Mai 1945. Die Hitlerfaschisten sind besiegt. Das Grauen, das sie hinterlassen haben, ist so ungeheuerlich, dass kein Verbrechen in der bisherigen Menschheitsgeschichte damit verglichen werden kann.
Für die Mehrheit der Weltbevölkerung stand fest, dass diese Bestie, als die sich der deutsche Imperialismus entpuppt hatte, nie wieder ihr Haupt erheben darf.
Das Potsdamer Abkommen, das die Vernichtung des deutschen Faschismus, Militarismus und der deutschen Monopole anordnete, wurde von der Sowjetunion und drei imperialistischen Mächten – USA, Großbritannien und Frankreich – unterschrieben.
Zum zweiten Mal bewahrheitete sich die Lehre Lenins, dass es in einem Krieg am besten ist, wenn der imperialistische Hauptfeind im eigenen Land eine Niederlage erleidet. Wobei die Lage der Arbeiter in den anderen imperialistischen Ländern viel schwieriger war, durften sie doch gar nicht auf eine Niederlage ihrer eigenen Herren hoffen, die ja ins Bündnis mit der Sowjetunion gezwungen worden waren. Deshalb war nach diesem Krieg die Lage der deutschen Arbeiterklasse erstmal einzigartig günstig. Man musste ja das Potsdamer Abkommen nur noch tatkräftig durchführen, und hatte dabei die stärksten Mächte der Welt an seiner Seite …
Wie ihr alle wisst, war es so einfach dann doch nicht. Zum einen hatte die deutsche Arbeiterklasse 12 Jahre Hitlerfaschismus hinter sich, die nicht spurlos an ihnen vorübergegangen waren. Sie hatte die Hitlerfaschisten nicht verhindert und auch nicht gestürzt, die Befreiung kam von außen. Die Arbeiterjugend kannte außer Krieg und Faschismus nichts, kein zivilisiertes Leben, keine Arbeitersolidarität. Zum anderen zerbrach die Einheit zwischen den Alliierten sehr schnell.
Die USA hatten unter Präsident Roosevelt einen demokratischen Kurs gegen das faschistische Deutschland eingeschlagen, der auch die Auswirkung hatte, dass bis hin zu Offizieren in der US-Armee viel Hass auf den deutschen Faschismus und viel Sympathie mit der Arbeiterbewegung existierte, bis hin zu Sympathien mit der Sowjetunion. Schon die Verhandlungen in Potsdam wurden ungünstig durch eine Änderung der US-Politik beeinflusst, die mit dem Namen des Präsidenten Truman verbunden ist. Während der Besatzungszeit wurden schon sehr bald antifaschistische Militärs nach Hause geschickt. Großbritannien verlor sofort nach Kriegsende sehr viel von seiner bisherigen Macht, die es an die USA abgeben musste. In Berlin versuchte es sich durch eigenmächtige antisowjetische Aktionen gegen den US-Imperialismus zu behaupten. Ein Beispiel dafür ist die Übertragung der sog. Währungsreform in den Westzonen auf Westberlin 1948, also die Einführung der DM, was gleichzeitig auch eine ungeheure Provokation der Sowjetunion war. Alle drei Westmächte ließen im Kampf gegen den deutschen Imperialismus nach und hofften auf ihn als Bollwerk und Speerspitze gegen die Sowjetunion. Die deutschen Imperialisten hatten all diese Widersprüche schon in ihrem Entstehen, seit 1944, auszunutzen verstanden und immer wieder Verbindungen vor allem zum US-Imperialismus geknüpft.
