Wenn man einen Gegenstand kennen und beurteilen will, muss man nicht nur seinen gegenwärtigen Zustand, sondern auch seine Geschichte kennen. Wir beschäftigen uns heute mit dem deutschen Imperialismus und seiner besonderen Aggressivität. Warum reden wir von einer besonderen Aggressivität des deutschen Imperialismus, und wie ist es dazu gekommen? Welche Vergangenheit hat die herrschende Klasse in der BRD?
Das erste große Verbrechen des deutschen Bürgertums, das seine spätere Rolle als zu spät und zu kurz gekommene Kapitalistenklasse und schließlich aggressivsten aller Imperialisten begründete, liegt im 16. Jahrhundert. Wir sind beim deutschen Bauernkrieg, der demokratischen Revolution der Bauern, dem ersten großen Versuch auf deutschem Boden, dem feudalistischen Gesellschaftssystem den Garaus zu machen. Dieser große und hoffnungsvolle Kampf wurde vom deutschen Bürgertum verraten, obwohl er ja eigentlich für die Zukunft des Bürgertums geführt wurde. Wie ist es dazu gekommen? Ausgangspunkt des Bauernkriegs waren gesellschaftliche Veränderungen aufgrund eines bedeutenden Aufschwungs der Produktion in den letzten beiden Jahrhunderten. Allerdings war Deutschland im Vergleich mit anderen Ländern zurückgeblieben. Engels schrieb dazu in seiner Schrift „Der deutsche Bauernkrieg“: „Der Ackerbau stand weit hinter dem englischen und niederländischen, die Industrie hinter der italienischen, flämischen und englischen zurück, und im Seehandel fingen die Engländer und besonders die Holländer schon an, die Deutschen aus dem Felde zu schlagen.“ Das war auch hemmend für den politischen Fortschritt. Engels führte weiter aus: „Während in England und Frankreich das Emporkommen des Handels und der Industrie die Verkettung der Interessen über das ganze Land und damit die politische Zentralisation zur Folge hatte, brachte Deutschland es nur zur Gruppierung der Interessen nach Provinzen, um bloß lokale Zentren, und damit zur politischen Zersplitterung; einer Zersplitterung, die bald darauf durch den Ausschluss Deutschlands vom Welthandel sich erst recht festsetzte. In demselben Maß, wie das reinfeudale Reich zerfiel, löste sich der Reichsverband überhaupt auf ...Wer in dieser Verwirrung ... schließlich gewann und gewinnen musste, das waren die Vertreter der Zentralisation innerhalb der Zersplitterung, ... die Fürsten ...“. Durch diese ungünstige Ausgangssituation war die Position des aufstrebenden deutschen Bürgertums geschwächt und die Grundlage für seine sprichwörtliche Feigheit gelegt.
Ein so genannter deutscher Nationalheld, der heute immer mal wieder gern aus dem Zylinder gezogen wird und in dieser Zeit eine entscheidende Rolle gespielt hat, war Martin Luther. Er hat vor dem Bauernkrieg zunächst eine positive und der demokratischen Revolution nützliche Funktion gehabt.1517 hat er mit seinen 95 Thesen in Wittenberg die gesamte Opposition gegen die klerikale feudale Reaktion vereinigt und mobilisiert. Mit seiner Bibelübersetzung und der daraus folgenden Vereinheitlichung der deutschen Sprache hat er den Bauern und den besitzlosen Plebejern eine geistige Waffe in die Hand gegeben, die sie stärkte im Kampf gegen die in Auflösung begriffene Feudalordnung. Engels schreibt, dass drei Lager in den folgenden Jahren das Feld bestimmten: „Während sich in dem ersten der drei großen Lager, im konservativ-katholischen, alle Elemente zusammenfanden, die bei der Erhaltung des Bestehenden interessiert waren, also die Reichsgewalt, die geistlichen und ein Teil der weltlichen Fürsten, der reichere Adel, die Prälaten und das städtische Patriziat, sammeln sich um das Banner der bürgerlich-gemäßigten lutherischen Reform die besitzenden Elemente der Opposition, die Masse des niederen Adels, die Bürgerschaft und selbst ein Teil der weltlichen Fürsten, die sich durch Konfiskation der geistlichen Güter zu bereichern hoffte und die Gelegenheit zur Erringung größerer Unabhängigkeit vom Reich benutzen wollte. Die Bauern und Plebejer endlich schlossen sich zur revolutionären Partei zusammen, deren Forderungen und Doktrinen am schärfsten durch Münzer ausgesprochen wurden.“ Als 1525 der große Aufstand der Bauern begann, zerbrach der bürgerliche Teil der Opposition das Bündnis und schlug sich, je entschlossener die Bauern und Plebejer gegen die Besitzenden kämpften, auf die Seite des konservativ-katholischen Lagers: „Gegenüber der Revolution wurden die alten Feindschaften vergessen; ... und Bürger und Fürsten, Adel und Pfaffen, Luther und Papst verbanden sich gegen, wie sie sagten „die mörderischen und räuberischen Rotten der Bauern’.“ Im Namen der vereinigten katholischen und evangelischen Barmherzigkeit verkündete Luther das Urteil der gerade erst aufkommenden deutschen Bourgeoisie gegen die bäuerlichen Rebellen: „Man soll sie zerschmeißen, würgen und stechen, heimlich und öffentlich, wer da kann, wie man einen tollen Hund totschlagen muss!“ Die Bauern konnten gegen diese vereinigte Konterrevolution nicht siegen. Ihre Revolution wurde zerschlagen. Sieger in diesem Kampf waren die weltlichen Fürsten, während die Kirchenfürsten gewaltig an Reichtum und Macht verloren. Dem Bürgertum hatte sein feiger Verrat gar nichts gebracht. Der Kampf um die bürgerliche, demokratische Nation, der so verheißungsvoll mitten in einem Europa des Feudalismus begann, rückte für Deutschland in nicht mehr greifbare Ferne. Deutschland war zersplittert wie nie, die Fürsten bekämpften sich untereinander und behinderten den freien Aufstieg der Bourgeoisie.
