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•NEUES THEMA06.12.2010, 16:23 Uhr
EDIT: secarts
20.03.2011, 13:28 Uhr
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secarts | |
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• "Stuttgart 21": Opa Geißler schlichtet den Kapitalismus zugrunde
Geißler, Mediator der Nation, hat zugeschlagen und S21 auch den Grünen populär gemacht. Wer gerne mal wissen will, was dem Mannn sonst noch so im Kopf herumgeht, mag folgendes Interview lesen. Es ist billiger zu haben als die "Titanic":
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Aber, auch wenn die "Titanic" bekannter Maßen in letzter Zeit etwas abgebaut hat, leider nur realsatirisch gesehen lustig: All diejenigen, die ernsthaft angenommen haben, bei den "S21"-Protesten könne sich sowas wie antikapitalistisches (oder wenigstens demokratisches) Bewusstsein gezeitigt haben, sollten sich mal überlegen, wohin eine Geißler-Demokratie führt: "BILD" demagogisiert gegen raffende Finanzhaikasinokapitalzockerverbrecher, schwäbische Schopfnudeln werden Zwangsmahlzeit in jeder Schulkantine, Bratislava muss wieder Pressburg genannt werden und Kapitalismus, den gibts vor allem in den Vereinigten Staaten, und der muss bekämpft werden. Von Heiner Geißler Superstar, dem "gewandelten" CDU-Generalsekretär, der nun durch Ättäck-Mitgliedschaft Abbitte für seine Jugendsünden leistet. Und da kann sich nun wirklich jeder hinterstellen, ob vormals, vor dem Sch8iedsspruch, pro oder kontra "S21"...
Jedes Land kriegt die Streitschlichter, die es verdient.
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Aber, auch wenn die "Titanic" bekannter Maßen in letzter Zeit etwas abgebaut hat, leider nur realsatirisch gesehen lustig: All diejenigen, die ernsthaft angenommen haben, bei den "S21"-Protesten könne sich sowas wie antikapitalistisches (oder wenigstens demokratisches) Bewusstsein gezeitigt haben, sollten sich mal überlegen, wohin eine Geißler-Demokratie führt: "BILD" demagogisiert gegen raffende Finanzhaikasinokapitalzockerverbrecher, schwäbische Schopfnudeln werden Zwangsmahlzeit in jeder Schulkantine, Bratislava muss wieder Pressburg genannt werden und Kapitalismus, den gibts vor allem in den Vereinigten Staaten, und der muss bekämpft werden. Von Heiner Geißler Superstar, dem "gewandelten" CDU-Generalsekretär, der nun durch Ättäck-Mitgliedschaft Abbitte für seine Jugendsünden leistet. Und da kann sich nun wirklich jeder hinterstellen, ob vormals, vor dem Sch8iedsspruch, pro oder kontra "S21"...
Jedes Land kriegt die Streitschlichter, die es verdient.
•NEUER BEITRAG06.12.2010, 17:23 Uhr
EDIT: IvanDrago
06.12.2010, 17:28 Uhr
06.12.2010, 17:28 Uhr
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IvanDrago | |
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Opa Geißler schlichtet den Kapitalismus zugrunde
Das Interview ist jawohl der Hammer...
"Andere mögen mich nicht wieil ich den Kapitalismus abschaffen will" einfach zu gut.
"Andere mögen mich nicht wieil ich den Kapitalismus abschaffen will" einfach zu gut.
•NEUER BEITRAG06.12.2010, 22:25 Uhr
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retmarut | |
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Opa Geißler schlichtet den Kapitalismus zugrunde
Wie auf dem Nachdenkseiten schon vorab ganz richtig vorausgesehen, diente Geisslers Einsatz als Schlichter nur dem einen Ziel: Den Widerstand gegen S21 zu spalten und der CDU-Landesregierung zu einem guten Start in den kommenden Wahlkampf zu verhelfen. Der Mann ist und bleibt halt Christdemokrat. Geschickter Schachzug von Mappus bzw. seinen Berater_innen!
Hier der sehr empfehlenswerte Beitrag aus den Nachdenkseiten.
Jetzt dürfte übrigens, wo alles formal begradigt wurde, wieder der Weg frei sein für die schwarz-grüne Option in BaWü. Allerdings gehe ich davon aus, dass die CDU sich die SPD als Juniorpartner mit ins Boot holt, denn die SPD in BaWü lässt ja eh alles mit sich machen.
Fazit des Schlichterergebnisses: Schlecht für die Bevölkerung in Stuttgart, die einen teuren Kellerbahnhof und miesen Regionalverkehr erhält, obendrein gibt es dann noch mal eine weitere Legislaturperiode der CDU.
Hier der sehr empfehlenswerte Beitrag aus den Nachdenkseiten.
Jetzt dürfte übrigens, wo alles formal begradigt wurde, wieder der Weg frei sein für die schwarz-grüne Option in BaWü. Allerdings gehe ich davon aus, dass die CDU sich die SPD als Juniorpartner mit ins Boot holt, denn die SPD in BaWü lässt ja eh alles mit sich machen.
Fazit des Schlichterergebnisses: Schlecht für die Bevölkerung in Stuttgart, die einen teuren Kellerbahnhof und miesen Regionalverkehr erhält, obendrein gibt es dann noch mal eine weitere Legislaturperiode der CDU.
•NEUER BEITRAG07.12.2010, 11:16 Uhr
EDIT: retmarut
07.12.2010, 11:25 Uhr
07.12.2010, 11:25 Uhr
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retmarut | |
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Opa Geißler schlichtet den Kapitalismus zugrunde
PS noch zu FAZ.net: Es handelt sich bei dem von Secarts verlinkten Artikel um ein Interview von Kindern für Kinder. Entsprechend der Fragestil, entsprechend auch Geißlers Antworten. Der Vergleich mit der "Titanic" hinkt also erheblich, schließlich richtet sich letztere an Erwachsene.
@ Secarts:
Wie kommst Du darauf, dass Geißler zum S21-Widerstand gehöre? (>All diejenigen, die ernsthaft angenommen haben, bei den "S21"-Protesten könne sich sowas wie antikapitalistisches (oder wenigstens demokratisches) Bewusstsein gezeitigt haben, sollten sich mal überlegen, wohin eine Geißler-Demokratie führt
@ Secarts:
Wie kommst Du darauf, dass Geißler zum S21-Widerstand gehöre? (>All diejenigen, die ernsthaft angenommen haben, bei den "S21"-Protesten könne sich sowas wie antikapitalistisches (oder wenigstens demokratisches) Bewusstsein gezeitigt haben, sollten sich mal überlegen, wohin eine Geißler-Demokratie führt
•NEUER BEITRAG07.12.2010, 11:59 Uhr
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Toto | |
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Opa Geißler schlichtet den Kapitalismus zugrunde
hmm, ich würde persönlich sagen, dass der Protest gegen Stuttgart 21 erst durch die Polizeigewalt neu zu bewerten ist. D.h. erst dadurch, wo das Demonstrationsrecht polizeilich zerschlagen wird, kommt die Frage nach demokratischen Charakter der Protest. Geißler-Rolle war klar und eindeutig gegen den Protest gewesen, dran kann ich nicht zweifeln.
•NEUER BEITRAG09.12.2010, 15:03 Uhr
EDIT: secarts
09.12.2010, 15:23 Uhr
09.12.2010, 15:23 Uhr
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secarts | |
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Opa Geißler schlichtet den Kapitalismus zugrunde
@retmarut:
"Wie kommst Du darauf, dass Geißler zum S21-Widerstand gehöre?"
Nunja. Er wurde zumindest von den Grünen als Schlichter vorgeschlagen, nicht von Mappus & Co. Und ein nicht unbedeutender Teil der Protestler hat nicht nur ihn, sondern auch seinen Schlichterspruch akzeptiert. Scheinbar ist die Masse wütender Schwaben doch etwas heterogener.
