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BERLIN/PARIS/WOLFSBURG (07.12.2009) - Nach dem Ende der Abwrackprämie verschärfen die deutschen Automobilkonzerne den Kampf um größere Anteile am Kraftfahrzeug-Weltmarkt. Man wolle unbedingt "einen größeren Teil des Kuchens", heißt es beim Verband der Automobilindustrie mit Blick auf den weltweiten Verkauf deutscher Marken. Beim Bestreben, Toyota und General Motors von der Weltspitze zu verdrängen, konkurriert der deutsche Volkswagen-Konzern, zur Zeit Europas größter Autoproduzent, insbesondere mit französischen Herstellern. Die Eingliederung einer Allianz aus VW, MAN und Scania als Lkw-Sparte soll ebenso Vorteile bringen wie gewaltige Absatzsprünge in der Volksrepublik China, dem wichtigsten Markt für Volkswagen: Dort steigert der deutsche Konzern seinen Jahresabsatz gerade um mehr als 30 Prozent. Offensiven in Südchina gegen die japanische Kfz-Konkurrenz und in Russland sollen folgen; VW tritt in Russland als Hauptsponsor der Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi auf. Die deutsch-französischen Rivalitäten beschränken sich nicht auf die Automobilbranche, sondern treten auch auf weiteren Feldern zutage - etwa auf dem Energiesektor. Dort drängt der deutsche Eon-Konzern weiterhin mit Macht auf die Öffnung des französischen Markts.

Marktanteile

Die deutsche Automobilindustrie ist einer Studie zufolge die wettbewerbsfähigste und stabilste der Welt - trotz der Krise und noch vor der Konkurrenz aus Japan.1 Zwar rechnen Experten nach dem Ende des mit der Abwrackprämie ausgelösten Booms mit einem dramatischen Markteinbruch im Inland. In Westeuropa, in den USA, in Russland und in Brasilien haben die deutschen Pkw-Hersteller dieses Jahr ihre Marktanteile jedoch steigern können. Sie richten daher ihre Produktionsstruktur nun stärker auf das Auslandsgeschäft aus. Daimler etwa will einen Teil seiner deutschen Produktion in die USA sowie nach China und Südafrika verlagern.2 Die deutschen Produzenten wollen im kommenden Jahr ihren Weltmarktanteil weiter steigern: "Wir erwarten, dass wir Deutschen im kommenden Jahr einen größeren Teil des Kuchens bekommen", sagt der Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), Matthias Wissmann.3

Elektroautos

Ein Hauptkonkurrent der deutschen Konzerne auf dem europäischen Markt ist die französische PSA Peugeot Citroën-Group, nach der Volkswagen AG Europas zweitgrößter Automobilhersteller. In Deutschland steigerte PSA die Verkäufe dieses Jahr doppelt so schnell wie VW und verbesserte ihren Marktanteil von 5,7 auf 6,4 Prozent - ein spürbarer Erfolg im hart umkämpften deutschen Markt, der in der deutschen Presse vor allem auf staatliche Hilfen aus Paris zurückgeführt wird.4 Punkten könne hierzulande nur, wer beim Kampf um klimafreundliche Technik vorn liege, heißt es. In der Entwicklung von Elektroautos beanspruchen deshalb Deutschland wie Frankreich weltweit eine führende Rolle. Die französischen Autobauer haben zur Zeit die Nase vorn: Sie wollen spätestens 2011 einige Elektromodelle auf den deutschen Markt bringen, während VW, BMW und Mercedes nicht vor 2013 Elektroautos in Serie anbieten werden. Um ihren Rückstand wettmachen zu können, drängen die deutschen Automobilkonzerne auf neue Förderprogramme für Elektroautos und fordern schnelle Subventionen und Anreizprogramme. "Wenn Deutschland eine führende Rolle spielen will, dann müssen wir jetzt handeln", heißt es in der Wirtschaftspresse.5

