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NEUES THEMA02.09.2006, 00:18 Uhr
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Tibor Zenker
GAST
• Konservativismus, Monopolbourgeoisie und Faschismus Bisher war es HistorikerInnen und Menschen, die unfallfrei Google bedienen können, bekannt - jetzt weiß es auch eine breitere Öffentlichkeit: Schloss Lannach, Familien- und Unternehmenssitz der Bartensteins, war eine Außenstelle des Konzentrationslagers Mauthausen und Experimentierfeld der SS Heinrich Himmlers. Kann da ÖVP-Wirtschaftsminister Martin Bartenstein etwas dafür? Nein, natürlich nicht. Aber die gegenwärtige Reaktion Bartensteins auf diese mediale Enthüllung enthüllt wieder einmal recht hübsch und exemplarisch das Verhältnis der ÖVP zum Faschismus...
von Tibor Zenker,erschienen auf www.kominform.at Link ...jetzt anmelden!' target='blank


Herr Bartenstein als historischer Agnostiker

[bartenstein.gif]Bleiben wir zunächst bei Herrn Bartenstein, der von der Vergangenheit seines Schlosses nichts gewusst haben will. Ist es glaubwürdig, dass ein gebildeter Mann wie Bartenstein, der zumindest beim Schuhkauf kein Blödmann ist, tatsächlich in der steirischen Zeitgeschichte ebenso wenig bewandert ist wie Arnold Schwarzenegger? In diesem Fall kann man von Glück reden, dass es in den 60er Jahren noch keinen PISA-Test gab. Aber warum soll man Herrn Bartenstein auch nicht glauben? Er hat doch erst im Oktober 2005 seine völlige historische Inkompetenz unter Beweis gestellt: als der Erfolg der KPÖ Steiermark bei der Landtagswahl absehbar war, meinte er, es werde ihm übel, wenn 60 Jahre nach Kriegsende - also im viel beschworenen allgemeinen "Gedenkjahr" - plötzlich wieder Kommunisten in einem Parlament vertreten wären.

Was heißt das implizit, was suggerierte Bartenstein - wohl doch durchaus bewusst - damit? Dass die KommunistInnen - und nicht der Faschismus - für den imperialistischen Krieg die Verantwortung hätten. Damit verkehrte er nicht nur Opfer und Täter, sondern auch Widerstand und Terrorherrschaft. Herr Bartenstein könnte heute nicht sein auf demokratischem Wege erlangtes Amt ausüben, hätten nicht gerade die österreichischen KommunistInnen und insbesondere die Rote Armee der Sowjetunion gegen den Faschismus gekämpft und den Krieg siegreich beendet. Somit wollte Bartenstein offenbar davon ablenken, dass es nämlich seine Partei war, die selbst Trägerin des Faschismus war, während die KPÖ den Faschismus (nämlich den österreichschen ebenso wie den deutschen) am konsequentesten bekämpft hat. Manch einer könnte angesichts dessen fast annehmen, Herr Bartenstein würde in Wahrheit genau dies den KommunistInnen zur Last legen wollen...

Oder aber Herr Bartenstein, Mulimillionär als Pharmaunternehmer, weiß womöglich um den monopolkapitalistischen Klassencharakter des Faschismus und somit um die wirklichen Verantwortlichen für den imperialistischen Zweiten Weltkrieg und die faschistischen Gräuel der 30er und 40er Jahre des 20. Jahrhunderts: "Der Faschismus an der Macht ... ist ... die offene terroristische Diktatur der reaktionärsten, der am meisten chauvinistischen, am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals", sagte Georgi Dimitroff prägnant und treffend. [1] In Österreich zählt die Familie Bartenstein zweifelsohne zur Monopolbourgeoisie - da ist es nahe liegend, dass sie kein Interesse an der Enthüllung des Klassencharakters und der Ursache des Faschismus hat.

