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NEUES THEMA11.07.2017, 02:25 Uhr
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FPeregrin

• Zur Hartnäckigkeit klassenloser Gesellschaften In der WE-jW war ein äußerst interessantes Interview mit dem Ethnologen Hermann Amborn m.d.T. »Herrschaftsfreie Gesellschaften werden nicht mehr geleugnet«. Am kalkulierten Ende aller Ausbeutergesellschaften gelangen wir wohl in die Situation, daß sich die - äußerst zähen - alten klassenlosen Gesellschaften und die neuen gewissermaßen die Hand geben können. Bedenkt man, welche Entwicklung von Produktivkräften und gesellschaftlichen Ãœberbauten dazwischen stehen, ist unsereins das Fehlermachen leicht. Bedenklich, da eine vergleichbaren Zähigkeit unserer Versuche, die Epochen der Klassengesellschaften zu beenden, bislang nur erträumbar ist.

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NEUER BEITRAG16.06.2019, 20:35 Uhr
EDIT: FPeregrin
16.06.2019, 20:36 Uhr
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FPeregrin

Zur Hartnäckigkeit klassenloser Gesellschaften Zur Zähigkeit primärer klassenloser Gesellschaften hatte Spektrum schon am 20. Mai einen interessanten Artikel m.d.T. Jäger, Sammler, Freizeitmensch, der die Frage aufwirft, wie die Menschheit überhaupt auf den Trichter gekommen ist, ein Mehrprodukt - als Voraussetzung von Klassengesellschaften - zu erzeugen. Zeitersparnis wird es es kaum gewesen sein - auf den Mehrprodukt-Trichter ist sie aber trotzdem gekommen! - Mit allem Glanz & Elend, das damit verbunden ist!

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• PDF-Datei Jäger_Sammler_Freizeitmensch.pdf
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NEUER BEITRAG31.01.2020, 18:26 Uhr
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FPeregrin

Zur Hartnäckigkeit klassenloser Gesellschaften Ein Zufalls-(Wieder)-Fund, der Artikel Von Cayönü nach Catal Hüyük von Bernhard Brosius (2014), über eine neolithische Stadt, die egalitäre Verteilung der Mehrprodukts erhalten bzw. wieder hergestellt hat. Zeigt im Einzelbeispiel, wie "holperig" der Weg in die Klassengesellschaft stattgefunden haben muß. Die Erzeugung eines Mehrprodukts ist schließlich nur notwendige, nicht aber hinreichende Bedingung für die Entstehung einer Klassengesellschaft!

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Daß der Autor zum Trotzkismus neigt, sei ihm an dieser Stelle nachgesehen!
• PDF-Datei catalhueyuek.pdf
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NEUER BEITRAG31.01.2020, 19:07 Uhr
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secarts

Ein eher literarisch als materialistisch-geschichtswissenschaftlich interessanter Text, streckenweise liest sich das Ganze gar parodistisch. Bei einer bald 10.000 Jahre alten Fundstätte derart weitgehende Schlussfolgerungen zu ziehen ist mehr als fragwürdig (wer sagt denn, dass etwaige Herrscherklassen nicht außerhalb dieser Siedlung gelebt haben könnten? Wie kann - ohne Schriftfunde und Deutung derselben - auf religiöse Gewohnheiten, Grabkulte etc. -in solch weitreichender Form! - geschlussfolgert werden?). Das kann man noch nicht einmal bei deutlich jüngeren Hochkulturen, die schon die Schrift hatten.

Parodistisch deshalb, weil hier eine eher primitive Frühkultur in rührend naiver, historizistisch-romantischer Weise verherrlicht und damit indirekt die - für den wissenschaftlich-technischen Fortschritt nun einmal schlicht unabdingbare - Abfolge diverser Klassengesellschaften in Abrede gestellt wird. Hätte die Menschheit nur so weitergemacht, ohne die "Abirrung" der Aufteilung in Klassen, ja dann...