Kraftprotz

Auch auf dem Weltmarkt versuchen die französischen Konzerne der deutschen Konkurrenz zu trotzen. Nach der 1999 begründeten Allianz zwischen Renault und Nissan bahnt sich dabei eine weitere enge Kooperation eines französischen und eines japanischen Autoherstellers an: Die PSA-Group steht kurz vor dem Einstieg bei Mitsubishi.6 Gegen die Bemühungen von PSA strebt Europas größter Automobilhersteller VW nach wie vor an die Weltspitze. General Motors, jahrzehntelang die Nummer eins der Branche, muss sich nach einem Insolvenzverfahren neu aufstellen; der aktuelle Marktführer Toyota schrieb in der Krise zum ersten Mal in seiner Unternehmensgeschichte Verlust und hat seine Jahresprognose nun erneut nach unten revidiert. Der Volkswagen-Konzern dagegen hat soeben eine milliardenschwere Kapitalerhöhung beschlossen und verzeichnet weiterhin Gewinne - rund 1,2 Milliarden Euro betrug sein operatives Ergebnis im ersten Halbjahr 2009. Im laufenden Jahr hat VW zudem seine globale Marktposition erheblich gestärkt: In den ersten neun Monaten 2009 wuchs der Weltmarktanteil von zehn Prozent im entsprechenden Vorjahreszeitraum auf 11,7 Prozent.7

Imperium

Mit einem großen Konzernumbau rüstet sich Volkswagen für den Kampf mit Toyota und General Motors um die Weltmarktspitze. Mit einem neuen Management sollen nicht nur der Cabriospezialist Karmann und der Sportwagenhersteller Porsche integriert werden. Auch die seit Jahren angestrebte Lkw-Allianz zwischen den Konkurrenten MAN, Scania und Volkswagen rückt näher - als Lkw-Sparte des VW-Konzerns. Die Pläne für das VW-Imperium sollen inzwischen weit gediehen sein; nächstes Jahr soll die neue Struktur fertig sein. Bereits fest beschlossen ist ein Investitionspaket in Höhe von 25,8 Milliarden Euro für die kommenden drei Jahre.8

Olympia-Hauptsponsor

In Brasilien - nach China und Deutschland der drittgrößte Markt für VW - ist der Konzern schon jetzt der größte Fahrzeughersteller und investiert zusätzlich 2,3 Milliarden Euro in den Ausbau seiner Fabriken.9 In der Volksrepublik China - für VW inzwischen der wichtigste Markt der Welt - hat das Unternehmen in den ersten neun Monaten 2009 rund 37 Prozent mehr Autos verkauft als im Vorjahreszeitraum und erwartet ein Plus von 30 Prozent für das Gesamtjahr. VW startet zudem eine Offensive in Südchina, um in den dortigen Küstenprovinzen die Dominanz der japanischen Hersteller zu brechen.10 Auch der von der Krise schwer getroffene russische Markt ist für Volkwagen ein Wachstumsmarkt: Der Konzern verkaufte dort in den ersten neun Monaten dieses Jahres 72.000 Fahrzeuge und hat damit seinen Anteil von 3,2 auf rund 6,6 Prozent mehr als verdoppelt. VW ist nun drittstärkster Autohersteller in Russland und erhöht seine russischen Produktionskapazitäten, um weitere Marktanteile zu erobern. Unter anderem wird Volkswagen 3.000 Fahrzeuge für die Winter-Olympiade 2014 im russischen Sotschi bereitstellen und firmiert seit September auch offiziell als Hauptsponsor der Spiele.11

