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•NEUES THEMA20.09.2005, 14:51 Uhr
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• Besuch bei Vorsitzendem Mao
Nach zehn Tagen habe ich es endlich geschafft, das Mausoleum des Vorsitzenden Mao Zedong zu besichtigen...
Warum das so schwierig war, was es mit dem Mausoleum auf sich hat und warum Mao auch knapp 30 Jahre nach seinem Tod in China immer noch so eine grosse Rolle spielt - dazu mehr.
[maozedong.jpg]Mao Zedong, geboren 1893 als Sohn eines Bauern in Shaoshan / Provinz Hunan und gestorben 1976 als Praesident Chinas und Vorsitzender der herrschenden Kommunistischen Partei in Beijing, duerfte allgemein bekannt sein, nicht zuletzt durch die Popularisierung seines Bildes durch die sog. "Studentenrevolte" 1968 - er war der unumstrittene Anfuehrer der chinesischen Revolution, der Gruender des Neuen China und der bedeutendste chinesische Staatsmann zumindest des 20. Jahrhunderts - darueber hinaus hat er aktiv mitgewirkt an der Weiterentwicklung des Marxismus-Leninismus und mit seiner Theorie des "Guerillakrieges" dutzenden kolonialen und halbkolonialen Laendern neben China eine Befreiungsperspektive eroeffnet.
Das sind zumindest einige seiner historischen Verdienste - seine Bedeutung fuer die chinesische Gesellschaft erschoepft sich darin freilich nicht. Nach seinem Tod, dem Sturz der sog. "Viererbande" und der wirtschaftlichen Reformen in China, erwarteten viele westliche Beobachter des Landes einen Prozess, der vergleichbar waere mit dem in der UdSSR nach Stalins Tod - Verdammung und "Entmaoisierung". Diesen Weg ist China nicht gegangen: Trotz einer Aufarbeitung der chinesischen neueren Geschichte und der beruehmten "30-70"-Formel, nach der Mao 70 % Positives vollbracht und zu 30% Fehler begangen hat, ist Mao laengst Bestandteil des kollektiven Bewusstseins.
Ich habe verschiedentlich ueber die diversen Formen der Verehrung, die ihm in China heutzutage entgegengebracht werden, berichtet; ob in Yan'an, das zum guten Teil von Maos Mythos lebt; ob in einfachen Bauerhaeusern, wo Maos Bild einen Ehrenplatz an der Wand hat oder auch in den Beijinger Taxen, wo eine Mao-Plakette am Rueckspiegel den Taxifahrern als "Gluecksbringer" dient...
Unbedingt noetig fuer einen richtigen Beijing-Besuch ist natuerlich auch eine Visite im Mausoleum Maos, mitten auf dem Tian'anmen gelegen und damit tatsaechliches Stadtzentrum der Grossmetropole: im Jahr nach seinem Tod wurde der monumentale Bau, der westliche und chinesische architektonische Einfluesse verbindet, fertiggestellt und beherbergt seitdem die sterblichen Ueberreste Maos, bedeckt mit einer roten Fahne mit Hammer und Sichel in einem Glassarkophag.
[dsc02116.jpg]Zum Besuch der Gedenkhalle sollte man sich ungefaehr zwei bis vier Stunden Zeit nehmen: die Warteschlangen der ganz ueberwiegend sehr jungen chinesischen Besucher erstrecken sich in Spitzenzeiten ueber den gesamten Tian'anmen-Platz; immerhin groesster seiner Art in der ganzen Welt. Im Schritttempo geht es ab dann vorran in die Halle; aufgrund des immensen Besucheranstroms bleiben einem hoechstens 30 Sekunden zum Betrachten des Vorsitzenden im Glassarg. Dennoch - das Warten hat sich gelohnt.
Man kann sich sicherlich streiten ueber diese Form der Verehrung, die leicht ins Quasireligioese abzugleiten droht - nicht streiten kann man sich allerdings ueber die tiefe Verehrung, die Mao in China entgegengebracht wird.
Mao Zedong - das bedeutet fuer die Chinesen ein integraler Bestandteil ihres Lebens. Auch die bereits nach seinem Tode geborenen Menschen wissen um die Geschichte und Maos grosse Rolle darin - unter seiner Fuehrung wurde der Weltkrieg in China gegen die Japaner gewonnen, unter seinem Kommando der Buergerkrieg gegen die inlaendischen Guomindang-Reaktionaere, unter seinem Staatsvorsitz der Aufbau des Neuen China angegangen.