Ein Jahrhundert später ruinierte der dreißigjährige Krieg das Land vollends. Dieser Krieg zwischen der zentralen deutschen Reichsgewalt und den einzelnen deutschen Fürsten hatte dazu geführt, dass aus so genannten Landsknechten und Söldnern sich bekriegende Heere entstanden waren. Ihr Beruf war der Krieg, der mit den barbarischsten, mittelalterlichen Formen der Verheerung des Landes, mit Mord, Raub, Plünderung und Gewaltanwendung jeglicher Art gegen die friedliche Bevölkerung geführt wurde. Das also hatte das deutsche Bürgertum erreicht. Sein Verrat und die daraus folgende Niederschlagung der Bauernrevolution von 1525 „hatte (wie Engels sagte) zur Folge, dass Deutschland für 200 Jahre aus der Reihe der politisch tätigen Nationen Europas gestrichen wurde“. Noch eine Anmerkung zu Luther, dem Repräsentanten des feigen deutschen Bürgertums. Er hatte den deutschen Bürgern auf ihrem weiteren Weg neben der furchtsamen Feindseligkeit gegenüber den arbeitenden Massen auch noch eine weitere Wegzehrung mitgegeben, von der sie sich bis heute nährt: den Judenhass. Früher war es die katholische Kirche als eine der wichtigsten feudalen Mächte gewesen, die das Hauptinteresse am Judenhass hatte – die Juden verkörperten nämlich am augenfälligsten den ökonomischen, bürgerlichen Fortschritt gegenüber der Feudalordnung. Jetzt hatte der Judenhass eine wichtige Funktion für das deutsche Bürgertum, das vor den Fürsten gekuscht hatte und sich selbst damit der Möglichkeiten seiner Entwicklung beraubt hatte. Nun musste es „den Juden“, den unliebsamen Konkurrenten bekämpfen. Denn „der Jude“ kannte sich eben auch besser als das junge Bürgertum mit den bürgerlichen Geschäften unter widrigen mittelalterlichen Verhältnissen aus. Das lag an der besonderen Stellung, in die die Juden seit den Kreuzzügen hineingezwungen worden waren. Luther lieferte die Anleitung zur Judenverfolgung, die Jahrhunderte später von den Hitlerfaschisten wörtlich aufgegriffen wurde. Er forderte dazu auf, die Synagogen anzuzünden und die Häuser der Juden zu plündern. Kurz vor seinem Tod predigte er, dass alle Juden aus Deutschland vertrieben werden müssten.
Zurück zu den Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges: Durch ihn wurden selbst die schwachen Bindungen gelockert, durch die die zahlreichen deutschen Fürstentümer im Rahmen des Reiches zusammengehalten wurden. Deutschland stellte jetzt ein buntscheckiges Gemenge faktisch voneinander unabhängiger Staaten dar, die von kleinen despotischen Fürsten regiert wurden. In diesem Haufen wurde Preußen einer der reaktionärsten deutschen Staaten, das Preußentum, zur Hauptstütze und Verkörperung der Reaktion. Es ist die Geschichte Preußens, die eine Antwort auf die Frage gibt, warum die reaktionären Klassen auch in der nach- folgenden Entwicklungsgeschichte Deutschlands die Oberhand behielten.
Die Herrschaft der Reaktion in diesen damals existierenden deutschen Staaten wurde noch durch eine besondere Form des Absolutismus (Diktatur der Adelsklasse) verstärkt, die dieser in Deutschland angenommen hatte „Während in England und Frankreich die absolutistische Monarchie eine zentralisierende Rolle spielte, die Bildung eines einheitlichen Nationalstaates förderte und dem bürgerlichen Fortschritt diente, artete der Absolutismus in Deutschland in Despotismus aus. Die Träger der absolutistischen Gewalt waren hier die Regenten der kleinen und kleinsten Staaten, die deutschen Fürsten, die in ihrer Politik die Interessen der reaktionären Klassen widerspiegelten. Der Absolutismus in Deutschland, der in die engen Rahmen der Kleinstaaten gezwängt war, und keine fortschrittlichen gesamtnationalen Aufgaben hatte, verwandelte sich in eine Tyrannei, die jedes Aufkommen einer Initiative und Aktivität der Massen unterdrückte, in eine kleinliche gehässige Bevormundung, die alle lebendigen Kräfte des Volkes fesselte. Das Produkt dieses so beschaffenen Absolutismus war eine sich maßlos verbreitende Bürokratie, eine Macht des Beamtentums, das hier immer mehr Einfluss auf den Gang des Staatslebens gewann. Das bürokratische System hat der Entwicklung Deutschlands so fest seinen Stempel aufgedrückt, dass ein spezifisch deutscher bürokratischer Beamtengeist entstanden ist mit seiner Verbeugung vor dem Buchstaben des Gesetzes, mit seiner sklavischen Unterwürfigkeit vor der Macht der Besitzenden. Diese bürokratische Maschine lastete mit ihrer ganzen Schwere auf den fortschrittlichen und revolutionären Elementen des deutschen Volkes und verstärkte die Kräfte der Reaktion.“ (Marx und Engels über das reaktionäre Preußentum, S.7/8)