"Der Protest gegen S21 ist selbstverständlich ein demokratischer Kampf, den es von linken Kräften, gerade auch nach diesem Schlichterspruch, zu unterstützen gilt."
Sorry, aber das ist mir viel zu platt und unanalytisch. Ich hab nie bezweifelt, dass da auch bürgerliche Demokraten drunter waren (und auch nicht, dass manch einer unter Polizeiknüppeln zum Demokraten werden kann). ABER: die Widersprüche gehen mitten durch das Kapital ("Unternehmer gegen S21"...). Wenn die Welt mal so einfach wäre, hier die bösen Multis und Monopole, dort das ganze Kleinbürgertum im Kampf um mehr Demokratie... NACH MEINEM EINDRUCK bündelte sich da einiges, von demokratischem Protest (in der Minderheit), über nackte Fortschrittsfeindlichkeit bis hin zu innerkapitalistischen Widersprüchen, die sich eben bisweilen auch auf der Straße ausagieren (und gelegentlich sogar mit Polizeiknüppeln bedacht werden).
"Leider haben wir beide dazu unterschiedliche Positionen, wie schon öfter bei demokratischen Abwehrkämpfen mit ökologischer Komponente. "
Diese Widersprüche haben wir ohne Frage, nur liegt das m. E. nicht an der "ökologischen Komponente", sondern an der Frage nach dem Klassenhintergrund. Das Kleinbürgertum ist keineswegs automatisch demokratisch; das wird es erst (und auch nur zu kleineren Teilen), wenn es von einer kämpfenden Arbeiterbewegung getrieben wird. Die sehe ich derzeit irgendwie nirgends, auch nicht in Stuttgart. Wer dieser grundsätzlichen Ansicht folgen kann, sollte dann auch weiter denken.
"Wo, wenn nicht in demokratischen und gewerkschaftlichen Kämpfen, kann das Proletariat die nötige Kampferfahrung und das Bewusstsein über die Rolle des bürgerlichen Staates sammeln?"
Eben, es kann diese Erfahrungen in gewerkschaftlichen und demokratischen Kämpfen sammeln. Nur: In Stuttgart war es nicht dabei, und die pauschalisierte Zuschreibung "demokratisch" auf die Proteste gegen S21 (oder, meinetwegen, auch bei Anti-Castor-Geschichten, Gorleben, etc. - die "ökologische Komponente" halt ) finde ich eben nicht gerechtfertigt.
Nicht gerechtfertigt heißt nicht, dass ich die Hoffnungen auf demokratischen Protest nicht nachempfinden kann. Da tut sich mal was, da drischt die Polizei los, da wird protestiert... Wenn unsereins nicht auf Dynamik in dieser paralysierten Gesellschaft hoffen würde, stimmte irgendwas auch nicht. Das entledigt uns allerdings nicht der Pflicht, der Emotion die marxistische Analyse folgen zu lassen, denn Dynamik ist kein Wert an sich. Wir haben, auch hier, die Klassenfrage zu stellen, wenn nicht blindwütiger Aktionismus an ihre Stelle treten soll. Und da sehe ich vor allem eine ungute Tradition, in der wir - Kommunisten - jedweder Form von öffentlich artikuliertem Unmut hinterher getrottet sind, in der Hoffnung, daraus könne mehr erwachsen. Das war bei den Friedensbewegten so, das war beim Atomprotest so, das ist bei S21 so. Keine dieser Bewegungen haben wir grundlegend beeinflussen können; keine dieser Bewegungen hat - und das ist ohne Frage auch unseren mangelnden Eingreifmöglichkeiten geschuldet! - langfristig ein dauerhaft demokratisches Potential im Kleinbürgertum geschaffen. Mehr noch, das vorhandene Potential möglichen radikaldemokratischen Protests ist über den grünen Umweg brav wieder eingefriedet worden. Das demokratische Kleinbürgertum hingegen ist, in den letzten 20, 30 Jahren, nur immer schmaler geworden. Das wird auch nicht durch "Schwabenstreiche" widerlegt, sondern bei jedem antidemokratischen Anschlag erneut bewiesen, der ohne massenhafte Proteste durchgewunken werden kann...
Wir wollen mal sehen, was aus dem Protest nach Geisslers Schiedsspruch werden wird. Und genau dann wird sich auch zeigen, was für ein eigenständiges, nicht am Rockzipfel dieser oder jener Kapitalfraktion (bspw. der, die Geissler hier vertreten hat) hängendes demokratisches Potential diese Sache hatte. Meine Prognose: kaum eines. Der Spaß ist ebenso schnell vorbei, wie er angefangen hat - und die Grünen profitieren. Der hochentwickelte Kapitalismus hat tausenderlei Wege und Methoden, kirre gewordene Kleinbürger wieder einzufangen.
"Wie kommst Du darauf, dass Geißler zum S21-Widerstand gehöre?"
Nunja. Er wurde zumindest von den Grünen als Schlichter vorgeschlagen, nicht von Mappus & Co. Und ein nicht unbedeutender Teil der Protestler hat nicht nur ihn, sondern auch seinen Schlichterspruch akzeptiert. Scheinbar ist die Masse wütender Schwaben doch etwas heterogener.
"Der Protest gegen S21 ist selbstverständlich ein demokratischer Kampf, den es von linken Kräften, gerade auch nach diesem Schlichterspruch, zu unterstützen gilt."
Sorry, aber das ist mir viel zu platt und unanalytisch. Ich hab nie bezweifelt, dass da auch bürgerliche Demokraten drunter waren (und auch nicht, dass manch einer unter Polizeiknüppeln zum Demokraten werden kann). ABER: die Widersprüche gehen mitten durch das Kapital ("Unternehmer gegen S21"...). Wenn die Welt mal so einfach wäre, hier die bösen Multis und Monopole, dort das ganze Kleinbürgertum im Kampf um mehr Demokratie... NACH MEINEM EINDRUCK bündelte sich da einiges, von demokratischem Protest (in der Minderheit), über nackte Fortschrittsfeindlichkeit bis hin zu innerkapitalistischen Widersprüchen, die sich eben bisweilen auch auf der Straße ausagieren (und gelegentlich sogar mit Polizeiknüppeln bedacht werden).
"Leider haben wir beide dazu unterschiedliche Positionen, wie schon öfter bei demokratischen Abwehrkämpfen mit ökologischer Komponente. "
Diese Widersprüche haben wir ohne Frage, nur liegt das m. E. nicht an der "ökologischen Komponente", sondern an der Frage nach dem Klassenhintergrund. Das Kleinbürgertum ist keineswegs automatisch demokratisch; das wird es erst (und auch nur zu kleineren Teilen), wenn es von einer kämpfenden Arbeiterbewegung getrieben wird. Die sehe ich derzeit irgendwie nirgends, auch nicht in Stuttgart. Wer dieser grundsätzlichen Ansicht folgen kann, sollte dann auch weiter denken.
"Wo, wenn nicht in demokratischen und gewerkschaftlichen Kämpfen, kann das Proletariat die nötige Kampferfahrung und das Bewusstsein über die Rolle des bürgerlichen Staates sammeln?"
Eben, es kann diese Erfahrungen in gewerkschaftlichen und demokratischen Kämpfen sammeln. Nur: In Stuttgart war es nicht dabei, und die pauschalisierte Zuschreibung "demokratisch" auf die Proteste gegen S21 (oder, meinetwegen, auch bei Anti-Castor-Geschichten, Gorleben, etc. - die "ökologische Komponente" halt ) finde ich eben nicht gerechtfertigt.
