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zurück zu 3. Kapitel - Produktion


I.a) Entstehung von Mehrwert

Der Mehrwert ist der Teil des Arbeitstags, der für den Arbeiter unbezahlt ist, den sich der Kapitalist einverleibt. Der Mehrwert ist die einzige Einkunftsquelle für den Kapitalisten.

Der Mehrwert entsteht bei der Schaffung von Waren, die zur Bedürfnisbefriedung dienen. Dies geschieht vornehmlich in der Produktion von materiellen (bildlich gesprochen: „anfassbaren“) Dingen, aber auch bei sogenannten Dienstleistungen, soweit sie der Befriedigung menschlicher Bedürfnisse dienen (dies betrifft zum Beispiel auch den Genuss eines Theaterstücks oder einer Sportveranstaltung usw., sofern die Darsteller von einem Kapitalisten mit der Absicht der Mehrwertaneignung angestellt sind!).

Die Entstehung des Mehrwerts ist mit der Fertigstellung der Ware erfolgt und abgeschlossen. Damit hat der Kapitalist sich den Mehrwert zunächst angeeignet, aber noch nicht realisiert. Die Realisierung ist erst bei der Einnahme des Geldes (= G') geschehen. In dieser zeitlichen Differenz zwischen Entstehung und Realisierung liegt ein umfangreicher, komplexer und teils verwirrender Prozess, in welchem die Neuverteilung des Mehrwerts zwischen den Kapitalisten geschieht und der Mehrwert zu Profit wird. Marx nennt den Profit auch die verwandelte Form des Mehrwerts. Der entstandene Mehrwert wird in hartem Ringen zwischen den Kapitalisten verteilt und in Gestalt des Profits realisiert (= „auf dem Konto eingefahren“). Zur Vollständigkeit sei darauf hingewiesen, dass immer auch ein (in der Höhe schwankender) Teil des Mehrwerts nicht realisiert wird, weil Rechnungen nicht bezahlt werden oder die Ware auf Lager bleibt und nicht abgesetzt werden kann (Kapitalvernichtung).

Der entstandene Mehrwert, der in die Verteilung kommt und zu Profit wird, unterliegt in dieser Verteilung (bis zur Realisierung) drei wesentlichen Gesetzmäßigkeiten, die die Verteilung bewirken:
  • Die Neuverteilung zwischen den Produktionssphären in der Industrie aufgrund der Durchsetzung der Durchschnittsprofitrate.
  • Die Neuverteilung zwischen den ökonomischen Sphären durch die kapitalistische Arbeitsteilung in Industrie-, Handels- und Bankkapital.
  • Im imperialistischen Stadium des Kapitalismus (= monopolistischem Kapitalismus) tritt als Verteilungskomponente der Monopolprofit hinzu.


I.b) Umverteilung in der Industrie

Als die Zentralisation des Kapitals in der Mitte des 19. Jahrhunderts eine erste Stufe erreicht hatte, entstand die Möglichkeit, Kapital von einer Produktionssphäre in eine andere zu übertragen. Damit stellte sich für die anfangs jeweils nur in einem Zweig tätigen Kapitalisten zwangsläufig die Frage, ob ein Wechsel des Produktionszweigs (oder die Erweiterung in einen zweiten Bereich) rentabel sein würde („Mach ich weiter in Textilien oder lieber in Maschinenbau?“). Dies ist der Ursprung zur Bildung der Durchschnittsprofitrate. Für dieses Element der Neuverteilung (Umverteilung) des Mehrwerts wird davon ausgegangen, dass die Mehrwertrate gleich ist, also nicht von anderen Gesetzmäßigkeiten und Vorgängen beeinflusst wird. Dieses Vorgehen ist einerseits modellhaft, andererseits aber zwingend richtig, weil nur so die Einzelwirkung einer Gesetzmäßigkeit verdeutlicht (quasi: herausgeschält) werden kann. Im praktischen kapitalistischen Alltag wirken natürlich alle Gesetzesmäßigkeiten zeitgleich und teilweise auch konkurrierend aufeinander, entsprechend kommt die Wirkung einer Gesetzmäßigkeit nicht immer in voller Klarheit zum Tragen, sondern in der Regel „tendenziell“ (=> sie wirkt erkennbar in einer Tendenz, ist aber nicht der alleinige, einzige wirkende Vorgang). So wirken allein in der Frage „Neuverteilung des Mehrwerts“ - wie nachstehend gezeigt wird - bereits drei wesentliche Elemente zeitgleich aufeinander.