Beladen mit der Hypothek aus Verrat und Niedertracht in der Vergangenheit betrat die deutsche Bourgeoisie Anfang des 19. Jahrhunderts vorsichtig wieder die politische Bühne Europas. England hatte schon längst die feudalen Fesseln abgestreift, und die strahlenden Siege der bürgerlichen Revolution in Frankreich und Nordamerika Ende des 18. Jahrhunderts hatten ohne das deutsche Bürgertum stattgefunden. Überall waren bürgerliche Nationen entstanden, die als Sieger über die feudalen Klassen dem Kapitalismus freie Bahn garantierten und die Gleichheit aller Menschen proklamierten – nur Deutschland war zersplittert, reaktionär, dem Mittelalter verhaftet, und das auch in wirtschaftlicher Hinsicht: die im 16. Jahrhundert beginnende Manufakturperiode, die in England, Frankreich und Holland die Entwicklung der kapitalistischen Produktion einleitete, war am deutschen Bürgertum infolge der selbst verschuldeten Niederlage im deutschen Bauernkrieg vorbeigegangen. Die schon begonnene kapitalistische Produktion war rückläufig, Feudalverhältnisse hatten wieder Platz gegriffen. Erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts gab es verstärkt kapitalistische Manufakturen auf deutschem Boden. Aus diesem Grund wurde es für das deutsche Bürgertum notwendig, wenn auch zögernd und lustlos, sich von den alten Fesseln zu befreien. Mit Missmut und Unbehagen erinnerten sich die zu spät gekommenen Spießbürger Deutschlands an den Sturm der französischen Revolution 1789 – die von der deutschen Reaktion aktiv bekämpft worden war: Das vor der Revolution in Frankreich nach Deutschland geflüchtete adelige und andere reaktionäre Gesindel war mit deutschem Geld bewaffnet und für den Überfall aufs eigene Land und Volk vorbereitet worden. Das deutsche Bürgertum solidarisierte sich überhaupt nicht mit den Bürgern Frankreichs gegen diese konterrevolutionären Angriffe, ganz im Gegenteil. Davon gibt z.B. einen Eindruck Friedrich Schillers 1799 geschriebenes sehr populäres, aber nicht sehr kluges „Lied von der Glocke“, das behäbigen deutschen Bürgerfleiß gegen die revolutionäre Erhebung der französischen Nation ausspielt. Zitate daraus: „Wenn sich die Völker selbst befrein, da kann die Wohlfahrt nicht gedeihn“, und gegen die französischen revolutionären Frauen: „Da werden Weiber zu Hyänen“, im Gegensatz zur drinnen waltenden züchtigen deutschen Hausfrau. Die napoleonischen Eroberungskriege, gegen die sich die Staaten Europas zusammenschlossen und die 1813 bei Leipzig und 1815 bei Waterloo siegreich zurückgeschlagen wurden, waren ein Anlass, auch das deutsche Bürgertum endlich in Bewegung zu bringen. Die Siege über Napoleon erhöhten überall bei den europäischen Völkern das Selbstbewusstsein. In Deutschland begann sich zwar so etwas wie eine bürgerlich-demokratische Bewegung zu regen, die allerdings vor der bürgerlichen Gleichheit zurückschreckte, die Gegnerschaft zu dem Despoten Napoleon in eine Gegnerschaft gegen den früheren Revolutionär Napoleon umwandelte und aufgrund der ökonomischen Rückständigkeit von ihrem Judenhass nicht weg kam. Bezeichnend war das Wartburgfest der deutschen Burschenschaften 1817, wo unter revolutionären Vorwänden deutsche Studenten erstmals eine Bücherverbrennung veranstalteten. Verbrannt wurde der Code Napoleon, das erste bürgerliche Gesetzbuch, ebenso Bücher jüdischer Schriftsteller. Heinrich Heine sagte damals, was 1933 noch genau so stimmte: „Dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen.“
Als die demokratische Revolution von 1848 über Europa fegte, hatte das deutsche Bürgertum trotz seiner Vergangenheit in Feigheit und Reaktion eine Chance, noch den Anschluss an die Gegenwart zu finden und das Mittelalter zu überwinden – zumal es einen starken Bündnispartner an seiner Seite hatte. Das war die inzwischen stark angewachsene Arbeiterklasse, die ein Interesse an der schnellen kapitalistischen und demokratischen Entwicklung in Deutschland hatte. Denn nur so konnte die Grundlage für ihre eigene Befreiung von Ausbeutung und Unterdrückung geschaffen werden. Aber gerade dieses Proletariat machte den deutschen Bürgern mehr Angst als Mut: So schreibt Friedrich Engels: „Und zwar er schrak die deutsche Bourgeoisie damals nicht so sehr vor dem deutschen wie vor dem französischen Proletariat. Die Pariser Junischlacht 1848 zeigte ihr, was sie zu erwarten habe; das deutsche Proletariat war gerade erregt genug, um ihr zu beweisen, dass auch hier die Saat für dieselbe Ernte schon im Boden stecke; und von dem Tage an war der politischen Aktion der Bourgeoisie die Spitze abgebrochen. Sie suchte Bundesgenossen, sie verhandelte sich an sie um jeden Preis ... Diese Bundesgenossen sind sämtlich reaktionärer Natur. Da ist das Königtum mit seiner Armee und seiner Bürokratie, da ist der große Feudaladel, da sind die kleinen Krautjunker, da sind selbst die Pfaffen. Mit allen diesen hat die Bourgeoisie paktiert und vereinbart, nur um ihre liebe Haut zu wahren, bis ihr endlich nichts mehr zu schachern blieb. Und je mehr das Proletariat sich entwickelte, je mehr es anfing, sich als Klasse zu fühlen, als Klasse zu handeln, desto schwachmütiger wurden die Bourgeois.“ (Engels, Der deutsche Bauernkrieg) So wie der Bauernkrieg endete die Revolution von 1848/49 mit einer Niederlage. Es ist der zweite große Verrat der deutschen Bourgeoisie. Sie verbindet sich auf Gedeih und Verderb mit den untergehenden Klassen. Und auch diese halbe Revolution wird von antijüdischen Pogromen begleitet. Währenddessen lässt der deutsche Nationalstaat auf sich warten.