Nicht gerechtfertigt heißt nicht, dass ich die Hoffnungen auf demokratischen Protest nicht nachempfinden kann. Da tut sich mal was, da drischt die Polizei los, da wird protestiert... Wenn unsereins nicht auf Dynamik in dieser paralysierten Gesellschaft hoffen würde, stimmte irgendwas auch nicht. Das entledigt uns allerdings nicht der Pflicht, der Emotion die marxistische Analyse folgen zu lassen, denn Dynamik ist kein Wert an sich. Wir haben, auch hier, die Klassenfrage zu stellen, wenn nicht blindwütiger Aktionismus an ihre Stelle treten soll. Und da sehe ich vor allem eine ungute Tradition, in der wir - Kommunisten - jedweder Form von öffentlich artikuliertem Unmut hinterher getrottet sind, in der Hoffnung, daraus könne mehr erwachsen. Das war bei den Friedensbewegten so, das war beim Atomprotest so, das ist bei S21 so. Keine dieser Bewegungen haben wir grundlegend beeinflussen können; keine dieser Bewegungen hat - und das ist ohne Frage auch unseren mangelnden Eingreifmöglichkeiten geschuldet! - langfristig ein dauerhaft demokratisches Potential im Kleinbürgertum geschaffen. Mehr noch, das vorhandene Potential möglichen radikaldemokratischen Protests ist über den grünen Umweg brav wieder eingefriedet worden. Das demokratische Kleinbürgertum hingegen ist, in den letzten 20, 30 Jahren, nur immer schmaler geworden. Das wird auch nicht durch "Schwabenstreiche" widerlegt, sondern bei jedem antidemokratischen Anschlag erneut bewiesen, der ohne massenhafte Proteste durchgewunken werden kann...
Wir wollen mal sehen, was aus dem Protest nach Geisslers Schiedsspruch werden wird. Und genau dann wird sich auch zeigen, was für ein eigenständiges, nicht am Rockzipfel dieser oder jener Kapitalfraktion (bspw. der, die Geissler hier vertreten hat) hängendes demokratisches Potential diese Sache hatte. Meine Prognose: kaum eines. Der Spaß ist ebenso schnell vorbei, wie er angefangen hat - und die Grünen profitieren. Der hochentwickelte Kapitalismus hat tausenderlei Wege und Methoden, kirre gewordene Kleinbürger wieder einzufangen.
•NEUER BEITRAG09.12.2010, 17:27 Uhr
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SeppAigner | ||
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Opa Geißler schlichtet den Kapitalismus zugrunde
Es gibt nach bisheriger geschichtlicher Erfahrung keine längerfristige und stabile progressive Kleinbürgerbewegung, wenn es keine Arbeiterbewegung gibt, die stark genug ist, sie an sich zu binden. Der grüne Putsch in der Anti-Atom- und Friedensbewegung in den 1980er Jahren ist ein Beispiel dafür, wie aufmüpfig werdende Kleinbürger wieder einkassiert werden, wenn das nicht der Fall ist - Geld, Posten, Karrieren für die Führungskader. Das braucht dann eine Weile, der Übergang erfordert noch jede Menge "alternativen" Klamauk und Wortradikalität (Der Fischer z.B. hat noch, ich glaube Anfang der 1990er Jahre, ein Buch geschrieben, in dem Sozialismus im Titel vorkam.), aber es kann von notwendigerweise ideologisch diffusen bewegten Kleinbürgern nicht verhindert werden, wenn sie auf sich allein gestellt bleiben. Die DKP hatte in der Bewegung damals ungleich mehr Einfluss als Kommunisten das heute auf solche Bewegungen haben, und in ihr sogar Mitglieder gewonnen - ich schätze, in der Grössenordnung einer fünfstelligen Zahl. Aber die DKP repräsentierte nicht viel an Arbeiterbewegung, so dass die Verankerung in den Kleinbürgerbewegungen letztlich sogar zum Einfallstor für Kleinbürgerideologie in die Partei wurde. Die sog. Erneuererbewegung in der DKP hat - nicht nur, aber auch - damit zu tun. Die allermeisten Menschen, die damals gewonnen wurden, sind wieder verloren gegangen
In einer Lage wie heute muessen Kommunisten m.E. an solchen Bewegungen wie S21 schon teilnehmen, aber mit einer klaren Einschätzung deren Charakters und damit dessen, was gewonnen werden kann; - nämlich ein paar Erfahrungen für die Masse der Teilnehmer mit der Staatsgewalt und der bürgerlichen Demokratie, und ein paarhundert oder paardutzend Leute, die sich dabei so weit radikalisieren, dass sie vom bürgerlichen Glauben abfallen. Zu vergessen ist auch nicht, dass wir glücklicherweise eine Weile leben: Noch zehn Jahre später und in anderer Situation kann eine Erinnerung "neben dem Kommunisten bin ich doch damals schon von den Bullen verprügelt worden" nützlich sein.
Falsch wird es, wenn die an Auseinandersetzungen wie um S21 nicht mehr klassenmässig herangegangen wird, sondern "Bewegungen an sich" hinterhergelaufen wird. So werden von revisionistischen Kräften in der DKP z.B. "neue soziale Bewegungen" ausgemacht, die per se was Gutes sein sollen, ohne dass ihr klassenmässiger Inhalt genau analysiert wird. Und da sowas "theoretisch abgesichert" werden muss, gibts dann ein halbes Dutzend Krisen, die auch einfach nebeneinander gestellt werden. Das ist Nachtrabpolitik und Verlassen der Klassenposition.
In einer Lage wie heute muessen Kommunisten m.E. an solchen Bewegungen wie S21 schon teilnehmen, aber mit einer klaren Einschätzung deren Charakters und damit dessen, was gewonnen werden kann; - nämlich ein paar Erfahrungen für die Masse der Teilnehmer mit der Staatsgewalt und der bürgerlichen Demokratie, und ein paarhundert oder paardutzend Leute, die sich dabei so weit radikalisieren, dass sie vom bürgerlichen Glauben abfallen. Zu vergessen ist auch nicht, dass wir glücklicherweise eine Weile leben: Noch zehn Jahre später und in anderer Situation kann eine Erinnerung "neben dem Kommunisten bin ich doch damals schon von den Bullen verprügelt worden" nützlich sein.
Falsch wird es, wenn die an Auseinandersetzungen wie um S21 nicht mehr klassenmässig herangegangen wird, sondern "Bewegungen an sich" hinterhergelaufen wird. So werden von revisionistischen Kräften in der DKP z.B. "neue soziale Bewegungen" ausgemacht, die per se was Gutes sein sollen, ohne dass ihr klassenmässiger Inhalt genau analysiert wird. Und da sowas "theoretisch abgesichert" werden muss, gibts dann ein halbes Dutzend Krisen, die auch einfach nebeneinander gestellt werden. Das ist Nachtrabpolitik und Verlassen der Klassenposition.
•NEUER BEITRAG09.12.2010, 23:09 Uhr
EDIT: retmarut
09.12.2010, 23:35 Uhr
09.12.2010, 23:35 Uhr
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Opa Geißler schlichtet den Kapitalismus zugrunde
@ Secarts:
>Nunja. Er wurde zumindest von den Grünen als Schlichter vorgeschlagen, nicht von Mappus & Co.Keine dieser Bewegungen haben wir grundlegend beeinflussen können; keine dieser Bewegungen hat - und das ist ohne Frage auch unseren mangelnden Eingreifmöglichkeiten geschuldet! - langfristig ein dauerhaft demokratisches Potential im Kleinbürgertum geschaffen. Mehr noch, das vorhandene Potential möglichen radikaldemokratischen Protests ist über den grünen Umweg brav wieder eingefriedet worden.Der Spaß ist ebenso schnell vorbei, wie er angefangen hat - und die Grünen profitieren.
>Nunja. Er wurde zumindest von den Grünen als Schlichter vorgeschlagen, nicht von Mappus & Co.Keine dieser Bewegungen haben wir grundlegend beeinflussen können; keine dieser Bewegungen hat - und das ist ohne Frage auch unseren mangelnden Eingreifmöglichkeiten geschuldet! - langfristig ein dauerhaft demokratisches Potential im Kleinbürgertum geschaffen. Mehr noch, das vorhandene Potential möglichen radikaldemokratischen Protests ist über den grünen Umweg brav wieder eingefriedet worden.Der Spaß ist ebenso schnell vorbei, wie er angefangen hat - und die Grünen profitieren.