ÖVP und Austrofaschismus

Doch gilt dies natürlich für die gesamte ÖVP seit 1945, die einer Neugründung der Christlichsozialen Partei (CSP) unter neuem Namen entspricht. Die CSP hat 1934 in Österreich eine faschistische Diktatur "von oben" errichtet. Nicht unlogisch, dass die ÖVP versucht, bezüglich des Austrofaschismus diesem den faschistischen Charakter überhaupt abzusprechen: seitens der bürgerlichen Wissenschaft und der ÖVP ist dies logisch, doch auch die Sozialdemokratie ist hierbei hilfreich; die Mär der "geteilten Schuld" und Otto Bauers Charakterisierung eines angeblichen "Halbfaschismus" in Österreich 1934-1938 liefern die Grundlage. Die ÖVP hat freilich ein besonders perfides Verhältnis zur austrofaschistischen Diktatur, bekanntermaßen hängt in den ÖVP-Räumlichkeiten des Parlaments in Wien nach wie vor ein Porträt des faschistischen Diktators Engelbert Dollfuß. Dies ist nur eine optische Bestätigung, begründen tun dies Leute wie Andreas Khol. Auf die Frage, wie die Dollfuß-Diktatur einzuschätzen sei, antwortete Khol in einem Interview mit der Tageszeitung "Die Presse": "Mein Urteil gründe ich auf die internationale Wissenschaft. Auf der einen Seite hat der bedeutende Historiker Dan Diner klar dargestellt, dass das gesamte Europa ab 1930 mit ganz wenigen Ausnahmen in den Faschismus und in den Nationalsozialismus hineindriftete und dass Österreich ein Land des Widerstandes war. Stanley Payne, ein anerkannter amerikanischer Faschismustheoretiker, sagt, dass es Dollfuß gelungen ist, eine Bastion gegen den Nationalsozialismus aufzubauen. Ich sage aber gleich: Dollfuß war in dem, was er nach der Ausschaltung des Parlaments tat, kein Demokrat. Niemand kann das entschuldigen, er ist durch einen Putsch an die Macht gekommen, und das war eine Diktatur. Aber es war kein Faschismus, weil alle Wesensmerkmale des Faschismus fehlen. (...) Dass wir in Dollfuß das Opfer für Österreich sehen, das erste Opfer Hitlers und das Symbol für den Widerstand gegen den Nationalsozialismus, ist unsere Meinung. Ich habe die Fehler, die er begangen hat, schon geschildert, und ich rechtfertige sie nicht. Aber es ist unbestritten, dass er an der Wurzel der österreichischen Nation stand, und das Österreich-Bewusstsein, das nach dem Zweiten Weltkrieg immer stärker Fuß gefasst hat, kommt aus dieser Zeit (...) Es gibt Schattenseiten, es gibt Lichtseiten. Was wir an Dollfuß nach wie vor würdigen, ist sein Opfer, das Opfer seines Lebens, der Kampf gegen den Nationalsozialismus - dafür steht er als Sinnbild des Anti-Nationalsozialismus und als Sinnbild des persönlichen Opfers." [2]