Aber auch wenn die Revolution 1848 verloren ging, ist ihr Beginn am 18. März 1848 als heldenhafter „Berliner Barrikaden Kampf“, als Beispiel für die im ganzen Land geführten Befreiungskämpfe in die Geschichte der Arbeiterbewegung eingegangenen. In einer 16 Stunden lang währenden kriegerischen Auseinandersetzung schlugen die Berliner Arbeiter gemeinsam mit mutigen, demokratisch gesinnten Bürgern die preußische Armee in die Flucht. Mit ihren Ergebnissen blieb sie allerdings weit hinter denen der französischen Revolution von 1789 zurück. Bei einem Vergleich beider Revolutionen kommt Lenin zu folgender Feststellung: „Worin besteht der Hauptunterschied zwischen den beiden Wegen? Darin, dass die bürgerlich demokratische Umwälzung, die 1789 von Frankreich, 1848 von Deutschland verwirklicht wurde, dort vollendet wurde, hier aber nicht; im ersten Falle ging die Umwälzung bis zur Republik und zur vollen Freiheit, im zweiten machte sie halt, ohne die Monarchie und die Reaktion gebrochen zu haben… es kam rasch zur ‚Beruhigung’ des Landes, d. h. zur Unterdrückung des revolutionären Volkes und zum Triumph des ‚Polizeiwachtmeisters und des Feldwebels’.“ (zit. nach: Über das reaktionäre Preußentum, S. 57)
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nochmal zu Luther: auch die "Verbesserung" in "offen-siv" 11-06 Sept./Okt. 2011 ERSCHEINT MIR UNGENAU bzw NICHT ZUTREFFEND:
Eine kurze Ergänzung zu Luther. Er gab der deutschen Bourgeoisie nicht nur die furchtsame Feindseligkeit vor den kämpfenden Bauern und Besitzlosen mit auf den Weg. Auch der mittelalterliche Judenhass wurde von ihm instrumentalisiert.
Die katholische Kirche als eine wesentliche Säule der feudalistischen Gesellschaft war klassischer Träger des Judenhasses. Verkörperten doch jüdische Menschen am ehesten den ökonomisch-bürgerlichen Fortschritt. Denn sie kannten sich, durch die katholische Kirche im Mittelalter in Gettos getrieben und zu für Christen unreinen Geldgeschäften gezwungen, besser aus mit den bürgerlichen Geschäften in einer feindseligen feudalen Umgebung.
So wurde „der Jude“ zum unliebsamen Konkurrenten für das junge deutsche Unternehmertum, das sich selbst durch den Verrat im Bauernkrieg und das Kuschen vor den Fürsten um wichtige Möglichkeiten seiner eigenen Weiterentwicklung gebracht hatte. Die Juden mussten als Sündenböcke herhalten. Unfähig und unwillig, die Rolle der eigenen Klasse zu beurteilen, wurde der Judenhass zum wichtigen Ventil für das deutsche Bürgertum. Konnte doch aller Zorn gegen die unliebsamen Konkurrenten umgeleitet werden. Und Luther lieferte die Anleitung, die 400 Jahre später grausame Wirklichkeit wurde. Er forderte dazu auf, die Synagogen anzuzünden und die Häuser der Juden zu plündern. Kurz vor seinem Tod predigte er, dass alle Juden aus Deutschland vertrieben werden müssten.
hier wieder Alfredo Bauer: Kritische Geschichte der Juden im Kapitel 15: Deutschland - die Frustration ab Seite 229 http://www.neue-impulse-verlag.de/veroeffentlichungen/ebooks/ 39-kritische-geschichte-der-juden-band-1.html
Die Juden (..) in die sich herausbildende Nation zu integrieren, sie innerhalb der allgemeinen politischen Emanzipation zu emanzipieren: das alles war historische Aufgabe des Bürgertums. Wo die Feudalordnung weiterbestand, war diese Angelegenheit nicht aktuell. Wo die bürgerliche Umwälzung kraftvoll vonstatten ging, wurde sie als Forderung gestellt und grundsätzlich abgeschlossen, wobei der Prozess die der jeweiligen Nation entsprechenden kulturellen Formen annahm. In Deutschland geschah das nur halb. Die unmittelbare Integration der Juden musste misslingen, wie auch andere mit der bürgerlichen Umwälzung in Zusammenhang stehende Aufgaben misslangen oder stecken blieben. Wenn Luther auch bis zu einem gewissen Grad die Bedeutung des ökonomischen Faktors für die Judenfrage begriff, so konnte er doch nicht verstehen, dass er entscheidend war. Für ihn war die Ursache des Zurückweisens seiner Lehre durch die Juden deren «Halsstarrigkeit», und er reagierte darauf mit der ganzen Heftigkeit, deren er fähig war.(..) Schier unglaublich ist, dass der Mann, der in solcher Weise Gift und Galle gegen die Juden speit, derselbe ist, der wenige Jahre zuvor sie gewinnen wollte durch Güte und Verständnis, der scharf diejenigen rügte, die hart mit ihnen umgingen, und diesen die Schuld gab für die Zurückweisung des Christentums durch die Juden. Man kann diese Veränderung nicht psychologisch, sondern nur historisch erklären. Wenn Luther Sanftmut und Brüderlichkeit gegenüber den Juden predigte, handelte er als Wortführer des Bürgertums in dessen integrierender Funktion. Sein späterer Groll und sein Hass dagegen entsprachen der Konkurrenz und der Konfrontation des Bürgertums mit den Juden. Beide Haltungen entsprachen der Natur der bürgerlichen Klasse, und welche davon jeweils dominierte, hing ab von deren Kraft 245 in dem einen oder dem andern Augenblick, in dem einen oder dem andern Milieu. Das deutsche Bürgertum, wirtschaftlich und politisch schwach und daher geneigt, mit den rückständigen Kräften Kompromisse einzugehen, blieb mit den Juden konfrontiert, ohne sie integrieren zu können, wie es dem holländischen und dem italienischen Bürgertum sehr wohl möglich war. Das aufeinanderfolgende Erscheinen beider Einstellungen bei Luther spiegelt die widerspruchsvolle Lage und die Ausrichtung des deutschen Bürgertums, wie es die Scheidung zwischen Geist und Materie, zwischen Kühnheit der Ideen und Feigheit in der Praxis, die wir bei so vielen deutschen Denkern beobachten, ebenfalls spiegeln. Goethe und Schiller zogen sich mit ihren Wünschen nach menschlicher Emanzipation aufs «geistige Gebiet» zurück. Hegel, nachdem er die tiefsten Gesetze der Entwicklung und des menschlichen Denkens geklärt hatte, kam zu dem überraschenden Schluss, im preußischen Militärstaat sein höchstes Produkt zu sehen. Luther, ein kraftvoller Charakter und Vertreter einer sehr wenig kraftvollen Klasse, als er sah, dass er das Erwünschte