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•NEUES THEMA07.09.2015, 16:16 Uhr
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• Michael Schlecht (Linke) spricht vom deutschen Imperialismus
Den Mann sollte man im Auge behalten, er spricht Klartext:
Die Folgen des deutschen Imperialismus
Die griechische Regierung musste im Juli kapitulieren. Sie beugte sich der Macht ihrer Gläubiger, vor allem der Macht von Merkel und Schäuble. Es war wie ein Putsch gegen das griechische Volk. Erinnerungen an den 11. September 1973, den Putsch gegen Allende in Chile, wurden wach. Kein Wunder, dass wie damals intensive Diskussionen über die Handlungsmöglichkeiten linker Politik geführt werden. Bislang kreisen diese sehr stark um die europäischen Institutionen und um den Euro selbst. Doch diese Debatten führen in die Irre.
Der Ausstieg aus dem Euro, der „Grexit“, wäre eine noch größere Katastrophe für das griechische Volk als das jetzige Memorandum. Wer das nicht einsieht, sollte zumindest akzeptieren, dass die Mehrheit in Griechenland den Ausstieg fürchtet und im Euro bleiben will.
Durchgängig in der Debatte ist der Tenor, dass die neoliberale Erpressung Griechenlands Resultat der Strukturen der EU und der Eurozone sind. Dies läuft dann alles zusammen in der Kritik am Euro selbst: Er sei schlecht für Griechenland, aber auch für die Länder der Euro-Zone. Er sei gescheitert, und die Rückkehr zu nationalen Währungen mit europäischer Kooperation sei die linke Alternative.
Starker Tobak. Ich erinnere mich noch gut an die Zeit des Europäischen Währungssystems (EWS). Damals versuchte die Politik, die Austauschverhältnisse von D-Mark, Gulden, Francs, Drachme und den anderen Geldern zu fixieren. Vergeblich. Das EWS war eine Einladung an die Finanzmärkte, gegen diese politischen Kurse zu spekulieren. Europas Währungen wurden zum Spielplatz der internationalen Finanzzocker. Nein, statt dem Euro eine Rückkehr zu diesen Gruselzeiten ist der falsche Weg.
Der eigentliche Knackpunkt der Eurokrise liegt nicht in der Währungsfrage. Die europäischen Institutionen bergen sicher sehr viel Undemokratisches in sich, aber sie und als Inkarnation des Ganzen den Euro entscheidend dafür verantwortlich zu machen, dass Griechenland zu einem Protektorat wurde, ist eine falsche Analyse.
Die wirkliche Ursache der Eurokrise liegt in einer deutschen Wirtschaftspolitik, die imperiale Züge trägt. Von 2000 bis 2009 sanken die preisbereinigten Löhne in Deutschland um rund fünf Prozent. Die anderen Länder der Eurozone hatten hingegen Reallohnerhöhungen von um die zehn Prozent – so Frankreich, Italien und Portugal – oder höher zu verzeichnen.
Der deutsche Sonderweg des Lohndumpings wurde maßgeblich mit der Agenda 2010 von Schröder und Fischer eingeleitet. Ziel war es, die internationale „Wettbewerbsfähigkeit“ der deutschen Unternehmen zu stärken. Durch den Niedriglohnsektor – auf den Schröder erklärtermaßen stolz ist -, durch Leiharbeit, Befristungen, Scheinselbstständigkeit und Werkverträge sowie Minijobs wurde die gewerkschaftliche Kampfkraft nachhaltig unterhöhlt. Leiharbeiter und Befristete haben kaum die Chance sich an Streiks zu beteiligen; alleine schon aus Angst um den Arbeitsplatz. Und ohne oder ungenügenden Streikdruck gibt es keine oder nur minimale Lohnerhöhungen. Viel schlimmer ist noch, dass mittlerweile nur noch jeder zweite Beschäftigte unter dem Schutz eines Flächentarifvertrages arbeitet; früher waren es einmal mehr als 70 Prozent.
Auch wenn in den letzten Jahren die Erhöhungen bei den Tariflöhnen etwas besser waren, so schöpfen sie 2015 mit einem preisbereinigten Plus gegenüber 2000 von zwölf Prozent immer noch nicht den verteilungsneutralen Spielraum der letzten 15 Jahre aus. Die andere Hälfte der Beschäftigten ohne Schutz eines Flächentarifvertrages ist regelrecht abgestürzt: Sie liegen heute preisbereinigt um 17 Prozent niedriger als im Jahr 2000.
Mit dem Sonderweg Deutschlands in Gestalt des Lohndumpings wurden die Euroländer massiv unter Druck gesetzt. Sie wurden einerseits von der Exportmaschine Deutschland überrollt. Andererseits wurde mit dem Lohndumping die Binnennachfrage in Deutschland beschnitten und damit auch die Importe aus anderen Ländern.
