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•NEUES THEMA28.11.2024, 03:23 Uhr
EDIT: FPeregrin
28.11.2024, 03:25 Uhr
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• Die israelische Linke ...
... ein Reportage im nd vom 20. Nov. illustriert m.E. ganz gut die Kampfsituation anhand von zwei Organisationen:
»Wer die Geschichte versteht, kann auch die Realität verändern«
Unterwegs in Tel Aviv, Jaffa und Jawne ein Jahr nach dem 7. Oktober mit israelischen Linken aus den Organisationen Zochrot und Radical Block
Susanne Hentschel 20.11.2024, 15:34 Uhr Lesedauer: 12 Min.
Zochrot Zochrot (Hebräisch: Wir erinnern uns) ist eine israelische Organisation, die sich zum Ziel gesetzt hat, die Nakba 1948 als zenÂtrales Ereignis des israelisch-palästinensischen Konflikts in den jüdisch-israeÂlischen Diskurs einzuführen. Das Ziel: Durch DokumenÂtationen und Besichtigungen eine selbstkritische Reflexion über die Nakba sowie die Flüchtlings- und die RückkehrÂfrage anzustoßen. Mit der von Zochrot entwickelten App iNakba können sich Nutzer über palästinensische Orte inforÂmieren, die während und infolge der Nakba seit 1948 zerstört wurden.
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Radical Block Tel Aviv Der »Radical Block TLV« wurde von linksradikalen Aktivist*innen während der Proteste gegen die Justizreform Anfang 2023 gegründet. Ihre Strategie war es, sich dem Mainstream-Protest anzuschließen, diesen gleichzeitig zu stören und die Botschaft zu vermitteln, dass eine Rückkehr zum Status quo nicht ausreichen würde. Der »Radical Block TLV« verbindet die Kritik an der rechtsradikalen Regierungskoalition mit der Forderung nach dem Ende der Besatzung und Apartheid.
Von der Moschee, die hier mal stand, ist nur noch das Minarett übrig. Der steinerne Turm steht auf einem kleinen Hügel, von dem wir über die modernen Hochhäuser der Stadt Jawne blicken. Jawne hieß früher Jibna. Eine kleine Stadt, eine halbe Stunde südlich von Tel Aviv und Jaffa, die für ihre Olivenbäume und Zitrusfrüchte bekannt war. Auf einem Hügel, nahe der Küste gelegen, hatte sie eine strategisch wichtige Position entlang der alten Eisenbahnstrecke Gaza–Lydda (heute: Lod). Früher, das heißt vor 1948, vor der Nakba. Von den palästinensischen Häusern sind bis auf das Minarett und einer weiteren Moschee, die inzwischen als Synagoge genutzt wird, kaum welche übrig. Von den Familien auch nicht. Nachdem die zionistischen Milizen damals die Stadt eingenommen hatten, vertrieben sie die 6000 Bewohner*innen Richtung Süden.
Tomer, ein 26-jähriger Israeli aus Haifa, zeigt mir Bilder vom Hügel vor 1948. Eine Moschee inmitten eines dichten Geflechts von Steinhäusern. »Die Häuser wurden schon in den ersten Monaten nach der Nakba zerstört. Das mamlukische Minarett ist aus dem 14. Jahrhundert.« Es ist der einzige Teil der Moschee, der die Sprengung durch die israelische Armee 1950 überdauert hat. Wo heute ein Park ist, war früher ein Friedhof. Tomer deutet den kleinen Abhang direkt neben der Moschee hinunter und schüttelt den Kopf: »Behandelt man so etwa das Heilige Land?«
Nakba bedeutet Katastrophe auf Arabisch. Über 700 000 Palästinenser*innen mussten zwischen Dezember 1947 und Januar 1949, vor allem aber im Sommer 1948 aus ihrer Heimat fliehen oder wurden von zionistischen Milizen vertrieben. Für die einen, viele Überlebende des Holocaust, bedeutete die Gründung des Staates Israel endlich eine sichere Zuflucht vor Verfolgung und Vernichtung. Für die anderen bedeutete sie Vertreibung und Entwurzelung aus der eigenen Heimat.
Bis auf wenige Gebäude und Erinnerungen gibt es vielerorts kaum noch Spuren des palästinensischen Lebens vor 1948: Die osmanischen Steinhäuser wurden durch moderne Siedlungen oder Kibbuzim ersetzt, palästinensische Orts- und Straßennamen durch hebräische. »In Jawne kann man musterhaft sehen, wie die Judaisierung funktioniert hat«, sagt Tomer. Im Oktober 1948 wurde hier ein Transit-Camp für Jüd*innen errichtet, die aus anderen arabischen Ländern vertrieben wurden oder aus Europa flohen. Auf Vertreibung folgt Vertreibung. Und dennoch wird man hier und da Spuren der Vergangenheit finden, wie das Minarett in Jawne.
Wichtiges Erinnern
Tomer ist einer, der auf Spurensuche geht. Rund 250 entvölkerte palästinensische Dörfer hat er schon auf eigene Faust besucht, meistens am Wochenende, wenn er frei hat. Oft lädt er Freund*innen und Interessierte zu diesen Ausflügen ein. Dieses Mal sind wir eine gemischte Gruppe aus israelischen, palästinensischen und deutschen Linken und fahren in Kolonne hinter Tomer her. Er ist Antizionist und Community-Member der israelisch-jüdischen Organisation Zochrot. Zochrot bedeutet »Wir erinnern uns«. Die Organisation stellt Bildungsmaterial zur Nakba und dem Recht auf Rückkehr auf Hebräisch bereit, um insbesondere in der jüdischen Öffentlichkeit ein Bewusstsein für die gewaltvolle Gründungsgeschichte Israels zu schaffen. Damit wollen sie die Grundlage für die Rückkehr der palästinensischen Flüchtlinge und ein gemeinsames Leben in Israel/Palästina schaffen. Ihre Arbeit ist alles andere als selbstverständlich: Wenige Israelis wissen von der palästinensischen Geschichte ihrer heutigen Wohnorte und der gewaltvollen Vertreibung Hunderttausender durch die zionistischen Milizen, die mit der israelischen Staatsgründung Israels einherging. Und der Staat tut alles dafür, sie vergessen zu machen.
»Für mich ist das Erinnern wichtig«, sagt Tomer. »Es ermöglicht uns, die ethnische Säuberung zu sehen, die das gesamte israelisch-palästinensische Gebiet geprägt hat. Bis heute wird den Flüchtlingen ihre Rückkehr verweigert, bis heute gibt es immer neue Flüchtlinge. Nur wenn wir die Geschichte und auch ihre kolonialen Aspekte verstehen, können wir daran arbeiten, diese schreckliche Realität zu verändern.« Die Lösungen müssen für ihn auf Wahrheit und Gerechtigkeit beruhen. Während Tomer und ich uns unterhalten, sehen wir am Himmel Militärhubschrauber nach Süden, also Richtung Gaza, fliegen.
Anders als im Norden Israels, wo es eine Vielzahl palästinensischer Städte gibt, wurden die Palästinenser*innen im Süden mehrheitlich in den Gazastreifen vertrieben. In den dortigen Flüchtlingslagern heißen deswegen ganze Straßenzüge nach den alten Dörfern. Aus Jibna sind die meisten Vertriebenen in Rafah gestrandet. »Ihre Nachfahren leben immer noch dort«, erzählt Tomer. »Wenn sie noch am Leben sind.« Größtenteils blieb die gesamte Gemeinschaft zusammen. Deshalb heißt ein Teil des Flüchtlingslagers in Rafah Jibna-Camp. Da die Familien wuchsen und der Platz in Gaza beschränkt ist, bauten sie die Häuser immer weiter in die Höhe, damit die ganze Familie zusammen unterkommen konnte. So kann ein einziger israelischer Bombenangriff eine gesamte Familie mit bis zu 50 Mitgliedern auf einmal auslöschen.
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»Wer die Geschichte versteht, kann auch die Realität verändern«
Unterwegs in Tel Aviv, Jaffa und Jawne ein Jahr nach dem 7. Oktober mit israelischen Linken aus den Organisationen Zochrot und Radical Block
Susanne Hentschel 20.11.2024, 15:34 Uhr Lesedauer: 12 Min.
Zochrot Zochrot (Hebräisch: Wir erinnern uns) ist eine israelische Organisation, die sich zum Ziel gesetzt hat, die Nakba 1948 als zenÂtrales Ereignis des israelisch-palästinensischen Konflikts in den jüdisch-israeÂlischen Diskurs einzuführen. Das Ziel: Durch DokumenÂtationen und Besichtigungen eine selbstkritische Reflexion über die Nakba sowie die Flüchtlings- und die RückkehrÂfrage anzustoßen. Mit der von Zochrot entwickelten App iNakba können sich Nutzer über palästinensische Orte inforÂmieren, die während und infolge der Nakba seit 1948 zerstört wurden.
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Radical Block Tel Aviv Der »Radical Block TLV« wurde von linksradikalen Aktivist*innen während der Proteste gegen die Justizreform Anfang 2023 gegründet. Ihre Strategie war es, sich dem Mainstream-Protest anzuschließen, diesen gleichzeitig zu stören und die Botschaft zu vermitteln, dass eine Rückkehr zum Status quo nicht ausreichen würde. Der »Radical Block TLV« verbindet die Kritik an der rechtsradikalen Regierungskoalition mit der Forderung nach dem Ende der Besatzung und Apartheid.