nicht durchführen konnte, entschloss sich, das Durchführbare zu wünschen, indem er an jener traurigen Konfrontation mit allen ihren Kleinlichkeiten teilnahm, da deren humanistische Überwindung für ihn nicht erreichbar war. Luther konnte nur ahnen, dass die Unmöglichkeit, die Juden in diesem Augenblick und in diesem Milieu zu integrieren, durch wirtschaftliche und soziale Faktoren bedingt war; wie er auch nicht begreifen konnte, dass die Treue großer Teile des deutschen Volkes zur «papistischen Fäulnis» von den gleichen Faktoren herrührte. Daher sein Zorn über die «Halsstarrigen», die einen und die andern. In der Tat konnte Luther nicht anders reagieren. Wir aber können es doch nicht unterlassen, die heftigen Angriffe seiner letzten Jahre gegen die Juden scharf zu verurteilen. Wie auch seine Aufrufe zum Mord an den Bauern, die ebenfalls ihre soziale und historische Erklärung haben. Luthers antijüdische Haltung und besonders sein Akzeptieren der klassischen, dummen Lügen von der «Brunnenvergiftung» und den «Ritualmorden» hatten ihre Wirkung auf die Volksmassen, die sich schon vorher in der entsprechenden Stimmung befanden. Die deutsche Folklore spiegelt diese Stimmung, etwa das Märchen «Der Jude im Dorn», das die Brüder Grimm wiedergeben. Das Märchen drückt die Genugtuung aus, die Erzähler und Hörer empfinden, wie 246 der Jude gehenkt wird, nachdem er, durch Zauberkraft gefoltert, einen Diebstahl gestanden hat (den er vielleicht gar nicht begangen hat). Aber freilich, die Sammlung der Brüder Grimm enthält auch das Märchen «Die Sonne bringt’s an den Tag» (das von Adalbert v. Chamisso in seiner bekannten Ballade verarbeitet wurde), dessen «Tendenz» durchaus als «judenfreundlich»bezeichnet werden kann xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx
siehe auch im Kapitel 11 Der Jude übte also, wie gesagt, im «klassischen» Feudalsystem eine notwendige Funktion aus, und seine soziale Stellung war mächtig und prekär zugleich. Im Laufe der sozialen Umschichtung, die im 11. Jh. stattfand, kam eine neue wirtschaftliche und gesellschaftliche Struktur auf: die Stadt. Es entwickelten sich in Westeuropa eine handwerkliche Produktion und in Beziehung dazu ein «eigener» Handel. Dieser Handel war wesentlich anders als der im frühen Mittelalter von den Juden ausgeübte, der nur mit dem Import in Verbindung stand. Wenn wir diesen Handel «den eigenen» nennen, beziehen wir uns natürlich weder auf die Religion noch auf die «Rasse» des christlichen Händlers, sondern lediglich auf seine Beziehung zur lokalen Produktion, die der Jude nicht besaß. Der «lokale», «eigene» Handel entwickelte sich also nicht nur unabhängig vom jüdischen, sondern in eindeutiger Konkurrenz zu ihm. Der Widerspruch zwischen beiden drückte die Opposition zwischen der Naturalwirtschaft und der Handelswirtschaft aus. Die letztere war in der Lage, auf die Handelsfunktion des Juden, die auf der Rückständigkeit der Produktion beruhte, zu verzichten. «Das Handelsmonopol der Juden nahm ab in dem Maße, in dem die Völker, auf deren Kosten sie lebten, sich entwickelten.»8 Ein solcher wirtschaftlicher Widerspruch musste zu einem heftigen Kampf gegen den Juden führen, bei dem dieser, der nicht den Rückhalt der Produktion besaß, zwangsläufig unterlag. Gewiss war die ideologische Scheidung nicht die Ursache der Judenverfolgungen; doch machte sie die Konfrontation schärfer. Die «religiöse Be- 7 León, S. 96. 8 León, S. 93. 159 sonderheit» des Juden erleichterte in der so sehr von Religiosität geprägten Gesellschaft des Mittelalters die allgemeine Ausrichtung und den Kampf gegen ihn. Wenn der Jude auch durch den der lokalen Produktion verhafteten «bodenständigen» Kaufmann verdrängt wurde, so verlor er doch nicht jede wirtschaftliche Funktion. Das jüdische Kapital wurde vom Handelskapital zum Kredit- und Wucherkapital. Der jüdische Kredit aber hatte (weiter) den Konsum zum Zweck, nicht die Produktion, wie der moderne Kredit. Er diente der Verschwendungssucht des Adels, eine noch «notwendige», aber durchaus unproduktive Funktion. Das jüdische Kapital, das zuvor eine nützliche und unersetzbare Funktion in der Gesellschaft ausgeübt hatte, was den dabei erzielten Gewinn legitimierte, war nun in eine parasitäre Stellung abgedrängt. Materiell interessiert an der Beibehaltung der wirtschaftlichen Rückständigkeit, die seine eigene soziale Funktion sicherte, spielte das jüdische Kapital eine reaktionäre Rolle. Der Jude war unter den reaktionären Kräften jener Periode, die Ziele des Volkshasses waren, am exponiertesten und verwundbarsten, da sein wirtschaftlicher Rückhalt jetzt prekär war und seine ideologische Isolierung die direkte Verfolgung erleichterte. Den Konflikt mit dem jungen, «bodenständigen» Handelskapital zu begreifen, bedeutet nicht, blind zu sein gegenüber der menschlichen Tragödie der Verdrängung einer ehemals mächtigen und geachteten Menschengruppe an den Rand der Gesellschaft und ihrer Verwandlung in das Ziel allgemeiner Verachtung. Eine Tragödie, die bekanntlich würdig war, von einem Shakespeare beschrieben zu werden. xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx Abraham León: Concepción marxista de la cuestión judÃÂa. Buenos Aires 1965. (übersetzt von Alfredo Bauer) xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx Simon Dubnow: Weltgeschichte des jüdischen Volkes, Bd. I. Jüdischer Verlag, Berlin 1925. (Vom zehnbändige Werk Dubnows erschien der letze Band 1929)
Kommentar zum Artikel von retmarut:
Sonntag, 15.04.2012 - 21:25
Eine kleine Anmerkung systematischer Art möchte ich beisteuern:
Wir sollten stets sauber zwischen Anti-Judaismus und Antisemitismus unterscheiden. Ersteres ist dem Feudalismus verhaftete Judenfeindschaft, die auf rein religiöser Basis argumentiert. Im Gegensatz zum Antisemitismus konnte mensch sich da zumindest durch Zwangstaufe noch vor dem Tode retten, was im Antisemitismus, also der rassistisch begründeten Judenverfolgung im aufkommenden bourgeoisen Zeitalter nicht mehr möglich war.