Na wunderbar! Khol gibt sich alle Mühe, den österreichischen Faschismus zu verharmlosen, ja gar als historische Notwendigkeit zu rechtfertigen. Dollfuß, der selbst eine Terrordiktatur errichtet hat und würdig als Arbeitermörder betitelt werden kann, war also eigentlich ein Antifaschist oder - Khol verwendet schon das richtige Wort - ein Anti-Nationalsozialist. So wird der antinationale Totengräber des demokratischen Österreichs flugs zum Urheber und Verteidiger der österreichischen Nation. Die faschistische Diktatur "christlich-sozialer" Provenienz wird so zum legitimen Mittel im Kampf gegen den Konkurrenzfaschismus. Doch das "konkurrierende Nebeneinander einer großdeutsch-faschistischen und einer austrofaschistischen Bewegung war die unvermeidliche Konsequenz der Spaltung der herrschenden Klasse Österreichs in einen großdeutschen und einen auf die Erhaltung der Souveränität Österreichs als zweitem deutschen Staat bedachten Flügel." [3] D.h. es gab durchaus identische Zielsetzungen des österreichischen NS-Faschismus und des "christlich-sozialen" Austrofaschismus, nämlich bezüglich der grundsätzlichen Funktionen der zu errichtenden faschistischen Diktatur sowie der grundsätzlich großdeutsch zu denkenden nationalen Frage. Uneinigkeit herrschte bloß bezüglich der Einordnung dieser Diktatur in der faschistischen Bündnispolitik in Europa. Konkurrenzfaschistische Scharmützel als antifaschistischen Widerstand zu heroisieren, wie es in der ÖVP üblich ist, ist schon ziemlich beachtlich. Neuerdings will die ÖVP gar parlamentarische Gedenkfeiern zum Todestag von Dollfuß im Nationalrat abhalten... - Auch ansonsten scheut die ÖVP natürlich die klare Distanzierung von der austrofaschistischen Diktatur: in Texing steht das Dollfuß-Museum und die Kernstock-Straßen durchziehen noch immer das Land (woran die anderen Parteien jedoch mitschuldig sind, denn solche gibt es z.B. im rosaroten Strasshof ebenso wie im schwarz-grün regierten Klosterneuburg).

Faschismus und Monopolkapital

Diese gesamte Haltung der ÖVP ist freilich kein Zufall und auch nicht auf willkürliches reaktionäres Gedankengut zurückzuführen - sie ist logisches Ergebnis des Charakters der ÖVP, die in Österreich die Hauptpartei des Großkapitals und Großgrundbesitzes ist. Die personellen Kontinuitäten von CSP/Heimwehr, faschistischer Vaterländischer Front und ÖVP sind kaum überschaubar, die Herren Raab und Figl sind klarerweise die bekanntesten Fälle. Doch personelle Kontinuitäten sind eben nur Ausdruck dahinter stehender politisch-ökonomischer Kontinuitäten, nämlicher jener des Kapitalismus in seinem imperialistischen Stadium. "Der politische Überbau über der neuen Ökonomik, über dem monopolistischen Kapitalismus", erklärte Lenin, "ist die Wendung von der Demokratie zur politischen Reaktion. Der freien Konkurrenz entspricht die Demokratie. Dem Monopol entspricht die politische Reaktion." [4] Im Imperialismus entwickelt das Monopolkapital den Drang auch zur politischen Alleinherrschaft. Warum? "Dieser Drang", schreibt Kurt Gossweiler, "ergibt sich aus dem objektiven Zwang, zur Sicherung der für das Überleben im Konkurrenzkampf der Monopolriesen notwendigen Akkumulation nicht nur den einfachen, ‚normalen’ Durchschnittsprofit, sondern Extraprofite, Monopolprofite, zu erzielen. Der Monopolprofit wird auf Kosten der gesamten Gesellschaft erzielt. Die bürgerliche Demokratie und der bürgerliche Parlamentarismus belassen aber den nichtmonopolistischen Klassen und Schichten immerhin noch - wenn auch begrenzte - Möglichkeiten, sich gegen die verstärkte Ausbeutung und Ausplünderung durch das Monopolkapital und den mit ihm verfilzten Großgrundbesitz zur Wehr zu setzen. Daher bei letzteren das Streben nach Beseitigung dieser Möglichkeiten, nach Beseitigung der parlamentarischen Demokratie und Errichtung ihrer uneingeschränkten, offenen Diktatur, in welcher Gestalt und unter welchem Namen auch immer." [5]