Von der Moschee, die hier mal stand, ist nur noch das Minarett übrig. Der steinerne Turm steht auf einem kleinen Hügel, von dem wir über die modernen Hochhäuser der Stadt Jawne blicken. Jawne hieß früher Jibna. Eine kleine Stadt, eine halbe Stunde südlich von Tel Aviv und Jaffa, die für ihre Olivenbäume und Zitrusfrüchte bekannt war. Auf einem Hügel, nahe der Küste gelegen, hatte sie eine strategisch wichtige Position entlang der alten Eisenbahnstrecke Gaza–Lydda (heute: Lod). Früher, das heißt vor 1948, vor der Nakba. Von den palästinensischen Häusern sind bis auf das Minarett und einer weiteren Moschee, die inzwischen als Synagoge genutzt wird, kaum welche übrig. Von den Familien auch nicht. Nachdem die zionistischen Milizen damals die Stadt eingenommen hatten, vertrieben sie die 6000 Bewohner*innen Richtung Süden.
Tomer, ein 26-jähriger Israeli aus Haifa, zeigt mir Bilder vom Hügel vor 1948. Eine Moschee inmitten eines dichten Geflechts von Steinhäusern. »Die Häuser wurden schon in den ersten Monaten nach der Nakba zerstört. Das mamlukische Minarett ist aus dem 14. Jahrhundert.« Es ist der einzige Teil der Moschee, der die Sprengung durch die israelische Armee 1950 überdauert hat. Wo heute ein Park ist, war früher ein Friedhof. Tomer deutet den kleinen Abhang direkt neben der Moschee hinunter und schüttelt den Kopf: »Behandelt man so etwa das Heilige Land?«
Nakba bedeutet Katastrophe auf Arabisch. Über 700 000 Palästinenser*innen mussten zwischen Dezember 1947 und Januar 1949, vor allem aber im Sommer 1948 aus ihrer Heimat fliehen oder wurden von zionistischen Milizen vertrieben. Für die einen, viele Überlebende des Holocaust, bedeutete die Gründung des Staates Israel endlich eine sichere Zuflucht vor Verfolgung und Vernichtung. Für die anderen bedeutete sie Vertreibung und Entwurzelung aus der eigenen Heimat.
Bis auf wenige Gebäude und Erinnerungen gibt es vielerorts kaum noch Spuren des palästinensischen Lebens vor 1948: Die osmanischen Steinhäuser wurden durch moderne Siedlungen oder Kibbuzim ersetzt, palästinensische Orts- und Straßennamen durch hebräische. »In Jawne kann man musterhaft sehen, wie die Judaisierung funktioniert hat«, sagt Tomer. Im Oktober 1948 wurde hier ein Transit-Camp für Jüd*innen errichtet, die aus anderen arabischen Ländern vertrieben wurden oder aus Europa flohen. Auf Vertreibung folgt Vertreibung. Und dennoch wird man hier und da Spuren der Vergangenheit finden, wie das Minarett in Jawne.
Wichtiges Erinnern
Tomer ist einer, der auf Spurensuche geht. Rund 250 entvölkerte palästinensische Dörfer hat er schon auf eigene Faust besucht, meistens am Wochenende, wenn er frei hat. Oft lädt er Freund*innen und Interessierte zu diesen Ausflügen ein. Dieses Mal sind wir eine gemischte Gruppe aus israelischen, palästinensischen und deutschen Linken und fahren in Kolonne hinter Tomer her. Er ist Antizionist und Community-Member der israelisch-jüdischen Organisation Zochrot. Zochrot bedeutet »Wir erinnern uns«. Die Organisation stellt Bildungsmaterial zur Nakba und dem Recht auf Rückkehr auf Hebräisch bereit, um insbesondere in der jüdischen Öffentlichkeit ein Bewusstsein für die gewaltvolle Gründungsgeschichte Israels zu schaffen. Damit wollen sie die Grundlage für die Rückkehr der palästinensischen Flüchtlinge und ein gemeinsames Leben in Israel/Palästina schaffen. Ihre Arbeit ist alles andere als selbstverständlich: Wenige Israelis wissen von der palästinensischen Geschichte ihrer heutigen Wohnorte und der gewaltvollen Vertreibung Hunderttausender durch die zionistischen Milizen, die mit der israelischen Staatsgründung Israels einherging. Und der Staat tut alles dafür, sie vergessen zu machen.
»Für mich ist das Erinnern wichtig«, sagt Tomer. »Es ermöglicht uns, die ethnische Säuberung zu sehen, die das gesamte israelisch-palästinensische Gebiet geprägt hat. Bis heute wird den Flüchtlingen ihre Rückkehr verweigert, bis heute gibt es immer neue Flüchtlinge. Nur wenn wir die Geschichte und auch ihre kolonialen Aspekte verstehen, können wir daran arbeiten, diese schreckliche Realität zu verändern.« Die Lösungen müssen für ihn auf Wahrheit und Gerechtigkeit beruhen. Während Tomer und ich uns unterhalten, sehen wir am Himmel Militärhubschrauber nach Süden, also Richtung Gaza, fliegen.
Anders als im Norden Israels, wo es eine Vielzahl palästinensischer Städte gibt, wurden die Palästinenser*innen im Süden mehrheitlich in den Gazastreifen vertrieben. In den dortigen Flüchtlingslagern heißen deswegen ganze Straßenzüge nach den alten Dörfern. Aus Jibna sind die meisten Vertriebenen in Rafah gestrandet. »Ihre Nachfahren leben immer noch dort«, erzählt Tomer. »Wenn sie noch am Leben sind.« Größtenteils blieb die gesamte Gemeinschaft zusammen. Deshalb heißt ein Teil des Flüchtlingslagers in Rafah Jibna-Camp. Da die Familien wuchsen und der Platz in Gaza beschränkt ist, bauten sie die Häuser immer weiter in die Höhe, damit die ganze Familie zusammen unterkommen konnte. So kann ein einziger israelischer Bombenangriff eine gesamte Familie mit bis zu 50 Mitgliedern auf einmal auslöschen.
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•NEUER BEITRAG28.11.2024, 03:29 Uhr
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Zwischen Verdrängung und Trauma
Zurück in Tel Aviv. Ich spaziere an der Strandpromenade zwischen Jaffa und Tel Aviv entlang. Das Meer ist ruhig – trotzdem spüre ich Beklemmung. Gaza ist nur eine Stunde Luftlinie von hier entfernt. Die Wellen sind die gleichen, die sich auch am Strand in Beit Lahia brechen. Nur wenig erinnert im Tel Aviver Alltag an die unbeschreibliche Katastrophe dreißig Kilometer weiter südlich, wo ganze Stadtteile dem Erdboden gleichgemacht werden und die dauerhafte Vertreibung der Bevölkerung im nördlichen Teil des Gazastreifens in diesem Moment Realität wird. Und auch in den Medien spielen weder die Kriegsverbrechen der israelischen Armee noch das Leid der palästinensischen Zivilbevölkerung eine Rolle: Es scheint, als gäbe es die Hamas, die Geiseln und die Soldaten in Gaza, aber keine Zivilist*innen.
Die Bars sind voll, und wer die Möglichkeit dazu hat, verdrängt, was um ihn herum passiert. Raketenalarm unterbricht regelmäßig diese scheinbare Normalität, doch Tel Aviv gilt als sicherster Ort in Israel/Palästina. Routiniert laufen die Menschen in den nächstgelegenen Bunker oder Keller, sitzen mit den Kindern im Arm auf dem Boden und gehen nach wenigen Minuten wieder raus, zurück zum Kaffee, zur Arbeit, zum Arzt. Die Sirenen gehören auf ihre Art zum Alltag. Doch natürlich bedeutet jeder Alarm Stress und die Angst vor Anschlägen steigt. Auch hier wird der Krieg seine Wunden und Traumata hinterlassen.
Über mir fliegt am Abendhimmel ein Militärhubschrauber. Direkt unter meinen Füßen liegt eine von sechs zerstörten palästinensischen Ortschaften. Manschija war früher ein Teil Jaffas. Heute ist von dem Viertel nichts mehr übrig als eine Moschee und dem Etzel-Museum direkt am Strand, das der Eroberung von Manschija gedenkt. Vor mir liegt der Hafen von Jaffa. Als einer der ältesten Häfen der Welt hatte Jaffa lange Zeit eine strategische Funktion für Handel und Militär. In den späten 1940er Jahren lebten in der Stadt über 70 000 palästinensische Araber*innen und 30 000 Jüd*innen. Nach dem UN-Teilungsplan war es als Enklave des arabischen Staates innerhalb des jüdischen Staates vorgesehen.
Die Gewalt der Nakba führte auch in Jaffa zu einem Exodus der palästinensischen Bewohner*innen. Über den Hafen, von dem zuvor vor allem die berühmten Jaffa-Orangen in die Welt verschifft wurden, verließen viele, vor allem die Mittelschicht, die Stadt Richtung Süden, nach Gaza. Migration war damals schon eine Klassenfrage. Wer es sich leisten konnte, ging nach Gaza oder Beirut – in der Hoffnung auf ein sicheres Leben. Die meisten sahen Jaffa nie wieder.
Seit dem 7. Oktober ist es in Jaffa und vielen anderen sogenannten gemischten Städten vergleichsweise ruhig. Die Menschen haben Angst, viele ziehen sich in ihre Communities zurück. Die Repression gegenüber den palästinensischen Einwohner*innen Israels hat in den letzten Jahren sprunghaft zugenommen, vor allem nach dem 7. Oktober. Hinzu kommt die Unsichtbarmachung der palästinensischen Identität. Palästinenser*innen, die innerhalb der Grünen Linie, also der Waffenstillstandsgrenze von 1949 und damit innerhalb des israelischen Staats leben, werden meistens als Araber und nicht als Palästinenser bezeichnet. Das ist Teil der Spaltungsstrategie: Der israelische Staat tut alles, um zu verhindern, dass eine geeinte politische Bewegung in der Westbank, im Gazastreifen und von Palästinenser*innen in Israel entsteht. Innerhalb der israelischen Staatsgrenzen sind Ausgrenzung und Unsichtbarmachung der palästinensischen Bevölkerung ein Mittel zur Spaltung, außerhalb sind es Vertreibung und tödliche Gewalt. Nicht umsonst ist deshalb ein Symbol des palästinensischen Widerstands die Kaktusfeige. Ihre Sträucher markieren noch heute die Grenzen vieler Dörfer, die vor 1948 palästinensisch waren oder bis heute sind und stehen für Resilienz, Geduld und Ausdauer.
