(aus dem Lehrbuch Politische Ökonomie, Kapitel 17, S. 254ff.) I.a) Übergang zum ImperialismusDer vormonopolistische Kapitalismus mit der Herrschaft der freien Konkurrenz
1 erreichte den Höhepunkt seiner Entwicklung in den 60er und 70er Jahren des 19. Jahrhunderts. Danach vollzog sich der Übergang vom vormonopolistischen zum monopolistischen Kapitalismus.
2 Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts hatte sich der monopolistische Kapitalismus endgültig herausgebildet.
Der monopolistische Kapitalismus oder Imperialismus ist das höchste und letzte Stadium des Kapitalismus, dessen Grundmerkmal die Ablösung der freien Konkurrenz durch die Herrschaft der Monopole ist.
Hinweis: Der Begriff des Monopols oder der Monopole ist in der marxistisch-leninistischen Theorie und Literatur dabei grundsätzlich anders definiert als in der bürgerlichen Ökonomie. Die bürgerliche Ökonomie spricht nur dann vom Monopol, wenn auf einem bestimmten Markt (einem ökonomischen Gebiet/Land/abgrenzbaren Teilgebiet) wirklich nur ein einziger Kapitalist als Verkäufer auftritt. Also im derzeitigen Deutschland zum Beispiel bei dem Besitz von Schienen-, Telefon- oder Stromnetz (Deutsche Bahn/Deutsche Telekom/e.on, RWE, Vattenfall, EnBw). Stehen wenige Verkäufer auf der Seite der Kapitalisten, sprechen die bürgerlichen Ökonomen von einem sogenannten „Oligopol“ (z.B. Mineralölkonzerne, Autohersteller, Stahlkonzerne). Die proletarische politische Ökonomie hingegen kennt diese verwischende Differenzierung nicht. Im Sinne des Marxismus-Leninismus sind beide Gruppen Monopole, weil in ihrem Vorgehen und ihrer Machtposition keine relevante Unterscheidung besteht. Insofern ist es eine völlige Fehlinterpretation der leninschen Imperialismusdefinition, wenn abgeleitet wird, am Ende würde die gesamte Ökonomie einer Nation in einem einzigen Monopol aufgehen. Der Übergang vom vormonopolistischen zum monopolistischen Kapitalismus - zum Imperialismus - wurde durch den gesamten Entwicklungsprozess der kapitalistischen Produktionsweise vorbereitet.
Das letzte Drittel des 19. Jahrhunderts stand im Zeichen großer Fortschritte in der Technik sowie des Wachstums und der Konzentration der Industrie. In der Hüttenindustrie gelangten in großem Umfang neue Verfahren der Stahlerzeugung zur Anwendung (Bessemer-, Thomas-, Martin-Verfahren). Die rasche Verbreitung neuer Typen von Antriebsmaschinen (Dynamomaschine, Verbrennungsmotor, Dampfturbine, Elektromotor) beschleunigte die Entwicklung von Industrie und Verkehrswesen. Die Erfolge von Wissenschaft und Technik ermöglichten es, riesige Mengen von Elektroenergie in Wärmekraftwerken und später auch in großen Wasserkraftwerken zu erzeugen. Die Anwendung der Elektroenergie führte zur Schaffung einer ganzen Reihe neuer Zweige in der chemischen Industrie, der Buntmetallindustrie und der Leichtmetallindustrie. In vielen Produktionszweigen ging man in breitem Umfang zur Anwendung chemischer Verfahren über. Die Weiterentwicklung der Verbrennungsmotoren förderte die Entstehung des Kraftverkehrs und später der Luftfahrt.
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Im 19. Jahrhundert breitete sich die kapitalistische Produktionsweise rasch über den ganzen Erdball aus. Noch am Anfang der 1870er Jahre produzierte England als das älteste bürgerliche Land mehr Textilien, Roheisen und Kohle als die USA, Deutschland, Frankreich, Italien, Russland und Japan zusammen. England hatte in der Industrieproduktion der Welt den ersten Platz inne und besaß das uneingeschränkte Monopol auf dem Weltmarkt. Ende des 19. Jahrhunderts hatte sich die Lage entscheidend verändert. In den jungen kapitalistischen Ländern war eine eigene Großindustrie entstanden. Dem Umfang der Industrieproduktion nach nahmen jetzt die USA den ersten Platz in der Welt ein, während Deutschland in Europa an die erste Stelle trat. In Russland machte die industrielle Entwicklung rasche Fortschritte, trotz der Hindernisse, die das bis ins Mark verfaulte zaristische Regime schuf. Infolge des Wachstums der Industrie in den jungen kapitalistischen Ländern büßte England seine industrielle Vorrangstellung und auch seine Monopolstellung auf dem Weltmarkt ein.