•NEUER BEITRAG09.12.2010, 23:23 Uhr
EDIT: retmarut
09.12.2010, 23:36 Uhr
09.12.2010, 23:36 Uhr
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Opa Geißler schlichtet den Kapitalismus zugrunde
@ Sepp Aigner und Secarts:
Es geht bei solchen Bewegungen "lediglich" um demokratischen Kampf, also Verteidigung der bestehenden Rechte bzw. Ausweitung selbiger. Solche Bewegungen werden ja nicht durch ihre Teilnahme an Auseinandersetzungen unmittelbar oder mittelbar sozialistisch.
Aber solche Bewegungen können durch die gemeinsam erlebten Kämpfe, Hoffnungen in das bestehende System und bürgerliche Ideologie ins Wanken bringen. Vielleicht kommen da der eine oder die andere Kleinbürger_in zum Umdenken [Klassenverrat in diese Richtung ist ja nicht abzulehnen]. Wichtiger ist aber, dass die proletarischen Massen, die an den Protesten/Bewegungen teilnehmen (und ohne die es diese Bewegungen als reale Massenbewegung nicht gäbe!) ihre eigene geschichtliche Rolle als handelndes Subjekt erkennen.
Im Kommunistischen Manifest heisst es zu Recht über die Rolle von Kommunist_innen in sozialen und demokratischen Bewegungen:
>Sie [die kommunistische Partei] unterläßt aber keinen Augenblick, bei den Arbeitern ein möglichst klares Bewußtsein über den feindlichen Gegensatz zwischen Bourgeoisie und Proletariat herauszuarbeiten, damit die deutschen Arbeiter sogleich die gesellschaftlichen und politischen Bedingungen, welche die Bourgeoisie mit ihrer Herrschaft herbeiführen muß, als ebenso viele Waffen gegen die Bourgeoisie kehren können, damit, nach dem Sturz der reaktionären Klassen in Deutschland, sofort der Kampf gegen die Bourgeoisie selbst beginnt.[...]
Mit einem Wort, die Kommunisten unterstützen überall jede revolutionäre Bewegung gegen die bestehenden gesellschaftlichen und politischen Zustände.
In allen diesen Bewegungen heben sie die Eigentumsfrage, welche mehr oder minder entwickelte Form sie auch angenommen haben möge, als die Grundfrage der Bewegung hervor.
Die Kommunisten arbeiten endlich überall an der Verbindung und Verständigung der demokratischen Parteien aller Länder.
Es geht bei solchen Bewegungen "lediglich" um demokratischen Kampf, also Verteidigung der bestehenden Rechte bzw. Ausweitung selbiger. Solche Bewegungen werden ja nicht durch ihre Teilnahme an Auseinandersetzungen unmittelbar oder mittelbar sozialistisch.
Aber solche Bewegungen können durch die gemeinsam erlebten Kämpfe, Hoffnungen in das bestehende System und bürgerliche Ideologie ins Wanken bringen. Vielleicht kommen da der eine oder die andere Kleinbürger_in zum Umdenken [Klassenverrat in diese Richtung ist ja nicht abzulehnen]. Wichtiger ist aber, dass die proletarischen Massen, die an den Protesten/Bewegungen teilnehmen (und ohne die es diese Bewegungen als reale Massenbewegung nicht gäbe!) ihre eigene geschichtliche Rolle als handelndes Subjekt erkennen.
Im Kommunistischen Manifest heisst es zu Recht über die Rolle von Kommunist_innen in sozialen und demokratischen Bewegungen:
>Sie [die kommunistische Partei] unterläßt aber keinen Augenblick, bei den Arbeitern ein möglichst klares Bewußtsein über den feindlichen Gegensatz zwischen Bourgeoisie und Proletariat herauszuarbeiten, damit die deutschen Arbeiter sogleich die gesellschaftlichen und politischen Bedingungen, welche die Bourgeoisie mit ihrer Herrschaft herbeiführen muß, als ebenso viele Waffen gegen die Bourgeoisie kehren können, damit, nach dem Sturz der reaktionären Klassen in Deutschland, sofort der Kampf gegen die Bourgeoisie selbst beginnt.[...]
Mit einem Wort, die Kommunisten unterstützen überall jede revolutionäre Bewegung gegen die bestehenden gesellschaftlichen und politischen Zustände.
In allen diesen Bewegungen heben sie die Eigentumsfrage, welche mehr oder minder entwickelte Form sie auch angenommen haben möge, als die Grundfrage der Bewegung hervor.
Die Kommunisten arbeiten endlich überall an der Verbindung und Verständigung der demokratischen Parteien aller Länder.
•NEUER BEITRAG10.12.2010, 16:06 Uhr
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secarts | |
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Kopf-Bahnhof
@retmarut:
" Ich befürchte, Du gehst in dem Punkt Deinen eigenen Vorurteilen bzgl.Ökologiebewegung auf den Leim."
Och, nun lass mich doch bitte mit der ollen Ökologiebewegung in Ruhe! Ich habe doch deutlich geschrieben, wo ich die Widersprüche sehe - es ist m. E. immer noch eine Frage des Klassenhintergrundes und hat herzlich wenig damit zu tun, dass ich die Natur oder die Ökos nicht leiden kann. Mehrfache Wiederholung macht eine Unterstellung nicht wahrer.
"Dass im Protest gegen S21 nach Deiner Ansicht kein Proletariat auftaucht, wundert mich schon sehr. (...) Deswegen aber die gesamte Protestbewegung vom heimischen Schreibtisch aus in die kleinbürgerliche Ecke zu pressen, entbehrt nicht einer gewissen Komik."
Von einem anderen heimischen Schreibtisch aus die protestierenden S21-Gegner zum Stuttgarter Proletariat zu machen, entbehrt hingegen nicht einer gewissen (obschon menschlich verständlichen) Tragik. Wir sind uns doch hoffentlich einig, dass es hier um Qualitäten geht. Der einzelne Arbeiter mehr oder weniger vor dem "schönen Kopfbahnhof" ändert dementsprechend nichts am Charakter des Protests, und der ist - mehr als den Blick vom Schreibtisch dürften wir da ja beide nicht haben - von allen Seiten eher in Richtung "auf einmal gehen langjährige CDU-Wähler auf die Straße..." oder "der graue Block: Wenn Studienräte demonstrieren gehen..." beschrieben worden. Oder sollten wir etwa in Stuttgart gerade Zeuge eines allgemeinen Volksaufstandes über alle Klassenschranken hinweg, gar revolutionärer Aktivitäten geworden sein?! -> zurück zur Erde, bitte...
Hier nun die baulichen Vor- oder Nachteile von K oder S 21 zu diskutieren halte ich auch für wenig zielführend, zumal diese Frage eher Experten ansteht und eigentlich auch nicht relevant für unsere Diskussion ist - wir sind ja nicht das DB-Co-Management. Bleiben wir also bitte bei der Ausgangsfrage, die immer noch nicht geklärt ist:
Ist dieser Protest denn seinem Charakter nach in erster Linie ein demokratischer?
Die Verschwendung von Steuergeldern zu kritisieren, einen 20er-Jahre-Bau besser zu finden als einen aus dem 21. Jhdt., den lieblichen Juchtenkäfer schützen zu wollen, eine Volksabstimmungs-"Demokratie" im Sinne eines Geisslers oder Gauweilers statt "parlamentarischer Kungelwirtschaft" zu verlangen oder CDU-Mappus nicht zu mögen - all das hat alleine überhaupt noch keine demokratische Qualität. Und die bekommt es auch nicht deshalb, nur weil Polizeiknüppel niedersausen.