Unsichtbar bleiben meist auch die Ängste und der Schmerz, den der Krieg in Gaza für sie bedeutet. Gerade in Jaffa haben viele Menschen Angehörige in Gaza. Und sind als Teil der israelischen Gesellschaft tagtäglich mit den Verantwortlichen der Kriegsverbrechen konfrontiert. Man trifft sie im Aufzug, wenn sie vom Fliegereinsatz aus Gaza zurückkommen. Oder am Strand, die M16 geschultert. So erzählt mir Rami, ein 31-jähriger Palästinenser, der in Tel Aviv lebt, von seinem Chef. Dieser kämpft derzeit als Reservist in Gaza: »Er denkt, er sei ein moralischer Mensch. Er isst vegan und würde keinem Hühnchen was zuleide tun. Aber er hat kein Problem damit, Bomben über Schulen abzuwerfen, die Dutzende Kinder töten.« Und am nächsten Tag sitzen sie zusammen im Büro.
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Zwischen Verdrängung und Trauma
Zurück in Tel Aviv. Ich spaziere an der Strandpromenade zwischen Jaffa und Tel Aviv entlang. Das Meer ist ruhig – trotzdem spüre ich Beklemmung. Gaza ist nur eine Stunde Luftlinie von hier entfernt. Die Wellen sind die gleichen, die sich auch am Strand in Beit Lahia brechen. Nur wenig erinnert im Tel Aviver Alltag an die unbeschreibliche Katastrophe dreißig Kilometer weiter südlich, wo ganze Stadtteile dem Erdboden gleichgemacht werden und die dauerhafte Vertreibung der Bevölkerung im nördlichen Teil des Gazastreifens in diesem Moment Realität wird. Und auch in den Medien spielen weder die Kriegsverbrechen der israelischen Armee noch das Leid der palästinensischen Zivilbevölkerung eine Rolle: Es scheint, als gäbe es die Hamas, die Geiseln und die Soldaten in Gaza, aber keine Zivilist*innen.
Die Bars sind voll, und wer die Möglichkeit dazu hat, verdrängt, was um ihn herum passiert. Raketenalarm unterbricht regelmäßig diese scheinbare Normalität, doch Tel Aviv gilt als sicherster Ort in Israel/Palästina. Routiniert laufen die Menschen in den nächstgelegenen Bunker oder Keller, sitzen mit den Kindern im Arm auf dem Boden und gehen nach wenigen Minuten wieder raus, zurück zum Kaffee, zur Arbeit, zum Arzt. Die Sirenen gehören auf ihre Art zum Alltag. Doch natürlich bedeutet jeder Alarm Stress und die Angst vor Anschlägen steigt. Auch hier wird der Krieg seine Wunden und Traumata hinterlassen.
Über mir fliegt am Abendhimmel ein Militärhubschrauber. Direkt unter meinen Füßen liegt eine von sechs zerstörten palästinensischen Ortschaften. Manschija war früher ein Teil Jaffas. Heute ist von dem Viertel nichts mehr übrig als eine Moschee und dem Etzel-Museum direkt am Strand, das der Eroberung von Manschija gedenkt. Vor mir liegt der Hafen von Jaffa. Als einer der ältesten Häfen der Welt hatte Jaffa lange Zeit eine strategische Funktion für Handel und Militär. In den späten 1940er Jahren lebten in der Stadt über 70 000 palästinensische Araber*innen und 30 000 Jüd*innen. Nach dem UN-Teilungsplan war es als Enklave des arabischen Staates innerhalb des jüdischen Staates vorgesehen.
Die Gewalt der Nakba führte auch in Jaffa zu einem Exodus der palästinensischen Bewohner*innen. Über den Hafen, von dem zuvor vor allem die berühmten Jaffa-Orangen in die Welt verschifft wurden, verließen viele, vor allem die Mittelschicht, die Stadt Richtung Süden, nach Gaza. Migration war damals schon eine Klassenfrage. Wer es sich leisten konnte, ging nach Gaza oder Beirut – in der Hoffnung auf ein sicheres Leben. Die meisten sahen Jaffa nie wieder.
Seit dem 7. Oktober ist es in Jaffa und vielen anderen sogenannten gemischten Städten vergleichsweise ruhig. Die Menschen haben Angst, viele ziehen sich in ihre Communities zurück. Die Repression gegenüber den palästinensischen Einwohner*innen Israels hat in den letzten Jahren sprunghaft zugenommen, vor allem nach dem 7. Oktober. Hinzu kommt die Unsichtbarmachung der palästinensischen Identität. Palästinenser*innen, die innerhalb der Grünen Linie, also der Waffenstillstandsgrenze von 1949 und damit innerhalb des israelischen Staats leben, werden meistens als Araber und nicht als Palästinenser bezeichnet. Das ist Teil der Spaltungsstrategie: Der israelische Staat tut alles, um zu verhindern, dass eine geeinte politische Bewegung in der Westbank, im Gazastreifen und von Palästinenser*innen in Israel entsteht. Innerhalb der israelischen Staatsgrenzen sind Ausgrenzung und Unsichtbarmachung der palästinensischen Bevölkerung ein Mittel zur Spaltung, außerhalb sind es Vertreibung und tödliche Gewalt. Nicht umsonst ist deshalb ein Symbol des palästinensischen Widerstands die Kaktusfeige. Ihre Sträucher markieren noch heute die Grenzen vieler Dörfer, die vor 1948 palästinensisch waren oder bis heute sind und stehen für Resilienz, Geduld und Ausdauer.
Unsichtbar bleiben meist auch die Ängste und der Schmerz, den der Krieg in Gaza für sie bedeutet. Gerade in Jaffa haben viele Menschen Angehörige in Gaza. Und sind als Teil der israelischen Gesellschaft tagtäglich mit den Verantwortlichen der Kriegsverbrechen konfrontiert. Man trifft sie im Aufzug, wenn sie vom Fliegereinsatz aus Gaza zurückkommen. Oder am Strand, die M16 geschultert. So erzählt mir Rami, ein 31-jähriger Palästinenser, der in Tel Aviv lebt, von seinem Chef. Dieser kämpft derzeit als Reservist in Gaza: »Er denkt, er sei ein moralischer Mensch. Er isst vegan und würde keinem Hühnchen was zuleide tun. Aber er hat kein Problem damit, Bomben über Schulen abzuwerfen, die Dutzende Kinder töten.« Und am nächsten Tag sitzen sie zusammen im Büro.
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Für das Überleben der Geiseln
Es ist Samstagabend. Wie jeden Samstag seit mehr als einem Jahr versammeln sich die Angehörigen der Geiseln und Tausende weitere Demonstrierende vor dem Verteidigungsministerium im Zentrum Tel Avivs. Schon von Weitem hört man die verzweifelte Stimme einer Angehörigen aus dem Verstärker: »Geisel-Deal! Geisel-Deal! Geisel-Deal«, die sich in ihrer anschließenden Rede für ein solches Abkommen ausspricht. Fast alle tragen T-Shirts mit Slogans wie »Bring them home« oder einer gelben Schleife, dem Symbol des Kampfes fürs Überleben der Geiseln. Viele haben Schilder mit Fotos von Geiseln dabei. Die meisten schwenken Israelfahnen. Nur ein kleiner Block am Ende der Kundgebung hat Schilder dabei, die den Krieg oder die Besatzung verurteilen. Die Reden der Geiselangehörigen sind berührend. Das Trauma des Massakers sitzt nach wie vor tief. »Du bist nicht allein, wir sind mit dir«, rufen die Demonstrierenden einer Angehörigen Mut zu. Ihre Anstrengung, das Schicksal der Geiseln nicht zu vergessen, spiegelt sich im Stadtbild wider: Deren Gesichter säumen unzählige Hauswände, Kneipen und Straßenecken.
»Heute ist die Demo relativ klein«, sagt Jonathan. Er ist Aktivist und eigentlich jedes Wochenende auf einer der Demos für einen Waffenstillstand und ein Geiselabkommen anzutreffen. Wir kennen uns vom Politikstudium in Berlin, seit ein paar Jahren lebt er wieder in Tel Aviv. Davor war er wie fast alle Israelis in der Armee, heute unterstützt er Menschen beim Verweigern. Mit anderen Aktivist*innen zusammen hat er den »radical block TLV« gegründet, eine mehrheitlich jüdisch-israelische linksradikale Gruppe, die sich im Jahr zuvor während der Proteste gegen die Justizreform formiert hat. Für sie war klar: Nicht nur die rechtsextreme Regierung, sondern auch die Besatzung und das im gesamten israelisch-palästinensischen Raum wirksame Apartheidsystem müssen verschwinden. Sie waren es, die die Forderung nach einem Geiseldeal von Anfang an mit der Forderung nach einem dauerhaften Waffenstillstand verknüpft haben. Denn in den großen Demos der Geiselfamilien findet das Leid der Zivilbevölkerung in Gaza nur selten Erwähnung. Viele Kundgebungen des »radical block« gegen den Krieg in Gaza endeten mit Gewalt: Rechte Israelis spuckten die Aktivist*innen an, rissen ihnen die Transparente weg oder verprügelten sie. Seit dem 7. Oktober haben viele allein aufgrund eines Social-Media-Posts ihren Job verloren oder wurden wegen Terrorismusunterstützung inhaftiert – vor allem letzteres trifft Palästinenser*innen ungleich stärker.