Diese Kultur wird nicht ohne Notwendigkeit untergegangen sein. Sie wird schlicht auf der Stelle getreten haben, wie dies bei allen "zähen" urkommunistischen Frühgesellschaften der Fall war: jahr(zehn/hundert)tausende lang kaum nennenswerter Fortschritt. Dies ließ sich bis ins 18. und 19. Jahrrhundert an aufgefundenen isolierten urtümlichen Gesellschaften ebenfalls gut beobachten: matrilineare Strukturen, Fruchtbarkeitskulte, Gleichheit (in Armut), Lebenserwartung bei ca. 30-35 Jahren. Nicht sehr erquicklich.

Die wahre Intention kommt dann doch im - völlig unpassenden - Fazit durch: "Nach der Verbrennung der sozialistischen Utopie im Stalinismus hat die Entdeckung jener Gesellschaft eine besondere Bedeutung erhalten. Sie ermöglicht es, empirische Erfahrungen zu sammeln und gibt ein Beispiel für die Beziehungen zwischen kommunistischen Produktionsverhältnissen und den gesellschaftlichen Verhältnissen – und zwar bei einer Gesellschaft, die nicht 80 Jahre bestand, sondern 3.000 Jahre."

Da ist wohl eher der Wunsch der Vater (in diesem Fall: die Große Ur-Mutter...) des Gedankens.

PS: Korrespondierend dazu: Marx' Gedanken zur russischen "Mir", der urtümlichen russischen Dorfgesellschaft. Marx hat sich nicht ohne Grund (und auch streckenweise nicht ohne Illusion) um diesen Komplex so seine Gedanken gemacht, wobei die "Mir", verglichen mit der anatolischen Urgesellschaft, schon fast modernes Zeitalter war.
NEUER BEITRAG01.02.2020, 14:57 Uhr
EDIT: FPeregrin
01.02.2020, 14:59 Uhr
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FPeregrin

Abseits der ohne Frage putzigen Züge des Textes und des kleinbürgerlich-reaktionären Utopismus des Verfassers ist die Auffassung, Çatalhöyük habe eine Population mit jungsteinzeitlicher bis kupferzeitlicher Ökonomie bei gleichzeitig altsteinzeitlich flacher gesellschaftlicher Hierarchie gehandelt, nicht so exoltisch, daß sie sich nicht anderenorts finden würde. Ich zitiere mal aus der englischen Wikipedia s.v.:

"Çatalhöyük [...] was a very large Neolithic and Chalcolithic proto-city settlement in southern Anatolia, which existed from approximately 7500 BC to 5700 BC, and flourished around 7000 BC.[...] The prehistoric mound settlements were abandoned before the Bronze Age. A channel of the Çarşamba River once flowed between the two mounds, and the settlement was built on alluvial clay which may have been favorable for early agriculture. [...] Çatalhöyük has strong evidence of an egalitarian society, as no houses with distinctive features (belonging to royalty or religious hierarchy, for example) have been found so far. The most recent investigations also reveal little social distinction based on gender, with men and women receiving equivalent nutrition and seeming to have equal social status, as typically found in Paleolithic cultures. Children observed domestic areas. They learned how to perform rituals and how to build or repair houses by watching the adults make statues, beads and other objects. Çatalhöyük's spatial layout may be due to the close kin relations exhibited amongst the people. It can be seen, in the layout, that the people were "divided into two groups who lived on opposite sides of the town, separated by a gully." Furthermore, because no nearby towns were found from which marriage partners could be drawn, "this spatial separation must have marked two intermarrying kinship groups." This would help explain how a settlement so early on would become so large. / In upper levels of the site, it becomes apparent that the people of Çatalhöyük were gaining skills in agriculture and the domestication of animals. Female figurines have been found within bins used for storage of cereals, such as wheat and barley, and the figurines are presumed to be of a deity protecting the grain. Peas were also grown, and almonds, pistachios, and fruit were harvested from trees in the surrounding hills. Sheep were domesticated and evidence suggests the beginning of cattle domestication as well. However, hunting continued to be a major source of food for the community. Pottery and obsidian tools appear to have been major industries; obsidian tools were probably both used and also traded for items such as Mediterranean sea shells and flint from Syria. There is also evidence that the settlement was the first place in the world to mine and smelt metal in the form of lead. Noting the lack of hierarchy and economic inequality, historian Murray Bookchin has argued that Çatalhöyük was an early example of anarcho-communism."