In ganz Deutschland wurde nun von Arbeitern und Antifaschisten um die antifaschistisch-demokratische Umwälzung, die Verwirklichung des Potsdamer Abkommens gekämpft. Es ging um die Vollendung der bürgerlichen Revolution, um die Beseitigung der halbfeudalen Zustände, wie sie im Osten Deutschlands durch die Junker immer noch geherrscht hatten. Die von den Alliierten (auch den westlichen) verfügte Bodenreform wurde durchgeführt. Des Weiteren ging es um die Säuberung des Staatsapparats, die Enteignung der Kriegsverbrecher-Konzerne und um Demokratie für die Arbeiter, für die werktätigen Massen. In Ost und West waren die Arbeiter nicht bewaffnet – das ist ein großer Unterschied zur revolutionären Nachkriegskrise 1918-1923. Im Osten reichten große Streiks, um die reaktionären Kräfte zur Räson zu bringen. Die Waffen der Sowjetarmee sorgten, ohne einen Schuss abzugeben, dafür, dass kein Streik zusammen gedroschen oder -geschossen wurde. Im Westen erlaubten die Waffen der Alliierten, die Arbeiter zu behindern und zu bekämpfen – so dass die heftigen, aber eben auch unbewaffneten Kämpfe 1947 mit Niederlagen endeten. Die Sozialdemokratie nahm sich genau die Freiheiten, die die jeweiligen Besatzungsmächte ihr ließen – im Osten nahm sie sich die Freiheit, aus ihrer Niederlage gegen den Hitlerfaschismus zu lernen und sich mit der KPD zu vereinigen, im Westen nahm sie sich die Freiheit, sich erneut der deutschen Monopolbourgeoisie anzudienen.
Die deutschen Monopolherren wussten, dass sie mit einer Regierung namens alliierter Kontrollrat und verschiedenen Besatzungszonen, wovon eine ihnen völlig verschlossen war, wenig Chancen für einen erneuten Aufstieg hatten. Sie einigten sich mit den westlichen Besatzungsmächten auf einen westdeutschen Separatstaat, den die Westmächte hofften einzig gegen die Sowjetunion hetzen zu können und den sie ansonsten unter Kontrolle halten könnten. Zu beiden Zwecken sollte dann später auch die NATO dienen. Da die SPD nicht für Separatismus zu haben war, wurde Adenauer an die Regierung dieses neuen Staates gehievt. Der war nicht nur ein Separatist, sondern verstand auch die Widersprüche unter den anderen Imperialisten auszunutzen – er schloss später Freundschaft mit dem Frankreich de Gaulles, um den USA besser entgegentreten zu können. Ein Grundgesetz wurde für den neuen Staat in Kraft gesetzt. Und dieses Grundgesetz atmet den Geist der Reichsgründung von 1871:
- Nichts deutet mehr auf die Bestimmungen des Potsdamer Abkommens hin, außer einem zähneknirschenden fußnotenartigen Hinweis auf das Kontrollratsgesetz,
- Das Grundgesetz nahm ausdrücklich für sich in Anspruch, für alle Deutschen zu sprechen, und hatte dadurch von Anfang an einen chauvinistischen, annexionistischen Charakter,
- Es enthält wichtige Arbeiterrechte, v.a. das Streikrecht nicht, es enthält keine antifaschistischen Bestimmungen,
- Die zersplitterte reaktionäre föderalistische Struktur wird aufrecht erhalten. Die Alliierten hatten die Auflösung Preußens verfügt, in der BRD war aber der Freistaat Bayern ein Bestandteil und Störfaktor, der schon Gewichtiges zum Aufstieg der Hitlerfaschisten beigetragen hatte.
- Wieder wird die Staatsbürgerschaft nach Blutsbanden, nach dem völkischen und nicht dem Territorialprinzip definiert.
Wenige Monate nach der Gründung der BRD wurde die DDR gegründet – die Deutsche Demokratische Republik, die eigentlich als Umsetzung des Potsdamer Abkommens für ganz Deutschland gedacht war.
Für den deutschen Imperialismus war damit die Marschrichtung der nächsten Jahre klar. Die Beherrschung Europas war überhaupt nicht erreichbar, solange die DDR existierte. Die DDR musste weg, mit welchen Mitteln auch immer. Sie wurde von der BRD darum auch niemals völkerrechtlich anerkannt.