»Inzwischen haben wir immer häufiger das Gefühl, dass die Demos nichts bringen. Netanjahu ist es egal, dass wir hier stehen. Oft sitzt er nur wenige Meter entfernt im Verteidigungsministerium und plant mit dem Kriegskabinett die nächsten Verbrechen in Gaza.« Trotzdem geht Jonathan weiter auf die Straße. Immer wichtiger wird neben den Demonstrationen jedoch die konkrete Solidaritätsarbeit in der Westbank, wo die Angriffe und Landnahme von Siedler*innen seit dem 7. Oktober immens gestiegen sind. Jonathan und seine Genoss*innen unterstützen deshalb eine palästinensische Gemeinde, in deren Olivenhainen derzeit ein Rechter zu siedeln begonnen hat. Das Militär lässt den Siedler gewähren. Einmal in der Woche fahren sie in Schichten aus Tel Aviv in das Dorf, um zum Beispiel die Ernte zu unterstützen. Wenn sie als Israelis vor Ort sind, trauen sich die Siedler und das Militär weniger, direkt die Community anzugreifen. Das schafft Solidarität und politisiert den Konflikt.
Wie viele andere Linke denkt Jonathan darüber nach, Israel zu verlassen. »Es gibt hier keine Zukunft mehr«, sagt er. Ein Waffenstillstand ist auch nach der Tötung des Hamas-Anführers Jahja Sinwar nicht in Sicht und erst recht kein Frieden mit gleichen Rechten für alle und einem Ende der Besatzung. Die Zustimmung zu Netanjahu ist so hoch wie seit dem 7. Oktober nicht mehr. Die Linke ist zu schwach, um die israelische Regierung zur Beendigung des Krieges zu zwingen. Deshalb setzt Jonathan auf internationalen Druck. Der muss vor allem auch aus Deutschland kommen: Die Bundesregierung unterstützt den Krieg durch Geld, Waffen und Diplomatie. Es sei an der deutschen Linken, dagegen zu kämpfen, statt sich in identitären Diskussionen über Nahost zu verlieren.
Zurück in Jawne. Neben dem Minarett beginnt Tomer ein Gespräch mit einem etwa 40-jährigen orthodoxen Israeli. Er sitzt in der Sonne auf einem Stein, isst Sonnenblumenkerne und hält in den Fingern eine muslimische Gebetskette. Im Auto zurück nach Tel Aviv berichtet Tomer von dem Gespräch: Der Mann hat als Reservist der Infanterie in Gaza gekämpft. Die Gebetskette habe er aus dem Al-Schifa-Krankenhaus in Gaza-Stadt mitgenommen. Zu Hause habe er noch dreißig weitere.
Hier in Jawne kommt wie so oft in Israel/Palästina alles zusammen. Die Verflechtung von Holocaust und Flucht der Überlebenden nach Palästina mit der Staatsgründung Israels und der Vertreibung eines anderen Volkes, der Palästinenser, in den Gazastreifen. Das Minarett, um das herum ein neuer Wohnkomplex entstehen soll. Am Fuß des Minaretts ein ehemaliger israelischer Soldat, der eine Gebetsketten wie eine Trophäe trägt, die mutmaßlich von Toten aus Gaza stammt. Und Tomer, der die Spuren dieser Geschichte von Trauma und Gewalt zusammensucht und gegen das Vergessen kämpft.
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Für das Überleben der Geiseln
Es ist Samstagabend. Wie jeden Samstag seit mehr als einem Jahr versammeln sich die Angehörigen der Geiseln und Tausende weitere Demonstrierende vor dem Verteidigungsministerium im Zentrum Tel Avivs. Schon von Weitem hört man die verzweifelte Stimme einer Angehörigen aus dem Verstärker: »Geisel-Deal! Geisel-Deal! Geisel-Deal«, die sich in ihrer anschließenden Rede für ein solches Abkommen ausspricht. Fast alle tragen T-Shirts mit Slogans wie »Bring them home« oder einer gelben Schleife, dem Symbol des Kampfes fürs Überleben der Geiseln. Viele haben Schilder mit Fotos von Geiseln dabei. Die meisten schwenken Israelfahnen. Nur ein kleiner Block am Ende der Kundgebung hat Schilder dabei, die den Krieg oder die Besatzung verurteilen. Die Reden der Geiselangehörigen sind berührend. Das Trauma des Massakers sitzt nach wie vor tief. »Du bist nicht allein, wir sind mit dir«, rufen die Demonstrierenden einer Angehörigen Mut zu. Ihre Anstrengung, das Schicksal der Geiseln nicht zu vergessen, spiegelt sich im Stadtbild wider: Deren Gesichter säumen unzählige Hauswände, Kneipen und Straßenecken.
»Heute ist die Demo relativ klein«, sagt Jonathan. Er ist Aktivist und eigentlich jedes Wochenende auf einer der Demos für einen Waffenstillstand und ein Geiselabkommen anzutreffen. Wir kennen uns vom Politikstudium in Berlin, seit ein paar Jahren lebt er wieder in Tel Aviv. Davor war er wie fast alle Israelis in der Armee, heute unterstützt er Menschen beim Verweigern. Mit anderen Aktivist*innen zusammen hat er den »radical block TLV« gegründet, eine mehrheitlich jüdisch-israelische linksradikale Gruppe, die sich im Jahr zuvor während der Proteste gegen die Justizreform formiert hat. Für sie war klar: Nicht nur die rechtsextreme Regierung, sondern auch die Besatzung und das im gesamten israelisch-palästinensischen Raum wirksame Apartheidsystem müssen verschwinden. Sie waren es, die die Forderung nach einem Geiseldeal von Anfang an mit der Forderung nach einem dauerhaften Waffenstillstand verknüpft haben. Denn in den großen Demos der Geiselfamilien findet das Leid der Zivilbevölkerung in Gaza nur selten Erwähnung. Viele Kundgebungen des »radical block« gegen den Krieg in Gaza endeten mit Gewalt: Rechte Israelis spuckten die Aktivist*innen an, rissen ihnen die Transparente weg oder verprügelten sie. Seit dem 7. Oktober haben viele allein aufgrund eines Social-Media-Posts ihren Job verloren oder wurden wegen Terrorismusunterstützung inhaftiert – vor allem letzteres trifft Palästinenser*innen ungleich stärker.
»Inzwischen haben wir immer häufiger das Gefühl, dass die Demos nichts bringen. Netanjahu ist es egal, dass wir hier stehen. Oft sitzt er nur wenige Meter entfernt im Verteidigungsministerium und plant mit dem Kriegskabinett die nächsten Verbrechen in Gaza.« Trotzdem geht Jonathan weiter auf die Straße. Immer wichtiger wird neben den Demonstrationen jedoch die konkrete Solidaritätsarbeit in der Westbank, wo die Angriffe und Landnahme von Siedler*innen seit dem 7. Oktober immens gestiegen sind. Jonathan und seine Genoss*innen unterstützen deshalb eine palästinensische Gemeinde, in deren Olivenhainen derzeit ein Rechter zu siedeln begonnen hat. Das Militär lässt den Siedler gewähren. Einmal in der Woche fahren sie in Schichten aus Tel Aviv in das Dorf, um zum Beispiel die Ernte zu unterstützen. Wenn sie als Israelis vor Ort sind, trauen sich die Siedler und das Militär weniger, direkt die Community anzugreifen. Das schafft Solidarität und politisiert den Konflikt.
Wie viele andere Linke denkt Jonathan darüber nach, Israel zu verlassen. »Es gibt hier keine Zukunft mehr«, sagt er. Ein Waffenstillstand ist auch nach der Tötung des Hamas-Anführers Jahja Sinwar nicht in Sicht und erst recht kein Frieden mit gleichen Rechten für alle und einem Ende der Besatzung. Die Zustimmung zu Netanjahu ist so hoch wie seit dem 7. Oktober nicht mehr. Die Linke ist zu schwach, um die israelische Regierung zur Beendigung des Krieges zu zwingen. Deshalb setzt Jonathan auf internationalen Druck. Der muss vor allem auch aus Deutschland kommen: Die Bundesregierung unterstützt den Krieg durch Geld, Waffen und Diplomatie. Es sei an der deutschen Linken, dagegen zu kämpfen, statt sich in identitären Diskussionen über Nahost zu verlieren.
Zurück in Jawne. Neben dem Minarett beginnt Tomer ein Gespräch mit einem etwa 40-jährigen orthodoxen Israeli. Er sitzt in der Sonne auf einem Stein, isst Sonnenblumenkerne und hält in den Fingern eine muslimische Gebetskette. Im Auto zurück nach Tel Aviv berichtet Tomer von dem Gespräch: Der Mann hat als Reservist der Infanterie in Gaza gekämpft. Die Gebetskette habe er aus dem Al-Schifa-Krankenhaus in Gaza-Stadt mitgenommen. Zu Hause habe er noch dreißig weitere.
Hier in Jawne kommt wie so oft in Israel/Palästina alles zusammen. Die Verflechtung von Holocaust und Flucht der Überlebenden nach Palästina mit der Staatsgründung Israels und der Vertreibung eines anderen Volkes, der Palästinenser, in den Gazastreifen. Das Minarett, um das herum ein neuer Wohnkomplex entstehen soll. Am Fuß des Minaretts ein ehemaliger israelischer Soldat, der eine Gebetsketten wie eine Trophäe trägt, die mutmaßlich von Toten aus Gaza stammt. Und Tomer, der die Spuren dieser Geschichte von Trauma und Gewalt zusammensucht und gegen das Vergessen kämpft.
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Die israelische Linke ...
jW heute:
»Zionismus killt uns und macht uns zu Killern«
Über Versuche, unterdrückte sozialistische Alternativen in Israel zu retten. Ein Gespräch mit Eran Torbiner
Interview: Susann Witt-Stahl
Eran Torbiner ist Filmemacher aus Tel Aviv und Gründer des Archivs der Linken in Israel (documentingtheleft.org). Er hat Dokumentarfilme zur Geschichte der sozialistischen Linken in Palästina und Israel gedreht, darunter »Matzpen« (2003), »Madrid Before Hanita« (2006), »Mr. TV« (2010) und »Bunda’im« (2012).