Daraus einen demokratischen Kampf abzuleiten hält sich an Oberflächenphänomenen auf, verabsolutiert einen nebulösen Wert der "Bewegung an sich" und steht genau in der traurigen Tradition, jedem Aktionismus hinterherzutappern und auf irgendeinen "Funken" zu warten, der schon überspringen wird, wenn man den Leuten nur beharrlich genug erklärt, was sie dort in Wahrheit machen: nämlich nicht gegen irgendein Infrastrukturprojekt zu Felde zu ziehen (und, zumindest zu Teilen, eigentlich antidemokratische Forderungen aufzustellen, zumindest was das Gefasel von Volksabstimmungen angeht!), sondern eigentlich um mehr Demokratie zu kämpfen...
Um die Frage des Charakters des S21-Protests zu klären, kann man auf die Ökologiebewegung verzichten; das Kriterium dafür habe ich in meinem vorangegangenen Beitrag schon genannt: Das Kleinbürgertum ist keineswegs automatisch demokratisch; das wird es erst (und auch nur zu kleineren Teilen), wenn es von einer kämpfenden Arbeiterbewegung getrieben wird. Also: Wo ist die kämpfende Arbeiterklasse, die alleine in der Lage wäre, demokratische Aktivität im Kleinbürgertum zu provozieren? Wenn sie nicht die Kraft ist, die in Stuttgart Menschen auf die Straße treibt, scheint da etwas anderes vorzugehen. Und dann scheinen auch andere Kräfte zugange zu sein. Anzunehmen, dass das Kapital in seinen verschiedenen Fraktionierungen (bspw. zwischen denjenigen Fraktionen, die auf Güterverkehr setzen, wie die Chemiebranche, und denjenigen, die auf die Bahn verzichten könnten, bspw. die Automonopole) nicht in der Lage wäre, ein solches Protestpotential im eigenen Interesse umzufunktionieren, grenzt an rührende Naivität.
Lohnt nun also die Mühe, die paar (unzweifelhaft vorhandenen) demokratischen Kräfte in Stuttgart zu unterstützen, in der Hoffnung, ihnen würden durch den Verlauf des Protests die Scheuklappen von den Augen fallen? Darüber kann man streiten. Ich selbst bin da sehr viel pessimistischer, zumal unsere sehr begrenzten Kräfte ja augenscheinlich nicht mal ausreichen, unser historisches Subjekt wenigstens in ein paar Zentren industrieller Großproduktion zu erreichen. Sicher, das ist alles mühselig und ad hoc wenig erfolgversprechend; der S21-Protest hingegen bringt uns sogar die Möglichkeit, die eine oder andere DKP-Fahne bis ins landesweite Fernsehen zu schmuggeln... Nur: was kommt dabei rum? Können wir real vermeiden, dass statt der CDU doch nur die Grünen profitieren?
Ansonsten schließe ich mich völlig dem, was Sepp geschrieben hat, an: auch die wechselseitige Dialektik zwischen dem Versuch, bürgerlich-demokratische Bewegungen zu beeinflussen und - gleichzeitig - durch diese selbst wieder beeinflusst zu werden, sollte nicht unterschätzt werden. Da spielt die Frage der Kräfteverhältnisse wieder mit: eine Handvoll Kommunisten können in der bürgerlichen Suppe auch schlicht und einfach ersaufen.
" Ich befürchte, Du gehst in dem Punkt Deinen eigenen Vorurteilen bzgl.Ökologiebewegung auf den Leim."
Och, nun lass mich doch bitte mit der ollen Ökologiebewegung in Ruhe! Ich habe doch deutlich geschrieben, wo ich die Widersprüche sehe - es ist m. E. immer noch eine Frage des Klassenhintergrundes und hat herzlich wenig damit zu tun, dass ich die Natur oder die Ökos nicht leiden kann. Mehrfache Wiederholung macht eine Unterstellung nicht wahrer.
"Dass im Protest gegen S21 nach Deiner Ansicht kein Proletariat auftaucht, wundert mich schon sehr. (...) Deswegen aber die gesamte Protestbewegung vom heimischen Schreibtisch aus in die kleinbürgerliche Ecke zu pressen, entbehrt nicht einer gewissen Komik."
Von einem anderen heimischen Schreibtisch aus die protestierenden S21-Gegner zum Stuttgarter Proletariat zu machen, entbehrt hingegen nicht einer gewissen (obschon menschlich verständlichen) Tragik. Wir sind uns doch hoffentlich einig, dass es hier um Qualitäten geht. Der einzelne Arbeiter mehr oder weniger vor dem "schönen Kopfbahnhof" ändert dementsprechend nichts am Charakter des Protests, und der ist - mehr als den Blick vom Schreibtisch dürften wir da ja beide nicht haben - von allen Seiten eher in Richtung "auf einmal gehen langjährige CDU-Wähler auf die Straße..." oder "der graue Block: Wenn Studienräte demonstrieren gehen..." beschrieben worden. Oder sollten wir etwa in Stuttgart gerade Zeuge eines allgemeinen Volksaufstandes über alle Klassenschranken hinweg, gar revolutionärer Aktivitäten geworden sein?! -> zurück zur Erde, bitte...
Hier nun die baulichen Vor- oder Nachteile von K oder S 21 zu diskutieren halte ich auch für wenig zielführend, zumal diese Frage eher Experten ansteht und eigentlich auch nicht relevant für unsere Diskussion ist - wir sind ja nicht das DB-Co-Management. Bleiben wir also bitte bei der Ausgangsfrage, die immer noch nicht geklärt ist:
Ist dieser Protest denn seinem Charakter nach in erster Linie ein demokratischer?
Die Verschwendung von Steuergeldern zu kritisieren, einen 20er-Jahre-Bau besser zu finden als einen aus dem 21. Jhdt., den lieblichen Juchtenkäfer schützen zu wollen, eine Volksabstimmungs-"Demokratie" im Sinne eines Geisslers oder Gauweilers statt "parlamentarischer Kungelwirtschaft" zu verlangen oder CDU-Mappus nicht zu mögen - all das hat alleine überhaupt noch keine demokratische Qualität. Und die bekommt es auch nicht deshalb, nur weil Polizeiknüppel niedersausen.
Daraus einen demokratischen Kampf abzuleiten hält sich an Oberflächenphänomenen auf, verabsolutiert einen nebulösen Wert der "Bewegung an sich" und steht genau in der traurigen Tradition, jedem Aktionismus hinterherzutappern und auf irgendeinen "Funken" zu warten, der schon überspringen wird, wenn man den Leuten nur beharrlich genug erklärt, was sie dort in Wahrheit machen: nämlich nicht gegen irgendein Infrastrukturprojekt zu Felde zu ziehen (und, zumindest zu Teilen, eigentlich antidemokratische Forderungen aufzustellen, zumindest was das Gefasel von Volksabstimmungen angeht!), sondern eigentlich um mehr Demokratie zu kämpfen...
Um die Frage des Charakters des S21-Protests zu klären, kann man auf die Ökologiebewegung verzichten; das Kriterium dafür habe ich in meinem vorangegangenen Beitrag schon genannt: Das Kleinbürgertum ist keineswegs automatisch demokratisch; das wird es erst (und auch nur zu kleineren Teilen), wenn es von einer kämpfenden Arbeiterbewegung getrieben wird. Also: Wo ist die kämpfende Arbeiterklasse, die alleine in der Lage wäre, demokratische Aktivität im Kleinbürgertum zu provozieren? Wenn sie nicht die Kraft ist, die in Stuttgart Menschen auf die Straße treibt, scheint da etwas anderes vorzugehen. Und dann scheinen auch andere Kräfte zugange zu sein. Anzunehmen, dass das Kapital in seinen verschiedenen Fraktionierungen (bspw. zwischen denjenigen Fraktionen, die auf Güterverkehr setzen, wie die Chemiebranche, und denjenigen, die auf die Bahn verzichten könnten, bspw. die Automonopole) nicht in der Lage wäre, ein solches Protestpotential im eigenen Interesse umzufunktionieren, grenzt an rührende Naivität.