Der Antisemitismus nützte in dieser Situation dem deutschen Imperialismus gar nichts. Um die DDR wegzufegen, brauchte er die Unterstützung der Westalliierten (die er nicht immer bekam, wie wir noch sehen werden), und der Antisemitismus war doch zu offensichtlich gegen die imperialistischen Konkurrenten gerichtet, als dass er noch hätte nützlich sein können. So wurde man also über Nacht philosemitisch, d.h. heuchlerisch-judenfreundlich.
Was gebraucht wurde, um das erste Ziel, die Vernichtung der DDR, zu erreichen, war wütender und militanter Antikommunismus. Die BRD wurde das einzige imperialistische Land, in dem die Kommunistische Partei verboten war. Das zu einem Zeitpunkt, als der Einfluss der KPD schon sehr gering geworden war. Es ging also nicht um ihre Tätigkeit in Westdeutschland, es ging um Antikommunismus bis in den letzten Winkel der Republik. – Zwischenruf: in Spanien auch – ja, aber Spanien ist kein imperialistisches Land.
Was ebenfalls gebraucht wurde, war absolute Ruhe an der Heimatfront. Das Streikrecht wurde durch Tarifvertragsgesetz und Richtersprüche eingeschränkt und bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt. Und die Sozialdemokratie war eben die deutsche Sozialdemokratie, die nach wie vor jeden Opportunisten wo auch immer auf der Welt in den Schatten stellte. Der sog. Sozialstaat diente in Westdeutschland vor allem dem Ziel der Zerstörung der DDR, dem Ziel, ihr Arbeitskräfte zu entziehen und die BRD als klassenkampffreies Paradies darzustellen.
Gegen die DDR wurde täglich und stündlich gekämpft. Ich kann hier nur auf einzelne Schlaglichter eingehen.
Ein wichtiges Datum ist der 17.Juni 1953, von der Reaktion bejubelt als „Arbeiteraufstand“ gegen den Kommunismus.
Organisiert wurde dieses Spektakel von der SPD. Die SPD war bis 1961 Teil der inneren Widersprüche der DDR. Denn in ganz Berlin konnte sie schalten und walten und organisieren. Das kam daher, dass in Berlin sich sowohl Sozialdemokraten mit der KPD zur SED vereinigten (die dann auch in Westberlin organisiert war), als auch die rechten Teile der SPD nach wie vor in ganz Berlin tätig war. Die SPD nutzte ihren Einfluss in den Betrieben und ihre Erfahrungen mit den Arbeitern, um auf der Grundlage bestehender Versorgungsprobleme in der DDR Streiks und Demonstrationen zu organisieren, die auch Einfluss auf den Gang der Dinge außerhalb Berlins hatten. Der RIAS (Rundfunk im amerikanischen Sektor) gab die Anweisungen der sozialdemokratischen Führer bekannt. Im Lauf des Tages mischten sich auch reaktionäre und faschistische Elemente, teilweise auch aus Westberlin, mit Brandstiftung und Plünderung in die Geschehnisse ein. Ziel der ganzen Aktion war – jedenfalls von ihren Urhebern her – die Einverleibung der DDR in die BRD. Die Sowjetunion sah sich gezwungen, ihre Panzer aufzufahren und für Ordnung zu sorgen.
Ein „Arbeiteraufstand“ war das Ganze nicht. Auch westdeutsche Historiker geben zu, dass sich an dem sog. „Generalstreik“ am 17.Juni höchstens 10 Prozent der Arbeiter der DDR beteiligt hatten. Trotzdem war es eine Niederlage der Arbeiter, dass dieser konterrevolutionäre Angriff von den Panzern der Sowjetunion beendet werden musste und nicht von den Arbeitern selber.
Ein weiteres wichtiges Datum ist der 13.August 1961.