Eran Torbiner wird am 11. Januar 2025 auf der 30. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz in Berlin zu Gast sein und im Gespräch über »Die israelische Linke und der Gazastreifen 1967 und 2024« berichten
Zudem wird er am 12. Januar 2025 um 14 Uhr in der Berliner Maigalerie der jungen Welt sprechen: »Kämpfer der Internationalen Brigaden, antizionistische Aktivisten und Kriegsdienstverweigerer – ein Treffen am Schneidetisch in Tel Aviv« – Aufführung von Videos über revolutionäre Sozialisten in Israel und Diskussion mit Eran Torbiner
Der Antizionismus zieht sich wie ein roter Faden durch Ihr Filmschaffen und Ihr Archiv der Linken in Israel. Warum?
Die zionistische Linke wie etwa die Meretz-Partei ist in erster Linie nationalistisch. Es gibt rechte und linke Zionisten, aber das sind keine wirklichen Linken. Es gibt nur eine Linke, und die ist sozialistisch. Daher nenne ich mein Projekt auch nicht Archiv der radikalen Linken, sondern Archiv der Linken. Sozialisten waren von Anfang an in Palästina und haben immer für Gleichberechtigung gekämpft und dagegen, dass jemand Privilegien hat, zum Beispiel wegen seiner jüdischen Herkunft. Die Palestine Communist Party existiert seit 1919, Anhänger des 1897 in Wilna entstandenen sozialistischen Bundes kamen bereits Anfang der 1920er Jahre nach Palästina. 1951 gründeten sie die israelische Sektion des Bundes und ihre eigene Zeitung, Lebns-fragn.
Politisch sozialisiert wurden Sie aber in einer linkszionistischen Jugendbewegung.
Ja, in Haschomer Hatzair und Mapam – Vereinigte Arbeiterpartei. Mein Vater nahm mich schon zu 1.-Mai-Kundgebungen mit, als ich noch klein war. Während des ersten Libanon-Krieges 1982 diente er in der Armee, aber wenn er Fronturlaub hatte, ging er mit mir zu den AntikriegsÂdemos. Als ich 14 Jahre alt war, habe ich dann selbst Proteste organisiert. Zum Beispiel haben wir mit 20, 30 Jugendlichen Kundgebungen von Meir Kahane, dem Führer der faschistischen Kach-Partei, Vorgänger von Itamar Ben-Gvirs Otzma Jehudit, mit Sprechchören wie »Lo, lo, lo ya’avor, Hafashizem, lo ya’vor« (freie hebräische Ãœbersetzung von »¡No Pasarán!«) gestört.
Hat Ihre Familie eine lange linke Tradition?
Ja. Mein Großvater väterlicherseits war Kommunist, und mein Vater war sozialistischer Zionist und auch schon bei Haschomer Hatzair. Ich bin 1971 in Bat Jam, einer Stadt am Meer südlich von Tel Aviv, geboren. Aber sie hatten ihre Wurzeln in Warschau; dort saß mein Großvater als junger Mann wegen seiner kommunistischen Aktivitäten ein Jahr im Gefängnis. Während des Zweiten Weltkriegs lebte die Familie in der Sowjetunion – dort kam auch mein Vater 1940 auf die Welt – und kehrte später nach Polen zurück. Als dort der Antisemitismus zunahm, wanderte sie 1957 nach Israel aus. Zunächst wählten mein Großvater und mein Vater die Kommunistische Partei, später Mapam. Die Schwester meiner Großmutter und andere ältere Familienmitglieder blieben ihr ganzes Leben lang Kommunisten. Ich habe einen großen Teil meiner Kindheit mit ihnen verbracht.
Auch zur linkszionistischen Erziehung gehört der Militärdienst.
Meine Freunde rieten mir, zu verweigern. Aber ich meinte damals noch, es wäre besser, wenn auch Leute wie ich, die keine Rassisten und gegen die Okkupation sind, zur Armee gingen – als Gegengewicht zu den verdammten Faschisten. Ich war bei einer Fallschirmjägereinheit der Nahal-Bewegung, die die Arbeit im Kibbuz mit dem Militärdienst verbindet. Ich spreche ein bisschen Arabisch. Eines Tages musste ich zu einem Einsatz in Aqabat Jaber, einem Flüchtlingslager bei Jericho, und sollte übersetzen. Wir klopften morgens um fünf Uhr an die Haustür einer Familie, um den Vater mitzunehmen. Seine Kinder begangen zu weinen, und ich weinte mit ihnen und sagte meinem Offizier: »Es reicht – ich kann das nicht.« Der Kommandeur meines Zugs erklärte mir später im Stützpunkt, ich sei eine Schande für die israelische Armee, und er könne mich ins Gefängnis bringen. Statt dessen wurde ich zum Küchendienst eingeteilt und noch zu Einsätzen in den Libanon, aber nicht mehr in die besetzten Gebiete gegen Zivilisten geschickt. Ich habe später von ähnlichen Fällen gehört. Man wollte das Problem der Verweigerer in der Armee geräuschlos lösen, um zu vermeiden, dass aus einem Refusenik zehn Refuseniks werden.
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»Zionismus killt uns und macht uns zu Killern«
Über Versuche, unterdrückte sozialistische Alternativen in Israel zu retten. Ein Gespräch mit Eran Torbiner
Interview: Susann Witt-Stahl
Eran Torbiner ist Filmemacher aus Tel Aviv und Gründer des Archivs der Linken in Israel (documentingtheleft.org). Er hat Dokumentarfilme zur Geschichte der sozialistischen Linken in Palästina und Israel gedreht, darunter »Matzpen« (2003), »Madrid Before Hanita« (2006), »Mr. TV« (2010) und »Bunda’im« (2012).
Eran Torbiner wird am 11. Januar 2025 auf der 30. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz in Berlin zu Gast sein und im Gespräch über »Die israelische Linke und der Gazastreifen 1967 und 2024« berichten
Zudem wird er am 12. Januar 2025 um 14 Uhr in der Berliner Maigalerie der jungen Welt sprechen: »Kämpfer der Internationalen Brigaden, antizionistische Aktivisten und Kriegsdienstverweigerer – ein Treffen am Schneidetisch in Tel Aviv« – Aufführung von Videos über revolutionäre Sozialisten in Israel und Diskussion mit Eran Torbiner
Der Antizionismus zieht sich wie ein roter Faden durch Ihr Filmschaffen und Ihr Archiv der Linken in Israel. Warum?
Die zionistische Linke wie etwa die Meretz-Partei ist in erster Linie nationalistisch. Es gibt rechte und linke Zionisten, aber das sind keine wirklichen Linken. Es gibt nur eine Linke, und die ist sozialistisch. Daher nenne ich mein Projekt auch nicht Archiv der radikalen Linken, sondern Archiv der Linken. Sozialisten waren von Anfang an in Palästina und haben immer für Gleichberechtigung gekämpft und dagegen, dass jemand Privilegien hat, zum Beispiel wegen seiner jüdischen Herkunft. Die Palestine Communist Party existiert seit 1919, Anhänger des 1897 in Wilna entstandenen sozialistischen Bundes kamen bereits Anfang der 1920er Jahre nach Palästina. 1951 gründeten sie die israelische Sektion des Bundes und ihre eigene Zeitung, Lebns-fragn.
Politisch sozialisiert wurden Sie aber in einer linkszionistischen Jugendbewegung.
Ja, in Haschomer Hatzair und Mapam – Vereinigte Arbeiterpartei. Mein Vater nahm mich schon zu 1.-Mai-Kundgebungen mit, als ich noch klein war. Während des ersten Libanon-Krieges 1982 diente er in der Armee, aber wenn er Fronturlaub hatte, ging er mit mir zu den AntikriegsÂdemos. Als ich 14 Jahre alt war, habe ich dann selbst Proteste organisiert. Zum Beispiel haben wir mit 20, 30 Jugendlichen Kundgebungen von Meir Kahane, dem Führer der faschistischen Kach-Partei, Vorgänger von Itamar Ben-Gvirs Otzma Jehudit, mit Sprechchören wie »Lo, lo, lo ya’avor, Hafashizem, lo ya’vor« (freie hebräische Ãœbersetzung von »¡No Pasarán!«) gestört.
Hat Ihre Familie eine lange linke Tradition?
Ja. Mein Großvater väterlicherseits war Kommunist, und mein Vater war sozialistischer Zionist und auch schon bei Haschomer Hatzair. Ich bin 1971 in Bat Jam, einer Stadt am Meer südlich von Tel Aviv, geboren. Aber sie hatten ihre Wurzeln in Warschau; dort saß mein Großvater als junger Mann wegen seiner kommunistischen Aktivitäten ein Jahr im Gefängnis. Während des Zweiten Weltkriegs lebte die Familie in der Sowjetunion – dort kam auch mein Vater 1940 auf die Welt – und kehrte später nach Polen zurück. Als dort der Antisemitismus zunahm, wanderte sie 1957 nach Israel aus. Zunächst wählten mein Großvater und mein Vater die Kommunistische Partei, später Mapam. Die Schwester meiner Großmutter und andere ältere Familienmitglieder blieben ihr ganzes Leben lang Kommunisten. Ich habe einen großen Teil meiner Kindheit mit ihnen verbracht.
Auch zur linkszionistischen Erziehung gehört der Militärdienst.
