DE
       
 
0
unofficial world wide web avantgarde
Diesen Artikel auf Pocket™ posten teilen
Artikel:   versendendruckenkommentieren (10)
Von Stephan

Großbildansicht 1.jpg (42.9 KB)
Großbildansicht 1.jpg (42.9 KB)
Es gibt zwei Arten, an Geld zu kommen, eine anständige und eine, die dem allgemeinen Wertekodex entgegensteht. Schadet letztere den Interessen der herrschenden Klasse, ist sie im Allgemeinen verboten oder von Verbot bedroht.
Nicht verboten, aber verpönt sind in meinen Augen Erwerbsmethoden, die Minderjährigen oder intellektuell Zurückstehenden das Geld aus der Tasche ziehen, nicht von vornherein über die wahren Kosten aufklären, keine echte Gegenleistung bieten oder Unbeteiligten massivst auf die Nerven gehen. Ein Produkt eines Produktes, das alle diese Bedingungen glänzend erfüllt, ist Sweety.

Sweety ist ein kleines, gelbes Küken, welches ein Liedchen singt. Erst leise, dann mitswingend, um gegen Ende unter Zurücklassung einiger Federn in die Höhe zu gehen.
Ist das so schlimm? Normalerweise nicht, in der Welt mag es viele Küken geben, die in ihrer Batterie zum Summen eines Futterförderbandes, zum Klackern der Gülleabfuhr unter dem behaglichen Schein einer Infrarotleuchte ihr Liedlein summen, froh, nicht von barbarischen Emanzen „ausgesext“ und zermahlen worden zu sein. Alltag bei Pohlmanns eben, dem wir unser duftendes Frühstücksei oder den goldgelben Glanz unserer Spätzle verdanken. Sweety hingegen ist ein virtuelles Küken, befreit von der Verpflichtung, in einem kurzem Leben 250 Eier legen zu müssen. Es singt halt nur und fliegt am Ende in die Luft.

Wer virtuelle Küken bastelt, frisst auch kleine Kinder und Mülltonnen leer, ist einer der bekannteren Slogans der vielen, leider noch unorganisierten Ablehner virtueller Küken. Aber derweil diese Spinner außer ihren Vorurteilen und dem teilweise geheucheltem Mitleid mit kleinen Kindern oder Mülltonneninhalt keine Argumente haben, fallen uns doch noch ein oder zwei ein. Sweety ist nämlich eine Nutte! (Anmerkung für die Damenwelt: Natürlich ist Sweety weiblich, weil s.o.). Man kann nämlich Sweety für teuer Geld auf sein Handy laden, was im normalen Deutsch bedeutet, dass man den Klingelton seines tragbaren Telefons durch Sweetys Lied ersetzt. Und, weil Nutte, für teuer Geld! Puffmutter ist in diesem Fall die Telefonfirma, die für das Überspielen Geld verlangt und einen Teil an Sweetys Luden weitergibt. Und wie in der Welt des horizontalen Gewerbes gibt es Extraleistungen für mehr Geld: Sweetybildchen für das Display des Telefongerätes oder sogar ein Video, in dem das Küken tanzt und singt.

Aber anders als in der gut geordneten Welt der Prostitution, gibt es keine Türsteher, niemandem, der den Pubertierenden ein herzliches, wenngleich ernst gemeintes „Verpisst Euch“ entgegenruft. Und kaum ein Bordell kann es sich leisten, Werbespots im Fernsehen zu schalten, und selbst wenn – keines schaltet bis zu ca. 1000 pro Tag! Auf einem einzigen (Musik-)Sender! Dank der relativ einfach zu merkenden Telefonnummer 484848 oder so ähnlich, wirkt die Dauerbeschallung mit „Hol Dir Sweety“ selbst auf das tumbste Inzestopfer im hintersten Franken. Für Normalseher wirkt es allerdings wie die Aufforderung, jedem Kind, welches mit einem Handy mit Sweety-Melodie protzen möchte, den Inhalt der nächsten Mülltonne vollständig einzufüllen bzw. auf einen Kurzurlaub in die Hühnerkäfigreihen ins Oldenburgische Münsterland mitzunehmen und es dort in einen Käfig zu sperren. Bis es Eier legt!

Das fände ich aber wieder übertrieben.

 
Creative Commons CC BY-NC-ND 4.0
Inhalt (Text, keine Bilder und Medien) als Creative Commons lizensiert (Namensnennung [Link] - Nicht kommerziell - Keine Bearbeitungen), Verbreitung erwünscht. Weitere Infos.
 


 
Kommentare anzeigen: absteigend   aufsteigend
  Kommentar zum Artikel von secarts:
Donnerstag, 03.03.2005 - 00:58

nein, Gewalt ist natürlich nie eine Lösung. Zumindest nicht, wenn es noch friedliche Mittel gibt.
...mal überlegen... irgendwie fällt mir keins ein ;-(


  Kommentar zum Artikel von 127712:
Montag, 28.02.2005 - 15:32

Wenn ich den Handywerbescheiß schon sehe, packt mich die Lust, den dafür Verantwortlichen mal mit einem gekonnten, musikalischen *Swing* einer Axt zu boykottieren, ganz im Stile des Eingangsbildes dieses Journaleintrags.
Aber nicht, dass jemand jetzt glaubt Gewalt sei eine Lösung...!