Lenins Worte und Gossweilers Erläuterungen sind als grundsätzliche Tendenz zu verstehen, die im Imperialismus und erstrecht im staatsmonopolistischen Kapitalismus immer gegeben ist. Insofern muss festgehalten werden, dass der Faschismus auch kein Sonderfall, kein historischer Zufall oder gar "Betriebsunfall" im und des Kapitalismus ist. Nein, der Faschismus ist die äußerste Konsequenz des dem Imperialismus unweigerlich innewohnenden Drangs nach Reaktion und Gewalt, des absoluten Herrschaftsstrebens des Finanzkapitals auch in politischer Hinsicht. Der Faschismus ist - nach Eintritt des Kapitalismus in seine allgemeine Krise (dies ist das zweite Hauptmoment für das Aufkommen des Faschismus) - Ausdruck der äußersten negativen Konsequenz im Rahmen der Alternativen: Sozialismus oder Barbarei. Insofern, als das monopolistische Stadium des Kapitalismus die ökonomische Grundlage des Faschismus ist, kann man mit Palmiro Togliatti sagen: "Man kann nicht das Wesen des Faschismus bestimmen, wenn man nicht den Imperialismus kennt." [6]

Betrachten wir Österreich, so hat der Faschismus eine wichtige Rolle erfüllt, wo er "die Bedingungen für die vollständige Entwicklung des Stamokap geschaffen hat (nicht zuletzt auch mittels Einsatzes von ZwangsarbeiterInnen) und sie schlussendlich beschleunigte. Dafür stehen der Autobahnbau, kalorische und Wasserkraftwerke (1944 wurde die doppelte Elektrizitätsproduktion von 1937 erreicht), die Erhöhung der Erdölförderung von 37.000 Tonnen pro Jahr (1937) auf 1,2 Millionen (1944), die technische Optimierung des Eisenerzabbaus in der Steiermark, die Niederlassungen deutscher Rüstungsbetriebe in Österreich (z.B. Dornier in Vorarlberg oder Messerschmitt in Tirol) genauso wie etwa die Etablierung der Schwerindustrie v.a. in Oberösterreich, wo aus den ‚Hermann-Göring-Werken’ ja nach dem Krieg die VOEST hervorging." [7] - Es sind dies Beispiele im Großen, wofür das Bartensteinsche Pharmaunternehmen ein "kleineres" einzelnes ist. Denn das Schloss Lannach war nicht nur ein KZ-Außenlager, sondern beherbergte auch das SS-Institut für Pflanzengenetik. Der Historiker Betrand Perz meinte nun dazu: "Es ist erstaunlich, dass bereits 1947 ein Unternehmen an diesem Ort eingerichtet wurde, das sich wieder unter anderem mit pflanzlichen Heilmitteln beschäftigt." [8] - Dieses Unternehmen ist die Lannacher Heilmittel GmbH, an der sich die Familie Bartenstein in den 50er Jahren zunächst beteiligt und die sie 1966 zur Gänze übernommen hat. Nun, man kann dies einfach "erstaunlich" finden, doch mit dem Wissen über den untrennbaren Zusammenhang zwischen Monopolkapitalismus und Faschismus kann man auch zu weiteren, nicht unbedingt an Zufallsgläubigkeit gebundenen Einschätzungen kommen...

Reaktionärer Konservativismus und die neofaschistische Gefahr

Wir haben also anhand der ÖVP gesehen, dass die teilweise, mehr oder minder subtile positive Konnotation des Faschismus in bürgerlichen Großparteien, im Konservativismus, ihren Platz hat. So gebildet (und der zweite mitunter gar "liberal") ÖVP-Politiker wie Khol und Bartenstein auch daherkommen, so bleibt ihre reaktionäre Ausrichtung offensichtlich. Es ist natürlich kein Zufall, dass unter Federführung solcher Leute nach der Nationalratswahl 1999 eine rechtsreaktionäre Koalitionsregierung mit der FPÖ Jörg Haiders zustande gekommen ist, unter deren Amtszeit sodann Leute vom ganz rechten Rand in diverse staatliche Gremien und Aufsichtsorgane gelangten, sowie dass es in diversen Ministerien, in der Exekutive und im Heer ein ebenso hinterfragenswertes Personalmanagement gab. Auch die auffällig guten Beziehungen zu den reaktionärsten Kräften in der katholischen Kirche sprechen für sich. - Man lässt sich also mit den fragwürdigsten rechtsextremen Leuten der österreichischen Politik und Gesellschaft ein, versucht dies aber natürlich zu vertuschen, indem möglichst "herzeigbare" Leute an der Spitze der Ministerien stehen sollen. Programmatisch aber passen Konservativismus und Rechtsextremismus tadellos zusammen.