Lohnt nun also die Mühe, die paar (unzweifelhaft vorhandenen) demokratischen Kräfte in Stuttgart zu unterstützen, in der Hoffnung, ihnen würden durch den Verlauf des Protests die Scheuklappen von den Augen fallen? Darüber kann man streiten. Ich selbst bin da sehr viel pessimistischer, zumal unsere sehr begrenzten Kräfte ja augenscheinlich nicht mal ausreichen, unser historisches Subjekt wenigstens in ein paar Zentren industrieller Großproduktion zu erreichen. Sicher, das ist alles mühselig und ad hoc wenig erfolgversprechend; der S21-Protest hingegen bringt uns sogar die Möglichkeit, die eine oder andere DKP-Fahne bis ins landesweite Fernsehen zu schmuggeln... Nur: was kommt dabei rum? Können wir real vermeiden, dass statt der CDU doch nur die Grünen profitieren?
Ansonsten schließe ich mich völlig dem, was Sepp geschrieben hat, an: auch die wechselseitige Dialektik zwischen dem Versuch, bürgerlich-demokratische Bewegungen zu beeinflussen und - gleichzeitig - durch diese selbst wieder beeinflusst zu werden, sollte nicht unterschätzt werden. Da spielt die Frage der Kräfteverhältnisse wieder mit: eine Handvoll Kommunisten können in der bürgerlichen Suppe auch schlicht und einfach ersaufen.
•NEUER BEITRAG11.12.2010, 13:59 Uhr
EDIT: retmarut
11.12.2010, 14:01 Uhr
11.12.2010, 14:01 Uhr
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retmarut | |
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Opa Geißler schlichtet den Kapitalismus zugrunde
Wir sollten das, Secarts, wirklich mal in einem direkten Gespräch ausdiskutieren. Hier über das Forum fasert die Diskussion doch schnell aus, wo dann doch wieder der Juchtenkäfer und andere Nebensächlichkeiten reinfließen.
Ich will aber dennoch - in selbstverordneter Kürze (die ich mal wieder nicht einhalten werde) - auf einige Aspekte antworten:
>Da spielt die Frage der Kräfteverhältnisse wieder mit: eine Handvoll Kommunisten können in der bürgerlichen Suppe auch schlicht und einfach ersaufen.
Wir sind uns doch hoffentlich einig, dass es hier um Qualitäten geht. Der einzelne Arbeiter mehr oder weniger vor dem "schönen Kopfbahnhof" ändert dementsprechend nichts am Charakter des Protests, und der ist - mehr als den Blick vom Schreibtisch dürften wir da ja beide nicht haben - von allen Seiten eher in Richtung "auf einmal gehen langjährige CDU-Wähler auf die Straße..." oder "der graue Block: Wenn Studienräte demonstrieren gehen..." beschrieben worden. nebulösen Wert der "Bewegung an sich"< propagiert oder wahllos "Bewegungen hinterhertapert". Aber Seit an Seit, wo Kolleg_innen und Genoss_innen für ihre ökonomischen, politischen oder demokratischen Rechte kämpfen, sollten immer auch Kommunist_innen stehen. Entweder, um aktiv die Kämpfe zu unterstützen und die Eigentumsfrage mit hineinzutragen oder um in einer solidarischen Form die Protestbewegung auf ihre Begrenzheit bzw. politische bzw. organisatorische Sackgassen hinzuweisen.
Ich will aber dennoch - in selbstverordneter Kürze (die ich mal wieder nicht einhalten werde) - auf einige Aspekte antworten:
>Da spielt die Frage der Kräfteverhältnisse wieder mit: eine Handvoll Kommunisten können in der bürgerlichen Suppe auch schlicht und einfach ersaufen.
Wir sind uns doch hoffentlich einig, dass es hier um Qualitäten geht. Der einzelne Arbeiter mehr oder weniger vor dem "schönen Kopfbahnhof" ändert dementsprechend nichts am Charakter des Protests, und der ist - mehr als den Blick vom Schreibtisch dürften wir da ja beide nicht haben - von allen Seiten eher in Richtung "auf einmal gehen langjährige CDU-Wähler auf die Straße..." oder "der graue Block: Wenn Studienräte demonstrieren gehen..." beschrieben worden. nebulösen Wert der "Bewegung an sich"< propagiert oder wahllos "Bewegungen hinterhertapert". Aber Seit an Seit, wo Kolleg_innen und Genoss_innen für ihre ökonomischen, politischen oder demokratischen Rechte kämpfen, sollten immer auch Kommunist_innen stehen. Entweder, um aktiv die Kämpfe zu unterstützen und die Eigentumsfrage mit hineinzutragen oder um in einer solidarischen Form die Protestbewegung auf ihre Begrenzheit bzw. politische bzw. organisatorische Sackgassen hinzuweisen.
•NEUER BEITRAG11.12.2010, 14:00 Uhr
EDIT: retmarut
11.12.2010, 14:20 Uhr
11.12.2010, 14:20 Uhr
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Opa Geißler schlichtet den Kapitalismus zugrunde
@ Secarts:
>Anzunehmen, dass das Kapital in seinen verschiedenen Fraktionierungen (bspw. zwischen denjenigen Fraktionen, die auf Güterverkehr setzen, wie die Chemiebranche, und denjenigen, die auf die Bahn verzichten könnten, bspw. die Automonopole) nicht in der Lage wäre, ein solches Protestpotential im eigenen Interesse umzufunktionieren, grenzt an rührende Naivität.
Tatsächlich geht es darum, dass Apparatvertreter wie Jörg Hofmann oder Automobil-Betriebsratsfürsten wie Erich Klemm und Uwe Hück entschiedene S 21-Verfechter sind, denen nichts ungelegener käme als eine eindeutige, praktische Kritik der IG Metall an ihrem Agieren Seit’ an Seit’ mit den Vorstandschefs von Daimler, Porsche und den andern Großindustriellen, der schwarz-gelben Landesregierung und der SPD.
Mit denen käuen sie, unbeeindruckt von den Fakten, mantraartig die Propagandaformeln von der "Zukunftsfähigkeit" des Industriestandorts Baden-Württemberg wieder, der ohne Stuttgart 21 aufs Spiel gesetzt werde. Wenn sich Auto-Kapitalist und Auto-Betriebsrat gemeinsam leidenschaftlich für ein Bahnprojekt einsetzen, das nachweislich keine Verbesserung des öffentlichen Transports bringen wird, spricht allein das schon für sich.
Oder sollten wir etwa in Stuttgart gerade Zeuge eines allgemeinen Volksaufstandes über alle Klassenschranken hinweg, gar revolutionärer Aktivitäten geworden sein?! -> zurück zur Erde, bitte...
>Anzunehmen, dass das Kapital in seinen verschiedenen Fraktionierungen (bspw. zwischen denjenigen Fraktionen, die auf Güterverkehr setzen, wie die Chemiebranche, und denjenigen, die auf die Bahn verzichten könnten, bspw. die Automonopole) nicht in der Lage wäre, ein solches Protestpotential im eigenen Interesse umzufunktionieren, grenzt an rührende Naivität.
Tatsächlich geht es darum, dass Apparatvertreter wie Jörg Hofmann oder Automobil-Betriebsratsfürsten wie Erich Klemm und Uwe Hück entschiedene S 21-Verfechter sind, denen nichts ungelegener käme als eine eindeutige, praktische Kritik der IG Metall an ihrem Agieren Seit’ an Seit’ mit den Vorstandschefs von Daimler, Porsche und den andern Großindustriellen, der schwarz-gelben Landesregierung und der SPD.
Mit denen käuen sie, unbeeindruckt von den Fakten, mantraartig die Propagandaformeln von der "Zukunftsfähigkeit" des Industriestandorts Baden-Württemberg wieder, der ohne Stuttgart 21 aufs Spiel gesetzt werde. Wenn sich Auto-Kapitalist und Auto-Betriebsrat gemeinsam leidenschaftlich für ein Bahnprojekt einsetzen, das nachweislich keine Verbesserung des öffentlichen Transports bringen wird, spricht allein das schon für sich.