In den Monaten vor diesem Datum herrschte eine hysterische Kriegsstimmung gegen die Sowjetunion. Die Sowjetunion gab mit dem Angebot, aus Westberlin (das völkerrechtlich zur DDR gehörte) eine sog. Freie Stadt ohne Besatzungsmächte zu machen, eine falsche Antwort. Zum einen reizte sie damit die USA noch mehr, zum anderen öffnete sie damit dem deutschen Imperialismus faktisch die Tür nach Westberlin – wo er ja aufgrund der Westmächte nicht so schalten und walten durfte wie er wollte.
Nun witterte der deutsche Imperialismus Morgenluft und organisierte eine Kampagne zur wirtschaftlichen Zerstörung der DDR. Er wirbt Arbeiter aus der DDR an und verspricht Riesenlöhne. Sie bekommen wirklich höhere Löhne, die Kapitalisten können das leicht finanzieren, sowieso durch die imperialistischen Extraprofite und weil sie Zuschüsse von den westdeutschen Arbeitern bekommen, um diese höheren Löhne zu zahlen. Insbesondere kümmert man sich um Facharbeiter und technische Intelligenz, man versucht fast die DDR auszuräumen und macht auch die größten Geschäfte mit Schwindelkurs 1:8 (man bekommt 1 DM für 8 Mark der DDR). In Massen kamen diese Deutschen reingeströmt, die sehr liebevoll behandelt wurden (im Gegensatz übrigens zu Flüchtlingen, die später kamen, aber eben nicht deutsch waren). Man redete von einer Abstimmung mit den Füßen.
Im Sommer 1961 wird dann die Tätigkeit des deutschen Imperialismus immer hektischer, auch angesichts dessen, dass die USA nach wie vor nichts davon wissen will, dass Westberlin oder ganz Berlin zur BRD gehören soll. Sie organisieren Landsmannschaftstreffen usw. in Westberlin, um die Stimmung anzuheizen. Und dann wird schließlich Strauß tätig, der im Juli 1961 in die USA reist und McNamara, dem Kriegsminister der USA, seine Forderungen vorträgt. Er verlangt z.B., dass in die „Berliner Krise“, wie er es nennt, der gesamte Westen einbezogen wird und erklärte, dass Westdeutschland seinerseits entschlossen sei, diese Krise bis zur letzten Konsequenz zuzuspitzen. Außerdem hat er auf einer Pressekonferenz in den USA Strauß darauf hingewiesen, dass der Westen auf eine Art Bürgerkrieg vorbereitet sein müsse. Gleichzeitig gibt es Aufmärsche an der Reichstagsruine, es gibt auch wieder die üblichen Brandstiftungen in der DDR (ohne die geht’s beim deutschen Imperialismus nicht), und der „Industriekurier“ hat, nachdem dieser ganze Zauber vorbei war, sehr offenherzig erläutert, wie sich das Monopolkapital die ganze Geschichte vorgestellt hat. die Eroberung der DDR sollte „mit Girlanden und wehenden Fahnen und siegreichem Einzug der Bundeswehr durchs Brandenburger Tor unter klingendem Spiel“ gefeiert werden (2.9.1961, Industriekurier)
Am 13.August 1961 schließt die DDR ihre Grenze in Berlin.