Auf diese Weise besteht in allen Ländern die faschistische Gefahr "von oben" (auch wenn hier ausdrücklich angemerkt sei, dass weder Khol noch Bartstein derartige Zielsetzungen zugeschrieben werden sollen). Schließlich geht es vielmehr um reaktionäre Tendenzen und die grundsätzliche Interessenslage nach Klassenhintergründen, die ihre Auswirkungen auf den Staatsapparat haben. Der Faschismus kommt immer im Bündnis mit konservativen Kräften an die Macht. Unter diesen finden sich immer welche, die zu Vollstreckern der faschistischen Diktatur werden - das war in Deutschland in Bezug auf die NSDAP so, in Österreich hat die CSP gleich selbst die faschistische Diktatur von oben errichtet, dafür stehen insbesondere die CSP-Politiker Seipel und Dollfuß, aber auch Bundespräsident Wilhelm Miklas (1928-1938), die aus ÖVP-Sicht alle bis heute verehrenswert sind... - Ganz offensichtlich ist der reaktionäre Rand in einer bürgerlichen Großpartei auch in der BRD, d.h. bei CDU/CSU. Im Allgemeinen gehen die reaktionärsten Tendenzen hier zumeist von der bayrischen CSU aus, federführend war natürlich Franz Josef Strauß, 1961-1988 CSU-Vorsitzender. Wenn dieser sagte, rechts von der CSU dürfe kein Platz für eine weitere Partei sein, so meinte er nicht, dass es keine rechtsextreme/neofaschistische Partei geben dürfe, sondern dass die CSU selbst diesen Platz ausfüllen müsse (Edmund Stoiber gibt sich in der Form moderater als Strauß, ist aber wohl derselben Ansicht). - Ähnliche Figuren gibt es in allen Ländern, sei es z.B. jemand wie Sarkozy bei den französischen Bürgerlichen, die gesamte Aznar-Regierung in Spanien oder wahrlich nicht zuletzt Berlusconi in Italien: hier wurde versucht, die eigenständige Justiz auszuschalten, vermehrt reaktionär-autoritäre Verfassungsbestimmungen durchzusetzen, Militär und Polizei zu Willkür- oder gar Terroraktionen einzusetzen (siehe Genua), etwaige nationale Unterdrückungsszenarien systematisch auszuweiten - und dies alles geschieht im systematischen Bündnis und mit gegenseitiger Unterstützung und Förderung zwischen reaktionär-konservativen, nationalistischen und neofaschistischen Gruppen.

Das Ganze, die Interessen der rechtsreaktionärsten Kreise in den konservativen Parteien und deren politische Umsetzung, hat (nicht nur in Italien oder Bayern) seine Auswirkung auf den Staatsapparat, der auf diese Weise selbst sein reaktionäres Potenzial zu einem faschistischen steigern kann - das ist ja auch die Zielsetzung der rechtsreaktionärsten Kreise in den konservativen, bürgerlichen Großparteien. Das Ganze wurzelt in der grundsätzlichen antidemokratischen Entwicklung des Ausbaus des Staatsapparats in eine verstärkt autoritäre Richtung. Konstantin Sarodow sagte schon vor einigen Jahren: "Mit der Entwicklung des staatsmonopolistischen Kapitalismus werden verschiedene Teile des heutigen kapitalistischen Staatsapparats selbst immer mehr zu Trägern ultrareaktionärer Tendenzen. Es verstärkt sich die Tendenz zur reaktionären Selbstherrschaft der zivilen Bürokratie. Mit dem Abbau des Mechanismus der bürgerlichen Demokratie wächst die unkontrollierbare Einmischung der Exekutivorgane in alle Prozesse der Wirtschaft, des sozialen und kulturellen Lebens der Gesellschaft, und in den Händen der höchsten Beamten konzentriert sich eine gewaltige Macht. Gleichzeitig wird die Rechtsgrundlage für polizeiliche Repressalien in Form einer arbeiter- und volksfeindlichen Gesetzgebung geschaffen. Es erweitert sich die reale ökonomische und politische Macht des Militär-Industrie-Komplexes. Er wird zu einer autarken Kraft, die sich immer mehr dem bürgerlich-demokratischen System entgegenstellt und es sich zu unterordnen sucht. Die Empfänglichkeit der reaktionären Militärkamarilla, der militärischen Kreise für die faschistische Ideologie ist angesichts der Verstärkung der Aggressivität des Imperialismus besonders gefährlich, sie kann sich auch in einer konservativen Reaktion auf die Erfolge des Kampfes für Frieden und Entspannung äußern." [9]