Meine Freunde rieten mir, zu verweigern. Aber ich meinte damals noch, es wäre besser, wenn auch Leute wie ich, die keine Rassisten und gegen die Okkupation sind, zur Armee gingen – als Gegengewicht zu den verdammten Faschisten. Ich war bei einer Fallschirmjägereinheit der Nahal-Bewegung, die die Arbeit im Kibbuz mit dem Militärdienst verbindet. Ich spreche ein bisschen Arabisch. Eines Tages musste ich zu einem Einsatz in Aqabat Jaber, einem Flüchtlingslager bei Jericho, und sollte übersetzen. Wir klopften morgens um fünf Uhr an die Haustür einer Familie, um den Vater mitzunehmen. Seine Kinder begangen zu weinen, und ich weinte mit ihnen und sagte meinem Offizier: »Es reicht – ich kann das nicht.« Der Kommandeur meines Zugs erklärte mir später im Stützpunkt, ich sei eine Schande für die israelische Armee, und er könne mich ins Gefängnis bringen. Statt dessen wurde ich zum Küchendienst eingeteilt und noch zu Einsätzen in den Libanon, aber nicht mehr in die besetzten Gebiete gegen Zivilisten geschickt. Ich habe später von ähnlichen Fällen gehört. Man wollte das Problem der Verweigerer in der Armee geräuschlos lösen, um zu vermeiden, dass aus einem Refusenik zehn Refuseniks werden.
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•NEUER BEITRAG07.12.2024, 21:34 Uhr
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Wie sind Sie schließlich Antizionist geworden?
Ich habe 1994 ein Politikwissenschaftsstudium mit Schwerpunkt Medien und Dokumentarfilm an der Universität Tel Aviv begonnen und erste Erfahrungen beim israelischen Fernsehen gesammelt – ich wollte Journalist werden. Ich trat in den Studentenverband von Chadasch ein und gründete die Organisation »Studenten für soziale Veränderung«, dort schloss ich auch meine ersten Freundschaften mit Palästinensern. Ich hatte schon früher bei Haschomer Hatzair von der Sozialistischen Organisation in Israel gehört, besser bekannt unter dem Namen ihres Organs Matzpen, dessen erste Ausgabe am 21. November 1962 erschienen war. Ebenso kannte ich aus Presseberichten Udi Adiv, der sich der Untergrundorganisation Rote Front von Maʼawak, einer Abspaltung von Matzpen, angeschlossen hatte, nach Syrien gegangen, 1972 vom israelischen Sicherheitsdienst Schabak (auch bekannt als Schin Bet, jW) verhaftet und zu 18 Jahren Gefängnis verurteilt worden war. Als er 1985 vorzeitig freikam, gab es viele Schlagzeilen, wie »Der Verräter ist entlassen worden«. Mir hatten schon Freunde meines älteren Bruders, die sehr radikal waren, vom Antizionismus erzählt. Ich habe damals noch nicht verstanden, wie man Israeli und gleichzeitig gegen den Zionismus sein konnte. Nach israelischem Selbstverständnis ist jeder Zionist ein guter Mensch, der alten Damen über die Straße hilft. Erst als ich für eine Seminararbeit, die ich über Matzpen als leninistische Organisation schreiben wollte, Moshe Machover, Akiva Orr, Haim Hanegbi, Michel Warschawski, Leah Tsemel und andere ihrer Mitglieder traf, verstand ich, was Zionismus wirklich ist: eine Ideologie. Und diese Ideologie hat sich als die größte Katastrophe erwiesen – für die Juden, die Araber, die Israelis, vor allem für die Palästinenser. Zionismus killt uns und macht uns zu Killern. Er hat die jüdischen Israelis dazu gebracht, nur noch an sich selbst zu denken und in einem Getto zu leben.
Das bedeutet auch völlige Abschottung von den Palästinensern.
Die israelische Gesellschaft ist sehr rassistisch. Araber werden immer als bösartig oder als Abschaum und Idioten dargestellt, im Alltag sind sie nur die Leute, die unseren Müll entsorgen und unsere Teller spülen. Ein großes Problem ist, dass weit mehr als 90 Prozent der israelischen Juden kein Arabisch können. Viele israelische Soldaten würden das Massaker im Gazastreifen nicht mitmachen, wenn sie arabische Zeitungen lesen, die Kultur kennen und die Palästinenser als Menschen wahrnehmen würden. Aber sie betrachten die Bewohner des Gazastreifens nur als Terroristen, die angeblich alle am 7. Oktober beteiligt gewesen sind – wenn nicht als Angehörige der Hamas, so zumindest als deren Unterstützer. Das ist absolut verrückt!
Wie kam es dazu, dass Sie Ihren ersten Film über Matzpen gedreht haben?
1997 schrieb ich eine zweite Seminararbeit über die Bündnisse von Matzpen und der sozialistischen Linken in den seit dem 67er Krieg besetzten Gebieten. Matzpen arrangierte Treffen für mich in Ramallah mit dem Mitgründer der Volksfront zur Befreiung Palästinas und Gründer der Demokratischen Front zur Befreiung Palästinas, Nayef Hawatmeh, und anderen marxistischen Linken. Ich filmte auch die große Konferenz anlässlich des 35. Geburtstags von Matzpen an der Hebräischen Universität in Jerusalem. Unter den Rednern waren Michael Warschawski, Jamal Zahalka, Vorsitzender der Balad-Partei, moderiert hat Daphna Baram vom Alternative Information Center, einer linken Grassroot-Organisation, die mit dem internationalen Friedenslager vernetzt ist. Erster Redner war Akiva Orr, ein Gründungsmitglied von Matzpen, der Israel 1964 verlassen, danach seinen Wohnsitz in London hatte und 1991 zurückgekehrt war. Er war sehr charismatisch und lebte, was er sagte. Seine Rede hat mich unglaublich bewegt und inspiriert – sie markiert einen Wendepunkt in meinem Leben. Ähnlich erging es mir, als ich im Jahr 2000 Moshe Machover in London traf – einen der letzten Überlebenden eines Israels, wie es sein könnte. Diese Leute haben vielen Menschen die Augen geöffnet, in Israel und auch in anderen Ländern.
Matzpen pflegte Kontakte zur APO in der BRD und zu Linksradikalen in Europa.
Ja. Akiva Orr war in Berlin geboren worden, emigrierte aber 1934 mit seinen Eltern nach Palästina. Er war mit dem Dichter Erich Fried befreundet, der in London sein Nachbar war und ihn mit Rudi Dutschke bekannt machte. 2005 hat er Erich Fried in seinem Buch »Enlightening Disillusionments« ein Kapitel gewidmet. Matzpen konnte zwar in Israel für seine Demonstrationen keine Massen mobilisieren, aber sie waren international sehr gut vernetzt und hatten namhafte Unterstützer wie Jean-Paul Sartre und Tariq Ali. Diese Leute schrieben regelmäßig Protestbriefe, wenn Mitglieder von Matzpen verhaftet wurden. Ehud Sprinzak, ein renommierter Extremismusforscher, den ich interviewt habe und der auch als Berater für den Schabak gearbeitet hat, sagte, dass die Regierung Matzpen als gefährlich betrachtete, weil die Mitglieder der Organisation aus dem Herzen der israelischen Gesellschaft kamen. Dass Sabre (in Israel geborene Juden, jW) wie Moshe Machover, der in der israelischen Armee gedient hatte und Mathematikprofessor an der Hebräischen Universität war, sich gegen den Zionismus aussprachen, löste einen Schock aus.
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Wie sind Sie schließlich Antizionist geworden?
Ich habe 1994 ein Politikwissenschaftsstudium mit Schwerpunkt Medien und Dokumentarfilm an der Universität Tel Aviv begonnen und erste Erfahrungen beim israelischen Fernsehen gesammelt – ich wollte Journalist werden. Ich trat in den Studentenverband von Chadasch ein und gründete die Organisation »Studenten für soziale Veränderung«, dort schloss ich auch meine ersten Freundschaften mit Palästinensern. Ich hatte schon früher bei Haschomer Hatzair von der Sozialistischen Organisation in Israel gehört, besser bekannt unter dem Namen ihres Organs Matzpen, dessen erste Ausgabe am 21. November 1962 erschienen war. Ebenso kannte ich aus Presseberichten Udi Adiv, der sich der Untergrundorganisation Rote Front von Maʼawak, einer Abspaltung von Matzpen, angeschlossen hatte, nach Syrien gegangen, 1972 vom israelischen Sicherheitsdienst Schabak (auch bekannt als Schin Bet, jW) verhaftet und zu 18 Jahren Gefängnis verurteilt worden war. Als er 1985 vorzeitig freikam, gab es viele Schlagzeilen, wie »Der Verräter ist entlassen worden«. Mir hatten schon Freunde meines älteren Bruders, die sehr radikal waren, vom Antizionismus erzählt. Ich habe damals noch nicht verstanden, wie man Israeli und gleichzeitig gegen den Zionismus sein konnte. Nach israelischem Selbstverständnis ist jeder Zionist ein guter Mensch, der alten Damen über die Straße hilft. Erst als ich für eine Seminararbeit, die ich über Matzpen als leninistische Organisation schreiben wollte, Moshe Machover, Akiva Orr, Haim Hanegbi, Michel Warschawski, Leah Tsemel und andere ihrer Mitglieder traf, verstand ich, was Zionismus wirklich ist: eine Ideologie. Und diese Ideologie hat sich als die größte Katastrophe erwiesen – für die Juden, die Araber, die Israelis, vor allem für die Palästinenser. Zionismus killt uns und macht uns zu Killern. Er hat die jüdischen Israelis dazu gebracht, nur noch an sich selbst zu denken und in einem Getto zu leben.
Das bedeutet auch völlige Abschottung von den Palästinensern.