Antisemitismus kommt erstmals in Deutschland während der sog. "Befreiungskriege" (ein zivilisatorischer Rollback) gegen die französische Herrschaft (welche zuvor den Juden mit dem Code Civil in mehreren deutschen Staaten erstmalig gleiche Bürgerrechte brachte!) auf. Er war von Beginn an rassistisch begründet, wobei eingangs noch Versatzstücke der klassischen antijudaistischen Propaganda als Transmissionsriemen weiter genutzt wurden. Hauptpropagandisten bei der Etablierung des Antisemitismus in Deutschland waren Hetzer wie Ernst Moritz Arndt und Heinrich Eugen Marcard. Sie legten den Grundstein für die "wissenschaftlich" verbrämte, rassistische Judenverfolgung und gaben die auch heute noch weitgehend aktuellen Propagandaphrasen des Antisemitismus heraus.
Der Antisemitismus wie auch das als Franzosenhass verkleidete antimoderne, reaktionäre Moment bildeten eine der wesentlichen Grundlagen für den völkischen deutschen Nationalismus. Hier verbindet sich klassennegierende Inklusion (als "Volkskörper"-Ideologie) mit der Exklusion von vermeintlich "Fremdrassigem" (insb. Antisemitismus, Antiziganismus, antislawische Ideologien).
Es ist daher ahistorisch und nicht wirklich hilfreich, bei Judenfeindschaft in vorbürgerlichen Gesellschaftsformationen den Begriff Antisemitismus (auch nicht mit Anführungszeichen, wie es Alfredo Bauer tut) zu verwenden. Inhaltlich hat Alfredo Bauer allerdings recht und noch einmal sehr gut den Rahmen der mittelalterlichen Judendiskriminierung skizziert.
Kommentar zum Artikel von gluta:
Sonntag, 15.04.2012 - 10:59
Zitat aus Erikas Referat: Noch eine Anmerkung zu Luther, dem Repräsentanten des feigen deutschen Bürgertums. Er hatte den deutschen Bürgern auf ihrem weiteren Weg neben der furchtsamen Feindseligkeit gegenüber den arbeitenden Massen auch noch eine weitere Wegzehrung mitgegeben, von der sie sich bis heute nährt: den Judenhass. Früher war es die katholische Kirche als eine der wichtigsten feudalen Mächte gewesen, die das Hauptinteresse am Judenhass hatte
wie auch in der KAZ zum Antisemitismus erarbeitet wurde, ist die Entwicklung der Widersprüche zu untersuchen wichtig. Alfredo Bauer hat in seinem Buch "Kritische Geschichte der Juden" herausragendes vorgelegt.
hier zitiert Auszüge aus der Krise des Röm. Reiches (Sklavebhaltergesellschaft) im Übergang zum Feudalismus:
Zusammenfassend kann man sagen, dass das Römische Imperi- um in seiner Verfallsperiode immer «antisemitischer» wurde, je mehr die Warenzirkulation verschwand und es zur Subsistenzwirtschaft, der Naturalienproduktion für den Eigenbedarf überging. Die christ- liche Kirche, die zur Verbündeten der Staatsgewalt geworden war, strich aus ihrer Lehre alle Äußerungen des Rebellentums, die sie ur- sprünglich enthalten hatte, und pries den Gehorsam gegenüber der bestehenden Ordnung als Tugend. Wir haben im Judentum und im mittelalterlichen Christentum zwei divergierende Moralsysteme, die gleichzeitig entstanden und kodifiziert wurden: im Talmud bzw. in den Schriften der Kirchenvä- ter. Es wäre höchst interessant, das Studium derselben bezüglich ih- res Klasseninhalts zu vertiefen, indem wir die jeweiligen Vorstellun- gen vom Zusammenleben der Menschen, von der Familie, von der Frau und vom Geschlecht, vom Denken und Fühlen, von der Kunst, und vor allem vom Eigentum, von der Arbeit und vom Güteraus- tausch analysierten. Eine so vertiefte Untersuchung würde jedoch den Rahmen dieses Buches und auch den meiner eigenen Belesen- heit sprengen. Wir werden uns also auf den wirtschaftlichen Aspekt beschränken. (..) Der innere Antagonismus der beiden Religionen im Mittelalter erklärt sich dadurch, dass sie ideologisch verschiedene soziale Struk- turen mit verschiedenen wirtschaftlichen Funktionen widerspiegel- ten: das Christentum die auf Eigenbedarf ausgerichtete Agrarpro- duktion auf der Grundlage der Leibeigenschaft; das Judentum das Handels- und Kreditkapital, das nicht durch die entsprechende Wa- renproduktion gestützt und daher bis zu einem gewissen Grad aus dem wirtschaftlichen und sozialen Leben verdrängt war. Da die Kirche zur Zeit des Verfalls des Römischen Imperiums antijüdisch eingestellt war, gab es Judenverfolgungen von Seiten der christlichen Bevölkerung, die sich von den Verfolgungen der Hei- denzeit dadurch unterschieden, dass die Juden jetzt mehr marginali- siert waren als damals und dass ihre Tätigkeit für die Gesellschaft jetzt weniger notwendig war. Die Schriften des Neuen Testaments boten die ideologische Handhabe für diese Verfolgungen. (..) In den «Pogromen» des ausgehenden Altertums wurden zahlrei- che Juden erschlagen. Die offizielle Kirche begünstigte indirekt die- se Schlächtereien durch ihre Lehre vom «gottesmörderischen Volk». Auffallenderweise aber stellte die Kirche sich