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NEUES THEMA14.02.2024, 13:42 Uhr
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FPeregrin

• Ur- und Frühgeschichte: Die Blinkermauer Scienexx gestern:

Steinzeit-Megastruktur in der Ostsee entdeckt

Gut 10.000 Jahre alte Steinmauer ist älteste menschengemachte Megastruktur Europas

Spektakulärer Fund: Am Grund der Mecklenburger Bucht haben Archäologen das älteste Monumental-Bauwerk Europas entdeckt – und eine der ältesten menschengemachten Megastrukturen überhaupt. Das 10.000 Jahre alte Bauwerk besteht aus knapp 1.700 großen Felsbrocken, die zu einer fast einen Kilometer langen Mauer aufgereiht sind. Diese Mauer liegt heute in 21 Meter Wassertiefe, stand aber während der Eiszeit an Land. Die Forschenden vermuten, dass das Bauwerk eiszeitlichen Jägern bei der Jagd auf Rentiere half.

Noch bevor sie sesshaft wurden, errichteten unsere steinzeitlichen Vorfahren verblüffend monumentale Bauwerke. Davon zeugen die gut 10.000 Jahre alten Steinkreise von Göbekli Tepe, aber auch die ebenso alten „Desert Kites“ in der arabischen Wüste – Wildtierfallen aus kilometerlangen Steinmauern. Auch auf Grönland und am Grund der nordamerikanischen Great Lakes haben Archäologen ähnliche, von Jägern und Sammlern der Eiszeit errichtete Jagdbauten entdeckt.

Ostseegrund als Steinzeitarchiv

In Mitteleuropa waren solche Megastrukturen jedoch bisher nicht bekannt. „Diese Strukturen blieben im dicht besiedelten Zentrum des europäischen Subkontinents meist nicht erhalten“, erklären Jacob Geersen vom Leibniz-Institut für Ostseeforschung in Warnemünde und seine Kollegen. Doch es gibt einen Ort, an dem steinzeitliche Großbauwerke auch in Mitteleuropa überdauert haben könnten: am Meeresgrund. Denn bis zum Ende der letzten Eiszeit lagen die Meeresspiegel von Nord- und Ostsee bis zu 40 Meter tiefer als heute.

Dadurch bildete beispielsweise der Nordseegrund eine riesige Landmasse, die bis zu den Britischen Inseln reichte – das heute versunkene Doggerland. In der Ostsee lagen ebenfalls weite Bereiche trocken, darunter auch die maximal 28 Meter tiefe Mecklenburger Bucht. „Diese Region ist für ihre hohe Dichte an versunkenen archäologischen Stätten wohlbekannt“, erklären Geersen und sein Team. Im flachen Wasser wurden bereits 23 untergegangene Siedlungsreste und andere Relikte aus der Zeit vor 8.500 bis 5.000 Jahren entdeckt. Was sich jedoch in größeren Wassertiefen verbirgt, ist ungeklärt.

Rätselhafte „Blinkermauer“ am Meeresgrund

Jetzt berichten Geersen und seine Kollegen von einem spektakulären Fund. Bei einer hydroakustischen Vermessung des Meeresgrunds am östlichen Rand der Mecklenburger Bucht fiel ihnen eine ungewöhnliche Struktur auf: Vor dem Küstenort Rerik zeigten die hochaufgelösten Scans eine fast einen Kilometer lange und etwa einen Meter hohe Erhebung. Diese „Blinkermauer“ getaufte Struktur liegt auf der Südseite eines langgestreckten Unterseerückens in rund 21 Meter Tiefe und endet im Nordosten an einem rund acht Meter hohen Hügel.

Das Ungewöhnliche jedoch: „Videoaufnahmen von verschiedenen Abschnitten dieser Mauer bestätigten, dass die Blinkermauer von einer Abfolge einzelner Steine gebildet wird“, berichten die Forschenden. 1.673 kleinere und größere Felsbrocken sind zu einer 971 Meter langen Mauer aufgereiht. Interessanterweise scheinen dabei die schwersten und größten Steine nicht zufällig verteilt: „Die zehn schwersten Steine liegen alle in den Bereichen, in denen die Steinmauer ihre Richtung ändert“, so Geersen und seine Kollegen.