  Kommentar zum Artikel von 128179:
Samstag, 26.02.2005 - 23:05

die werden sich total daran stören, wenn ich sie jetzt boykotiere... wann hatte ich das letzte mal MTV und co an? vor 2 Jahren? naja... ich hab halt schon vorboykottiert. man kanns ja auf meine hellseherischen kräfte schieben (wobei ich ja auch im dunkeln nicht allzu schlecht sehe...)


  Kommentar zum Artikel von secarts:
Samstag, 26.02.2005 - 15:12

mh, langsam scheint diese ewige Klingeltonwerbung schon zum Problem für die Sender auszuwachsen, hab ich irgendwo gelesen...
Die sind schon am Rechnen, ob sich der Weggang von Zuschauern mit den Einnahmen aus der Werbung noch die Waage hält. Falls das kippen sollte, also der Schaden durch Verlust von Zuschauern größer als der Gewinn durch Werbeeinnahmen sein wird, kann man wohl mit einer Absetzung dieses Schwachsinns rechnen.
Also, Freaks: Musiksender boykottieren! Es ist gar nicht so schwer, ich schaff's auch! smiley


  Kommentar zum Artikel von 128179:
Donnerstag, 24.02.2005 - 20:55

ich muss dich berichtigen.. du sagtest etwas von TAUSEND mal pro tag... das kommt in 5 minuten werbung bei ner werbedauer von 10 sekunden ca die ganzen 5 minuten. kommen wir auf 6x5=30x pro werbung, bei 2 werbungen pro stunde und 24 stunden pro tag kommen wir auf 30x2x24=1440 mal pro tag... nur so T_T

hab ich schon erwähnt, dass es sogar 3 tweetycoms gab? und das sie jetzt anfangen alte kinderlieder neu zu vertonen? (Alle Vögel sind schohon da, alle Vögel, alle. Amsel, Drossel, Fink uhund Star und die ganze Vogehelschar usw...) zum frühling echt passend... ich finds nur cool, dass die ultracoolenhiphoppakiddies mit 16 wieder die gleichen lieder singen, wie ich mit 6 xD


  Kommentar zum Artikel von secarts:
Mittwoch, 23.02.2005 - 11:34

@hardcore: nee, den meinte ich nicht. Die Geschichte ist aber auch nicht übel!

@smithers: Wahrscheinlich hast du mit deiner Boykott-These Recht. Das wird mir nicht mal besonders schwerfallen, VIVA und MTV zu meiden; das reguläre Sendeprogramm konnte ich eh nur schwerlich von der besagten Klnigeltonwerbung unterscheiden...


  Kommentar zum Artikel von smithers:
Mittwoch, 23.02.2005 - 08:28

eine coole story!
Was den besonderen reiz dieses bescheuerten huhn ausmacht, weiss ich auch nicht... allerdings gibts ja auch genug leute, die geld für mäuse mit übergroßen füssen oder tanzende krokodile ausgeben. da darf man sich über garnix wundern. wahrscheinlich wird alles noch vieeel vieeeel schlimmer werden ni nächster zeit. solange keine gesetze einen riegel vorschieben oder die kiddies noch genug taschengeld bekommen, bleiben sie halt eine atraktive zielgruppe und die werbung wird weiter geschaltet...

wir werden uns noch lange darüber ärgern können. ändern können wirt es höchstens, wenn es sich für die sender nicht mehr lohnt, die werbung zu senden. und das kann nur passieren, wenn massiv weniger leute einschalten. also sollte man viva/mtv und co. einfach boykottieren!!!


  Kommentar zum Artikel von 127757:
Mittwoch, 23.02.2005 - 03:16

Jamba ist echt die allerletzte sch***e. Viel Geld für nix, und abgezockt werden geschäftsunmündige kids. Das alle anderen Fernsehzuschauer dauerhaft mitgequält werden, ist nur ne traurige Nebenbilanz dabei, die Werbung auf manchen Sendern besteht echt fast nur noch aus diesem Klingeltonmist...
ach secarts meintest du den selbstversuch hier?
http://mobile6.blogg.de/eintrag.php?id=3


  Kommentar zum Artikel von malcolmY:
Mittwoch, 23.02.2005 - 01:38

...auch eine geile story zum thema jamba:

http://www.spreeblick.com/blog/index.php?p=324


  Kommentar zum Artikel von secarts:
Dienstag, 22.02.2005 - 23:32

ich habe vor geraumer Zeit mal einen Artikel von 'nem Kerl gelesen, der sich bei einem Jamba-Selbstversuch beinahe ruiniert hat... leider ist der Link in den Untiefen des weltweiten Gewebes entschwunden smiley

Deswegen fasse ich die Story mal zusammen: der Typ hat eine dieser Jamba-Nummern per SMS angewählt und bekam daraufhin prompt seinen Klingelton. Und am Ende des Monats die Rechnung über irgendein bizarres Kombi-Abonnement, das er nie genutzt hat, geschweige denn davon wußte.
Eine Nachfrage bei Jamba ergab, dass er sich nicht einen, sondern gleich ein gutes Dutzend Klingeltöne gekauft hat. Hätte er nun, theoretisch, in einem Monat z.B. 4 Klingeltöne toll gefunden und diese separat gekauft, wären ihm Kosten für 40 oder so abgebucht worden... da ist das Taschengeld ruck-zuck futsch.