Somit schafft sich das Monopolkapital eine weitere Option für einen faschistischen Entwicklungsweg. Es ist der Weg einer stetigen Faschisierung, einer relativen weiteren Verselbständigung des Staatsapparates gegenüber dem Parlamentarismus, der Stärkung der Exekutive und des Militärs. Vorangetrieben wird dies durch die reaktionärsten bürgerlichen Kräfte in den konservativen Großparteien, die dazu die legislativen Möglichkeiten haben, durch ebensolche Personen in den staatlichen Institutionen. All dies soll die Entwicklungstendenz ermöglichen, auf dieser Basis im entscheidenden Moment die faschistische Diktatur "von oben" zu errichten - durchaus ähnlich wie in Österreich 1933/34. (Auch angesichts dieser historischen Analogie ist wie gesagt nicht ausgeschlossen, dass es zum offenen Bündnis der reaktionärsten konservativen Kräfte mit neofaschistischen und "rechtsextremen" Hilfskräften kommt.) - "Somit wächst die Gefahr", sagt Sarodow weiters, "der immanenten Faschisierung der bürgerlichen Staatsmaschinerie, und auf dieser Grundlage greifen die Übergangsformen, die neofaschistische Formen zur Durchsetzung der Macht des Monopolkapitals, in denen sich Elemente der bürgerlich-demokratischen und der offen terroristischen Regimes verbinden, immer mehr um sich. Eine neue Gefahr taucht auf: Die allmähliche Umwandlung des bürgerlich-demokratischen Regimes in ein faschistisches, das die Möglichkeit schafft, die Reste des Parlamentarismus plötzlich zu beseitigen und eine Diktatur zu errichten." [10]

Ein sehr gutes und vielleicht das beste diesbezügliche Beispiel der Gegenwart ist das Wirken der so genannten "Neocons", der "Neokonservativen", in den USA, die seit dem Amtsantritt von Präsident George W. Bush an der Macht sind, wenngleich Bush selbst wohl nicht gerade als Vordenker angesehen werden kann - die Regierung und die Beratungsgremien wurden jedoch entsprechend besetzt (Cheney, Rumsfeld, Rice, Wolfowitz etc.). - Offen wird hier die Idee (und Praxis) einer weitgehend autoritären Regierung im Inneren, einer autoritären Außenpolitik ungeachtet des Völkerrechts und der UNO, einer - und deshalb ist das Wort "neoliberal" völlig falsch - staatlichen Förderung der Ökonomie (d.h. der US-Monopolkonzerne) vertreten. Im Inneren bedeutet dies Demokratieabbau bis hin zu Willkürelementen, Repression gegenüber KritikerInnen, nach außen bedeutet dies letztlich Krieg. Ideologisch beruft man sich hierbei auf einen gewissen christlichen Fundamentalismus, auf ein entsprechendes messianisches Sendungsbewusstsein, dass auch nach außen getragen werden muss. So wird die angebliche Legitimation jeder politischen oder militärischen Aggression gegenüber anderen Staaten und Nationen zur Verteidigung und/oder Implementierung von Recht und Freiheit, von Demokratie und Moral. - Die Wahrheit ist hingegen simpel: es handelt sich um die gegenwärtige Strategie der reaktionärsten Teile des US-Monopolkapitals zur ungehinderten Entfaltung der imperialistischen Aggression. Es geht um die imperialistische Hegemonie, um den Kampf gegen jede antiimperialistische, radikaldemokratische oder gar sozialistische Emanzipationsbestrebung, im Inneren wie nach außen.