Oder sollten wir etwa in Stuttgart gerade Zeuge eines allgemeinen Volksaufstandes über alle Klassenschranken hinweg, gar revolutionärer Aktivitäten geworden sein?! -> zurück zur Erde, bitte...
•NEUER BEITRAG11.12.2010, 14:01 Uhr
EDIT: retmarut
11.12.2010, 14:25 Uhr
11.12.2010, 14:25 Uhr
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Opa Geißler schlichtet den Kapitalismus zugrunde
@ all: Heute ist ja Großdemo in Stuttgart. Wird spannend, ob und wie die S21-Protestbewegung nach dem Schlichterspruch mobilisierungsfähig ist.
Hier gibt es einen Live-Stream von der Demo.
Hier gibt es einen Live-Stream von der Demo.
•NEUER BEITRAG11.12.2010, 14:47 Uhr
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Opa Geißler schlichtet den Kapitalismus zugrunde
Auf der Demo heute sind laut Veranstalter_innen ca. 50.700 Teilnehmer_innen.
•NEUER BEITRAG14.12.2010, 15:12 Uhr
EDIT: secarts
14.12.2010, 15:31 Uhr
14.12.2010, 15:31 Uhr
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secarts | |
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Opa Geißler schlichtet den Kapitalismus zugrunde
Wir drehen uns augenscheinlich im Kreis. Die entscheidende Frage, ob denn dieser Protest in erster Linie demokratischer Natur ist (und wenn ja, warum), harrt immer noch einer Antwort...
"Es geht auch nicht primär um einen "schönen Kopfbahnhof", rotlistige Käferarten, romantische Baumliebhaberei oder ähnliche Schmonzetten, sondern um die Fragen Bahnnahverkehrskonzept, Immobilienpreise, mafiöser CDU-Filz und Erhalt eines Naherholungsgebiets in der hochpreisigen Innenstadt. Seit dem Polizeieinsatz im September kommt dort noch die Komponente Polizeirepression und Demokratiedefizit verstärkt dazu."
OK. Konzentrieren wir uns also auf diesen Ausschnitt aus den Protesten, den du hier vornimmst. Hoffentlich ist dir schon bewusst, dass der selbst ziemlich selektiv ist und auch die Juchtenkäfer-Fraktion durchaus einige Anhänger hat... Whatever. Wir haben dort also: mies ausgebauter Bahnnahverkehr, hohe Immobilienpreise, CDU-Filz, teure bzw. fehlende Naherholung, hohe Innenstadtpreise, Polizeiwillkür und ein "Demokratiedefizit", welches ich noch gerne genauer erläutert hätte.
Wir sollten also bitte erst mal sauber trennen zwischen demokratischen und (eigentlich)antikapitalistischen Forderungen, auch wenn letztere halbgar, kleinbürgerlich-regressiv oder ganz unausgegoren sein mögen. Wenn ich mir deine Aufzählung anschaue, sehe ich folgendes:
1) Verteilungsfragen. Naherholungsgebiete, Bahnverkehr, Immobilienpreise und Innenstadtkaufkraft sind und bleiben Fragen, über die - im Kapitalismus - das Kapital entscheidet. Egal, unter welcher Tünche diese Fragen ausgefochten werden: es sind keine demokratischen, sondern letztlich Systemfragen. (Damit möchte ich ausdrücklich nicht gesagt haben, dass solche Fragen durch uns nicht auch bearbeitet werden sollten. Aber eine klare Analyse und Einordnung des Charakters solcher Fragen dürfte trotzdem unabdingbar sein.)
2) Machtfragen. Wo es gegen "CDU-Filz" und gestörte Vermittlung der Politik an die "Bürger" geht, erschöpfen sich die Vorstellungen überwiegend in anders gefärbtem (bspw. grünem) Filz und "besserer Vermittlung" der großen Politik, bspw. in Form von Volksentscheiden oder -Befragungen (alles andere wäre eine breite außerparlamentarische Bewegung!). Das ist auch noch kein "demokratischer Kampf", solange der Pest nur die Cholera vorgezogen wird; der Schrei nach "direkter Demokratie" ist tatsächlich gar antidemokratisch, weil (miese, aber immerhin juristisch abgesteckte) parlamentarische Formen gegen die Hoheit der Straße, die Macht (gutbezahlter) Demagogen eingetauscht werden sollen. Wohin solche "Demokratie" führt, kann man sich leicht vorstellen: Bei Volksentscheiden käme auch hierzulande ein Minarettverbot etc. - das wäre dann die Demokratur der "BILD".
3) Polizeiwillkür. Das ist m. E. der einzige Bereich, der ein demokratisches Potential hat, zumindest dort, wo Polizeiwillkür weiter gefasst wird als bloß das als fehl empfundene Agieren der Staatsmacht bei den S21-Protesten. Will heißen: demokratisch wird es dann, wenn die Betroffenen auch gegen Überwachungsgesetze, Gewalt gegen Migranten, Aushöhlung der bürgerlich-demokratischen Rechte der Menschen an sich usw. protestieren. Solange sie mit der Polizei "an und für sich" zufrieden sind und sich nur in Stuttgart zu Unrecht hart angegangen fühlen, bleibt das Protestpotential ungefähr auf dem Niveau, das es bspw. auch bei Hooligans hat, die sich ebenfalls gerne mal mit Uniformierten prügeln, ansonsten aber kaum durch demokratische Forderungen auffallen.
Nun noch einmal meine Frage: Was ist daran demokratischer Kampf? Abgesehen von Letzterem ist und bleibt das eher ein Unwohlsein mit einzelnen kapitalistischen Auswüchsen oder der Wunsch, die vermittelnden Charaktermasken auszutauschen. "Demokratischer Kampf" zielt auf Ausweitung der (bürgerlichen) Demokratie, besteht aus Eintreten gegen Reaktion, also Entwicklung nach Rechts. Demokratischer Kampf kann auf alle (teil-)antikapitalistischen Momente verzichten und sich streng im Rahmen der bürgerlichen Ordnung halten, ohne seinen Charakter einzubüßen. Wenn allerdings die Stoßrichtung gegen die Reaktion fehlt, verliert er seinen demokratischen Anspruch; egal, was sonst noch gegen "das Großkapital" gewettert wird.
Um nun nicht wieder ins Gestrüpp von einzelnen Gegenbeispielen zu geraten: Ich habe nie ausgeschlossen, dass auch Demokraten an den Protesten teilnehmen und dass viele Menschen etliches von dem mischen, was du aufgezählt hast, und auch nicht, dass bei einigen ein Denkprozess in Gang gesetzt wird und vielleicht bei demokratischem Bewusstsein ankommt. Es geht mir immer noch um die Qualität, um den grundsätzlichen Charakter des Protests. Und da beißt sich die Katze in den Schwanz: Solange keine kämpfende Arbeiterbewegung die demokratischen Kräfte treibt, bleiben diese schwach und in der Minderheit. Und solange dies so ist, werden andere Kräfte den Kurs der Proteste bestimmen, denn auch rudimentäres demokratisches Bewusstsein hat alleine keinen Bestand, wenn keine gesellschaftlichen Lösungswege wahrnehmbar sind.
Konzentrieren wir uns also bitte auf die Diskussion der Frage, ob es (derzeit) sinnvoll ist, in einer historischen Defensivsituation und eklatanten Schwäche unsere geringen Kräfte auf einen solchen Protest zu konzentrieren (in der Hoffnung, ihm haltbares demokratisches Gepräge zu geben). ODER ob wir nicht besser fahren, wenn wir unsere wenigen Potenzen in Mobilisierung des historischen Subjekts investieren (mit der Folge, dann auch irgendwann Proteste wie die gegen S21 dadurch zu beeinflussen und in demokratische Richtung zu treiben).
