in den USA, „druckte“ die Europäische Zentralbank somit für sehr kurze Zeit (einen oder wenige Tage) Beträge von bis zu 90 Milliarden Euro. Sie übernahm damit das Risiko, welches die Banken untereinander - auch gegen Zinszahlung - nicht mehr tragen wollten, weil ihnen die Rückzahlung von der anderen Bank nicht mehr sicher erschien. Mit diesem Gelddrucken durch die Zentralbank ist man schon an dem Punkt, wo große Verluste für den Staatshaushalt oder auch steigende Inflation deutlich näher rücken, dem Sprengstoff also für eine Bankenkrise, letztlich eine große kapitalistische Krise. Gleichzeitig kann diese staatliche Intervention über die Europäische Zentralbank durchaus dazu führen, dass die möglicherweise schon gezündete Lunte des Sprengstoffs gelöscht wird und die Aktion den Geschäftsbetrieb aufrechterhält. Dies ist immer erst hinterher zu beurteilen!

* Die Prägung der Münzen erfolgt zwar auch durch die Bundesbank. Der daraus resultierende Gewinn wird aber direkt dem Finanzministerium/Staatshaushalt zugeführt. Der Finanzminister besitzt das sogenannte Münzregal. Letztlich eine völlig nebensächliche und in ihrem Umfang unbedeutende Tatsache.Man muss immerhin viele Jahre zurückgehen, um Vergleichbares zu finden: Anfang August meldet die IKB (Industrie Kreditbank), dass sie quasi über Nacht pleite ist. Übers Wochenende übernehmen die staatseigene KfW (Kreditanstalt für Wideraufbau), die Deutsche Bank, Commerzbank, Sparkassen und Volksbanken insgesamt 3,5 Milliarden Euro des Risikos. Dass dabei die staatseigene KfW mit 2,5 Milliarden den übergroßen Teil des Verlustes trägt, entspricht der bekannten Logik, wonach Verluste verstaatlicht und Gewinne privatisiert werden. Die IKB ist immerhin eine der insgesamt 100 Aktiengesellschaften aus dem M-DAX (der nach den DAX-Firmen sozusagen 2.Liga der börsennotierten Aktiengesellschaften). Und diese Maßnahme dürfte die Einleitung einer Übernahme durch die inländische Konkurrenz sein (natürlich erst, nachdem der Staat die angefallenen Verluste - siehe oben - reguliert hat...): „Immer mehr Bankhäuser bringen sich für einen späteren Verkauf der staatlichen Anteile an der schwer angeschlagenen IKB in Stellung... Ein späterer Verkauf sei für die an der Rettungsaktion der IKB beteiligten Banken eine Vorbedingung gewesen, ohne die sie nicht an dem Risikoschirm teilgenommen hätten, heißt es in Finanzkreisen... Beobachter erwarten, dass ein Verkaufsprozess für die IKB schon in diesem Jahr beginnen kann. Noch haben die von der KfW entsandten Manager alle Hände voll zu tun, die Bank aus der Krise herauszumanövrieren.“6

Mitte August hat sich dann auch die Sachsen LB (Landesbank in Sachsen) geoutet. Nachdem man über eine Woche behauptete, es gäbe keine Probleme, stellten die Sparkassen gemeinschaftlich eine Kreditlinie von 17 Milliarden Euro zur Verfügung, womit die Zahlungsfähigkeit gesichert werden soll. Wie hoch die Verluste in diesem Fall sind, bleibt noch unklar. Die Sachsen LB ist eine der kleinen Landesbanken in Deutschland, aber die einzige, die bereits gegen damals vielfältige Widerstände in der einverleibten DDR durch das neue Land Sachsen eigenständig gegründet wurde. In den vier anderen neu konstruierten Bundesländern hatten die angrenzenden Landesbanken des Westens einfach eine Expansion durchgeführt, sodass keine Landesbanken entstehen konnten. Das System der Landesbanken ist etwas schwer verständlich. Sie sind sozusagen die Spitzen der örtlichen Sparkassen, die im Zusammenschluss - gemeinsam mit den jeweiligen Bundesländern - Eigentümer dieser Landesbanken sind. Sie sollen eigentlich größere Kredite an die Firmen des jeweiligen Bundeslandes vergeben, um „den Mittelstand zu fördern“. Also Dinge tun, die gerade kleinere Sparkassen nicht eigenständig können oder sollten. Was die Übernahme von Risiken aus Immobilienkrediten an amerikanische Privatleute damit zu tun hat, fragen sich da sicherlich manche...

