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"Non" - das Logo der franzüösischen EU-Gegner |
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Es hätte alles so toll werden können. Die "europäische Verfassung", das juristische Dach über der EU. Endlich nicht mehr bloß ein verhasstes bürokratisches Dachkonstrukt, sondern ein gemeinsamer Staat: die
Vereinigten Staaten von Europa.
Doch es sollte wieder mal alles ganz anders kommen, denn die Menschen wollen nicht. Was sich Staatsmänner, Wirtschaftskapitäne und Diplomaten so zurechtüberlegten, erntete schlicht die deutliche Ablehnung durch die EU-Bürger. Das kam nicht über Nacht; die Europäische Union stößt bei den Europäern mehrheitlich auf Unverständnis bis Ablehnung. Es ist allerdings nicht die Idee der verschmelzenden Nationalstaaten, die den Menschen unsympathisch ist, sondern vielmehr eine EU, die alles sein kann, bloß nicht ein gemeinsamer, gleichberechtigter Lebens- und Gesellschaftsraum ihrer Bewohner.
Die EU war, von Anfang an, wirtschaftlicher Zweckverband, der von einigen wenigen Drahtziehern, insbesondere Deutschland und auch Frankreich, den kleineren europäischen Ländern oktroiert wurde. Von freien Binnenmärkten profitieren in erster Linie die Marktdominierenden; das europäische "Hinterland" soll (und wird) Schritt für Schritt in eine verlängerte Werkbank, in einen hauseigenen Billigmarkt der Hauptzentren verwandelt.
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Proteste der KPF in Frankreich |
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Die bringt Nachteile für die Angehörigen der schwächeren europäischen Staaten wie auch für die Mehrzahl der Bürger der reichen, mächtigen Zentren: Lohndumping und Arbeitsplatzverlagerung auf der einen, forcierte Ausbeutung, Privatisierung und Marktliberalisierungen auf der anderen Seite. Die wirklichen Profiteure des "europäischen Zusammenwachsens" lassen sich an zwei Händen abzählen, ihre Namen stehen in den Börsenregistern.
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"Non" zu dieser Verfassung! |
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Die zweite Seite der Medaille ist ebenfalls recht pragmatischer Natur: Um in der internationalen Konkurrenz gegen erdrückend mächtig scheinende Gegner wie die USA antreten zu können, ist kein europäischer Nationalstaat allein heutzutage ressourcenmäßig in der Lage. Was die BRD an Kapitalmacht mitbringt, steuert Frankreich durch eine atomar bewaffnete Armee bei - ein Zweckbündnis, in dem sich jeder der gr0ßen Partner Vorteile verspricht. Zu schade, dass einige der Juniorpartner dieses Spiel nicht mitspielen und sich auf die andere Seite schlagen, jüngst ganz plastisch demonstriert am Beispiel Polens oder, zeitweilig, auch Spaniens.
Dies muß man deutlich beim Namen nennen: eine Liebesheirat ist dieses Europa kaum. Es ist der Versuch einiger Zweit- und Drittplazierter, durch Bündelung der Fähigkeiten eine aggressivere und erfolgreichere Durchsetzung ihrer globalen Interessen zu erreichen. Nichts ist diesem System fremder als die Überwindung der Nationalstaaten oder eine dauerhafte Völkerfreundschaft; lediglich Bündnisse auf höchster politischer, militärischer oder wirtschaftlicher Ebene sind temporär möglich.
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KPF-Protest mit Plakaten der Parteizeitung "L'Humanite" |
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All dies sollte die europäische Verfassung (
hier nachzulesen) festschreiben; praktisch durchgesetzt wurde es schon lange. Die Ablehnung der Verfassung ist zwar ein notwendiger, deswegen aber lange noch nicht hinreichender Schritt, denn ändern dürfte sich durch dieses Votum nichts - außer eventuell ein kleiner Schock für die Herrschenden, die zumindestens ihr propagandistisches Scheitern erkennen dürften.
Lesen wir einmal hinein in das Vertragswerk - aufgrund der abnormen Länge dieses "Grundlagengesetzes" in Ausschnitten:
Aufrüstungspflicht: Im Artikel I-41 der EU-Verfassung heißt es wörtlich: "Die EU-Mitgliedsstaaten verpflichten sich, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern."