Mit dem Übergang zum Imperialismus nahmen die Widersprüche zwischen der Produktivkraftentwicklung und den Produktionsverhältnissen des Kapitalismus immer schärfere Formen an. Die Unterordnung der Produktion unter die räuberischen Ziele, die die Kapitalisten auf der Jagd nach Höchstprofiten verfolgen, behinderte die Entwicklung der Produktivkräfte, den Fortschritt der Technik. Überproduktionskrisen wiederholten sich immer häufiger und gewannen an zerstörender Wirkung; die Arbeitslosenarmee vergrößerte sich. Während Elend und Not der werktätigen Massen in Stadt und Land zunahmen, wuchs der in den Händen eines kleinen Häufleins von Ausbeutern konzentrierte Reichtum in noch nie dagewesenem Ausmaß. Die Verschärfung der unversöhnlichen Klassengegensätze zwischen Bourgeoisie und Proletariat bewirkte eine Verstärkung des wirtschaftlichen und politischen Kampfes der Arbeiterklasse.
In der Periode des Übergangs zum Imperialismus rissen die größten kapitalistischen Mächte Europas und Amerikas mit Gewalt und Betrug ungeheure Kolonialbesitzungen an sich. Eine Handvoll entwickelter kapitalistischer Länder machte die Mehrheit der Bevölkerung des Erdballs zu Kolonialsklaven. Die kolonialen Eroberungen erweiterten die Sphäre der kapitalistischen Ausbeutung in gewaltigem Maß; der Grad der Ausbeutung der werktätigen Massen nahm ständig zu. Die äußerste Verschärfung der Widersprüche des Kapitalismus fand ihren Ausdruck in den verheerenden imperialistischen Kriegen, die unzählige Menschenleben forderten und ungeheure materielle Werte vernichteten.
Lenin gebührt das historische Verdienst, den Imperialismus als höchstes und zugleich letztes Stadium in der Entwicklung des Kapitalismus, als den Vorabend der sozialistischen Revolution des Proletariats vom marxistischen Standpunkt erforscht zu haben. In seinem Werk „Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus“ und in verschiedenen anderen, hauptsächlich in den Jahren des ersten Weltkriegs geschriebenen Arbeiten verallgemeinerte Lenin die Entwicklung des Weltkapitalismus während des halben Jahrhunderts, das seit dem Erscheinen des „Kapital“ von Marx verflossen war. Gestützt auf die von Marx und Engels aufgedeckten Gesetze der Entstehung, der Entwicklung und des Niedergangs des Kapitalismus, analysierte Lenin wissenschaftlich erschöpfend das ökonomische und politische Wesen, die Gesetzmäßigkeiten und die unlösbaren Widersprüche des Imperialismus.
Nach Lenins klassischer Definition sind die wichtigsten ökonomischen Merkmale des Imperialismus:
- „Konzentration der Produktion und des Kapitals, die eine so hohe Entwicklungsstufe erreicht hat, dass sie Monopole schafft, die im Wirtschaftsleben die entscheidende Rolle spielen;
- Verschmelzung des Bankkapitals mit dem Industriekapital und Entstehung einer Finanzoligarchie auf der Basis dieses 'Finanzkapitals';
- der Kapitalexport, zum Unterschied vom Warenexport, gewinnt besonders wichtige Bedeutung;
- es bilden sich internationale monopolistische Kapitalistenverbände, die die Welt unter sich teilen, und
- die territoriale Aufteilung der Erde unter die kapitalistischen Großmächte ist beendet.“3
Hinweise zur Imperialismusdefinition: Für das Merkmal 2 ist zunächst zu unterstreichen, dass die Kapitalansammlungen der Versicherungen in der Entwicklung der 2.Hälfte des 20.Jahrhunderts ähnliche wesentliche Bedeutung erlangt haben wie die Banken. Diese Entwicklung konnte Lenin zum damaligen Zeitpunkt nicht vorhersehen, davon unabhängig bedeutet sie aber keine qualitative Veränderung der Definition. Wesentlich an der Definition ist die Tatsache der Verschmelzung von Bank- und Industriekapital und eben nicht die Gleichsetzung von Finanzkapital gleich Bankkapital ! Der Begriff Finanzkapital wird leider oft in dieser falschen und verkürzenden Form verwendet. Vielleicht wäre es glücklicher gewesen, diese Verschmelzung als Monopolkapital (statt Finanzkapital) zu bezeichnen. Da die Definition aber nun einmal grundsätzlich einheitlich existiert, sollte man sie auch anwenden. Dabei ist der Hinweis auf den korrekten Inhalt sicherlich gelegentlich nötig.