Aber dies ist nicht Ausdruck schlechten Managements oder mangelnder Kontrolle. Es ist einfach kapitalistische Logik und Eigendynamik, die bei diesen Banken (trotz gewissem Sonderstatus) eine Verselbstständigung herbeiführt, die die Politiker im Aufsichtsrat in der Regel auch garnicht verhindern wollen. Eine starke Landesbank gibt ihnen in anderer Hinsicht auch wieder Mittel in die Hand, die ihnen nützlich sind und so betreiben Landesbanken seit Jahrzehnten Geschäfte, die mit ihrer ursprünglichen Konzeption nichts zu tun haben. Der sächsische Ministerpräsident Milbradt begründet in einem Interview diese Geschäfte der Sächsischen Landesbank: „In der Zeit, als ich noch Finanzminister war, wurden durch Geschäfte außerhalb Sachsens die Verluste im Freistaat subventioniert, die etwa im Immobilienbereich oder im Firmenkundengeschäft entstanden waren... Aber man hat sich im Risiko des Aufbau Ost auch vertan. Nicht nur wir in Sachsen, die ganze Bankenwelt hat Riesenbeträge abgeschrieben und die mussten ja irgendwo anders erwirtschaftet werden.“7

Das Ergebnis des Versuchs, Zusatzprofite zu erzielen, wird nun wohl auch bei der Sachsen LB sein, dass sie von einer anderen Landesbank, der Landesbank Baden Württemberg (LBBW), übernommen wird. Die anfallenden Verluste tragen das Bundesland Sachsen und die Sparkassen, die ja letztlich auch kommunales Eigentum darstellen. Irgendwie bleibt es zwar in der Familie, weil auch Landesbanken eigentlich öffentliches Eigentum sind, aber Verlust bleibt Verlust. Das Ganze zeigt somit auch, dass Eigentum in staatlicher Hand durchaus nicht bedeutet, dass es im Sinne der Mehrheit der Bevölkerung des Landes eingesetzt wird. Jetzt auf jeden Fall darf diese Mehrheit erst einmal wieder zusehen, wie die Verluste mit ihren Steuern bezahlt werden. Sie kann mit Staunen feststellen, dass staatliche Eingriffe, wie der durch die Zentralbanken, in diesem Moment keineswegs als „pseudosozialistische Staatswirtschaft“, unzulässige Subvention oder grober Widerspruch zum Marktablauf, betitelt wird. Obwohl dies doch genau dies ist: Der anarchistische, kapitalistische Markt steht vor dem totalen Chaos, die Banken trauen sich gegenseitig nichts mehr zu, letzte Ausfahrt Staatseingriff! Und da übernimmt die staatseigene KfW-Bank auch mal eben quasi „übers Wochenende“ Verluste von einigen Milliarden, um die Stimmung zu beruhigen.

Ähnlich verlief die Entwicklung in Großbritannien um die Hypothekenbank Nothern Rock: „In einer überraschenden Ankündigung versicherte der britische Schatzkanzler Alistair Darling am späten Montagabend, dass das Finanzministerium und die Bank von England - wenn nötig - Vorkehrungen treffen würden, um die Kundeneinlagen bei Nothern Rock vollständig abzusichern. Diese Absicherung solle im Notfall auch für andere Banken in der Finanzkrise gelten.“8

Täglich versucht man uns zu erklären, dass der Staat sparen muss, für Sozialleistungen, Renten, Busfahrkarten nichts da ist, ein paar Milliarden für eine Bank sind - auch außerplanmäßig - immernoch drin. Die Subvention des Kapitals ist und bleibt der Normalzustand im Kapitalismus. Oder anders: Diese Subventionen und natürlich auch die Renten und Busfahrkarten sind nichts anderes als Machtfragen, mit angeblich viel oder wenig in der Staatskasse hat das nur am Rande zu tun!

Oder haben wir es mit einer ausgewachsenen Bankenkrise zu tun?