Störenfried

Die Automobilproduktion ist längst nicht das einzige Feld, auf dem gegenwärtig die deutsch-französischen Wirtschaftsrivalitäten ausgetragen werden. Scharfe Auseinandersetzungen zeigen sich unter anderem in der Energiebranche. Frankreich unterstützt etwa Polen mit einer Atom-Kooperation bei seiner Gegenwehr gegen die Energieachse Berlin-Moskau (german-foreign-policy.com berichtete 12). Paris sichert sich außerdem eigene Zugänge zu Erdgaslieferungen aus Russland, teilweise zu Lasten der deutschen Konkurrenz. So unterzeichnete beispielsweise der französische Staatskonzern EdF eine Absichtserklärung zum Einstieg in das Pipelineprojekt South Stream, das der russische Erdgasriese Gazprom gemeinsam mit dem italienischen Energiekonzern Eni plant. Die Leitung soll in Zukunft russisches Erdgas durch das Schwarze Meer über Bulgarien nach Westeuropa bringen. In den Detailverhandlungen werde EdF mindestens zehn Prozent an der Röhre erhalten, heißt es. Auch der größte französische Erdgaslieferant, GDF Suez, setzt auf russisches Gas: Der Konzern will sich mit neun Prozent an der deutsch-russischen Pipeline Nord Stream beteiligen, die russisches Erdgas durch die Ostsee nach Westeuropa bringen soll. Als wahrscheinlich gilt, dass die deutschen Anteilseigner Eon und BASF jeweils 4,5 Prozent abgeben müssen, damit Gasprom seine Mehrheit von 51 Prozent behält.13

Türöffner

Im Gegenzug drängen deutsche Energiekonzerne weiterhin auf den bislang noch geschützten französischen Markt. Dieser wird nach wie vor durch die halbstaatlichen Großkonzerne EDF (Strom) und GDF Suez (Gas) dominiert. Einer der wenigen ausländischen Wettbewerber ist der deutsche Versorger Eon, der dort aber nur über einen Marktanteil von zwei Prozent verfügt. Die EU-Kommission hat dem französischen Gasriesen GDF Suez zwar schon die Auflage erteilt, den Rivalen einen einfacheren Zugang zu seinem Heimatmarkt zu gewähren.14 Damit ist Deutschlands größter Energiekonzern Eon allerdings nicht zufrieden und macht in Brüssel Druck: Der EU-Energiekommissar soll helfen, Frankreichs Strommarkt endgültig zu "knacken".15 Für Energie ist in der neu besetzten EU-Kommission - für Eon nicht unwillkommen - künftig der Deutsche Günther Oettinger zuständig.


Anmerkungen:
1 Automobilindustrie: Europas Manager sehen Standort Deutschland vorn; Spiegel online 22.10.2009
2 Autobauer suchen ihr Heil im Ausland; Handelsblatt 03.12.2009
3 Autobranche erwartet Einbruch in Deutschland; dpa 02.12.2009
4 Peugeot - Gewinner der Autokrise; Financial Times Deutschland 01.12.2009
5 Deutsche Autobauer rufen Staat um Hilfe; Handelsblatt 27.11.2009
6 Expansionspläne: Renaults Erfolgsrezept spornt PSA an; Financial Times Deutschland 04.12.2009
7 VW auf dem Sprung; www.manager-magazin.de 04.12.2009. S. auch Krisengewinner und Stürzende Giganten
8 Mit Porsche und Karmann: VW wächst in neue Dimensionen; Financial Times Deutschland 20.11.2009. S. auch Neuer Gigant, Masterplan, Wie im Zweiten Weltkrieg und Rückzug
9 Volkswagen investiert zwei Milliarden in Brasilien; dpa 27.11.2009
10 Volkswagen startet Südchina-Offensive; WirtschaftsWoche 23.11.2009
11 Volkswagen wird drittstärkster Autobauer in Russland; Frankfurter Allgemeine Zeitung 1.10.2009. S. auch Ehrgeizig, Die Wirtschaftsachse Berlin-Moskau (I) und Die Wirtschaftsachse Berlin-Moskau (II)
12 s. dazu Erdgaskooperation

13 EDF und GDF Suez setzen auf russisches Gas; Frankfurter Allgemeine Zeitung 28.11.2009
14 EU öffnet Gasmärkte - Untersuchung in Deutschland; dpa 03.12.2009
15 Hoffnung auf EU: Eon-Chef Bernotat will Frankreichs Strommarkt knacken; Handelsblatt 30.11.2009


 
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