So lautete der Titel des „Ratschlags der Belegschaften“, zu dem die DKP Ruhr-Westfalen und der PV am 8.2.2009 nach Bochum eingeladen hatten. Ziel war es, Belegschaften, die sich in der letzten Zeit gegen Lohnraub, Outsourcing und Arbeitsplatzvernichtung zur Wehr gesetzt hatten, ein Forum für den Erfahrungsaustausch und die Erarbeitung von Schlussfolgerungen für künftige Kämpfe anzubieten.
Der Einladung folgten Mitglieder der DKP, der Partei „die Linke“ und Parteilose, allesamt aktiv in Betrieb, Gewerkschaft und Arbeitslosenbewegung. (Aus Platzgründen müssen wir die Darstellung der Referate im folgenden weglassen und beschränken uns auf die Diskussionsergebnisse.)
Deutlich wurden in den Vorträgen
die negativen Auswirkungen der fehlenden Branchenpolitik der Gewerkschaften;
die entscheidende Bedeutung des Verhältnisses Basis/Führung für Erfolg oder Misserfolg gewerkschaftlichen Widerstandes;
die Bedrohung der (noch) Arbeitenden durch Hartz IV;
die Schlüsselrolle betrieblicher Kampferfahrung für die Erfolgsperspektive betrieblichen Handelns;
die Bedeutung des Verhältnisses von Stammund Randbelegschaften;
die Beschränkung der Handlungsmöglichkeiten und der Einfluss des subjektiven Faktors durch eine rein betriebliche Fixierung bei Auseinandersetzungen.
In der anschließenden Diskussion wurden vor allem folgende Aspekte hervorgehoben:
Die Arbeiterklasse müsse eine Bündelung ihrer betrieblichen Kräfte anstreben. Die legendären Stahlkämpfe der 80er Jahre (Hoesch 1984 und Rheinhausen 1987) seien nicht ohne vielfältige über- und außerbetriebliche Kontakte und eine breite lokale und regionale Vernetzung von unten denkbar gewesen. Auch hätten damals das „Stahlpolitische Aktionsprogramm“ der IGM sowie die Vergesellschaftungsforderung orientierend und mobilisierend gewirkt.
Die entscheidende Bedeutung standortübergreifender Aktionen wurde hervorgehoben; es komme darauf an, die „betriebliche Froschperspektive“ zu überwinden und Solidarität betriebs- und gewerkschaftsübergreifend so zu entwickeln, dass sie über „Solidaritäts-Tourismus“ hinausgehe.
Im Kampf gegen Arbeitsplatzvernichtung dürfe das Erreichen eines Sozialplans nicht das erste Ziel gewerkschaftlicher und betrieblicher Politik sein. Ein neuer Anlauf zur gesamtgesellschaftlichen Arbeitszeitverkürzung sei zwingend notwendig.
Die Auseinandersetzung um Karmann zeige, dass eine Lösung der Probleme der Autoindustrie im Kapitalismus letztlich nicht möglich sei. Gegenwärtig werde hier eine aus Kapitalsicht längst überfällige Marktbereinigung im Weltmaßstab vorbereitet. Letztlich werde es notwendig, seitens der Arbeiterklasse die Frage „Was wird produziert?“ auf die Tagesordnung zu setzen.
Sowohl Kapital als auch Gewerkschaftsführung hätten aus der Krise von 1929 gelernt und versuchten gegenwärtig eine Art „konzertierte Aktion“ zum Überstehen der Krise ohne Entlassungen bei den Stammbelegschaften unter breiter Nutzung von Kurzarbeit.
Die laufende Tarifrunde im öffentlichen Dienst der Länder zeige, dass die Streiktaktik der „Nadelstiche“ zugunsten ganztägiger Streiks aufgegeben werden müsse, u. a. auch deshalb, damit nicht aktive Teile der Belegschaften in die Resignation getrieben würden. Bei den Laufzeiten müsse wieder eine Vereinheitlichung erreicht werden.