Und da ist jetzt die Reaktion des Westens interessant, die den deutschen Imperialismus sehr erbost hat. Die „Welt“ schrieb am 15.August 61: „
Es mag schockierend sein es auszusprechen, aber in dem Kommunique, mit dem Washington auf die Abriegelung Ost-Berlins reagiert hat, ist ein Ton der Erleichterung unüberhörbar.“ Die Pariser Zeitung „Liberation“ schrieb am 14. August: „
Die von der DDR auf Verlangen der sozialistischen Länder getroffenen Maßnahmen sind Vorsichts- und Verteidigungsmaßnahmen, die in keiner Weise die Interessen der Westmächte und der Bundesrepublik benachteiligen. Ist es nicht ganz normal, dass sich die DDR vor jeder Provokation - man weiß, dass die Bonner und Westberliner Politiker Meister auf diesem Gebiet sind - schützt, Jede Maßnahme, die verhindern kann, dass das Pulverfass in Brand gesteckt werden kann, ist nicht einzig und allein deshalb schlecht, weil sie vom Osten kommt.“
Es hatte wegen des 13.August ernste Verstimmungen zwischen dem deutschen Imperialismus und den USA gegeben. Die USA waren froh, dass der deutsche Imperialismus in Berlin in die Schranken gewiesen war, und wollten für sich selbst diesen Einflussbereich sichern. Nichts anderes bedeutete auch der berühmte Ausspruch des amerikanischen Präsidenten Kennedy bei seinem Westberlin-Besuch 1963: „Ich bin ein Berliner“. Dass das manche dumme Reaktionäre bis heute nicht verstehen ist ihr Problem. Die Richtung der US-Politik wurde erst viel später durch Präsident Reagan geändert, doch dazu später.
In den siebziger Jahren begannen die noch auf Westdeutschland zusammengedrängten deutschen Monopolherren Licht im Tunnel ihrer geheuchelten Ergebenheit gegenüber den USA zu sehen. Ökonomisch waren sie stärker geworden und konnten selbstbewusst in den Handel mit der Sowjetunion einsteigen. Währenddessen hatte der Ziehvater USA alle Hände voll zu tun mit dem aufsässigen vietnamesischen Volk, das seinen eigenen Weg in Richtung Frieden und Sozialismus gehen wollte. Der „Entwurf für Europa“ von Franz Josef Strauß wurde zum Handbuch westdeutscher Politik. Dieses Buch läuft auf die Empfehlung hinaus, gemeinsam mit Frankreich zu gehen, auf diesem Wege den Widerstand Großbritanniens gegen ein Erstarken Westdeutschlands und gegen eine deutsche „Wiedervereinigung“ aufzuweichen und so eine europäische Großmacht gegen die
USA zu schaffen. Und Strauß war es auch gewesen, der 1969 den für die deutschen Monopolherren befreienden Schlachtruf losgelassen hatte: „
Ein Volk, das diese wirtschaftlichen Leistungen erbracht hat, hat ein Recht darauf, von Auschwitz nichts mehr hören zu wollen.“ (siehe u.a. Die Zeit, 07.10.1988)
Das Zerstörungswerk gegen die DDR lief nun unter der Überschrift „Wandel durch Annäherung“. Ein wichtiges Vertragswerk in dieser Richtung war der sog. Moskauer Vertrag von 1970 zwischen BRD und Sowjetunion. Die Sowjetunion hatte darin dem deutschen Imperialismus weitgehende Zugeständnisse gemacht, die auch die Souveränität der DDR betrafen. Die DDR verlor danach das Recht, souverän über die Transitwege zwischen Westdeutschland und Westberlin zu entscheiden.
1975 wurden die USA gerupft und geschwächt aus Vietnam verjagt. So bedeutend dieser Sieg des Befreiungskampfes für die internationale Arbeiterklasse war, so verheerend war es doch, dass dieser Kampf nicht von den Arbeitern der imperialistischen Länder gegen ihre eigenen Ausbeuter fortgesetzt wurde, und so die deutsche Monopolbourgeoisie als Geier über den Schlachtfeldern aus der Niederlage des US-Imperialismus Nutzen ziehen konnte. Es wuchs das „deutsche Nationalbewusstsein“ in seiner durch den zu spät und zu kurz gekommenen deutschen Imperialismus fürchterlich zugerichteten Gestalt. Eine Nazi-Renaissance begann, viele demokratische Rechte wurden unter der Überschrift „Terrorbekämpfung“ in Stücke gehauen.