Zur weiteren Erläuterung der Neuverteilung des Mehrwerts zwischen den Produktionssphären hier ein Auszug aus dem Lehrbuch Politische Ökonomie (Kapitel XI, S. 182-186):

"Die Konkurrenz zwischen den Produktionssphären ist die Konkurrenz zwischen den Kapitalisten verschiedener Produktionszweige um die gewinnbringendste Kapitalanlage. Die in den verschiedenen Produktionszweigen angelegten Kapitale haben eine ungleiche organische Zusammensetzung. Da Mehrwert nur durch die Arbeit der Lohnarbeiter geschaffen wird, wird in den Unternehmen jener Zweige, wo eine niedrige organische Zusammensetzung des Kapitals überwiegt, bei gleich großem Kapital eine verhältnismäßig größere Masse Mehrwert erzeugt. In Unternehmen mit höherer organischer Zusammensetzung des Kapitals wird eine relativ geringere Mehrwertmasse produziert. Der Konkurrenzkampf zwischen den Kapitalisten verschiedener Zweige führt jedoch dazu, dass sich die Höhe des Profits auf gleiche Kapitale ausgleicht.

Nehmen wir an, dass in der Gesellschaft drei Zweige vorhanden sind - Lederindustrie, Textilindustrie und Maschinenbau - mit Kapitalen gleicher Größe, doch verschiedener organischer Zusammensetzung. Die Größe des vorgeschossenen Kapitals sei in jedem dieser Zweige gleich 100 Einheiten. Das Kapital in der Lederindustrie bestehe aus 70 Einheiten konstanten Kapitals und 30 Einheiten variablen, das Kapital in der Textilindustrie aus 80 Einheiten konstanten und 20 Einheiten variablen und das Kapital des Maschinenbaus aus 90 Einheiten konstanten und 10 Einheiten variablen Kapitals.



Die Mehrwertrate sei in allen drei Zweigen gleich und betrage 100 Prozent. Dann werden in der Lederindustrie 30 Einheiten Mehrwert, in der Textilindustrie 20 und im Maschinenbau 10 produziert.



Der Wert der Waren wird im ersten Zweig 130, im zweiten 120, im dritten 110 und in allen drei Zweigen zusammen 360 Einheiten ausmachen.



Werden die Waren zu ihrem Wert verkauft, so wird die Profitrate in der Lederindustrie 30 Prozent, in der Textilindustrie 20 Prozent und im Maschinenbau 10 Prozent betragen. Diese Verteilung des Profits erweist sich als äußerst vorteilhaft für die Kapitalisten der Lederindustrie (Anm. d. Verf.: welche mit weniger konstantem Kapital, insbesondere Maschinen, agieren!), doch als sehr unvorteilhaft für die Kapitalisten des Maschinenbaus. Unter diesen Umständen werden die Unternehmer des Maschinenbaus eine vorteilhaftere Anlage für ihr Kapital suchen. Diese Anlage für ihr Kapital finden sie in der Lederindustrie. Es kommt zu einer Übertragung von Kapital aus der des Maschinenbaus in die Lederindustrie. Dadurch wird die in der Lederindustrie hergestellte Warenmenge wachsen, die Konkurrenz wird sich unweigerlich verschärfen, und die Unternehmer dieses Zweigs werden gezwungen, die Preise für ihre Waren herabzusetzen. Umgekehrt im Maschinenbau. Hier wird sich die Menge der erzeugten Waren verringern, und das veränderte Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage wird den Unternehmern ermöglichen, die Preise für ihre Waren heraufzusetzen.

Das Fallen der Preise in der Lederindustrie und das Steigen der Preise im Maschinenbau werden sich solange fortsetzen, bis die Profitrate in allen drei Zweigen annähernd gleich groß ist. Das wird dann eintreten, wenn die Waren aller drei Zweige zu 120 Einheiten (120 = (130+120+110):3 = 360:3) verkauft werden. Der Durchschnittsprofit wird unter diesen Bedingungen in jeder Sphäre gleich 20 Einheiten sein. Der Durchschnittsprofit ist der gleiche Profit auf gleich große Kapitale, die in verschiedenen Produktionssphären angelegt sind.