nie formell die Auf- gabe, das Judentum zu vernichten, wie sie das in Bezug auf das Heidentum und die verschiedenen Ketzereien sehr wohl tat. Das Verschwinden der Juden lag eben durchaus nicht im Interesse des Feudalismus in der ersten Hälfte seiner Existenz. Denn trotz aller Widersprüche auf ökonomischem Gebiet konnte er nicht auf ihre spezifische Tätigkeit verzichten. Freilich bemühte sich die Kirche, die Kontakte zwischen Christen und Juden nach Möglichkeit zu unterbinden. Es wurden beispielsweise Ehen und überhaupt das Zusammenleben zwischen Christen und Juden verboten. Übrigens wurden von jüdischer Seite ebensolche Verbote erlassen. Beide Kräfte, Kirche und Juden, waren also Pfeiler der Feudal- ordnung. Allerdings bestand zwischen ihnen eine permanente Riva- lität. Die katholische Kirche, die ein geistiges Monopol anstrebte, kämpfte zugleich gegen Ketzer und Juden, indem sie beide einiger- maßen gleichsetzte und von den Heiden unterschied, die geistig kaum mehr zählten. Bis sich schließlich das relative Gleichgewicht heraus- bildete, das für die erste Hälfte des Mittelalters charakteristisch war. Von echten Verfolgungen der Juden lässt sich also erst wieder spre- chen, als um die Jahrtausendwende die Krise des Feudalsystems ein- setzte. (..) Diese Ereignisse scheinen unsere Ansichten von den wirtschaft- lichen und sozialen Wurzeln des Judenhasses zu entkräften; und zwei- fellos dürfen wir da nicht vereinfachen. Abraham León weist mit Recht darauf hin, dass, «wenn auch im allgemeinen die Judenverfol- gungen aus sozialen Gründen stattfanden, ... die Verspätung der Ideologie in Bezug auf die ihr zugrundeliegende Infrastruktur er- klären kann, dass es auch rein religiöse Verfolgungen gab».8 Um diese Zeit gab es auch Zwangstaufen von Juden. Die natio- nalistisch-jüdischen Autoren heben diese Tatsache hervor, müssen aber einräumen, dass es eine ziemlich hohe Zahl von «Verrätern» gab und der von den Juden geleistete Widerstand nicht sehr groß war. León vermutet, es habe sich größtenteils um «assimilierte» Ju- den gehandelt, die sich schon der Landwirtschaft widmeten; dass also die «Zwangskonversion» nur den Zweck hatte, einen Prozess zu beschleunigen, der ohnedies im Gange war. «Die westgotischen Könige dachten nie daran, die Juden zu vertreiben, wie es später Ferdinand von Aragón und Isabella von Kastilien taten. Die rein religiösen Verfolgungen», fügt er hinzu, «dürften nur ausnahmsweise stattgefunden haben.»9 Wir können ohne Übertreibung sagen, dass die Feudalstaaten Westeuropas, wenn sie einen gewissen Wohlstand, eine gewisse Zi- vilisation und eine gewisse Kultur erreichten, dies vor allem den jü- dischen Händlern verdankten. Anscheinend befand sich der gesam- te Handel mit Luxusgütern, wonach an den Fürstenhöfen wieder Bedarf herrschte, in ihren Händen. Was aus dem Orient kam, wurde von ihnen herbeigeschafft. Sie kontrollierten auch den Handel mit Salz – einer Ware, auf die auch und gerade die primitive Ökonomie nicht verzichten konnte –, ebenso den Waffenhandel, sowie den mit – christlichen (!) – Reliquien. Und den Sklavenhandel, der bis zu einem gewissen Grad weiterbestand. Als man wieder Münzen zu prägen begann, wie beispielsweise in Kastilien unter Alfons VIII., da machten das jüdische Konzessionä- re. Jüdischen Finanzleuten war auch das Eintreiben der Steuern an- vertraut sowie das Kreditwesen, das sich wieder verbreitete. Um diese Zeit, in der ersten Hälfte des Mittelalters, unterhielten die Fürsten und Prälaten die besten Beziehungen zu ihren Juden und schützten sie in jeder Weise; sie wussten, dass deren Anwesen- heit den Wohlstand sicherte. Sie wurden zu den hohen Klassen der Gesellschaft gezählt, und ihre rechtliche Lage unterschied sich nicht sehr von der des Adels. Sie lebten allerdings in eigenen Wohnvier- teln, die bereits «Ghetti» genannt wurden. Doch war das eher ein Privileg als eine demütigende Diskriminierung. Vergessen wir nicht, dass die Feudalordnung überhaupt die Menschen nach ihrem Ur- sprung, ihrer Tätigkeit und ihrer sozialen Stellung physisch von- einander trennte, und dass dies für den Adel, die Klöster, die Uni- versitäten und die Zünfte ebenfalls galt. Die eindeutig antijüdischen Sätze des Neuen Testaments, der Kirchenväter und der christlichen Liturgie waren damals, scheint es, kein Hindernis für die privilegierte Stellung der Juden. Die Sätze vom «Gottesmord» wurden mechanisch rezitiert, ohne dass sich prak- tische Folgen daraus ergeben hätten.
aus: Alfredo Bauer, Kritische Geschichte der Juden, Band 1, Seiten 97 - 101
8 Abraham León: Concepción marxista de la cuestión judÃÂa. Buenos Aires 1965. (übersetzt von Alfredo Bauer) S. 51 9 Ebd.
entsprechend interessant die Details in der Krise des Feudalismus /Reformation, Bauernkriege usw.
