Vor 120 Jahren wurde der wohl genialste Filmschaffende, den dieses Genre im 20. Jahrhundert hervorgebracht hat, geboren: Charles Spencer Chaplin. Charlie Chaplin wurde am 16. April 1889 in London geboren. Die Gestalt, in der er sich dem Jahrhundert eingeprägt hat, die Millionen Menschen in allen Hemisphären dieser Welt begeistert hat, kann auch heute noch die Menschen in ihrem Innersten ergreifen. Inbegriff des geschundenen, von den Reichen verachteten und ausgebeuteten, von der Staatsmacht getretenen "kleinen Mannes", Verteidiger der Schwachen - stark in seiner eigenen Schwäche, der von einem Missgeschick ins andere stolpert, aber im Scheitern eine Gesellschaft, die den Menschen nicht Mensch sein und die Technik sich zu seinem Unheil auswirken lässt, in einer Weise bloßstellt, dass das Bessere hervorleuchtet: Solidarität, Geborgenheit, Zärtlichkeit, Liebe, das ist das Lösende von Chaplins Komik, das dieser Künstler allen Menschen, hoch und niedrig, Arbeitern und Intellektuellen, beschert hat. Heruntergespielt wurde sein demokratisches Engagement, selbst in seinen politischen Filmen.Die Vision einer neuen Welt am Schluss des Großen Diktators (Premiere fand im Oktober 1940 statt) wird ins Märchenhafte versetzt. Aber Chaplin erklärte mit diesem Film durchaus diesseitig Hitler den Krieg, zu einer Zeit, als in den USA die Waage sich noch längst nicht zugunsten des Widerstandes gegen den Faschismus gesenkt hatte. Es ist dieser demokratische Mut, der seine Kunst glaubwürdig macht. Im Amerika McCarthys war Chaplin - unamerikanisch. Dem Untersuchungsausschuss telegrafierte er: "Ich bin kein Kommunist und habe in meinem ganzen Leben keiner politischen Partei oder Organisation angehört. Ich bin, was Sie einen ,Friedensapostel' nennen mögen! Ich hoffe, das wird Sie nicht beleidigen." Seit August 1922 hat das FBI Chaplin bespitzelt, ihn auf die Liste der "subversiven Elemente" gesetzt. Zu diesem Zeitpunkt sprach sich Chaplin auf einem Empfang zu Ehren von William Z. Foster (der wenige Jahre zuvor die Stahlarbeitergewerkschaft gegründet hat und seit 1921 dem ZK d. KP der USA angehörte) in Hollywood sehr offen gegen die Zensur in der US-Filmwirtschaft aus. Auf 1.900 Seiten wuchsen die FBI-Dossiers über Chaplin im Laufe eines halben Jahrhundert an. Während eines Englandaufenthalts Ende 1952 wurde ihm das Rückreisevisum entzogen und er ließ sich in der Schweiz nieder. In "Ein König von New York" antwortete er 1957 mit einer der treffendsten Satiren, die gegen terroristische Kommunistenfurcht und kapitalistische Konsumideologie geschaffen wurden.
Die Lehre des Atomzeitalters
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Charlie Chaplin in "the great dictator" |
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1954 wurde Charles Chaplin vorn Weltfriedensrat mit dem Internationalen Friedenspreis ausgezeichnet. Die Urkunde trug die Unterschriften des Atomphysikers Frédérik Joliot-Curie und des türkischen Dichters Nazim Hikmet. Sie wurde ihm durch den französischen Dichter und Widerstandskämpfer Vercors überbracht. Es war eine Zeit, in der es amerikanische Generale liebten, in Sonntagsreden mit der Atomwaffe zu drohen. Chaplin antwortete bei der Entgegennahme:
"Der Wunsch nach Frieden ist weltumspannend. Die Forderung nach Frieden, ob sie vom Osten kommt oder vom Westen, vor aller Welt zu vertreten, ist, davon bin ich fest überzeugt, ein Schritt auf dem rechten Wege. Daher fühle ich mich geehrt und sehr glücklich, diese Auszeichnung zu empfangen. Ich maße mir nicht an, eine Antwort auf die Probleme zu wissen, die den Frieden bedrohen; aber eines weiß ich: Die Nationen werden diese Probleme niemals in einer Atmosphäre des Hasses und des Misstrauens lösen, noch wird die Drohung mit dem Abwurf von Atombomben sie lösen. Das Geheimverfahren zur Herstellung dieser schrecklichen Waffe wird bald allen bekannt sein, und bald werden alle Nationen, die kleinen wie die großen, es meistern. Im Zeitalter der Atomwissenschaft müssen die Nationen an etwas weniger Altmodisches und an Konstruktiveres denken als an Gewaltanwendung zur Beilegung ihrer Streitigkeiten. Die melancholische Vernebelung der Völker, um sie zur Hinnahme des Wasserstoffbombenkrieges mit all seinen schrecklichen Begleiterscheinungen reif zu machen, ist ein Verbrechen gegen den menschlichen Geist und verpestet die Welt. Befreien wir uns selbst von dieser elenden, krankhaften Atmosphäre! Versuchen wir, gegenseitig unsere Probleme zu verstehen. Kehren wir aus diesem Grund zu dem zurück, was natürlich und gesund im Menschen ist: zum Geist des guten Willens, der die Grundlage aller Eingebung, alles Schöpferischen, alles Schönen und Edlen im Leben ist. Arbeiten wir auf dieses Ziel hin, für eine ruhmreiche Ära des Friedens, in der alle Nationen aufblühen werden!"
