Die Literatur über Vietnam und seinen hundertjährigen blutigen Befreiungskampf ist, gemessen an anderen historischen Plätzen des Weltgeschehens, verhältnismäßig rar. Nach dem Zeitzeugenbericht "Sieg in Saigon. Erinnerungen an Vietnam" des Journalistenehepaars Irene und Gerhard Feldbauer (Bonn 2005) können wir nun ein weiteres wesentliches Werk zu dieser südostasiatischen Thematik begrüßen: Hellmut Kapfenbergers Chronik "Ho Chi Minh" (Berlin 2009).
Kapfenberger, ebenfalls Journalist und langjähriger Indochinakorrespondent des ADN und des ND, zeichnet in seinem Werk den langen, kampferfüllten und opferreichen Weg Ho Chi Minhs zum international hochgeschätzten kommunistischen Staatsmann und Parteiführer - kurz: zum "Revolutionär mit den vielen Namen". Sein steiniger Lebensweg und das gesamte Ausmaß der Leiden seines Volkes verschmelzen in Kapfenbergers Darstellungen zu einer unlösbaren und beeindruckenden Einheit, deren Krönung sich im endlichen Sieg der Vietnamesen über das französische Kolonialjoch und die US-amerikanische Aggression widerspiegelt. Vor uns liegt ein umfangreiches "Lehrbuch"der politischen Moral und der unerbittlichen Konsequenz eines dem Befreiungskampf seines Volkes und der Menschheit verschriebenen Lebens zwischen Tod und Triumph.
In 25 übersichtlichen Kapiteln wird die Persönlichkeit des politischen Strategen und Praktikers, des exzellenten Politikers und Realisten Ho Chi Minh kontinuierlich aufgebaut und weitgehend transparent gemacht.
Ho Chi Minh erscheint in Kapfenbergers Darstellung - trotz ungebrochener Unbeugsamkeit bei der Verfolgung seiner politischen und militärischen Ziele - als "ein Mensch des Ausgleichs und der Versöhnung", der von seinem Volk hochverehrte marxistische Denker, Staatsmann und feinfühlige Psychologe, sein geliebter "Onkel Ho".
Trotz der über weite Strecken äußerst schwierigen und nicht selten widersprüchlichen Quellenlage, die vor allem in Vietnam dringend weiterer Forschung bedarf, hat Hellmut Kapfenberger ein informatives und mitreißendes Buch geschrieben. Sein Stil, der den gestandenen Journalisten verrät, ist anschaulich und flüssig.
Die Fülle an fleißig zusammengetragenen Fakten und die für den deutschen Leser überwiegend ungewohnten Namen von Personen und Landschaften raten zu bedächtiger Lektüre. Eine historische Überschau, wie man sie von einer Chronik erwartet, wird nicht gegeben. Die Genrebezeichnung "Biographie" für das vorliegende Werk wäre sicherlich treffender gewesen. Leider hat der Verlag, dem generell für diese bemerkenswerte und überaus aktuelle politische Publikation gedankt wird, ihr nur eine bescheidene und territoriale Orientierungen kaum fördernde Landkarte beigegeben.
Bedauern muss man auch die mäßige Qualität der Abbildungen sowie deren spärlichen Umfang. Eine Zusammenschau sämtlicher Pseudonyme Ho Chi Minhs wäre als Lesehilfe dienlich gewesen.
Hellmut Kapfenberger: Ho Chi Minh. Eine Chronik. Verlag Neues Leben. Berlin 2009. 287 Seiten. 15,40 Euro