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NEUES THEMA22.08.2008, 15:36 Uhr
 Kollektiv 
Sommercamp 'Makarenko'
• 1. Kapitel - Arbeitswerttheorie
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I.a) Einführung

Die Wissenschaft der politischen Ökonomie analysiert die jeweiligen Produktions- und Austauschweisen verschiedener menschlicher Gesellschaftssysteme.

Die Menschen haben verschiedenste Bedürfnisse, die sie befriedigen müssen, um fortzubestehen. Einige davon sind Grundbedürfnisse, wie z.B. das Bedürfnis nach Nahrung. Andere wiederum entstehen erst aus der sozialen und kulturellen Entwicklung der Menschen, wie z.B. das Bedürfnis nach Bildung. Zur Befriedigung dieser Bedürfnisse nutzt der Mensch seine Umwelt; er eignet sich die Natur an und formt diese um. Die Tätigkeit, die bewusst eingesetzt wird, um etwas zu schaffen, das ein Bedürfnis befriedigt, ist Arbeit; das Ergebnis der Arbeit ein Produkt.

Der einzelne Mensch kann allerdings nicht nur für sich selbst arbeiten und längerfristig davon leben. Allein zur Reproduktion braucht er mindestens einen weiteren Menschen anderen Geschlechts. Darüber hinaus ist seine Arbeit in einem gesellschaftlichen Zusammenhang wesentlich produktiver, weil es ihm ermöglicht, sich zu spezialisieren und von anderen zu lernen. Die Menschen arbeiten also in kleineren oder größeren Gruppen, und diese Gruppen bilden Gesellschaftssysteme.

Ein gesellschaftliches System ist größtenteils bestimmt durch die Produktivkräfte, die seine Basis bilden; also durch die Werkzeuge, Hilfsmittel und Maschinen, die zur Verfügung stehen, aber auch durch die Arbeitsfähigkeit der Menschen dieser Gesellschaft. Je nach Stand hauptsächlich der Produktivkräfte, aber auch anderer, konkreter Bedingungen (wie Rohstoffvorkommen, Klima, etc.), bilden sich spezifische, charakteristische Organisationsverhältnisse der gesellschaftlichen Arbeit heraus, die Produktionsverhältnisse. Auf der materiellen Basis einer Gesellschaft - den Produktivkräften, die in einem Produktionsverhältnis organisiert sind - erhebt sich ein Überbau, der die gesellschaftlichen Verhältnisse der Menschen zueinander vermittelt: Kunst, Kultur, Recht, Religion, Politik, Wissenschaft u.v.m. sind allesamt Teile eines solchen Überbaus und abhängig von der jeweiligen ökonomischen Basis, auf die sie wiederum zurückwirken. Durch diese Wechselwirkung ergeben sich viele ökonomische und soziale Gegensätze, teils temporär und vergänglich, teils systemimmanent und antagonistisch, die die Gesellschaft selbst in verschiedene, konkurrierende Schichten oder Klassen spalten. Die Produktivkräfte werden in dieser Dynamik stets fortentwickelt und treiben ihrerseits die Widersprüche auf die Spitze, bis die ganze bisherige Produktionsweise durch eine neue, dem Stand der Produktivkräfte angemessenere ersetzt wird - oft zum Nachteil der jeweils herrschenden Klasse, doch vorteilhaft für die Gesellschaft insgesamt.

Der einzelne Mensch muss koordiniert mit den anderen arbeiten, damit die Gesellschaft funktionieren kann. Nur als solches gesellschaftliches Wesen kann er überleben und sich weiterentwickeln; und nur mit solchen gesellschaftlichen Menschen kann die Gesellschaft leben und sich weiterentwickeln. Dem vorherrschenden Produktionsverhältnis muss sich der Einzelne unterordnen; er tritt dadurch in gesellschaftliche Beziehungen mit seinen Mitmenschen, die durch seine und ihre ökonomischen Beziehungen bestimmt werden. Die Bedürfnisse einer Gesellschaft müssen durch Arbeitsprodukte befriedigt werden, die Produkte müssen dazu verteilt werden. Die angemessene Koordination dieser beiden Tätigkeiten, das Wirtschaften, ergibt sich aus dem jeweiligen Stand der ökonomischen Wissenschaft (der natürlich wieder bedingt ist durch das Niveau der Produktivkräfte: die alten Römer konnten keine Mehrwertsteuer erfinden, und der moderne kapitalistische Staat wird die zyklischen Krisen nicht überwinden).