Das Merkmal 3 meint nicht, dass es keinen Warenexport mehr gibt. Im Gegenteil. Die Wirkung des Kapitalexports ist in der Folge ja oftmals die Intensivierung des Warenaustauschs. Dieser erfolgt jedoch nun nicht mehr als bloßer Warenaustausch, sondern erhält noch stärker das Element der Ausbeutung, der Preisbildung, die Extraprofite für das Monopolkapital erbringen. Der Kapitalexport bewirkt, dass Warenexporte aus den abhängigen Ländern (früher: Kolonien) zu Monopolpreisen erfolgen. Die Monopole kaufen insbesondere Rohstoffe unter dem eigentlichen Wert, sie erzielen einen Extraprofit hieraus. Umgekehrt weiten Sie ihren Export von Waren (vor allem auch Produktionsgüter/Anlagen und Maschinen) durch den Kapitalexport aus und erzielen dadurch Profite, die in ihrem Heimatmarkt nicht mehr möglich wären, die ohne Kapitalexport unmöglich sind. In diesen Auswirkungen liegt die qualitative Veränderung durch den Kapitalexport, nicht in dem Ersatz des Warenexports durch den Kapitalexports.
Das Merkmal 4 bedeutet wiederum nicht, dass diese internationalen Kapitalistenverbände friedlich und einträchtig den Profit unter sich teilen. Die Konkurrenz besteht fort und Allianzen und Bündnisse haben immer vorübergehenden Charakter, auch wenn sie über lange Zeiträume existieren können.I.b) Konzentration der Produktion und MonopoleIn der Periode des vormonopolistischen Kapitalismus, in der die freie Konkurrenz herrschte, führte das Wirken des Gesetzes der Konzentration und Zentralisation des Kapitals unvermeidlich zum Sieg der großen und größten Betriebe, denen gegenüber die kleinen und mittleren Betriebe eine immer untergeordnetere Rolle spielen. Die Konzentration der Produktion wiederum bereitete den Übergang von der Herrschaft der freien Konkurrenz zur Herrschaft der Monopole vor.
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Am raschesten erfolgt die Konzentration der Produktion in der Schwerindustrie und in den neuen Industriezweigen (in der chemischen, der elektrotechnischen, der Kraftfahrzeugindustrie usw.) und bleibt in der Leichtindustrie zurück, in der es in allen kapitalistischen Ländern viele Klein- und Mittelbetriebe gibt.
Hinweis: Tendenziell gilt, je höher die Kapitalintensität, die notwendige Menge an Kapital als Voraussetzung für die moderne Produktion in einem bestimmten Sektor, desto stärker die Zentralisation des Kapitals, desto schneller erfolgte die Herausbildung von Monopolen. Entsprechend ist es innerhalb der imperialistischen Länder heute quasi unmöglich eine neue Autofabrik zu errichten, ein neues Stromnetz zu legen usw...Eine der Formen der Konzentration der Produktion ist die Kombination, d.h. die Vereinigung verschiedener Produktionszweige in einem Betrieb; diese Produktionszweige bilden entweder aufeinander folgende Stufen der Verarbeitung des Rohstoffs (zum Beispiel Hüttenkombinate, die die Erzförderung, die Roheisenerzeugung, die Stahlerzeugung und die Produktion von Walzgut vereinigen), oder der eine Produktionszweig spielt gegenüber dem anderen eine Nebenrolle (z.B. die Verarbeitung von Produktionsabfällen). Die Kombination verleiht den Großbetrieben ein noch größeres Übergewicht im Konkurrenzkampf.
Auf einer bestimmten Stufe ihrer Entwicklung kommt die Konzentration der Produktion dicht an das Monopol heran. Die Großbetriebe bedürfen riesiger Profitmassen, um sich im erbitterten Konkurrenzkampf gegenüber ähnlichen Riesenunternehmen zu behaupten und die Produktion weiter ausdehnen zu können; hohe Profite aber sichert nur die Monopolherrschaft auf dem Markt. Andererseits können einige Dutzend Riesenbetriebe leichter zu einem Übereinkommen gelangen als Hunderte oder Tausende kleiner Betriebe. Somit wird die freie Konkurrenz durch das Monopol abgelöst. Darin liegt das ökonomische Wesen des Imperialismus.