1978 wurde dann das Jahr, in dem Westdeutschland den großen Schlussstrich unter die Verfolgung der Nazi-Verbrechen zog: es wurde von einer breiten Mehrheit des Bundestages endgültig festgelegt, der UNO-Konvention über die Nichtverjährbarkeit von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht beizutreten (der die DDR längst beigetreten war), sondern stattdessen die Unverjährbarkeit jeglichen Mordes festzulegen.
Mit der Entsendung sowjetischer Truppen nach Afghanistan 1979 und der Einmischung der USA in diesen Konflikt verschärften sich die Widersprüche unter den Imperialisten – sie haben bei dem strategisch wichtig gelegenen Afghanistan mit seiner großen Bedeutung für den Zugriff zu den Bodenschätzen Zentralasiens noch nie viel Spaß verstanden. Bundeskanzler Helmut Schmidt findet im Frühjahr 1980 einen bemerkenswerten Vergleich: er meint, die Situation sei mit der des Juli 1914 vergleichbar (siehe KAZ Nr.185, 29.04.1980, S.1), also der Situation, in der die Widersprüche zwischen den imperialistischen Mächten sich im ersten Weltkrieg entluden (wobei Anstifter und Auslöser dieses Krieges bekanntlich der deutsche Imperialismus war).
Westdeutschland begab sich in die achtziger Jahre, in den Weg zur „Normalität“. Dieser Weg war nicht nur gekennzeichnet durch die Kohl’sche „Wende“, sondern auch durch eine große oppositionelle Bewegung, die nicht mehr von internationaler Solidarität getragen war wie die Mehrheit der Studentenbewegung Ende der sechziger Jahre, sondern von der Angst vor der atomaren Bedrohung, von der Angst, Austragungsfeld in einem Atomkrieg zu sein. Ein deutscher Nationalismus wuchs fast unmerklich bei Massen heran, die vorher für ausgesprochen reaktionäre Bestrebungen nicht in Frage gekommen waren. Riesige Kundgebungen „für den Frieden“ klagten die USA und die Sowjetunion an und deckten den Hauptfeind im eigenen Land, der ungestört mit seinen „deutsch- deutschen Beziehungen“ an der Destabilisierung der DDR arbeiten konnte.
1986 kam es zu einem sehr gewichtigen und zerstörerischen Angriff des Bonner Staates gegen die Souveränität der DDR unter Ausnutzung des Stützpunktes Westberlin. Viele Flüchtlinge, die in Westdeutschland oder Westberlin Asyl beantragen wollten, kamen mit dem Flugzeug auf dem Flughafen Schönefeld (DDR) an, fuhren dann mit der S-Bahn zum Bahnhof Friedrichstraße in Berlin und konnten sich dort als Nicht-DDR-Bürger ohne weiteres eine S-Bahn-Fahrkarte nach Westberlin kaufen. Da der S-Bahnhof Friedrichstraße DDR-Territorium war, konnte die Westberliner Polizei nichts dagegen machen. Das war zwar im Sommer 1986 nichts Neues, aber der westdeutsche Staat hatte sich entschlossen, eine Kampagne zu führen unter dem Leitmotiv „Alles stöhnt unter der Asylantenflut“.
Die DDR hat einen sehr klaren und guten Standpunkt zu dieser Angelegenheit gehabt. In einem Artikel im Neuen Deutschland heißt es, dass Westberlin „
unter Besatzungsrecht steht, nicht Bestandteil der Bundesrepublik Deutschland ist und von ihr nicht regiert werden darf. Die Frage der in Westberlin um Asyl nachsuchenden Personen fällt nicht in die Zuständigkeit der DDR. Die Einreise nach Berlin (West) ist ausschließlich Angelegenheit derjenigen, die dort aus den bekannten Gründen zu bestimmen haben. (...) Im übrigen sei nochmals unterstrichen, dass es die DDR aus politischen und humanitären Gründen ablehnt, die Verfolgung von Ausländern zu fördern, der sie in der BRD ausgesetzt sind. (...) Jeder Versuch, die DDR zu erpressen, ist von vornherein zum Scheitern verurteilt.“ (ND 30.07.1986) Leider war die DDR dann doch zu erpressen. Nur wenige Tage später erklärte sich die DDR bereit, Asylsuchende zurückzuschicken. Das war eine der wichtigsten Verletzungen der Souveränität der DDR, die zur Vernichtung der DDR beigetragen haben.