I.b) Teilung der Arbeit

Die Grundlage allen Wirtschaftens ist die Teilung der Arbeit.

So, wie die Menschen unterschiedlich sind, in Geschlecht, Alter, Geschick, Kraft, Schnelligkeit etc., so sind auch verschiedene Arbeiten unterschiedlich. Schnell findet sich, dass bestimmte Menschen zu bestimmten Tätigkeiten besser geeignet sind als andere. Zum Beispiel kann ein kräftiger Mann in der menschlichen Frühgeschichte besser jagen als ein anderer, geschickter Mann, der wiederum die Nahrung besser zubereiten kann. Wenn sich diese Personen nun auf ihre Fähigkeiten spezialisieren, werden sie sie mit der Zeit noch besser ausbilden und eben noch effizienter ausführen können - Übung macht den Meister. Der Vorteil dieses Vorgehens ist Zeitersparnis.

Stellen wir uns zwei Urmenschen vor, die von ihrem Stamm zur Nahrungssuche geschickt wurden. Einer von ihnen ist flink, groß und kräftig, der andere geschickt, schlank und ausdauernd. Zuerst gehen beide in unterschiedlichen Gebieten jagen. Der kräftige Mann bringt am Tag 5 Rehe zur Strecke, der andere nur eins. Am nächsten Tag gehen sie Früchte sammeln. Der geschickte Mann kann gut klettern und erntet 200 Äpfel, der andere fällt oft vom Baum und bekommt vielleicht 30. Schließlich teilen sie sich die Arbeit auf und bringen täglich 5 Rehe und 200 Äpfel. Mit der Zeit bekommen unsere beiden Männer mehr Übung in ihrem Gebiet, sodass sie zur Nahrungsbeschaffung nicht mehr den ganzen Tag arbeiten müssen.

In der Zeit, die sie einsparen, können sie sich entspannen, oder sie arbeiten weiter und schaffen kleine Reserven für unsichere Zeiten oder für das Wachstum ihrer Gemeinschaft. Nach und nach werden so aus den spezifischen Tätigkeiten einiger Leute, die sie aufgrund ihrer Begabungen ausführen, durch Gewöhnung Berufe. Die Berufe, und damit die dahintersteckenden Menschen, werden charakterisiert durch ihr spezifisches Produkt und durch das jeweilige Werkzeug, das sie benutzen.

Die Produktionsmittel, also Werkzeuge und Hilfsmittel, werden mit steigender Arbeitsteilung zunehmend wichtiger für die Arbeit. Schnell wird das Werkzeug vom bloßen Arbeitszubehör zu ihrer Voraussetzung. Gewissermaßen gehört auch das Wissen und die Erfahrung über einen Produktionsprozess zu den Werkzeugen; es wird über Generationen aufbewahrt, weitergegeben und stets durch die ständige praktische Erfahrung erweitert. Da aufgrund höherer Effizienz durch Spezialisierung zunehmend weniger Menschen bestimmte Tätigkeiten ausüben, tragen diese immer höhere Verantwortung. Sie beginnen ihre Hilfsmittel und Werkzeuge zu pflegen, zu reparieren und weiterzuentwickeln. Mit der Weiterentwicklung der Produktionsmittel vergrößert sich schließlich auch die Menge der Konsumtionsmittel. Die Menschen fangen an Möglichkeiten zu erfinden, um kleine Vorräte zu lagern und Techniken zu entwickeln, um Beute frischzuhalten.

Mit zunehmender Erfahrung in der Teilung der Arbeit wachsen auch die menschlichen Gruppen an. Der Zuwachs an Menschen wiederum stellt die Kollektive vor neue Herausforderungen, die ihrerseits die Produktivkräfte fordern. Der geschichtliche Fortschritt ist das Werk der kollektiven Menschen; und je größer diese Kollektive werden, desto rasanter entwickeln sie sich weiter.