Wenn ich mit jungen Chinesen ins Gespraech ueber das Leben, das Universum und Den Ganzen Rest gekommen bin, habe ich meistens auch eine Frage gestellt: "what do you think about chairman Mao?" - und die Antworten gingen trotz aller Nuancen immer in eine Richtung: Mao hat China befreit und den Grundstein fuer das gelegt, was wir jetzt alle erleben koennen: wachsenden Wohlstand fuer alle, Ende aller Hungersnoete, eine wieder einige und starke chinesische Nation.
[china_big.gif]Und so benehmen sich die Besucher des Mausoleums auch: entgegen dem allgemeinen Hobby in China, sich bei jeder Gelegenheit vorzudraengeln und lautstark oeffentlich zu diskutieren, herrscht in der teilweise kilometerlangen Warteschlange beinahe militaerische Disziplin, ohne das jemand massregelnd eingreift allerdings: schweigend oder leise sprechend gehen die Menschen in Sechserreihe vorwaerts; viele von ihnen mit Blumen unter dem Arm oder festlich gekleidet. Das alles mag befremdlich klingen; immerhin liegt dort nur eine mumifizierte Leiche - es sind ehrliche Gefuehle der Menschen, und insofern sind sie Ernst zu nehmen. Niemand wird zu einem Besuch hier gezwungen; freiwillig kommen Menschen aus ganz China und nehmen diese zusaetzliche Wartezeit in der sowieso ueberfuellten und zeitraubenden Stadt Beijing in Kauf, um dem grossen Veraenderer ihren Respekt zu erstatten.
[34]
Im Mausoleum ist photographieren strengstens verboten; Kameras sind vorher abzugeben. Genauso wie alle anderen Besucher habe ich mich daran gehalten; man mag also mit dieser Schilderung Vorlieb nehmen. Und mit diesem ganz besonderen Besuch beende ich meinen Beijing-Aufenthalt, der insgesamt 11 Tage dauerte: morgen frueh geht mein Zug nach Guangzhou, auf mich wartet eine 22-stuendige Fahrt und eine kurze Nachruhe...
Viele Gruesse also an alle daheim;
bis bald, euer Secarts.
Warum das so schwierig war, was es mit dem Mausoleum auf sich hat und warum Mao auch knapp 30 Jahre nach seinem Tod in China immer noch so eine grosse Rolle spielt - dazu mehr.
[maozedong.jpg]Mao Zedong, geboren 1893 als Sohn eines Bauern in Shaoshan / Provinz Hunan und gestorben 1976 als Praesident Chinas und Vorsitzender der herrschenden Kommunistischen Partei in Beijing, duerfte allgemein bekannt sein, nicht zuletzt durch die Popularisierung seines Bildes durch die sog. "Studentenrevolte" 1968 - er war der unumstrittene Anfuehrer der chinesischen Revolution, der Gruender des Neuen China und der bedeutendste chinesische Staatsmann zumindest des 20. Jahrhunderts - darueber hinaus hat er aktiv mitgewirkt an der Weiterentwicklung des Marxismus-Leninismus und mit seiner Theorie des "Guerillakrieges" dutzenden kolonialen und halbkolonialen Laendern neben China eine Befreiungsperspektive eroeffnet.
Das sind zumindest einige seiner historischen Verdienste - seine Bedeutung fuer die chinesische Gesellschaft erschoepft sich darin freilich nicht. Nach seinem Tod, dem Sturz der sog. "Viererbande" und der wirtschaftlichen Reformen in China, erwarteten viele westliche Beobachter des Landes einen Prozess, der vergleichbar waere mit dem in der UdSSR nach Stalins Tod - Verdammung und "Entmaoisierung". Diesen Weg ist China nicht gegangen: Trotz einer Aufarbeitung der chinesischen neueren Geschichte und der beruehmten "30-70"-Formel, nach der Mao 70 % Positives vollbracht und zu 30% Fehler begangen hat, ist Mao laengst Bestandteil des kollektiven Bewusstseins.
Ich habe verschiedentlich ueber die diversen Formen der Verehrung, die ihm in China heutzutage entgegengebracht werden, berichtet; ob in Yan'an, das zum guten Teil von Maos Mythos lebt; ob in einfachen Bauerhaeusern, wo Maos Bild einen Ehrenplatz an der Wand hat oder auch in den Beijinger Taxen, wo eine Mao-Plakette am Rueckspiegel den Taxifahrern als "Gluecksbringer" dient...
Unbedingt noetig fuer einen richtigen Beijing-Besuch ist natuerlich auch eine Visite im Mausoleum Maos, mitten auf dem Tian'anmen gelegen und damit tatsaechliches Stadtzentrum der Grossmetropole: im Jahr nach seinem Tod wurde der monumentale Bau, der westliche und chinesische architektonische Einfluesse verbindet, fertiggestellt und beherbergt seitdem die sterblichen Ueberreste Maos, bedeckt mit einer roten Fahne mit Hammer und Sichel in einem Glassarkophag.