So stiegen die Außenhandelsüberschüsse Deutschlands beständig an. Seit dem Jahr 2000 summieren sie sich auf rund zwei Billionen Euro. Die Kehrseite dieser Überschüsse sind massive Außenhandelsdefizite in vielen Euroländern. Und diese Defizite waren und sind die Grundlage für die massive Verschuldung und damit für die Eurokrise.
Solidaritätsbekundungen mit Griechenland hierzulande sind schön und gut. Im Lichte der griechischen Tragödie Strukturdebatten über Europa zu führen und den Euro abschaffen zu wollen ist aber irrwitzig. Vor allem, wenn Deutsche diese Debatte führen. Denn sie kommen aus dem Land des Täters, des Verursachers der Eurokrise.
Das Räsonnieren über das Hätte und das Könnte europäischer Politik finden viele Linke spannender, als den Widerstand gegen das Lohndumping und die Prekarisierung hierzulande voranzubringen. So schwer es ist: Politische Mehrheiten für einen besseren Schutz am Arbeitsmarkt wären eher zu erreichen als für vermeintliche europäische Strukturreformen. Die zehnjährige gesellschaftliche Mobilisierung für den gesetzlichen Mindestlohn, der ihren Hauptträger in der Gewerkschaft Verdi hatte, hat gezeigt, wie ein erfolgreicher Kampf laufen kann. Gelänge dies auch für den Kampf gegen die Prekarisierung, dann wäre der imperiale Charakter der deutschen Wirtschaftspolitik mindestens erheblich beschnitten. Und das wäre gut für Griechenland und Europa. Und für die deutsche Bevölkerung.
Michael Schlecht, MdB, wirtschaftspolitischer Sprecher Fraktion DIE LINKE – 7.September 2015 (Presseerklärung)
Dieser Kommentar ist am 7.September 2015 in der Frankfurter Rundschau als Gastbeitrag erschienen.
In der FR ist der deutsche Imperialismus natürlich nicht mehr erwähnt: Link ...jetzt anmelden! [ externer link Link ...jetzt anmelden! ]
Die Folgen des deutschen Imperialismus
Die griechische Regierung musste im Juli kapitulieren. Sie beugte sich der Macht ihrer Gläubiger, vor allem der Macht von Merkel und Schäuble. Es war wie ein Putsch gegen das griechische Volk. Erinnerungen an den 11. September 1973, den Putsch gegen Allende in Chile, wurden wach. Kein Wunder, dass wie damals intensive Diskussionen über die Handlungsmöglichkeiten linker Politik geführt werden. Bislang kreisen diese sehr stark um die europäischen Institutionen und um den Euro selbst. Doch diese Debatten führen in die Irre.
Der Ausstieg aus dem Euro, der „Grexit“, wäre eine noch größere Katastrophe für das griechische Volk als das jetzige Memorandum. Wer das nicht einsieht, sollte zumindest akzeptieren, dass die Mehrheit in Griechenland den Ausstieg fürchtet und im Euro bleiben will.
Durchgängig in der Debatte ist der Tenor, dass die neoliberale Erpressung Griechenlands Resultat der Strukturen der EU und der Eurozone sind. Dies läuft dann alles zusammen in der Kritik am Euro selbst: Er sei schlecht für Griechenland, aber auch für die Länder der Euro-Zone. Er sei gescheitert, und die Rückkehr zu nationalen Währungen mit europäischer Kooperation sei die linke Alternative.
Starker Tobak. Ich erinnere mich noch gut an die Zeit des Europäischen Währungssystems (EWS). Damals versuchte die Politik, die Austauschverhältnisse von D-Mark, Gulden, Francs, Drachme und den anderen Geldern zu fixieren. Vergeblich. Das EWS war eine Einladung an die Finanzmärkte, gegen diese politischen Kurse zu spekulieren. Europas Währungen wurden zum Spielplatz der internationalen Finanzzocker. Nein, statt dem Euro eine Rückkehr zu diesen Gruselzeiten ist der falsche Weg.
Der eigentliche Knackpunkt der Eurokrise liegt nicht in der Währungsfrage. Die europäischen Institutionen bergen sicher sehr viel Undemokratisches in sich, aber sie und als Inkarnation des Ganzen den Euro entscheidend dafür verantwortlich zu machen, dass Griechenland zu einem Protektorat wurde, ist eine falsche Analyse.
Die wirkliche Ursache der Eurokrise liegt in einer deutschen Wirtschaftspolitik, die imperiale Züge trägt. Von 2000 bis 2009 sanken die preisbereinigten Löhne in Deutschland um rund fünf Prozent. Die anderen Länder der Eurozone hatten hingegen Reallohnerhöhungen von um die zehn Prozent – so Frankreich, Italien und Portugal – oder höher zu verzeichnen.