Es erfolgte die Übertragung von 10 Einheiten M von der Lederindustrie auf den Maschinenbau:



Demnach bewirkt die Konkurrenz zwischen den Produktionssphären eine Ausgleichung der unterschiedlichen Profitraten in den verschiedenen Zweigen der kapitalistischen Produktion zu einer allgemeinen (oder Durchschnitts-) Profitrate. Diese Ausgleichung geschieht dadurch, dass Kapital (und folglich auch Arbeit) aus den einen Zweigen in andere übertragen wird.

Mit Herausbildung der Durchschnittsprofitrate gehen die Kapitalisten der einen Produktionszweige (in unserem Beispiel der Lederindustrie) eines Teils des von ihren Arbeitern geschaffenen Mehrwerts verlustig. Dafür realisieren die Kapitalisten der anderen Zweige (in unserem Beispiel der Maschinenbau) einen zusätzlichen Mehrwert. Das bedeutet, dass die ersten ihre Waren zu Preisen unter dem Wert, die zweiten zu Preisen über dem Wert verkaufen. Der Preis für die Waren jedes Zweigs wird jetzt aus dem Kostpreis (100 Einheiten) und dem Durchschnittsprofit (20 Einheiten) gebildet.

Der Preis, welcher gleich ist dem Kostpreis plus dem Durchschnittsprofit, ist der Produktionspreis. In den einzelnen Unternehmen eines Produktionszweigs bestehen infolge unterschiedlicher Produktionsbedingungen verschiedene, individuelle Produktionspreise, die durch die individuellen Kostpreise plus den Durchschnittsprofit bestimmt werden. Doch werden die Waren im Durchschnitt zu einem allgemeinen, gleichen Produktionspreis realisiert.

Die Bildung der Durchschnittsprofitrate und des Produktionspreises lässt sich durch folgende Tabelle veranschaulichen:

Produktions- zweig

Konstantes Kapital

Variables Kapital

Mehrwert

Warenwert

Durchschnitts- profitrate in %

Produktions- preis der Waren

Abweichung des Produktions- preises vom Wert

Lederindustrie

Textilindustrie

Maschinenbau

70

80

90

30

20

10

30

20

10

130

120

110

20

20

20

120

120

120

-10

gleich

+10

insgesamt

240

60

60

360

20

360




Die Waren aus allen drei Zweigen werden zu je 120 Einheiten verkauft. Aber der Wert der Waren in der Lederindustrie beträgt 130 Einheiten, in der Textilindustrie 120 und im Maschinenbau 110 Einheiten. Zum Unterschied von der einfachen Warenproduktion werden die Waren im Kapitalismus schon nicht mehr zu Preisen, die ihren Werten, sondern zu Preisen, die den ProduktionspreiseÀµ,—&VÀµ,—&V`긖&Vª—&V(¶,—&Vàµ,—&V@àµ,—&Vhistorischen Entwicklung der kapitalistischen Produktion. Unter den Verhältnissen der einfachen Warenproduktion entsprachen die Marktpreise der Waren im Großen und Ganzen ihren Werten. Auf den ersten Stufen der Entwicklung des Kapitalismus blieben noch bedeutende Unterschiede in den Profitraten der verschiedenen Produktionszweige bestehen, weil die einzelnen Zweige noch ungenügend miteinander verbunden waren, weil noch Zunft- und andere Schranken bestanden, die die freie Übertragung der Kapitale aus einer Sphäre in die andere behinderten. Die Herausbildung der Durchschnittsprofitrate und die Verwandlung des Wertes in den Produktionspreis wird erst mit dem Sieg der kapitalistischen maschinellen Industrie vollendet.

Die bürgerlichen Ökonomen versuchen, die Arbeitswerttheorie von Marx mit dem Hinweis darauf zu widerlegen, dass sich Produktionspreise und Warenwerte in den einzelnen Zweigen nicht decken. Doch in Wirklichkeit bleibt unter den kapitalistischen Verhältnissen das Wertgesetz voll in Kraft, denn der Produktionspreis ist nur eine verwandelte Form des Werts. Das wird durch folgende Umstände erhärtet.

Erstens. Die einen Unternehmer verkaufen ihre Waren über ihrem Wert, die anderen darunter, doch alle Kapitalisten zusammengenommen realisieren die Gesamtmasse des Wertes ihrer Waren. Im Rahmen der ganzen Gesellschaft ist die Summe der Produktionspreise gleich der Summe der Werte aller Waren.