Kommentar zum Artikel von secarts:
Donnerstag, 16.02.2012 - 19:11
Ich möchte darum bitten, diese Debatte um Plagiatsvorwürfe einzustellen. Zumindest kann man annehmen, dass die Zeitschrift offen-siv/der Autor S. Marx den Versuch unternommen haben, eine Quelle für die geistige Urheberschaft ihres Beitrags "Geschichte der deutschen Bourgeoisie von den Bauernkriegen bis heute" anzugeben, und außerdem hat die Autorin des Originaltextes ("Entwicklung der deutschen Bourgeoisie seit dem deutschen Bauernkrieg") selbst keine Einwände. Damit ist das Thema für uns von Link...jetzt anmelden! (als Herausgeber) erledigt. Also, potentielle Nachdrucker, lasst euch bitte nicht abschrecken: Wir begrüßen auch weiterhin jede Verbreitung des Textes beziehungsweise seiner Inhalte - und freuen uns über Quellenangaben
Nun etwas anderes:
Das Buch "Neues vom Hauptfeind. Analysen zum deutschen Imperialismus" ist erschienen. Es enthält eine Sammlung von Referaten, die auf unseren Konferenzen "der Hauptfeind steht im eigenen Land" gehalten wurden. Unter anderem das Referat von Erika, "Entwicklung der deutschen Bourgeoisie seit dem deutschen Bauernkrieg", ist Teil des Buches.
Johannes Oehme (Hrsg.):
Neues vom Hauptfeind. Analysen zum deutschen Imperialismus
edition ost, Berlin 2012 224 S., 9,95 Euro
ISBN 978-3-360-01836-6
Kommentar zum Artikel von secarts:
Mittwoch, 08.02.2012 - 20:03
Nun mal etwas Erfreuliches: Die junge Welt hat Erikas Text abgedruckt, als Auszug und Vorabdruck aus einem Buch, das Referate der ersten beiden Hauptfeind-Konferenzen vereint (erscheint in der edition ost Ende des Monats):
Wiederbelebung der Bestie Vorabdruck: »Neues vom Hauptfeind« – Zur Entwicklung des deutschen Imperialismus nach 1945
Von Erika Wehling-Pangerl
Wie hat es der deutsche Imperialismus geschafft nach zwei verlorenen Weltkriegen wieder zu einem »global Player« zu werden? Und wie agieren das deutsche Kapital und seine politischen Interessenvertreter heute etwa gegenüber China oder den Ländern Afrikas? Diesen Fragen widmet sich ein in diesen Tagen in der Berliner edition ost erscheinender, von Johannes Oehme herausgegebener Sammelband. Unter dem Titel »Neues vom Hauptfeind. Analysen zum deutschen Imperialismus« finden sich darin Beiträge von marxistischen Autorinnen und Autoren, die auf – unter anderem von dem Internetportal Link...jetzt anmelden! organisierte – Konferenzen zur herrschenden Klasse in der BRD zurückgehen.
junge Welt veröffentlicht einen stark gekürzten Auszug aus dem Text von Erika Wehling-Pangerl (»Entwicklung der deutschen Bourgeosie seit dem Bauernkrieg«) vorab. Vorgestellt wird das Buch in Anwesenheit von Johannes Oehme und Sebastian Carlens in der jW-Ladengalerie (Torstraße 6, 10119 Berlin) am 21.2.2012, Beginn 19 Uhr.
"Schade, dass es immer ausgerechnet die sind, die für sich - und im Falle offen-siv/KI zu Unrecht, da schon ewig bei uns verlinkt - fordern, verlinkt zu werden, und es dann selbst nicht auf die Reihe kriegen"
Das ist doch kein Zufall. Die "KI"-Truppe macht eben Kaderpolitik und nix sonst. Die wollen auch keine Synergieeffekte, keine Leser zu anderen interessanten Angeboten vermitteln oder gute Artikel mit Quelle nachdrucken, sondern Leute abgreifen und das geht am leichtesten, wenn man sich bereits erarbeitete Inhalte einfach plump aneignet. Und das Thema dt. Imperialismus kommt bei denen in letzter Zeit so auf den Schirm, weil sie Druck kriegen, weil junge Leute nachfragen und motzen, daß das bei der "KI" unterbelichtet würde. So ist das, und so machen MO und FF das schon seit über 20 Jahren. Jetzt eben auch mal mit euch.
Ich trag's mit Fassung. Wenn ich irgendwie die Zeit finde, werde ich noch einen Vergleich machen. Im übrigen: Danke für das in euren Beiträgen versteckte Lob für mein Referat. Sowas tut auch mal gut.
Kommentar zum Artikel von Rainer:
Donnerstag, 27.10.2011 - 19:09
Ja ,das steht im Heft ,auf S.4.
Ich finds eben nur so unglaublich albern, einen Text leicht umzuformulieren und irgendeine vollkommen schematische Klassendefinition vorne dranzuklatschen und dann zu schreiben der Text sei "in fehlenden Punkten ergänzt und um m.E. notwendige Einschätzungen erweitert".Das Ist ja wohl ein Witz ! Aber solche Tiefflüge kennt man ja von KI/offens-iv.
Jaja ,ich hör schon auf mit KI-Bashing. Sonst gibts nur wieder Ärger mit den Admins
Kommentar zum Artikel von Maggi:
Donnerstag, 27.10.2011 - 17:58
eine kurze Frage: steht der Verweis auf das Referat der Konferenz im Heft? In der Onlineausgabe konnte ich ihn nicht finden. Link...jetzt anmelden! [externer link]