[dsc02116.jpg]Zum Besuch der Gedenkhalle sollte man sich ungefaehr zwei bis vier Stunden Zeit nehmen: die Warteschlangen der ganz ueberwiegend sehr jungen chinesischen Besucher erstrecken sich in Spitzenzeiten ueber den gesamten Tian'anmen-Platz; immerhin groesster seiner Art in der ganzen Welt. Im Schritttempo geht es ab dann vorran in die Halle; aufgrund des immensen Besucheranstroms bleiben einem hoechstens 30 Sekunden zum Betrachten des Vorsitzenden im Glassarg. Dennoch - das Warten hat sich gelohnt.
Man kann sich sicherlich streiten ueber diese Form der Verehrung, die leicht ins Quasireligioese abzugleiten droht - nicht streiten kann man sich allerdings ueber die tiefe Verehrung, die Mao in China entgegengebracht wird.
Mao Zedong - das bedeutet fuer die Chinesen ein integraler Bestandteil ihres Lebens. Auch die bereits nach seinem Tode geborenen Menschen wissen um die Geschichte und Maos grosse Rolle darin - unter seiner Fuehrung wurde der Weltkrieg in China gegen die Japaner gewonnen, unter seinem Kommando der Buergerkrieg gegen die inlaendischen Guomindang-Reaktionaere, unter seinem Staatsvorsitz der Aufbau des Neuen China angegangen.
Wenn ich mit jungen Chinesen ins Gespraech ueber das Leben, das Universum und Den Ganzen Rest gekommen bin, habe ich meistens auch eine Frage gestellt: "what do you think about chairman Mao?" - und die Antworten gingen trotz aller Nuancen immer in eine Richtung: Mao hat China befreit und den Grundstein fuer das gelegt, was wir jetzt alle erleben koennen: wachsenden Wohlstand fuer alle, Ende aller Hungersnoete, eine wieder einige und starke chinesische Nation.
[china_big.gif]Und so benehmen sich die Besucher des Mausoleums auch: entgegen dem allgemeinen Hobby in China, sich bei jeder Gelegenheit vorzudraengeln und lautstark oeffentlich zu diskutieren, herrscht in der teilweise kilometerlangen Warteschlange beinahe militaerische Disziplin, ohne das jemand massregelnd eingreift allerdings: schweigend oder leise sprechend gehen die Menschen in Sechserreihe vorwaerts; viele von ihnen mit Blumen unter dem Arm oder festlich gekleidet. Das alles mag befremdlich klingen; immerhin liegt dort nur eine mumifizierte Leiche - es sind ehrliche Gefuehle der Menschen, und insofern sind sie Ernst zu nehmen. Niemand wird zu einem Besuch hier gezwungen; freiwillig kommen Menschen aus ganz China und nehmen diese zusaetzliche Wartezeit in der sowieso ueberfuellten und zeitraubenden Stadt Beijing in Kauf, um dem grossen Veraenderer ihren Respekt zu erstatten.
[34]
Im Mausoleum ist photographieren strengstens verboten; Kameras sind vorher abzugeben. Genauso wie alle anderen Besucher habe ich mich daran gehalten; man mag also mit dieser Schilderung Vorlieb nehmen. Und mit diesem ganz besonderen Besuch beende ich meinen Beijing-Aufenthalt, der insgesamt 11 Tage dauerte: morgen frueh geht mein Zug nach Guangzhou, auf mich wartet eine 22-stuendige Fahrt und eine kurze Nachruhe...
Viele Gruesse also an alle daheim;
bis bald, euer Secarts.
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dsc02116.jpg © secarts
•NEUER BEITRAG22.09.2005, 17:15 Uhr
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secarts | |
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Besuch bei Vorsitzendem Mao
So!
Ich will nur mal kurz vermelden, dass ich gut angekommen bin - nach ueber 22 Stunden im Zug bin ich wieder in Guangzhou, es ist verdammt warm hier (immer noch!) und ich bin ziemlich muede...
Gruss an alle daheim; melde mich die Tage wieder!
Secarts
Ich will nur mal kurz vermelden, dass ich gut angekommen bin - nach ueber 22 Stunden im Zug bin ich wieder in Guangzhou, es ist verdammt warm hier (immer noch!) und ich bin ziemlich muede...
Gruss an alle daheim; melde mich die Tage wieder!
Secarts
•NEUER BEITRAG26.09.2005, 14:46 Uhr
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Besuch bei Vorsitzendem Mao
mmhhh, hast du noch deinen marsch durch beijing gemacht? weißt du wieviel km das sind?
ansonsten wünsche ich dir weiterhin viele interresante erlebnissse....
ansonsten wünsche ich dir weiterhin viele interresante erlebnissse....
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