10.000 Jahre alt – mindestens

„Die Blinkermauer repräsentiert eine außergewöhnliche morphologische Struktur, wie sie noch nie zuvor irgendwo in der Ostsee dokumentiert worden ist“, konstatieren die Wissenschaftler. Ihren Analysen zufolge muss die versunkene Steinreihe schon mehr als 10.000 Jahre alt sein. Sie entstand demnach, als dieser Teil der Mecklenburger Bucht noch nicht überflutet war. Erst vor rund 8.000 Jahren stiegen die Meeresspiegel der Ostsee so weit an, dass auch die Mauern und ihr Umfeld unter Wasser gerieten.

Doch wie entstand diese versunkene Steinmauer? Wurde sie von Menschenhand erschaffen oder ist sie doch nur eine natürliche Formation? „Es gibt natürliche Prozesse, die Steine in dieser Weise transportieren können. Aber sie sind sehr selten und an ganz spezielle geologische Umstände gebunden“, erklären Geersen und sein Team. So können beispielsweise Tsunamis, Gletscher, alte Strandlinien oder auch Schmelzwasserströme Geröll zu wallähnlichen Strukturen zusammenschieben. Allerdings passe die Blinkermauer weder in ihrer Lage noch Form dazu.

„Es gibt zudem eine Beobachtung, die durch keinen natürlichen Prozess erklärt werden kann: die Platzierung der größten und schwersten Steine an den Knickpunkten der Blinkermauer“, schreiben die Wissenschaftler.

Barriere für die Rentierjagd?

Nach Ansicht des Teams bleibt damit nur eine Erklärung übrig: Die versunkene Steinmauer wurde von Menschenhand geschaffen. Eiszeitliche Jäger und Sammler könnten demnach diese Steine aufgereiht haben – angesichts der dünnen Besiedlung und der damals nur in kleinen Gruppen umherstreifenden Menschen eine erhebliche Leistung. „Ähnlich große, menschengemachte Konstruktionen sind aus dieser Region bisher völlig unbekannt“, erklären Geersen und seine Kollegen. Das mache es schwer, ihren Zweck zu ermitteln.

Doch die Wissenschaftler haben eine Vermutung: Die Blinkermauer zog sich damals in gerader, nur leicht geschwungener Linie am Rand eines eiszeitlichen Sees oder Sumpfes entlang. Sie bildete damit eine Barriere, die die eiszeitlichen Jäger möglicherweise als Jagdhilfe nutzten – ähnlich wie die „Desert Kites“ in der arabischen Wüste. Die Blinkermauer könnte Rentierherden umgelenkt und auf natürliche Barrieren wie einen Hügelgrat oder Tümpel zugetrieben haben. Dort konnten die Jäger ihre Beute dann leichter erlegen.

Älteste menschengemachte Megastruktur Europas

Sollte sich dies bestätigen, wäre die Megastruktur am Grund der Ostsee ein bisher einzigartiger Fund: „Die Blinkermauer repräsentiert eines der weltweit ältesten Beispiele für menschengemachte Jagd-Architektur – und sie könnte die älteste menschengemachte Megastruktur in ganz Europa sein“, konstatieren Geersen und seine Kollegen. „Dies ist eine wirklich aufregende Entdeckung – nicht nur wegen ihres Alters, sondern auch, weil sie uns dabei helfen kann, die Lebensweise der frühen Jäger-und-Sammler-Gemeinschaften besser zu verstehen.“

Das Forschungsteam plant nun, in der näheren Umgebung nach weiteren möglichen Relikten dieser Jäger und Sammler zu suchen – beispielsweise Überresten von saisonalen Jagdlagern oder Schlachtplätzen. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2024; doi: 10.1073/pnas.2312008121)

Quelle: Proceedings of the National Academy of Sciences
13. Februar 2024 - Nadja Podbregar


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