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Vor fünf Jahren wurde Viktor Juschtschenko von der "orangen Revolution" in den Sessel des ukrainischen Präsidenten gehievt. Politiker und NGOs, "Berater" und Geldgeber aus dem Westen hatten dazu keinen geringen Beitrag geleistet. Das gilt nicht zuletzt für Deutschland. Deutsche Politiker von ganz Rechts bis zu den Grünen hatten sich auf dem Majdan das Mikrofon gegenseitig in die Hände gedrückt um die Demonstranten aufzuheizen. In den westlichen Medien kannte die Euphorie keine Grenzen. Nach den "bunten Revolutionen" in Belgrad und Tiflis nun "der Sieg der Demokratie" und "der westlichen Werte" in Kiew. Schon träumten manche Kommentatoren davon, dass die "Revolution" auch auf Minsk und Moskau übergreifen könnte.

Juschtschenko und seine engste Mitstreiterin Julia Timoschenko versprachen den Ukrainern damals Demokratie und Transparenz in Politik und Wirtschaft, die energische Bekämpfung der Korruption, wachsenden Wohlstand und die baldige Integration des Landes in die EU. Heute, im Vorfeld der für den 17. Januar 2010 angesetzten Präsidentenwahlen, haben sich die damaligen Ankündigungen in Schall und Rauch aufgelöst. Statt Demokratie herrscht politisches Chaos, statt Transparenz ist die Verflechtung von Politik und Oligarchenmacht intensiver und die Korruption grassiert noch mehr geworden, die soziale Lage der breiten Massen ist unerträglich und die versprochene Integration in die EU erweist sich als Fata Morgana.

Der Enthusiasmus und die Illusionen der Demonstranten, die damals auf dem Majdan für Juschtschenko auf die Straße gingen, sind verflogen. Das gilt auch für die Begeisterung im Westen. Die im Vergleich zu damals nüchternen und enttäuschten Kommentare zum fünften Jubiläum der "Revolution" machen das deutlich. Es lässt sich eben kaum mehr verbergen: Orange ist gescheitert!

Ausdruck dafür ist nicht zuletzt die anhaltende politische Dauerkrise in der Ukraine, die bereits wenige Monate nach dem Sieg von Orange mit der Entlassung Timoschenkos aus dem Amt der Ministerpräsidentin ihren Anfang genommen hatte. Seit dieser Zeit wurden die Ukrainer drei Mal zur Wahl eines neuen Parlaments an die Urnen gerufen. Fünf unterschiedliche Regierungen folgten aufeinander. Das Parlament war in der derzeitigen Legislaturperiode häufiger durch Tribünenbesetzungen arbeitsunfähig als mit seinen von der Verfassung vorgegebenen Aufgaben beschäftigt. Gegenseitige Beschimpfungen der beiden ehemaligen orangenen Ikonen Juschtschenko und Timoschenko in den Medien gehören zum politischen Alltag.

Zu den wesentlichen Ursachen dieser politischen Dauerkrise gehören:

Erstens das fast krankhafte Machtstreben und die inzwischen persönliche Feindschaft der beiden orangenen Hauptakteure. Es macht Kompetenzstreitigkeiten unausweichlich und Teamarbeit zwischen Präsident und Ministerpräsidentin unmöglich.

Zweitens: Begünstigt wird das Machtgerangel nach Meinung von Experten noch durch eine mangelhafte Abgrenzung der Kompetenzen zwischen dem Präsidenten, dem Ministerpräsidenten und dem Parlament in der ukrainischen Verfassung.

Drittens. Zur politischen Dauerkrise trägt maßgeblich auch die besonders enge Verflechtung der Politik mit den die Wirtschaft beherrschenden Oligarchen bei. Das hat zur Folge, dass die Konkurrenzkämpfe der verschiedenen Oligarchenclans nicht zuletzt auch über die politischen Institutionen ausgetragen werden, was deren Instabilität erhöhen muss.

Viertens: Befördert wird die politische Dauerkrise auch dadurch, dass die Ukraine politisch, wirtschaftlich und ethnisch-kulturell ein tief gespaltenes Land ist. Zwischen dem Osten und Süden auf der einen und dem Westen sowie Teilen des Zentrums auf der anderen Seite verläuft ein tiefer Riss.

Eng verbunden mit der politischen Krise ist die wirtschaftliche und soziale Misere in der Ukraine. Sie hat sich mit der aktuellen internationalen kapitalistischen Finanz- und Wirtschaftskrise weiter vertieft. Während das reale BIP in den ersten drei Quartalen 2008 noch um 6,7 Prozent im Vergleich zum entsprechenden Vorjahrszeitraum gewachsen war, ging es im vierten Quartal um rund 9 Prozent zurück. In den ersten neun Monaten 2009 stürzte es dann um 15,2 Prozent ab. Für das Gesamtjahr 2009 prognostizieren der IWF und die ukrainischen Behörden einen Rückgang um 14 Prozent. Die Industrieproduktion ist in den ersten neun Monaten 2009 im Vergleich zum entsprechenden Vorjahreszeitraum sogar um 28,4 Prozent zurückgegangen. Der Export sackte zwischen Januar und August auf 50 und der Import auf 46,2 Prozent des entsprechenden Vorjahrsniveaus ab.

Die Ukraine wurde damit wesentlich härter von der internationalen Krise getroffen als die meisten anderen kapitalistischen Länder. Ein wichtiger Grund dafür liegt in der einseitig auf Rohstoffförderung sowie Stahl- und andere Metallexporte ausgerichteten ukrainischen Wirtschaft, die zudem zum großen Teil noch aus Produktionskapazitäten besteht, die bereits während der Sowjetperiode geschaffen wurden. Sie wurden von den Oligarchen im Interesse des schnellen Profits rücksichtslos verschlissen und kaum erneuert.

Hinzu kommt, dass staatliche Antikrisenmaßnahmen nur mit Verzögerung und halbherzig eingeleitet wurden. Das hängt u. a. mit der enormen Staatsverschuldung und einer drohenden Zahlungsbilanzkrise zusammen, die nur durch Kreditzusagen des IWF in Höhe von 16,5 Milliarden US-Dollar abgemildert werden konnte. Antikrisenmaßnahmen der Regierung wurden zudem durch Blockaden des Präsidenten behindert.

Die soziale Lage der Bevölkerung ist unerträglich. Das durchschnittliche Einkommen liegt bei einem Zehntel des Durchschnittseinkommens in Deutschland. 70 Prozent der Bevölkerung leben unter der Armutsgrenze. Die durchschnittliche Lebenserwartung beträgt 66,6 Jahre, wobei die Hälfte der Männer nicht einmal 60 Jahre alt wird. Zwischen Januar und August 2009 sind die Reallöhne im Vergleich zum entsprechenden Vorjahrszeitraum um 10,3 Prozent gesunken. Die durchschnittliche offizielle Zahl der Arbeitslosen betrug in diesem Zeitabschnitt 9,9 Prozent.

Vor diesem Hintergrund sind die Aussichten Juschtschenkos, des einstigen Helden der "orangenen Revolution", bei den Präsidentenwahlen erneut gewählt zu werden, gleich Null.

 
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