Bisher ist nicht klar, welchen Umfang diese Kapitalvernichtung durch nicht rückzahlbare Kredite noch annehmen kann. Die großen Bankmonopole sind bisher angeblich nur in geringerem Umfang betroffen.9 Gleichzeitig macht sich Misstrauen breit. Es gibt Hinweise, dass das ganze Rad doch etwas größer sein könnte. Beispielsweise sind die bisher reibungslos ablaufenden Geschäfte, diese Kreditrisiken aus den Hausfinanzierungen weiter zu verkaufen, fast vollständig zum Erliegen gekommen. Entgegen ihrer ursprünglichen Planung müssen die Banken jetzt die Kredite in den eigenen Büchern behalten: „Mit am meisten betroffen ist die Deutsche Bank, die Darlehen über 29 Milliarden Euro nicht los wird. Dies entspricht rund 80 Prozent ihres Eigenkapitals.“10 Dabei ist das eigentliche Risiko wahrscheinlich nur ein kleiner Teil der genannten 29 Milliarden. Aber die Handlungsweise, dass plötzlich die Geschäfte nicht mehr durchgeführt werden und die Banken gegenseitig nur noch Misstrauen haben, bringt im Extremfall den Gesamtprozess ins Stocken. Dies ist bereits der Hintergrund der hohen Kreditbeträge, die die Zentralbanken zur Verfügung stellen.11 Einige Banken benötigten diese Mittel um reibungslos zahlungsfähig zu bleiben. Andere Banken hatten entsprechende Guthaben, gaben diese aber entgegen der jahrzehntelang geübten Praxis plötzlich nicht mehr an die anderen gegen Zinsberechnung heraus. Dadurch kann sich eine an sich noch problemlos handhabbare Vernichtung von Kapital (im Maßstab einiger Milliarden, was so gesehen nicht viel ist) zu einer ausgewachsenen Krise steigern. Es kommt das Einzelinteresse der jeweiligen Bank klar heraus und jeder „sitzt auf seinem Geld“. Wäre dies sozusagen eine große Kasse, wäre sie ausgeglichen. Im Kapitalismus sind es aber viele Einzelkassen, der Widerspruch der Vergesellschaftung der Produktion und der privatkapitalistischen Aneignung des dadurch entstehenden Reichtums tritt konkret hervor. Und dies möglicherweise in einem Umfang, der die Vernichtung eben dieses privat angeeigneten Reichtums nach sich zieht (das Kapital wird vernichtet, weil es sich privat angeeignet wurde). Die Zentralisation des Kapitals durch die Banken kehrt sich quasi um, das Kapital wird nicht mehr zur Verfügung gestellt, einige Banken sitzen plötzlich „auf dem Trockenen“. Setzt sich dies in größeren Umfang fort, wird die Kreditvergabe insgesamt eingeschränkt und der Kapital- und Warenkreislauf gerät ins Stocken. Dabei hilft es im Zweifel nichts, wenn die Bank noch genug Vermögenswerte hat, sofern diese momentan nicht mehr „flüssig“ gemacht werden können. Liquidität bedeutet Zeit, bedeutet Zahlungsfähigkeit. Ist diese nicht vorhanden, nutzt es nichts zu versprechen: „Ich zahle in vier Wochen...“ Spätestens hier erreicht der Ablauf eine Dimension, die durch die Zentralbanken nicht mehr aufgefangen werden kann und dann die gesamte Ökonomie bestimmt. Was mit dem Versuch begann, die „verhaltene“ Nachfrage durch Kredite anzukurbeln, könnte so dazu führen, dass Kredite in weit überdurchschnittlichem Umfang nicht mehr bedient werden können und folglich die Kreditvergabe extrem eingeschränkt wird, was die Abwärtsspirale erst richtig in Fahrt bringt.

Wie gesagt, ob es aktuell so kommt, kann derzeit nicht beurteilt werden. Doch schon die Vorgänge jetzt zeigen, wie wenig das Gerede, man habe Krisen im Griff, man brauche bloß noch bessere Kontrollen der Banken usw. usf. wert ist. Und sie zeigen, dass sich die Arbeiter zu wappnen haben. Denn es ist eben nicht vorhersehbar, wann sich solche Krisenerscheinungen zuspitzen - und damit alle Widersprüche. Zu lösen sind diese Widersprüche nur durch Beseitigung des Kapitalismus. Solange die Arbeiterklasse dazu zu schwach ist, wird die Monopolbourgeoisie versuchen, sie auf ihre Art und Weise zu lösen: durch zunehmende Gewalt nach Innen und Außen.