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Zahnuntersuchungen legen folgendes nahe (Spektrum 06.07.2011): "In einer Wohneinheit lebten nicht Blutsverwandte, sondern "funktionelle soziale Einheiten". Dies ähnele einer Sozialstruktur, wie sie etwa für steinzeitliche Wildbeutergemeinschaften angenommen wird. Männer und Frauen verließen hier wahrscheinlich immer recht früh ihren biologischen Clan und schlossen sich neuen, fremden Kleingruppen an. Forscher hatten allerdings vermutet, dass diese Sozialstruktur im Zuge der neolithischen Revolution verschwand, als Menschen in Landwirtschaftszentren sesshaft wurden und eine eher hierarchische Schichtung der Gesellschaft entstand."

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Daß dies ein Dead End der gesellschaftlichen Endwicklung ist und erst recht kein Modell für zukünftiges Handeln, wie Steinzeit-Brosius das gerne hätte:
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, darüber sind wir uns einig. Worauf ich hinaus will: Aus der Erzeugung eines Mehrprodukts, die Brosig ja auch am liebsten abschaffen würde, fluppt nicht automatisch die Klassengesellschaft heraus, weil sie entstehen muß, sondern sie entsteht - wie alles -, weil sie entstehen kann. Ist sie aber einmal entstanden, beseitigt sie schon allein durch die Beschleunigung der Produktivkarftentwicklung solche Gesellschaften, wie sie Çatalhöyük gewesen sein mag. Analoges am historischen Ende der Klassengesellschaften führt uns gerade die VR China vor, die es ja auch nur deshalb gibt, weil es sie geben kann; sie hätte - wie die SU - auch schon mehrfach scheitern können und kann es auch noch.

Ich wollte eigentlich nur einem teleologischen Idealismus vorbeugen, der auch bei Marxisten leicht entsteht, wenn man - notwendig (!) - (prä-)historische Entwicklungen von ihrem Ende her betrachtet.

#teleologischerIdealismus
#VrChina
#Urkommunismus
NEUER BEITRAG01.02.2020, 17:07 Uhr
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secarts

"Ich wollte eigentlich nur einem teleologischen Idealismus vorbeugen, der auch bei Marxisten leicht entsteht, wenn man - notwendig (!) - (prä-)historische Entwicklungen von ihrem Ende her betrachtet."

D'accord. Auch darin, dass es im unglaublich langwierigen Übergang zur Klassengesellschaft (auf ~ zehntausend Jahre Klassengesellschaft kommen immerhin mindestens vier Jahrhunderttausende klassenlose Gesellschaft) eine Menge Mischformen gegeben haben muss, vielfach auch "Rückfälle" und dergleichen, sowie parallele Entwicklungen in Gesellschaften ohne Kontakt zueinander (siehe präkolumbianisches Südamerika) mit Gemeinsamkeiten, aber auch großen Unterschieden. Vieles davon wird sich vermutlich nie mehr rekonstruieren lassen, und die Erkenntnisse, die es gibt, sind schwach und legendenüberwölbt (wie die biblische Geschichte der "Vertreibung aus dem Paradies", die sich ebenfalls dementsprechend deuten lässt). Je länger das alles zurückliegt, desto schwieriger wird die Beweislage. Die Forschungsergebnisse des 19. und 20. Jahrhunderts (Bachofen, Malinowski et al) kranken zudem an eurozentrischen Projektionen. Notwendigerweise muss hier viel im Bereich der Spekulation bleiben, auch damit habe ich kein Problem - man muss es nur wissen.

Meine Kritik bezog sich ausschließlich auf die deterministische Herangehensweise von Brosius, der ja auch seiner eigenen politischen Zielstellung durch derart plakative Übertreibung keinen Gefallen tut. Seine politische Einschätzung sehe ich genauso wie du.
NEUER BEITRAG01.02.2020, 21:10 Uhr
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FPeregrin

Gut, dann haben wir beides ja erfolgreich auseinandergepult!
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