Kapitalismus ohne Schranken: Die Mitgliedsstaaten wären damit zur "Einführung einer Wirtschaftspolitik, die dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb verpflichtet ist." (Art. III-177) Die Europäische Zentralbank wird auf strikte Hartwährungspolitik verpflichtet, die den großen Vermögensbesitzern zu Gute kommt.
Weltweite Kriegseinsätze: "Abrüstung" von Gegnern, "Kampfeinsätze im Rahmen der Krisenbewältigung" oder "Bekämpfung des Terrorismus". Das sind in der Verfassung angeführte Gründe, weshalb der EU-Ministerrat einen Militäreinsatz beschließen kann - und zwar weltweit, ohne UNO-Mandat (Art. I-14, 1 und 5). Bei diesen vagen Definitionen lässt sich im Grunde immer ein Vorwand für einen Krieg finden.
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Proteste auch im Anschlußkandidaten Türkei |
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Militärische Beistandspflicht: Art. I-40, 7 sieht eine militärische Beistandspflicht vor, die schärfer als die der NATO ist und nicht einmal die Wahl zwischen militärischem und zivilem Beistand offen lässt.
Totale Privatisierung: Die EU kann "die Grundsätze und Bedingungen für Dienste von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse (= öffentliche Dienste)" festlegen (Art. III-122). Oder, schlichter ausgedrückt: die Privatisierung öffentlicher Unternehmen, etwa Wasserversorgung, Nahverkehr, etc, wo nicht bereits privatisiert, wird per Ukas enorm forciert.
Die totale Konfusion der Herrschenden zeigt sich im Procedere der Verfassungsgebung wie in der Gestaltung der Verfassung selbst: ein erster Lapsus unterlief unseren "Verfassungsvätern" mit dem "vergessen" einer Austrittsklausel: einen, auf demokratischen Mehrheitsbeschluß gestützten, Austritt aus der EU hätte es demnach nicht geben können. Zumindest für die kleinen, abhängigen Länder, denn Deutschland oder auch Frankreich hätte niemand hindern können, bei Bedarf die EU zu verlassen.
Das nächste Problem stellte sich bei der Durchbringung der Verfassung: wie immer, per altbekannter EU-bürokratischer Manier, per Erlaß, abgesegnt vom Scheinparlament? Die Verfassung hätte in den Augen der europäischen Bürger wohl kqaum mehr Stellenwert als eine Agrarverordnung besessen. In vielen europäischen Ländern erkämpfte sich die Bevölkerung eine Volksabstimmung über die Verfassung - so in Frankreich, maßgeblich unter der französischen Kommunistischen Partei (KPF), die sich die Verhinderung der Verfassung (erfolgreich) auf die Fahnen schrieb. In der BRD hingegen war die Bevölkerung bis dato ausgeschlossen von der Mitbestimmung über die Verfassung.
So hat Europa entschieden:Spanien:
JA (77 % dafür, allerdings nur 42 % Wahlbeteiligung)
Frankreich:
NEIN (54,87 % dagegen)
Niederlande:
NEIN (61,6 % dagegen)
Portugal:
noch nicht abgestimmtIrland:
noch nicht abgestimmtPolen:
noch nicht abgestimmtGroßbritannien:
ausgesetztTschech. Republik:
noch nicht abgestimmtLuxemburg:
noch nicht abgestimmtIn allen weiteren EU-Staaten wurde die Verfassung entweder vom Parlament ratifiziert oder soll vom Parlament ratifiziert werden. Man kann nun davon ausgehen, dass die weiteren Referenden, so sie denn stattfinden, ebenfalls mit Nein ausgehen werden.
Sicher; über die weitere Entwicklung der EU werden diese Referenden nicht entscheiden. Ob Europa weiterhin lediglich die pervertierte Form eines Konzern-Europas sein wird oder ob Europa zum friedlichen, gemeinsamen Dach für alle dort lebenden Menschen werden wird, ist in erster Linie eine Frage der gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse. Die Ablehnung der Verfassung ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Nicht mehr - aber auch nicht weniger.
Für die beiden eindeutigen Ergebnisse gegen dieses knebelnde Vertragswerk, das nichts weniger als die Menschen in Europa im Mittelpunkt hat, sagen wir Frankreich und den Niederlanden
DANKE!