"Mich wundert wirklich, dass Du Dich hier auf Seiten des Großkapitals und des CDU-Filzes schlägst, indem Du S21 als spinnerten Protest von Hippies und Studienräten kolportierst."
Und so was verbitte ich mir.
Man schlägt sich nicht alleine deswegen "auf Seiten des Großkapitals und des CDU-Filzes", indem man darauf aufmerksam macht, dass kaum alles, was irgendwie, emotional oder ressentimental, "gegen das Kapital" oder "gegen den Filz" geht, schon alleine deswegen automatisch demokratisch oder gar antikapitalistisch ist. Ich komme bei der Analyse der beteiligten Kräfte und der verwendeten Forderungen zu anderen Ergebnissen als du. Das ist immer noch marxistischer Diskurs, und nicht "Seitenwechsel".
"Es geht auch nicht primär um einen "schönen Kopfbahnhof", rotlistige Käferarten, romantische Baumliebhaberei oder ähnliche Schmonzetten, sondern um die Fragen Bahnnahverkehrskonzept, Immobilienpreise, mafiöser CDU-Filz und Erhalt eines Naherholungsgebiets in der hochpreisigen Innenstadt. Seit dem Polizeieinsatz im September kommt dort noch die Komponente Polizeirepression und Demokratiedefizit verstärkt dazu."
OK. Konzentrieren wir uns also auf diesen Ausschnitt aus den Protesten, den du hier vornimmst. Hoffentlich ist dir schon bewusst, dass der selbst ziemlich selektiv ist und auch die Juchtenkäfer-Fraktion durchaus einige Anhänger hat... Whatever. Wir haben dort also: mies ausgebauter Bahnnahverkehr, hohe Immobilienpreise, CDU-Filz, teure bzw. fehlende Naherholung, hohe Innenstadtpreise, Polizeiwillkür und ein "Demokratiedefizit", welches ich noch gerne genauer erläutert hätte.
Wir sollten also bitte erst mal sauber trennen zwischen demokratischen und (eigentlich)antikapitalistischen Forderungen, auch wenn letztere halbgar, kleinbürgerlich-regressiv oder ganz unausgegoren sein mögen. Wenn ich mir deine Aufzählung anschaue, sehe ich folgendes:
1) Verteilungsfragen. Naherholungsgebiete, Bahnverkehr, Immobilienpreise und Innenstadtkaufkraft sind und bleiben Fragen, über die - im Kapitalismus - das Kapital entscheidet. Egal, unter welcher Tünche diese Fragen ausgefochten werden: es sind keine demokratischen, sondern letztlich Systemfragen. (Damit möchte ich ausdrücklich nicht gesagt haben, dass solche Fragen durch uns nicht auch bearbeitet werden sollten. Aber eine klare Analyse und Einordnung des Charakters solcher Fragen dürfte trotzdem unabdingbar sein.)
2) Machtfragen. Wo es gegen "CDU-Filz" und gestörte Vermittlung der Politik an die "Bürger" geht, erschöpfen sich die Vorstellungen überwiegend in anders gefärbtem (bspw. grünem) Filz und "besserer Vermittlung" der großen Politik, bspw. in Form von Volksentscheiden oder -Befragungen (alles andere wäre eine breite außerparlamentarische Bewegung!). Das ist auch noch kein "demokratischer Kampf", solange der Pest nur die Cholera vorgezogen wird; der Schrei nach "direkter Demokratie" ist tatsächlich gar antidemokratisch, weil (miese, aber immerhin juristisch abgesteckte) parlamentarische Formen gegen die Hoheit der Straße, die Macht (gutbezahlter) Demagogen eingetauscht werden sollen. Wohin solche "Demokratie" führt, kann man sich leicht vorstellen: Bei Volksentscheiden käme auch hierzulande ein Minarettverbot etc. - das wäre dann die Demokratur der "BILD".
3) Polizeiwillkür. Das ist m. E. der einzige Bereich, der ein demokratisches Potential hat, zumindest dort, wo Polizeiwillkür weiter gefasst wird als bloß das als fehl empfundene Agieren der Staatsmacht bei den S21-Protesten. Will heißen: demokratisch wird es dann, wenn die Betroffenen auch gegen Überwachungsgesetze, Gewalt gegen Migranten, Aushöhlung der bürgerlich-demokratischen Rechte der Menschen an sich usw. protestieren. Solange sie mit der Polizei "an und für sich" zufrieden sind und sich nur in Stuttgart zu Unrecht hart angegangen fühlen, bleibt das Protestpotential ungefähr auf dem Niveau, das es bspw. auch bei Hooligans hat, die sich ebenfalls gerne mal mit Uniformierten prügeln, ansonsten aber kaum durch demokratische Forderungen auffallen.
Nun noch einmal meine Frage: Was ist daran demokratischer Kampf? Abgesehen von Letzterem ist und bleibt das eher ein Unwohlsein mit einzelnen kapitalistischen Auswüchsen oder der Wunsch, die vermittelnden Charaktermasken auszutauschen. "Demokratischer Kampf" zielt auf Ausweitung der (bürgerlichen) Demokratie, besteht aus Eintreten gegen Reaktion, also Entwicklung nach Rechts. Demokratischer Kampf kann auf alle (teil-)antikapitalistischen Momente verzichten und sich streng im Rahmen der bürgerlichen Ordnung halten, ohne seinen Charakter einzubüßen. Wenn allerdings die Stoßrichtung gegen die Reaktion fehlt, verliert er seinen demokratischen Anspruch; egal, was sonst noch gegen "das Großkapital" gewettert wird.
Um nun nicht wieder ins Gestrüpp von einzelnen Gegenbeispielen zu geraten: Ich habe nie ausgeschlossen, dass auch Demokraten an den Protesten teilnehmen und dass viele Menschen etliches von dem mischen, was du aufgezählt hast, und auch nicht, dass bei einigen ein Denkprozess in Gang gesetzt wird und vielleicht bei demokratischem Bewusstsein ankommt. Es geht mir immer noch um die Qualität, um den grundsätzlichen Charakter des Protests. Und da beißt sich die Katze in den Schwanz: Solange keine kämpfende Arbeiterbewegung die demokratischen Kräfte treibt, bleiben diese schwach und in der Minderheit. Und solange dies so ist, werden andere Kräfte den Kurs der Proteste bestimmen, denn auch rudimentäres demokratisches Bewusstsein hat alleine keinen Bestand, wenn keine gesellschaftlichen Lösungswege wahrnehmbar sind.
Konzentrieren wir uns also bitte auf die Diskussion der Frage, ob es (derzeit) sinnvoll ist, in einer historischen Defensivsituation und eklatanten Schwäche unsere geringen Kräfte auf einen solchen Protest zu konzentrieren (in der Hoffnung, ihm haltbares demokratisches Gepräge zu geben). ODER ob wir nicht besser fahren, wenn wir unsere wenigen Potenzen in Mobilisierung des historischen Subjekts investieren (mit der Folge, dann auch irgendwann Proteste wie die gegen S21 dadurch zu beeinflussen und in demokratische Richtung zu treiben).
"Mich wundert wirklich, dass Du Dich hier auf Seiten des Großkapitals und des CDU-Filzes schlägst, indem Du S21 als spinnerten Protest von Hippies und Studienräten kolportierst."
Und so was verbitte ich mir.
Man schlägt sich nicht alleine deswegen "auf Seiten des Großkapitals und des CDU-Filzes", indem man darauf aufmerksam macht, dass kaum alles, was irgendwie, emotional oder ressentimental, "gegen das Kapital" oder "gegen den Filz" geht, schon alleine deswegen automatisch demokratisch oder gar antikapitalistisch ist. Ich komme bei der Analyse der beteiligten Kräfte und der verwendeten Forderungen zu anderen Ergebnissen als du. Das ist immer noch marxistischer Diskurs, und nicht "Seitenwechsel".
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