Die israelische Gesellschaft ist sehr rassistisch. Araber werden immer als bösartig oder als Abschaum und Idioten dargestellt, im Alltag sind sie nur die Leute, die unseren Müll entsorgen und unsere Teller spülen. Ein großes Problem ist, dass weit mehr als 90 Prozent der israelischen Juden kein Arabisch können. Viele israelische Soldaten würden das Massaker im Gazastreifen nicht mitmachen, wenn sie arabische Zeitungen lesen, die Kultur kennen und die Palästinenser als Menschen wahrnehmen würden. Aber sie betrachten die Bewohner des Gazastreifens nur als Terroristen, die angeblich alle am 7. Oktober beteiligt gewesen sind – wenn nicht als Angehörige der Hamas, so zumindest als deren Unterstützer. Das ist absolut verrückt!
Wie kam es dazu, dass Sie Ihren ersten Film über Matzpen gedreht haben?
1997 schrieb ich eine zweite Seminararbeit über die Bündnisse von Matzpen und der sozialistischen Linken in den seit dem 67er Krieg besetzten Gebieten. Matzpen arrangierte Treffen für mich in Ramallah mit dem Mitgründer der Volksfront zur Befreiung Palästinas und Gründer der Demokratischen Front zur Befreiung Palästinas, Nayef Hawatmeh, und anderen marxistischen Linken. Ich filmte auch die große Konferenz anlässlich des 35. Geburtstags von Matzpen an der Hebräischen Universität in Jerusalem. Unter den Rednern waren Michael Warschawski, Jamal Zahalka, Vorsitzender der Balad-Partei, moderiert hat Daphna Baram vom Alternative Information Center, einer linken Grassroot-Organisation, die mit dem internationalen Friedenslager vernetzt ist. Erster Redner war Akiva Orr, ein Gründungsmitglied von Matzpen, der Israel 1964 verlassen, danach seinen Wohnsitz in London hatte und 1991 zurückgekehrt war. Er war sehr charismatisch und lebte, was er sagte. Seine Rede hat mich unglaublich bewegt und inspiriert – sie markiert einen Wendepunkt in meinem Leben. Ähnlich erging es mir, als ich im Jahr 2000 Moshe Machover in London traf – einen der letzten Überlebenden eines Israels, wie es sein könnte. Diese Leute haben vielen Menschen die Augen geöffnet, in Israel und auch in anderen Ländern.
Matzpen pflegte Kontakte zur APO in der BRD und zu Linksradikalen in Europa.
Ja. Akiva Orr war in Berlin geboren worden, emigrierte aber 1934 mit seinen Eltern nach Palästina. Er war mit dem Dichter Erich Fried befreundet, der in London sein Nachbar war und ihn mit Rudi Dutschke bekannt machte. 2005 hat er Erich Fried in seinem Buch »Enlightening Disillusionments« ein Kapitel gewidmet. Matzpen konnte zwar in Israel für seine Demonstrationen keine Massen mobilisieren, aber sie waren international sehr gut vernetzt und hatten namhafte Unterstützer wie Jean-Paul Sartre und Tariq Ali. Diese Leute schrieben regelmäßig Protestbriefe, wenn Mitglieder von Matzpen verhaftet wurden. Ehud Sprinzak, ein renommierter Extremismusforscher, den ich interviewt habe und der auch als Berater für den Schabak gearbeitet hat, sagte, dass die Regierung Matzpen als gefährlich betrachtete, weil die Mitglieder der Organisation aus dem Herzen der israelischen Gesellschaft kamen. Dass Sabre (in Israel geborene Juden, jW) wie Moshe Machover, der in der israelischen Armee gedient hatte und Mathematikprofessor an der Hebräischen Universität war, sich gegen den Zionismus aussprachen, löste einen Schock aus.
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•NEUER BEITRAG07.12.2024, 21:38 Uhr
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Wie ist es heute um die antizionistische Linke in Israel bestellt?
Sie ist sehr isoliert und kaum mehr existent. Von den einigen hundert Aktivisten, die es noch gibt, werden vermutlich nicht mehr viele Moshe Machover und Akiva Orr kennen. Sie werden Antizionismus eher allgemein mit sozialistischen Ansichten und Protesten gegen die Besatzung in Verbindung bringen. Ich fürchte, das ist im Ausland kaum anders.
Inwieweit kann sich diese Linke in Israel überhaupt noch frei artikulieren?
Die Polizei und die Öffentlichkeit tolerieren es gar nicht mehr, wenn auf Demonstrationen Palästina-Fahnen geschwenkt oder Slogans gegen das Massaker im Gazastreifen gerufen werden. Nicht nur antizionistische, sondern auch nichtzionistische Linke ernten aggressive Reaktionen und können verhaftet werden, sobald sie nur ein Plakat mit dem Wassermelonensymbol für Palästina hochhalten. Die Situation der palästinensischen Bürger Israels, selbst wenn sie keine Verbindung zur Linken haben, ist noch weitaus schlimmer. Sie können schon für Facebook-Posts im Gefängnis landen, sogar wenn sie nur Mitgefühl mit den Menschen in Gaza zeigen. Palästinensische Politiker und andere Bürger können jederzeit in den Straßen von Städten, wo Juden die Mehrheit bilden, etwa in Beer Scheva oder Tel Aviv, angegriffen werden. Auch der Kulturbetrieb ist von Repression betroffen: Zum Beispiel schloss die Polizei ein Kino, in dem eine Dokumentation über die Nakba in der Stadt Lyd aufgeführt werden sollte, ebenso einen Klub, der einen Film über das Flüchtlingslager Dschenin zeigen wollte.
Von um so größerer Bedeutung ist Ihr zweites Arbeitsfeld, das Archiv der Linken in Israel.
Ich habe es im Juli 2023 gegründet, um Sozialisten zusammenzubringen. Die Freunde von Matzpen, der Kommunistischen Partei, dem Bund etc. Viele Genossen sind schon alt, krank und in Vergessenheit geraten. Aber wir sind eine Gemeinschaft. Wir treffen uns auf Demonstrationen. Es ist eine goldene keyt, wie man auf jiddisch sagt. Das Archiv der Linken soll daran erinnern, dass es immer eine Alternative zum zionistischen Konsens gab, für alle Menschen vom Fluss bis zum Meer. Es soll Linken mit den dort versammelten historischen Fakten eine Waffe in die Hand geben. Was Sozialisten in den 1940ern, den 1960ern und 1970ern geschrieben haben, ist enorm wichtig für die Gegenwart. Sie wussten, wohin der Zionismus, die Nakba, die Besatzung und die Militäroperationen uns alle treiben. Nach dem 7. Oktober habe ich ein 1971 veröffentlichtes »Schwarzbuch Gaza« hochgeladen, über Greueltaten, Morde, Vergewaltigungen, die Israelis an Palästinensern bereits in den späten 60er Jahren begangen hatten – die hässlichsten Dinge, die Menschen einander antun können. Das bedeutet freilich nicht, dass diese Massaker die Massaker vom 7. Oktober rechtfertigen. Es zeigt aber, dass solche Brutalität nicht an die Herkunft gebunden ist. Heute ist die Verwendung des Wortes »Kontext« in Israel tabu, niemand will etwas vom Leben und Sterben der Menschen in Gaza vor dem 7. Oktober hören. Den Kontext zu kennen und zu verstehen, ist aber unabdingbar notwendig, damit so etwas nicht wieder geschehen kann.
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Wie ist es heute um die antizionistische Linke in Israel bestellt?
Sie ist sehr isoliert und kaum mehr existent. Von den einigen hundert Aktivisten, die es noch gibt, werden vermutlich nicht mehr viele Moshe Machover und Akiva Orr kennen. Sie werden Antizionismus eher allgemein mit sozialistischen Ansichten und Protesten gegen die Besatzung in Verbindung bringen. Ich fürchte, das ist im Ausland kaum anders.
Inwieweit kann sich diese Linke in Israel überhaupt noch frei artikulieren?
Die Polizei und die Öffentlichkeit tolerieren es gar nicht mehr, wenn auf Demonstrationen Palästina-Fahnen geschwenkt oder Slogans gegen das Massaker im Gazastreifen gerufen werden. Nicht nur antizionistische, sondern auch nichtzionistische Linke ernten aggressive Reaktionen und können verhaftet werden, sobald sie nur ein Plakat mit dem Wassermelonensymbol für Palästina hochhalten. Die Situation der palästinensischen Bürger Israels, selbst wenn sie keine Verbindung zur Linken haben, ist noch weitaus schlimmer. Sie können schon für Facebook-Posts im Gefängnis landen, sogar wenn sie nur Mitgefühl mit den Menschen in Gaza zeigen. Palästinensische Politiker und andere Bürger können jederzeit in den Straßen von Städten, wo Juden die Mehrheit bilden, etwa in Beer Scheva oder Tel Aviv, angegriffen werden. Auch der Kulturbetrieb ist von Repression betroffen: Zum Beispiel schloss die Polizei ein Kino, in dem eine Dokumentation über die Nakba in der Stadt Lyd aufgeführt werden sollte, ebenso einen Klub, der einen Film über das Flüchtlingslager Dschenin zeigen wollte.
Von um so größerer Bedeutung ist Ihr zweites Arbeitsfeld, das Archiv der Linken in Israel.
