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•NEUES THEMA05.11.2004, 02:12 Uhr
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• Aleae iacta sunt und Haribo macht Kinder froh.
Die WM für politikinteressierte Fußballlaien ist gelaufen. Es sollte eine spannende Nacht werden: Das Bier stand kalt, die Küche qualmte1 und die Hochrechnungen liefen.
Nun ist darüber viel geschrieben worden; das Kerry als Präsident für die Anti-Irakkriegseuropäer kaum ein besserer Präsident wäre zum Beispiel. Oder dass Bush zwar ein dummer Cowboy sei, die USA aber dennoch eine Demokratie. Und dass es Moore wohl die Sprache verschlagen hat nach der Wahl. Und ganz Hollywood auch. Nun - ich will, kann und werde nicht viel Neues dazu beitragen; die politischen Wetterfrösche Deutschlands sind, wenn es um Amerika geht, erstaunlich kritisch und offen: Schon die Nazis geißelten die englische und us-amerikanische Politik mit dem Slogan "Blut für Öl", und ihre Nachfolger in den vielen neuen kleinen Propagandaministerien haben nur gelernt in den letzten fündzig Jahren. Ein Jahr lang haben sie gegen Bush gewettert und Kerry als strahlenden Helden aufgebaut, nun läuft es anders herum. Es war ja schließlich zu erwarten, das die Amis wieder so wählen; religiös wie sie alle sind, und engstirnig. Und außerdem sind die USA konservativ und schmeissen in einer Krise nicht einfach mal so den Präsidenten raus. Als ob wir hier viel schlauer wählen würden.
Nein, meine kleine Wahlrückschau befasst sich eher mit persönlichen Empfindungen dieses denkwürdigen und dennoch nahezu irrelevanten Abends.
Zum Ersten: Warum steht es ausgerechnet Thomas Gottschalk an, im ZDF mehrere Stunden als Koryphäe der modernen Amerikaforschung die Wahl kommentieren zu dürfen? Sicher; er wurde zu keiner Party eingeladen an dem Abend. Er ist halt doch schon relativ alt für einen aus dem Showgeschäft und obendrein nicht international bekannt; eben nur eine bundesdeutsche Rampensau im Öffentlich-Rechtlichen. Die kriegen ihn also ziemlich billig, und Haribo macht Kinder froh. Also: Auf in die Neue Welt! Mit Thomas als Reiseführer, zum All-Inclusive-Tarif in der harte-Bänke-Klasse.
Zum Zweiten: Wir haben Hollywood adaptiert. Müssen wir auch noch die US-Wahlen nachspielen? Seit Wochen geht ein Sermon aus albernen Wahlempfehlungen (siehe Bild-"Zeitung") und Hintergrundrecherchen von selbsterklärten "Insidern", die mal ein halbes Jahr auf Studentenaustausch in den USA waren oder wenigstens den Reader's Digest abonniert haben auf uns nieder, dass einem Hören und Sehen vergeht. Man könnte meinen, dass unser aller Schicksal von der Haarfarbe des neuen Präsidenten der Vereinigten Staaten abhängt - als ob nur ein texanischer Republikaner Krieg führen würde und ein Demokrat aus Neuengland aus Prinzip nicht. Ein Blick in ein beliebiges Geschichtsbuch belehrt da jeden gerne und gratis eines Besseren.
Zum Dritten: In der Moore-aufgeklärten BRD ist so nahezu jeder halbwegs des Lesens mächtige Deutsche zum außenpolitischen Experten geworden, wenn es um Amerika geht. Klar. Freundschaft, ist ja wichtig. Aber die Kriege... und die Folter. Und Irak. Das hätte alles nicht sein müssen. Cowboys halt. Schießwütig. Und so selbstgerecht! Diese Scheiß-Globalisierung!!!
Wohlgemerkt: die Rolle, die Michael Moore in Amerika spielt ist sicherlich fortschrittlich. Doch wo bleiben die deutschen Moores? Vor lauter Protestieren und demonstrieren gegen die Amis haben wir völlig vergessen, dass auch wir in einem Land leben, dass imperialistische Interessenpolitik verfolgt. Zum Irakkrieg konnten sie alle wieder aus ihren Löchern kriechen, die Grünen und SPD-Pazifisten. Mussten sie sich doch diesmal immerhin nicht anhören, dass es schließlich IHR Präsident ist, der Krieg führt. Und wo waren sie alle, die Friedensfreunde unter der Pace-Fahne, als Deutschland marschierte in Jugoslawien? Ich habe vielleicht zehn Gesichter wiedererkannt, wenn's hochkommt.
Nun, die Wahl ist gelaufen. Wir wissen, dass wir ein paar weitere Jahre mit Bush leben müssen. Genauso wie mit Hollywood, McDonalds und Disneyland. Wir kennen die Alternative nicht und können uns deswegen alle so richtig schön schwarzärgern. Falls es uns gelingen sollte, den gleichen scharfen Blick, den wir derzeit auf unseren großen transatlantischen Verbündeten und globalen Rivalen USA werfen auch auf unser eigenes Land, seine Politik und seine Verbrechen zu richten, könnte es ein heißer Winter werden. Ich zumindest würde mich drauf freuen.