Zweitens. Die Summe der Profite der gesamten Kapitalistenklasse ist gleich der Summe des Mehrwerts, der von der gesamten unbezahlten Arbeit des Proletariats produziert wurde. Die Größe der Durchschnittsprofitrate hängt von der Größe des in der Gesellschaft produzierten Mehrwerts ab.

Drittens. Ein Sinken des Wertes der Waren führt zu einem Sinken ihrer Produktionspreise, und ein Steigen des Wertes der Waren führt zu einem Steigen ihrer Produktionspreise.1

In der kapitalistischen Gesellschaft wirkt somit das Gesetz der Durchschnittsprofitrate, das darin besteht, dass die verschiedenen Profitraten, die von den Unterschieden in der organischen Zusammensetzung des Kapitals in den verschiedenen Produktionszweigen herrühren, durch die Konkurrenz zu einer allgemeinen (durchschnittlichen) Profitrate ausgeglichen werden. Das Gesetz der Durchschnittsprofitrate setzt sich wie alle Gesetze der kapitalistischen Produktionsweise elementar, unter zahllosen Abweichungen und Schwankungen durch. Um die gewinnbringendste Anlage des Kapitals spielt sich unter den Kapitalisten ein erbitterter Konkurrenzkampf ab. Die Kapitalisten streben danach, ihre Kapitale in jenen Produktionszweigen anzulegen, die ihnen einen höheren Profit verheißen. Auf der Jagd nach hohem Profit wird Kapital aus einem Zweig in den anderen übertragen, und eben dadurch wird die Durchschnittsprofitrate hergestellt.

So werden auf der Basis des Gesetzes der Durchschnittsprofitrate die Arbeit und die Produktionsmittel auf die verschiedenen Zweige der kapitalistischen Produktion verteilt. Folglich wirkt im entwickelten Kapitalismus das Wertgesetz über den Produktionspreis als elementarer Regulator der Produktion.

Der Produktionspreis ist jene Durchschnittsgröße, um die letzten Endes die Marktpreise der Waren schwanken, das heißt die Preise, zu denen die Waren tatsächlich auf dem Markt verkauft und gekauft werden.

Die Ausgleichung der Profitrate und die Verwandlung des Wertes in den Produktionspreis verschleiert noch stärker das Ausbeutungsverhältnis, verdeckt noch mehr die wirkliche Bereicherungsquelle der Kapitalisten. „Der wirkliche Größenunterschied zwischen Profit und Mehrwert... in den besonderen Produktionssphären versteckt nun völlig die wahre Natur und den Ursprung des Profits, nicht nur für den Kapitalisten, der hier ein besonderes Interesse hat sich zu täuschen, sondern auch für den Arbeiter. Mit der Verwandlung der Werte in Produktionspreise wird die Grundlage der Wertbestimmung selbst dem Auge entrückt.“2

In Wirklichkeit bedeutet die Bildung der Durchschnittsprofitrate die Neuverteilung des Mehrwerts zwischen den Kapitalisten der verschiedenen Produktionszweige. Ein Teil des in Zweigen mit niedriger organischer Zusammensetzung des Kapitals geschaffenen Mehrwerts wird von den Kapitalisten in den Zweigen mit hoher organischer Zusammensetzung des Kapitals angeeignet. Die Arbeiter werden also nicht nur von den Kapitalisten, bei denen sie arbeiten, ausgebeutet, sondern von der Kapitalistenklasse insgesamt.3 Die ganze Kapitalistenklasse ist an einer Erhöhung des Ausbeutungsgrades der Arbeiter interessiert, weil das zu einer Vergrößerung der Durchschnittsprofitrate führt. Wie Marx lehrt, hängt die Durchschnittsprofitrate von dem Ausbeutungsgrad der Gesamtarbeit durch das Gesamtkapital ab.