Ein Jahr später, 1987, besuchte der damalige Präsident der USA, Ronald Reagan, Westberlin. In einem spektakulären Auftritt forderte er Gorbatschow auf, „die Mauer abzureißen“ („Tear down this wall“). Das war ganz offensichtlich eine Kehrtwendung gegenüber dem „Ich bin ein Berliner“ von John F. Kennedy 1962. Er leitete damit eine kurze Periode der Gemeinsamkeit mit dem deutschen Imperialismus ein (weniger mit dem französischen und britischen Imperialismus).
Im Mai 1989 wiederholte Bush senior die Forderung Reagans.
Der Grund dafür war, dass die Beseitigung des Sozialismus in Europa in greifbarer Nähe lag. Allerdings verwickelten sich die Herrschenden in den USA in die altbekannten Widersprüche – man kann nicht mit dem deutschen Imperialismus zusammenarbeiten, man kann ihm keine Zugeständnisse machen ohne dass er noch aggressiver und noch gieriger wird.
Am 3.Oktober 1990 war die staatliche Existenz der DDR zerstört, die BRD hatte die DDR nach tatkräftiger Einmischung in die Herbstereignisse 1989 sich einverleibt. Nach dem Blutsrecht der BRD waren alle Staatsbürger der DDR sowieso schon immer Deutsche im Sinne des Grundgesetzes gewesen. Deshalb konnte man die Funktionsträger der DDR auch reihenweise vor Gericht stellen und bestrafen. Die BRD wurde zum einzigen imperialistischen Land, das nach dem 2.Weltkrieg sein Territorium vergrößert hat. Und dieses Ungetüm machte sich sogleich an die Zerstückelung Jugoslawiens, brachte die Pogrome in Rostock-Lichtenhagen hervor, der Antisemitismus kroch aus allen Löchern …
Über diese schöne neue Zeit werden wir noch einiges auf dieser Konferenz zu bereden haben. Ich bin jetzt am Ende und hoffe, euch einiges an historischen Argumenten an die Hand gegeben haben zum Beleg der These, dass nach wie vor gilt: Der Hauptfeind steht im eigenen Land – und der heißt Deutscher Imperialismus!
Anmerkungen:
Die Kommunistische Arbeiterzeitung (KAZ) Nr.300, Januar 2002 – „Stoppt die Kontinuität des deutschen Antisemitismus“ und Artikel in der KAZ Nr.313 und 315 zur deutschen Arbeiterklasse und zur deutschen Sozialdemokratie (Oktober 2005/März 2006) wurden als Grundlage für dieses Referat benutzt.
Literaturhinweise:
Friedrich Engels, Der deutsche Bauernkrieg, MEW Bd.7, S.531ff
Marx und Engels über das reaktionäre Preußentum, Moskau 1947
Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung in 15 Kapiteln, hrsg. Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED, Berlin 1967, insbes. Kap.IV – Ausgang des 19.Jahrhunderts bis 1914, Kap.XIV – 1949-1955, Kap.XV – 1956-1961
W.v.Goldendach, H.-R.Minow, „Deutschtum erwache!“ – Aus dem Innenleben des staatlichen Pangermanismus, Berlin 1994
Franz Mehring, Gustav Adolf. Ein Fürstenspiegel zu Lehr und Nutz der deutschen Arbeiter, Berlin 1894 (auf diese Schrift wurde ich erst nach der Konferenz aufmerksam gemacht. Sie behandelt die Widersprüche im 30-jährigen Krieg mit ihren Bezügen zur Gegenwart und ist sehr lesenswert)