Es stellt sich also aktuell weniger die Frage, ob wir unser nicht vorhandenes Geld von den Banken holen müssen, als die Aufgabe, uns im Kampf gegen Faschismus und Krieg zu stärken!

Arbeitsgruppe Zwischenimperialistische Widersprüche


Anmerkungen:
1 Dies hat nichts damit zu tun, das z.B. in Deutschland Dispositionskredite auf dem Girokonto teurer sind als zum Beispiel längerfristige Baukredite. Dies zeigt nur, dass die Banken aus diesen kurzfristigen Krediten deutlich mehr verdienen, die „Zinskurve“ ist im Normalfall dennoch anders, kurzfristig geliehenes Geld ist „billiger“, was man in den USA an die Kunden weitergegeben hat.
2 Alan Greenspan, Chef US-Notenbank von 1987-2006.
3 Hier wirkt als weitere kapitalistische Gesetzmäßigkeit der tendenzielle Fall der Profitrate. Dieser resultiert daraus, dass in der kapitalistischen Entwicklung immer mehr fixes, konstantes Kapital eingesetzt werden, immer mehr Maschinen, Anlagen, Gebäude für den Wirtschaftsprozess eingesetzt werden, der von den arbeitenden Menschen geschaffene Mehrwert (in der Summe = Profit) jedoch nicht in gleichem Umfang steigen kann. Im für das Kapital entscheidenden Verhältnis von Profit zu eingesetztem Kapital führt dies zu einer Reduzierung der Erträge in %, bezogen auf das Gesamtkapital. Dieser Fall ist nicht linear und kann unter Umständen vorübergehend gebremst oder zu Lasten der Arbeiter aufgehalten werden, allerdings nicht dauerhaft. Er bewirkt steigende Aggressivität und Risikobereitschaft (bis zur Gefahr des eigenen Untergangs) der Kapitalisten, insbesondere im imperialistischen Stadium des Kapitalismus.
4 „In dieser Krise zeigt sich das Dilemma der deutschen Banken... Obwohl in den vergangenen Jahren durchaus Fortschritte erzielt wurden, erwirtschaften die hiesigen Institute weitaus weniger Gewinne, als angesichts der derzeitigen Wirtschaftslage eigentlich angemessen wäre. Dabei war das Jahr 2006 insgesamt sogar ein Rückschritt.“ FAZ 24.09.2007 -> Die Ursache ist die in rückständigem Bundeslanddenken verhaftete Struktur der Sparkassen und Landesbanken und die weitgehend gescheiterten Fusionen der letzten Epoche. Die Folge ist steigende Aggressivität, um den Rückstand aufzuholen. Entsprechend empfiehlt der Schreiberling des oben zitierten Artikels dann auch stärkeren Expansionsdrang...
5 So betrugen die Unternehmensübernahmen deutscher Käufer in den USA von 1998 bis 2006 insgesamt 157 Mrd. Dollar, wohingegen amerikanische Käufer in Deutschland Firmen für 123 Mrd. Dollar übernahmen, nach FAZ 17.02.2007.
6 Nur nebenbei sei dazu angemerkt, dass jeder, der das unsägliche „Heuschrecken“-Geschrei tätigt, erstmal etwas sagen möge zu dem was insbesondere der Daimler-Konzern mit der Übernahme und dem jetzigen Wiederabstoßen Chryslers angerichtet hat (Massenentlassungen, gesteigerte Ausbeutung usw.).
7 Frankfurter Allgemeine Zeitung 13.09.2007.
8 Süddeutsche Zeitung (SZ) 07.09.2007.
9 Frankfurter Allgemeine Zeitung 19.09.2007.
10 Stand Ende September 2007.
11 Frankfurter Allgemeine Zeitung 14.09.2007.
12 So die Europäische Zentralbank EZB Anfang August an einem Tag rd. 90 Milliarden Euro.



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