1 danke dafür an Stephan
Nun ist darüber viel geschrieben worden; das Kerry als Präsident für die Anti-Irakkriegseuropäer kaum ein besserer Präsident wäre zum Beispiel. Oder dass Bush zwar ein dummer Cowboy sei, die USA aber dennoch eine Demokratie. Und dass es Moore wohl die Sprache verschlagen hat nach der Wahl. Und ganz Hollywood auch. Nun - ich will, kann und werde nicht viel Neues dazu beitragen; die politischen Wetterfrösche Deutschlands sind, wenn es um Amerika geht, erstaunlich kritisch und offen: Schon die Nazis geißelten die englische und us-amerikanische Politik mit dem Slogan "Blut für Öl", und ihre Nachfolger in den vielen neuen kleinen Propagandaministerien haben nur gelernt in den letzten fündzig Jahren. Ein Jahr lang haben sie gegen Bush gewettert und Kerry als strahlenden Helden aufgebaut, nun läuft es anders herum. Es war ja schließlich zu erwarten, das die Amis wieder so wählen; religiös wie sie alle sind, und engstirnig. Und außerdem sind die USA konservativ und schmeissen in einer Krise nicht einfach mal so den Präsidenten raus. Als ob wir hier viel schlauer wählen würden.
Nein, meine kleine Wahlrückschau befasst sich eher mit persönlichen Empfindungen dieses denkwürdigen und dennoch nahezu irrelevanten Abends.
Zum Ersten: Warum steht es ausgerechnet Thomas Gottschalk an, im ZDF mehrere Stunden als Koryphäe der modernen Amerikaforschung die Wahl kommentieren zu dürfen? Sicher; er wurde zu keiner Party eingeladen an dem Abend. Er ist halt doch schon relativ alt für einen aus dem Showgeschäft und obendrein nicht international bekannt; eben nur eine bundesdeutsche Rampensau im Öffentlich-Rechtlichen. Die kriegen ihn also ziemlich billig, und Haribo macht Kinder froh. Also: Auf in die Neue Welt! Mit Thomas als Reiseführer, zum All-Inclusive-Tarif in der harte-Bänke-Klasse.
Zum Zweiten: Wir haben Hollywood adaptiert. Müssen wir auch noch die US-Wahlen nachspielen? Seit Wochen geht ein Sermon aus albernen Wahlempfehlungen (siehe Bild-"Zeitung") und Hintergrundrecherchen von selbsterklärten "Insidern", die mal ein halbes Jahr auf Studentenaustausch in den USA waren oder wenigstens den Reader's Digest abonniert haben auf uns nieder, dass einem Hören und Sehen vergeht. Man könnte meinen, dass unser aller Schicksal von der Haarfarbe des neuen Präsidenten der Vereinigten Staaten abhängt - als ob nur ein texanischer Republikaner Krieg führen würde und ein Demokrat aus Neuengland aus Prinzip nicht. Ein Blick in ein beliebiges Geschichtsbuch belehrt da jeden gerne und gratis eines Besseren.
Zum Dritten: In der Moore-aufgeklärten BRD ist so nahezu jeder halbwegs des Lesens mächtige Deutsche zum außenpolitischen Experten geworden, wenn es um Amerika geht. Klar. Freundschaft, ist ja wichtig. Aber die Kriege... und die Folter. Und Irak. Das hätte alles nicht sein müssen. Cowboys halt. Schießwütig. Und so selbstgerecht! Diese Scheiß-Globalisierung!!!
Wohlgemerkt: die Rolle, die Michael Moore in Amerika spielt ist sicherlich fortschrittlich. Doch wo bleiben die deutschen Moores? Vor lauter Protestieren und demonstrieren gegen die Amis haben wir völlig vergessen, dass auch wir in einem Land leben, dass imperialistische Interessenpolitik verfolgt. Zum Irakkrieg konnten sie alle wieder aus ihren Löchern kriechen, die Grünen und SPD-Pazifisten. Mussten sie sich doch diesmal immerhin nicht anhören, dass es schließlich IHR Präsident ist, der Krieg führt. Und wo waren sie alle, die Friedensfreunde unter der Pace-Fahne, als Deutschland marschierte in Jugoslawien? Ich habe vielleicht zehn Gesichter wiedererkannt, wenn's hochkommt.
Nun, die Wahl ist gelaufen. Wir wissen, dass wir ein paar weitere Jahre mit Bush leben müssen. Genauso wie mit Hollywood, McDonalds und Disneyland. Wir kennen die Alternative nicht und können uns deswegen alle so richtig schön schwarzärgern. Falls es uns gelingen sollte, den gleichen scharfen Blick, den wir derzeit auf unseren großen transatlantischen Verbündeten und globalen Rivalen USA werfen auch auf unser eigenes Land, seine Politik und seine Verbrechen zu richten, könnte es ein heißer Winter werden. Ich zumindest würde mich drauf freuen.
1 danke dafür an Stephan
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