Dadurch, dass verschiedene Leute verschiedene Tätigkeiten ausüben und somit verschiedene Produkte schaffen, allerdings alle mehr oder weniger ähnliche Bedürfnisse und somit gleichmäßigen Bedarf an Produkten haben, ergibt sich die Notwendigkeit der Verteilung ihrer Produkte. Sie stehen sich innerhalb der Gesellschaft plötzlich als ökonomisch unterschiedliche Produzenten, aber ökonomisch gleiche Konsumenten gegenüber. Ein erster Gegensatz tut sich hier auf. In den frühesten Zeiten menschlicher Geschichte wurden die Produkte der Gesellschaft noch gleichmäßig unter die einzelnen Gesellschaftsmitglieder verteilt, es herrschte das Gemeineigentum. Doch irgendwann begannen bestimmte Berufsgruppen aufgrund ihrer besonderen Tätigkeit gewisse Vorrechte herauszubilden, die gleichmäßige Verteilungsweise geriet mit der Zeit ins Wanken. Es bildeten sich privilegierte Gruppen oder Einzelpersonen, die einen größeren oder besseren Teil des bisher gemeinsamen Produkts beanspruchten und es der restlichen Gemeinschaft vorenthielten. Meist begann diese Entwicklung bei den Werkzeugen, denn diese konnten durch die Spezialisierung schon bald nur noch von erfahrenen Personen effizient benutzt werden. Später dehnte sich mit dem gewohnheitsmäßigen Anspruch auf das eigene Werkzeug auch der Anspruch auf das eigene Produkt aus. So entstand das Privateigentum.

I.c) Gebrauchswert

In dem Moment, wo Menschen beginnen, ihren Besitz als Privateigentum zu betrachten, beginnt auch die Notwendigkeit des Austauschs, mit anderen Privateigentümern zu handeln.

Hier ergibt sich aber gleich ein Problem: Woher weiß der eine, dass ihn der andere nicht prellt? Dass man beim Tauschgeschäft auch mindestens soviel erhält, wie man gibt?

Tatsächlich stellt sich hier zum ersten Mal die konkrete Frage nach dem Wert eines Tauschobjekts. Was ist ein Ding wert? Was gibt ihm Wert?

Die naheliegendste Antwort scheint sich auf die Brauchbarkeit einer Sache zu beziehen, auf ihren Gebrauchswert. Der Gebrauchswert ist qualitativ und quantitativ bestimmt durch die materielle Form eines Dings, bspw. ist ein essbarer Gebrauchswert materiell ein Brot (qualitativ), und zwar ein Laib Brot (quantitativ). Was man mit einem Ding machen kann, wofür man es gebrauchen kann, hängt davon ab, was für ein Ding es eigentlich ist - sonnenklar. Doch können Dinge nicht in unterschiedlichen Zeiten, oder in unterschiedlichen Händen unterschiedlich brauchbar sein? Ein Brot z.B. während einer Hungersnot ist „mehr wert“ als in Zeiten des Überflusses. Das Brot im überfüllten Keller des Reichen ist für diesen weniger brauchbar als für einen Bettler. Auch spielen persönliche Vorlieben bei vielen Dingen eine Rolle. Dem einen mag die neuste CD irgendeines berliner Gangsta-Rappers „viel Wert“ sein, den meisten ist sie eher eine Plage. Nicht zuletzt ist der Gebrauchswert einer Sache oft nicht schon beim Kauf zu erkennen. Wer z.B. einen Hammer kauft, mag dafür einen konkreten, aktuellen Verwendungszweck haben. Nach der Anwendung wird er den Hammer aber nicht sofort wegwerfen, da er sicher für irgendwas, irgendwann noch einmal nützlich sein könnte.

[Produkte] in bestimmten Mengen werden einander gleichgesetzt, folglich haben sie eine gemeinsame Grundlage. Diese Grundlage kann nicht eine körperliche Eigenschaft der Waren wie Gewicht, Umfang, Form usw. sein. Die körperlichen Eigenschaften der Waren bestimmen deren Nützlichkeit, deren Gebrauchswert; der Gebrauchswert der [Produkte] aber ist nicht vergleichbar und quantitativ nicht messbar.1

Als Menschen, die in einem bestimmten Produktionsverhältnis stecken, sind wir daran gewöhnt, den Gebrauchswert nicht rein zu sehen. Unser Begriff des „Werts“ einer Sache ist oft unbewusst, verschwommen und schwankend. Häufig kann man bei kleinen Kindern beobachten, dass - mangels entsprechender, langfristiger Beeinflussung durch die Produktionsverhältnisse - diese untereinander Dinge tauschen, deren Wertverhältnis uns Erwachsenen oft mehr als fragwürdig erscheint. Wenn ein Kind z.B. sein Lego-Raumschiff für 90€ gegen einen Schweinsteiger-Sammelaufkleber (
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