Der deutsche Sonderweg des Lohndumpings wurde maßgeblich mit der Agenda 2010 von Schröder und Fischer eingeleitet. Ziel war es, die internationale „Wettbewerbsfähigkeit“ der deutschen Unternehmen zu stärken. Durch den Niedriglohnsektor – auf den Schröder erklärtermaßen stolz ist -, durch Leiharbeit, Befristungen, Scheinselbstständigkeit und Werkverträge sowie Minijobs wurde die gewerkschaftliche Kampfkraft nachhaltig unterhöhlt. Leiharbeiter und Befristete haben kaum die Chance sich an Streiks zu beteiligen; alleine schon aus Angst um den Arbeitsplatz. Und ohne oder ungenügenden Streikdruck gibt es keine oder nur minimale Lohnerhöhungen. Viel schlimmer ist noch, dass mittlerweile nur noch jeder zweite Beschäftigte unter dem Schutz eines Flächentarifvertrages arbeitet; früher waren es einmal mehr als 70 Prozent.
Auch wenn in den letzten Jahren die Erhöhungen bei den Tariflöhnen etwas besser waren, so schöpfen sie 2015 mit einem preisbereinigten Plus gegenüber 2000 von zwölf Prozent immer noch nicht den verteilungsneutralen Spielraum der letzten 15 Jahre aus. Die andere Hälfte der Beschäftigten ohne Schutz eines Flächentarifvertrages ist regelrecht abgestürzt: Sie liegen heute preisbereinigt um 17 Prozent niedriger als im Jahr 2000.
Mit dem Sonderweg Deutschlands in Gestalt des Lohndumpings wurden die Euroländer massiv unter Druck gesetzt. Sie wurden einerseits von der Exportmaschine Deutschland überrollt. Andererseits wurde mit dem Lohndumping die Binnennachfrage in Deutschland beschnitten und damit auch die Importe aus anderen Ländern.
So stiegen die Außenhandelsüberschüsse Deutschlands beständig an. Seit dem Jahr 2000 summieren sie sich auf rund zwei Billionen Euro. Die Kehrseite dieser Überschüsse sind massive Außenhandelsdefizite in vielen Euroländern. Und diese Defizite waren und sind die Grundlage für die massive Verschuldung und damit für die Eurokrise.
Solidaritätsbekundungen mit Griechenland hierzulande sind schön und gut. Im Lichte der griechischen Tragödie Strukturdebatten über Europa zu führen und den Euro abschaffen zu wollen ist aber irrwitzig. Vor allem, wenn Deutsche diese Debatte führen. Denn sie kommen aus dem Land des Täters, des Verursachers der Eurokrise.
Das Räsonnieren über das Hätte und das Könnte europäischer Politik finden viele Linke spannender, als den Widerstand gegen das Lohndumping und die Prekarisierung hierzulande voranzubringen. So schwer es ist: Politische Mehrheiten für einen besseren Schutz am Arbeitsmarkt wären eher zu erreichen als für vermeintliche europäische Strukturreformen. Die zehnjährige gesellschaftliche Mobilisierung für den gesetzlichen Mindestlohn, der ihren Hauptträger in der Gewerkschaft Verdi hatte, hat gezeigt, wie ein erfolgreicher Kampf laufen kann. Gelänge dies auch für den Kampf gegen die Prekarisierung, dann wäre der imperiale Charakter der deutschen Wirtschaftspolitik mindestens erheblich beschnitten. Und das wäre gut für Griechenland und Europa. Und für die deutsche Bevölkerung.
Michael Schlecht, MdB, wirtschaftspolitischer Sprecher Fraktion DIE LINKE – 7.September 2015 (Presseerklärung)
Dieser Kommentar ist am 7.September 2015 in der Frankfurter Rundschau als Gastbeitrag erschienen.
In der FR ist der deutsche Imperialismus natürlich nicht mehr erwähnt: Link ...jetzt anmelden! [ externer link Link ...jetzt anmelden! ]
•NEUER BEITRAG10.09.2015, 13:37 Uhr
Nutzer / in | |
mischa | |
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Michael Schlecht (Linke) spricht vom deutschen Imperialismus
Ich finde, das liest sich wie ein moralischer Imperialismus-Begrifr bei Schlecht...
•NEUER BEITRAG12.09.2015, 11:15 Uhr
Nutzer / in | |
secarts | |
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Michael Schlecht (Linke) spricht vom deutschen Imperialismus
Ist wohl auch erster Linie moralisch, sicher. Spannend ist dennoch, warum sich der Linken-Abgeordnete bemüßigt fühlt, mit so "unzeitgemäßen" Argumentationen an die Öffentlichkeit zu gehen, wo sonst bevorzugt von der "US-Kolonie" geredet wird (Waggonknecht). Auch innerhalb der Linksfraktion scheint es also unterschiedliche Einschätzungen der Kräfteverhältnisse zu geben. Das sollten wir nicht übersehen.
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