In seinem Film "Der große Diktator", wird gegen Filmende ein kleinen jüdischen Friseur, wegen seiner Ähnlichkeit mit Hitler von Nazis mit diesem verwechselt und aufgefordert, eine Rede zu halten. Aber statt der erwarteten Rede fordert der "falsche Hitler" die Menschen auf, den Faschismus zu überwinden. Als Chaplin diese Rede konzipierte und den Film drehte, wusste die Welt bereits über die Existenz der KZs und der Verfolgung und Ermordung der politischen Gegner und die Verfolgung der Juden. Ein halbes Jahr später, im Juni 1941, überfiel Nazideutschland die Sowjetunion.
"Das Flugzeug und das Radio haben uns einander nähergebracht. Das innerste Wesen dieser Dinge ruft nach den guten Eigenschaften im Menschen - ruft nach weltweiter Brüderlichkeit - fordert uns auf, uns zu vereinigen. In diesem Augenblick erreicht meine Stimme Millionen Menschen in der ganzen Welt - Millionen verzweifelter Männer, Frauen und kleiner Kinder -, die die Opfer sind eines Systems, das Menschen dazu bringt, Unschuldige zu quälen und in Gefängnisse zu werfen. Denen, die mich hören können, rufe ich zu: 'Verzweifelt nicht!' Das Elend, das über uns gekommen ist, ist nichts als Gier, die vorübergeht - die Bitterkeit von Menschen, die den Fortschritt der Menschheit fürchten. Der Hass der Menschen wird aufhören, Diktatoren werden sterben, und die Macht, die sie dem Volk genommen haben, wird an das Volk zurückgegeben werden. Solange Menschen sterben, kann die Freiheit niemals untergehen. Soldaten! Unterwerft euch nicht diesen Gewalttätern, die. euch verachten und versklaven, die euer Leben in starre Regeln zwingen und euch befehlen, was ihr tun, was ihr denken und was ihr fühlen sollt! Sie drillen euch, sie päppeln euch auf und behandeln euch wie das Vieh, um euch schließlich als Kanonenfutter zu verbrauchen. Unterwerft euch nicht diesen Unmenschen - Maschinenmenschen, mit Maschinengehirnen, Maschinenherzen. Ihr seid keine Maschinen! Ihr seid Menschen! In euren Herzen lebt die Liebe zur Menschheit! Hasst nicht. Nur der Ungeliebte kann hassen - der Ungeliebte, der Pervertierte! Soldaten! Kämpft nicht für die Sklaverei! Kämpft für die Freiheit! Im siebzehnten Kapitel des Lukas-Evangeliums steht geschrieben, das Reich Gottes sei im Menschen - nicht in einem Menschen oder in einer besonderen Gruppe von Menschen, sondern in allen! In euch! Ihr, das Volk, habt die Macht - die Macht, Maschinen zu erschaffen. Die Macht, Glück hervorzubringen! Ihr, das Volk, habt die Macht, das Leben frei und schön zu gestalten - aus diesem Leben ein wunderbares Abenteuer werden zu lassen. Lasst uns also - im Namen der Demokratie - diese Macht anwenden - vereinigt euch! Lasst uns kämpfen für eine neue Welt, für eine gesittete Welt, in der jedermann die Möglichkeit hat, zu arbeiten, die der Jugend eine Zukunft und die dem Alter Sicherheit zu geben vermag.
Die Gewalttäter sind zur Macht gekommen, weil sie euch diese Dinge versprochen haben. Doch sie lügen! Sie halten ihre Versprechen nicht. Sie werden das nie tun! Diktatoren befreien sich selbst, aber sie versklaven das Volk. Lasst uns nun dafür kämpfen, die Welt zu befreien - die nationalen Schranken niederzureißen - die Gier, den Hass und die Intoleranz beiseite zu werfen. Lasst uns kämpfen für eine Welt der Vernunft - eine Welt, in der Wissenschaft und Fortschritt zu unser aller Glück führen sollen. Soldaten, im Namen der Demokratie, lasst uns zusammenstehen!"
Zusammengestellt von Willi Weinert.