Entscheidend für die Erfolgsaussichten gewerkschaftlicher Kämpfe sei die Frage der Mobilisierbarkeit der Klasse und in diesem Zusammenhang die Entscheidung zwischen einer Mobilisierung „top-down“ oder von der Basis her. Funktionärsschelte allein helfe nicht weiter, da die zu Recht kritisierten Funktionäre ja schließlich gewählt worden seien. Von Mandatsträgern der Arbeiterbewegung müsse aber umgekehrt erwartet werden, dass sie ihrer Führungsverantwortung gerecht würden, indem sie mit ihrem Informationsstand realistische Analysen im Hinblick auf Interessenlagen, Kräfteverhältnisse und Strategien anstellten, die Basis in die Erarbeitung von Politik und Kampagnen einbezögen und diese über umsetzbare Schritte und Teilschritte in Mitgliedschaft und Gesellschaft verankerten.
Eine auch nur ansatzweise erfolgreiche Auseinandersetzung setze einen klaren Gegnerbezug voraus.
Die klassischen „Betriebsrätegewerkschaften“ IGM und ver.di seien der ideale Nährboden für sozialpartnerschaftliche Vorstellungen. Die Basis für sozialpartnerschaftliche Politik und Co- Management schwinde allerdings mehr und mehr, weil die Kolleginnen und Kollegen nichts mehr zu verschenken hätten.
Es stelle sich die Frage, wo für die deutsche Arbeiterklasse die Schmerzgrenze liege, ab der sie bereit sei, für ihre Interessen zu kämpfen.
Wir müssten berücksichtigen, dass bis 1989 die Kampferfahrungen der Arbeiterklasse der BRD über weite Strecken anders seien, als die der Klassengenossen in Frankreich, Italien oder Griechenland. Die Kämpfe im öffentlichen Dienst zeigten aber auch, dass die Klasse – wo nötig – schnell lernen könne. Mit jedem Arbeitskampf, der letztlich um Umverteilung geführt werde, rücke die Systemfrage objektiv näher. Wir müssten auch immer wieder klarmachen, dass alle noch vorhandenen Elemente „sozialer Abfederung“ nicht auf Gnadenakte der Kapitalisten, sondern auf in früheren Jahrzehnten erreichten Kampferfolgen der Arbeiterklasse beruhten. Die heute prekär Beschäftigten kämen nicht mehr in den Genuss dieser Zugeständnisse.
Die Auseinandersetzungen in Recklinghausen (um die Ausgründung der Küche des städtischen Seniorenzentrums und der Beschäftigung von 1-Euro-Kräften dort) wurden als Beispiel eines erfolgreichen Kampfes und einer gelungenen Organisierung von breiter örtlicher Solidarität, auch unter Einbeziehung von Arbeitslosen, gewertet.
Am Beispiel Karmann wie auch bei VW werde deutlich, dass eine konkrete Bedrohung nicht automatisch eine Hinwendung zur Systemfrage bedeute – sie könne bei den Belegschaften auch einen „Tunnelblick“ hervorrufen. Kämpfe müssten deshalb auch von vornherein weiter angelegt sein als „nur“ auf betriebliche bzw. ökonomische Inhalte.
Vielen Kolleginnen und Kollegen seien Tiefe und Tragweite der gegenwärtigen Krise nicht klar. Es gebe aber bei vielen Kolleginnen und Kollegen mehr Neugier hinsichtlich der Krisenursachen; ein Anknüpfen an Krisenerfahrungen sei besser möglich als bisher.
Entscheidend für die Zukunft der Arbeiterbewegung seien die Hinwendung zur Jugend, die Reorganisierung der Gewerkschaften und ihrer Bildungsarbeit, die Orientierung auf gesamtgesellschaftliche Arbeitszeitverkürzung und das Durchbrechen der Standortlogik vom internationalistischen Standpunkt aus. Unsere Angebote für die jungen Kolleginnen und Kollegen seien das Handwerkszeug der politischen Ökonomie und die Lehren aus der Geschichte der Arbeiterbewegung. Unser mangelnder Kontakt zur Jugend werde allerdings u. a. daran deutlich, dass die Schülerstreiks größtenteils an unseren Genossinnen und Genossen vorbeigegangen seien.
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