Ich habe es im Juli 2023 gegründet, um Sozialisten zusammenzubringen. Die Freunde von Matzpen, der Kommunistischen Partei, dem Bund etc. Viele Genossen sind schon alt, krank und in Vergessenheit geraten. Aber wir sind eine Gemeinschaft. Wir treffen uns auf Demonstrationen. Es ist eine goldene keyt, wie man auf jiddisch sagt. Das Archiv der Linken soll daran erinnern, dass es immer eine Alternative zum zionistischen Konsens gab, für alle Menschen vom Fluss bis zum Meer. Es soll Linken mit den dort versammelten historischen Fakten eine Waffe in die Hand geben. Was Sozialisten in den 1940ern, den 1960ern und 1970ern geschrieben haben, ist enorm wichtig für die Gegenwart. Sie wussten, wohin der Zionismus, die Nakba, die Besatzung und die Militäroperationen uns alle treiben. Nach dem 7. Oktober habe ich ein 1971 veröffentlichtes »Schwarzbuch Gaza« hochgeladen, über Greueltaten, Morde, Vergewaltigungen, die Israelis an Palästinensern bereits in den späten 60er Jahren begangen hatten – die hässlichsten Dinge, die Menschen einander antun können. Das bedeutet freilich nicht, dass diese Massaker die Massaker vom 7. Oktober rechtfertigen. Es zeigt aber, dass solche Brutalität nicht an die Herkunft gebunden ist. Heute ist die Verwendung des Wortes »Kontext« in Israel tabu, niemand will etwas vom Leben und Sterben der Menschen in Gaza vor dem 7. Oktober hören. Den Kontext zu kennen und zu verstehen, ist aber unabdingbar notwendig, damit so etwas nicht wieder geschehen kann.
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•NEUER BEITRAG07.12.2024, 21:42 Uhr
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Beim Zusammenbruch des Realsozialismus ist eine Menge des historischen Erbes der internationalen Linken verschüttet worden – war das in Israel auch so?
Früher hat die Kommunistische Partei jedes Jahr die Updates ihres Archivs in die UdSSR geschickt, weil sie damit rechnen musste, dass die israelischen Sicherheitsbehörden die Dokumente beschlagnahmen würden. Nach dem Kollaps der UdSSR hat die KP ihr Archiv verloren – es wurde einfach verkauft. Vor einigen Jahren wurde es zurückgegeben, heute ist es in der Nationalbibliothek in Jerusalem und damit unter Kontrolle des zionistischen Staates.
Und wie sind Sie an die zum Teil einzigartigen historischen Dokumente gelangt, die Sie im Archiv der Linken verwahren?
Viele der alten Genossen, mit denen ich gearbeitet habe, gaben mir Bücher, Broschüren und Plakate. Sie fürchteten, dass diese nach ihrem Tod auf dem Müll landen könnten. Eines Tages fand ich mich in meinem Zwei-Zimmer-Apartment mit zehn riesigen Kisten voller historischer Dokumente wieder. Es gibt natürlich noch mehr Material über die antizionistische Bewegung, aber verteilt auf viele Archive, und man bekommt nirgendwo die ganze Geschichte erzählt. Daher beschloss ich, die Webseite Documenting the Left aufzubauen, mit einem bisschen Material aus verschiedenen Jahrzehnten, zum Beispiel von John Bunzl, Felicia Langer etc., als Visitenkarte. Besonders wichtig sind mir die Videos von den Interviews mit Hunderten von Aktivisten, die ich in den vergangenen 27 Jahren gefilmt habe. So können israelische Linke in Tel Aviv oder auch in Berlin und in der ganzen Welt ihre politischen Vorfahren kennenlernen.
Dazu gehören auch die jüdischen Freiwilligen der Internationalen Brigaden im Spanischen Krieg, denen Sie Ihren zweiten Film »Madrid Before Hanita« gewidmet haben.
Die Kämpfer der Internationalen Brigaden in Spanien sind meine Helden. Ihnen war es gelungen, eine Volksfront aufzubauen, wie auch in Frankreich unter der Führung von Léon Blum. Ich gehe auf Demonstrationen und unterzeichne Petitionen etc., aber diese Leute waren bereit, ihr Leben zu opfern. Der letzte der jüdischen Freiwilligen starb 2012, und ich denke immer wieder: Wie konnte man es wagen, ihre Geschichte nicht früher zu erzählen?! Inspiriert wurde ich von Ken Loachs Spielfilm »Land and Freedom« – die zweite Offenbarung in meinem Leben. Nach dem Interview mit dem berühmten Spanien-Kämpfer und Journalisten Kurt Goldstein, das ich in Berlin geführt hatte, fühlte ich, dass ich einen Schatz geborgen hatte. Es war auch ein riesiges Privileg, David Ostrowski, Schmuel Segal und Dora Lewin zu begegnen. Schon bevor sie nach Spanien gingen, wussten sie, dass dort ein gigantisches Gemetzel im Gange war. Viele Kommunisten aus Palästina, die im Juli 1936 zur Volksolympiade – eine Gegenveranstaltung zu Hitlers Olympischen Spielen in Berlin – nach Barcelona gekommen waren, blieben, um gegen die Faschisten zu kämpfen; nicht wenige starben bereits kurz nachdem der Krieg begonnen hatte.
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Beim Zusammenbruch des Realsozialismus ist eine Menge des historischen Erbes der internationalen Linken verschüttet worden – war das in Israel auch so?
Früher hat die Kommunistische Partei jedes Jahr die Updates ihres Archivs in die UdSSR geschickt, weil sie damit rechnen musste, dass die israelischen Sicherheitsbehörden die Dokumente beschlagnahmen würden. Nach dem Kollaps der UdSSR hat die KP ihr Archiv verloren – es wurde einfach verkauft. Vor einigen Jahren wurde es zurückgegeben, heute ist es in der Nationalbibliothek in Jerusalem und damit unter Kontrolle des zionistischen Staates.
Und wie sind Sie an die zum Teil einzigartigen historischen Dokumente gelangt, die Sie im Archiv der Linken verwahren?
Viele der alten Genossen, mit denen ich gearbeitet habe, gaben mir Bücher, Broschüren und Plakate. Sie fürchteten, dass diese nach ihrem Tod auf dem Müll landen könnten. Eines Tages fand ich mich in meinem Zwei-Zimmer-Apartment mit zehn riesigen Kisten voller historischer Dokumente wieder. Es gibt natürlich noch mehr Material über die antizionistische Bewegung, aber verteilt auf viele Archive, und man bekommt nirgendwo die ganze Geschichte erzählt. Daher beschloss ich, die Webseite Documenting the Left aufzubauen, mit einem bisschen Material aus verschiedenen Jahrzehnten, zum Beispiel von John Bunzl, Felicia Langer etc., als Visitenkarte. Besonders wichtig sind mir die Videos von den Interviews mit Hunderten von Aktivisten, die ich in den vergangenen 27 Jahren gefilmt habe. So können israelische Linke in Tel Aviv oder auch in Berlin und in der ganzen Welt ihre politischen Vorfahren kennenlernen.
Dazu gehören auch die jüdischen Freiwilligen der Internationalen Brigaden im Spanischen Krieg, denen Sie Ihren zweiten Film »Madrid Before Hanita« gewidmet haben.
Die Kämpfer der Internationalen Brigaden in Spanien sind meine Helden. Ihnen war es gelungen, eine Volksfront aufzubauen, wie auch in Frankreich unter der Führung von Léon Blum. Ich gehe auf Demonstrationen und unterzeichne Petitionen etc., aber diese Leute waren bereit, ihr Leben zu opfern. Der letzte der jüdischen Freiwilligen starb 2012, und ich denke immer wieder: Wie konnte man es wagen, ihre Geschichte nicht früher zu erzählen?! Inspiriert wurde ich von Ken Loachs Spielfilm »Land and Freedom« – die zweite Offenbarung in meinem Leben. Nach dem Interview mit dem berühmten Spanien-Kämpfer und Journalisten Kurt Goldstein, das ich in Berlin geführt hatte, fühlte ich, dass ich einen Schatz geborgen hatte. Es war auch ein riesiges Privileg, David Ostrowski, Schmuel Segal und Dora Lewin zu begegnen. Schon bevor sie nach Spanien gingen, wussten sie, dass dort ein gigantisches Gemetzel im Gange war. Viele Kommunisten aus Palästina, die im Juli 1936 zur Volksolympiade – eine Gegenveranstaltung zu Hitlers Olympischen Spielen in Berlin – nach Barcelona gekommen waren, blieben, um gegen die Faschisten zu kämpfen; nicht wenige starben bereits kurz nachdem der Krieg begonnen hatte.
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Apropos Faschismus: Heute sind die Kahanisten so mächtig wie nie zuvor in Israel. Wie gefährlich ist das für die Linke?
Dank Netanjahu, der Ben-Gvir zum Minister für Nationale Sicherheit ernannt hat, und der Apathie des Großteils der israelischen Bevölkerung kontrollieren die Kahanisten den Polizeiapparat. Jeder Beamte weiß sehr gut, was er zu tun hat, wenn er eine Karriere anstrebt. Ich bin mir sicher, dass die Polizei längst Listen mit den Namen von Linken hat und handeln wird, sobald sie den richtigen Zeitpunkt gekommen sieht. Außerdem war eine der ersten Maßnahmen, die Ben-Gvir veranlasst hat, die Herausgabe von Zehntausenden Waffenscheinen. Viele dürften an militante Rechte gegangen sein. Sie können jede Sekunde losschlagen.
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P.S.: Wie auch an jedem anderen Ort der Welt fällt auch in Israel der Faschismus nicht vom Himmel:
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Apropos Faschismus: Heute sind die Kahanisten so mächtig wie nie zuvor in Israel. Wie gefährlich ist das für die Linke?
Dank Netanjahu, der Ben-Gvir zum Minister für Nationale Sicherheit ernannt hat, und der Apathie des Großteils der israelischen Bevölkerung kontrollieren die Kahanisten den Polizeiapparat. Jeder Beamte weiß sehr gut, was er zu tun hat, wenn er eine Karriere anstrebt. Ich bin mir sicher, dass die Polizei längst Listen mit den Namen von Linken hat und handeln wird, sobald sie den richtigen Zeitpunkt gekommen sieht. Außerdem war eine der ersten Maßnahmen, die Ben-Gvir veranlasst hat, die Herausgabe von Zehntausenden Waffenscheinen. Viele dürften an militante Rechte gegangen sein. Sie können jede Sekunde losschlagen.
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P.S.: Wie auch an jedem anderen Ort der Welt fällt auch in Israel der Faschismus nicht vom Himmel:
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