Das Monopol ist ein Übereinkommen, ein Verband oder eine Vereinigung von Kapitalisten, die in ihren Händen die Produktion und den Absatz eines bedeutenden Teils der Erzeugnisse eines oder mehrerer Produktionszweige konzentrieren zwecks Festsetzung hoher Warenpreise und Erzielung großer Monopolprofite (Marktbeherrschung).
4Die einfachsten Formen des Monopols sind kurzfristige Abmachungen über die Verkaufspreise unter den verschiedenartigsten Bezeichnungen wie Konvention, Corner, Ring usw. Entwickeltere Formen des Monopols sind die Kartelle, Syndikate, Truste und Konzerne. Das Kartell ist eine monopolistische Vereinigung, deren Partner über die Verkaufsbedingungen und Zahlungsfristen Vereinbarungen treffen, die Absatzmärkte unter sich aufteilen, die Menge der zu produzierenden Waren bestimmen und die Preise festsetzen. Die Warenmenge, die jeder Kartellpartner produzieren und verkaufen darf, heißt Quote; wird die Quote überschritten, muss der betreffende Partner eine Geldstrafe an die Kasse des Kartells zahlen. Das Syndikat ist eine monopolistische Organisation, in der der Absatz der Waren und mitunter auch der Ankauf der Rohstoffe durch ein gemeinsames Kontor vorgenommen wird. Der Trust stellt ein Monopol dar, in dem das Eigentum an allen beteiligten Betrieben vereinigt ist und deren Besitzer zu Teilhabern geworden sind, die entsprechend der Anzahl der ihnen gehörenden Anteile oder Aktien am Gewinn beteiligt sind. An der Spitze des Trusts steht eine Verwaltung, die die gesamte Produktion, den Absatz der Erzeugnisse und die finanziellen Angelegenheiten der früher selbstständigen Betriebe leitet. Die Trusts schließen sich häufig zu noch umfassenderen Verbänden, zu Konzernen, zusammen. Der Konzern ist eine Vereinigung einer Reihe von Betrieben verschiedener Industriezweige sowie von Handelsfirmen, Banken, Verkehrs- und Versicherungsgesellschaften auf der Grundlage gemeinsamer finanzieller Abhängigkeit von einer bestimmten Gruppe von Großkapitalisten.
Hinweis: Heute herrschen Konzerne, also finanzielle Abhängigkeiten vor. Kartellabsprachen sind offiziell verboten, gleichzeitig gibt es sie natürlich dennoch. Offiziell handelt das Kartellamt als staatliche Überwachungsstelle dahingehend, dass Absprachen über Preise, Absatzregionen und -gebiete usw. verboten sind. Praktisch erfüllt das Kartellamt oftmals die Funktion, entsprechend der Machtverhältnisse Zusammenschlüsse abzusegnen, ungewolltes ausländisches Kapital herauszuhalten oder Bündnisse von einigen Monopolen gegen andere Monopole zu verhindern.Die Monopole halten die Kommandohöhen in der Wirtschaft der kapitalistischen Länder besetzt. Sie haben die Schwerindustrie, viele Zweige der Leichtindustrie, Eisenbahnen und Schifffahrt, die Banken sowie den Binnen- und Außenhandel an sich gerissen und auch die Landwirtschaft in ihr Joch gezwungen.
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In ihrem Bestreben, den modernen Kapitalismus zu beschönigen, behaupteten die bürgerlichen Ökonomen lange Zeit, die Verbreitung der Monopole heile die bürgerliche Ordnung von solchen Übeln wie Konkurrenz, Anarchie der Produktion und Krisen. In Wirklichkeit aber kann der Imperialismus die Konkurrenz, die Anarchie der Produktion und die Krisen nicht nur nicht beseitigen, sondern verschärft sämtliche Widersprüche des Kapitalismus noch mehr.
Lenin wies darauf hin, dass der Imperialismus den Kapitalismus nicht von unten bis oben umgestalten kann. Bei Herrschaft der Monopole bleiben in allen kapitalistischen Ländern zahlreiche Mittel- und Kleinbetriebe erhalten, bl Q~‚