Was ist nun dagegen und gegen andere Formen neofaschistischer Gefahren zu tun? Im Jahr 2000 beantwortete Kurt Gossweiler in einem Interview, das für das Internationale Kommunistische Seminar in Brüssel geführt und aufgezeichnet wurde, die Frage "Was ist zu tun, um die Möglichkeit eines neuen Faschismus nicht Wirklichkeit werden zu lassen?", prägnant und deutlich: "Erstens: Wir müssen unsere Kraft und unseren Einfluss dafür einsetzen, dass jeder Angriff der Herrschenden auf die in langen Jahrzehnten errungenen demokratischen und sozialen Rechte auf eine möglichst breite und möglichst entschlossene Abwehr stößt. - Zweitens: Wir müssen immer wieder daran erinnern, was die Faschisten über ihr Volk und die ganze Menschheit gebracht haben. Die faschistischen Verbrechen dürfen nicht vergessen und nicht vergeben werden! - Drittens: Wir dürfen nicht müde werden, darüber aufzuklären, wessen Instrument der Faschismus war und nach wie vor ist. - Viertens: Wir müssen unermüdlich Klarheit darüber verbreiten, dass Antikommunismus Begünstigung des Faschismus bedeutet. - Fünftens: Wir müssen die Wahrheit zur Massenerkenntnis machen, dass, solange der Imperialismus herrscht, auch die Gefahr des Faschismus bestehen bleibt. Nur der Sozialismus kann der Menschheit eine Welt ohne Kriege und ohne Faschismus bringen." [11]


Fußnoten:
[1] Dimitroff, Georgi: Die Offensive des Faschismus und die Aufgaben der Kommunistischen Internationale im Kampf für die Einheit der Arbeiterklasse gegen den Faschismus. In: Ausgewählte Werke in zwei Bänden, Frankfurt/M. 1972, Bd. 1, S. 105
[2] "Wer ist schon makellos?" - Gespräch mit Andreas Khol. In: Die Presse, 5.3.2005
[3] Gossweiler, Kurt: Faschistische Bewegungen und faschistische Diktatur in Österreich. In: Aufsätze zum Faschismus, Köln 1988, Bd. II, S. 671
[4] Lenin, W. I.: Ãœber eine Karikatur auf den Marxismus. LW 23, S. 34
[5] Gossweiler, Kurt: Über Ursprünge und Spielarten des Faschismus. In: Aufsätze zum Faschismus, Köln 1988, Bd. II, S. 581 f.
[6] Togliatti, Palmiro: Lektionen über den Faschismus. Frankfurt/M. 1973, S. 9
[7] Zenker, Tibor: Stamokap heute. Wien 2005, 2. Auflage, S. 32
[8] zitiert nach: Der Standard, 25.8.2006
[9] Sarodow, K. I.: Der gegenwärtige Faschismus und die Realität seiner Gefahr. In: Kühnl, Reinhard (Hg.): Texte zur Faschismusdiskussion 1. Reinbek bei Hamburg 1974, S. 197 f.
[10] ebd., S. 198
[11] Faschismus und antifaschistischer Kampf gestern und heute - Gespräch mit Kurt Gossweiler (Berlin, 15. April 2000). Beitrag zum 9. Internationalen Kommunistischen Seminar (IKS), Brüssel, 2.-4. Mai 2000


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