Die Wiederwahl des iranischen Präsidenten Ahmadinedschad hat in der extremen Rechten die erwarteten Reaktionen ausgelöst. “
Herzlichen Glückwunsch zur Wiederwahl, Herr Präsident!”, vermeldet die DVU. Das iranische Volk habe sich für den bescheiden und selbstlos (!) agierenden Mann aus dem Volk entschieden, glaubt die Volksunion.
Im Folgenden denunziert sie die iranische Opposition als “
selbsternannte Geldelite”. Die “
pfiffigen Kaufleute und westlich orientierten und vermögenden Angehörigen der Teheraner Oberschicht” hätten den “
kompromisslosen Patrioten mit seinen großen Programmen zur Bekämpfung der Armut und der Rückständigkeit des Landes” nie gemocht, so die DVU. “
Für diese Kreise wäre ein moderater, vom Westen akzeptierter oder besser geduldeter Mann wie Mussawi bequemer gewesen. Dann hätten auch die Börsenhaie im Iran in ihrer Gier nach immer mehr Reichtum noch größere Vermögenswerte scheffeln können, während sie stolz ihre Söhne und Töchter auf amerikanische Eliteuniversitäten schicken”, spielt die DVU die antiimperialistische Karte.
Oppositionelle als SA des MarktesWeit eleganter beherrscht der vermeintliche Linke Jürgen Elsässer dieses Kartenspiel. Er beleidigt die iranischen Bürger, die gegen den angeblich gefälschten Wahlausgang demonstrieren, als “
eine kleine Minderheit: Die Jubelperser von USA und NATO.” Gegen den Imperialismus dürfen dann auch schon mal Presse zensiert und Oppositionelle weggesperrt werden, findet Elsässer, bei seinen Bündnispartner ohnehin wenig wählerisch: “
Hier wollen Discomiezen, Teheraner Drogenjunkies und die Strichjungen des Finanzkapitals eine Party feiern. Gut, dass Ahmidenedschads Leute ein bisschen aufpassen und den einen oder anderen in einen Darkroom befördert haben.” Elsässers Bilanz zeigt, der Zweck heiligt die Mittel und wo gehobelt wird, da fallen Späne, Hauptsache das Ergebnis stimmt: “
Eine schöne Schlappe für den Imperialismus im Iran!”
Da Elsässer nicht nur den Antiimperialismus, sondern auch die Provokation offenbar sehr liebt, legte er in seinem Blog noch nach und dechiffrierte in wenigen Sätzen kurz einmal die iranische Gesellschaft. Und das geht so:
Auf der einen Seite die arbeitenden Klassen, das Proletariat und die Bauern, auf der anderen Seite die aufsteigenen städtischen Mittel- und etablierten Oberschichten. Soziologisch gesehen. Von der Psychostruktur her denken erstere traditionell, hängen an ihrer Kultur, an ihren Werten, an ihrer Familie, an ihrer Nation, an ihrer Religion. Dies alles verachten die Yuppies. Sie propagieren einen werte- und bindungslosen Ultraindividualismus. Doch ohne Werte und Bindungen ist das Individuum gar nicht fähig, selbstbestimmt zu leben: Es steht isoliert dem totalen Markt gegenüber und wechselt, je nach dessen Erfordernis, den Lebensstil, das Outfit, die sexuelle Orientierung, nimmt selbst körperliche Veränderungen (”body modification”) vor.Um den ganzen die Krone aufzusetzen, vergleicht er die Demonstranten noch mit der SA:
Es geht nicht um Islam oder sonst eine Religion. Es geht um die Herrschaft des totalen Marktes, der mit Hilfe dieser Sturmabteilunge weltweit durchgesetzt werden soll. Alle Traditionen, die nicht dazupassen, müssen ausgelöscht werden.Kein Wunder, dass NPD-Ideologe Jürgen Gansel, der ganz ähnlich argumentiert und formuliert, erst vor wenigen Wochen die Schriften und Aussagen Elsässers erneut lobte. Gansels weltpolitische Analyse geht nämlich ebenfalls von einem gesteuerten und zentralen Angriff der westlichen “Heuschrecken” auf Volk, Traditionen und Kultur aus.
Sehnsucht nach den Killing FieldsElsässers völkische Analysen erscheinen somit wenig “erfrischend”, wie es der SPD-Politiker Matthias Brodkorb empfindet. Denn Elsässer behält zwar stets den Blick auf die “Geknechteten” und “Unterdrückten” dieser Welt - aber auch nur auf die, die ihm ins Konzept passen. Die “Invektiven gegen die ‘westliche Easyjet-Intelligenzia’”, wie Brodkorb es vorsichtig formuliert, erscheinen nach Elsässers jüngsten Ausfällen eher der Wunsch nach neuen Killing-Fields zu sein, auf denen jeder, der dekadenterweise schon einmal einen Galao konsumiert hat, zum Schutz gegen den US-Imperialismus aufgeknüpft wird.
Immerhin zeigen diese aktuellen Beispiele sehr schön die Überschneidungen zwischen einigen autoritären, völkischen oder auch borniert antiimperialistischen Linken mit rechtsextremen Kreisen. Der Hass auf den Individualismus, der Wunsch nach dem Volk als Kollektiv, der Hass auf alles, was irgendwie als westlich empfunden wird. Dafür wird die Realität so hingebogen, wie man es braucht. Ein Kommentator schrieb passend zu Elsässers Analyse der Proteste im Iran:
Wie ist es möglich, dass es in Teheran mehr als eine Million Yuppies gibt? Hat der Iran womöglich einen so starken Wirtschaftsaufschwung erlebt, dass nunmehr in Teheran über eine Million Yuppies leben? (und ich dachte, die Ölmilliarden des Irans seien weitgehend versickert – was übrigens zu den Kritikpunkten der iranischen Oppositionsbewegung gehört – Herr Elsässer kennt da hoffentlich die Details…) * hüstel *