Das Gesetz der Durchschnittsprofitrate drückt einerseits die Gegensätze und den Konkurrenzkampf zwischen den industriellen Kapitalisten um die Aufteilung des Mehrwerts und anderseits den tiefen Antagonismus der zwei einander feindlich gegenüberstehenden Klassen, der Bourgeoisie und des Proletariats, aus. Es beweist, dass in der kapitalistischen Gesellschaft die Bourgeoisie als Klasse dem Proletariat in seiner Gesamtheit gegenübersteht, dass der Kampf für Teilinteressen der Arbeiter oder einzelner Arbeitergruppen, der Kampf gegen einzelne Kapitalisten nicht zu einer grundlegenden Veränderung der Lage der Arbeiterklasse führen kann. Die Arbeiterklasse kann das Joch des Kapitals nur abwerfen, indem sie die Bourgeoisie als Klasse stürzt, indem sie das System der kapitalistischen Ausbeutung selbst vernichtet.
"

I.c) Gesamtgesellschaftliche Umverteilung

Im Abschnitt IV. b) wurde die Neuverteilung des Mehrwerts zwischen verschiedenen Produktionssphären (-bereichen, Branchen) dargestellt. Bereits zwischen den produzierenden Kapitalisten gibt es somit eine massive Umverteilung des Mehrwerts. Der Mehrwert entsteht dabei immer und ausschließlich bereits im konkreten Produktionsvorgang. Die Entstehung des Mehrwerts ist unabhängig von seiner Realisierung (ein - schwankend großer - Teil des Mehrwerts wird jeweils nicht realisiert durch Unverkäuflichkeit der Waren, Nichtbezahlung der Ware usw.).

Im fortschreitenden Verlauf des Kapitalismus vertieft sich die Arbeitsteilung auch zwischen den Kapitalisten, wichtige Funktionen für die Produktionsausweitung treten hinzu und verstärken ihr Gewicht. So erfolgt die Abtrennung des Handels mit (insbesondere) Konsumgütern von der Produktion, es entstehen mit wachsender Bedeutung Handelskapitalisten neben den Produktionskapitalisten. Ebenso erlangen die Bankkapitalisten wichtige Bedeutung und bauten ihre Position recht schnell zu einer zentralen Funktion innerhalb der kapitalistischen Wirtschaft aus. Die - zunächst neu - neben die Produktionskapitalisten hinzutretenden Handels- und Bankkapitalisten fordern für ihr eingesetztes Kapital ebenso eine Rendite, einen Profit.4 Dieser Profit kann sich nur aus dem in der Produktion entstandenen Mehrwert realisieren, die Produktionskapitalisten müssen zwangsläufig einen (historisch betrachtet steigenden Anteil) des Mehrwerts an die anderen Kapitalgruppen abtreten. Der Mehrwert wird hierdurch zusätzlich (zu der bereits in Abschnitt A. beschriebenen Funktion) zu seiner verwandelten und neuverteilten Form des Profits!

Die erweiterte Verteilung des Mehrwerts zu Profit zeigen wir an folgenden Beispielen:

Sphäre

Beispiel

konstantes Kapital

variables Kapital

Mehrwert

Mehrwert- rate

Profit

Durchschnitts- profitrate

Umverteilung Mehrwert zu Profit

Produktion Stahl

ThyssenKrupp

80

20

20

100%

20

20%

0

Produktion Handwerk

Schreiner X

60

40

40

100%

20

20%

-20

Handel

Aldi

40

60

0

0%

20

20%

+20

Bank

Deutsche Bank

50

50

0

0%

20

20%

+20

Tele- kommunikation

T-Online

60

40

40

100%

20

20%

-20

gesamt

-

290210

500

100

~48%

100

20%

-



Die Handelskapitalisten erhalten als Profit eine Teil des Mehrwerts, der in der Produktion entsteht. Sie schlagen somit entgegen der Formulierung des Volksmunds nicht „etwas drauf“ oder Ähnliches, sie erhalten einen Mehrwertanteil, weil sie die Verteilung und den Verkauf der produzierten Waren übernehmen.

Die Bankkapitalisten erhalten als Zins ebenfalls einen Teil des Mehrwerts. Sie leihen dem Produktionskapitalisten Kapital, damit dieser seine Produktion ausweiten (oder überhaupt beginnen) kann. Hierfür fordern sie in Form des Zins einen Teil des Mehrwerts.

Die Eigentümer von Grund und Boden und Gebäuden erhalten Pacht oder Miete, auch ihr Profit ist letztlich ein Teil des Mehrwerts.5

Die Ergebnisse dieser Neuverteilung des Mehrwerts sind nicht zuletzt abhängig von der Größe und ökonomischen Macht der einzelnen, beteiligten Kapitalisten. Wichtig bei allen Betrachtungen zu der Neuverteilung oder Wandlung des Mehrwerts in den Profit ist jedoch, nie zu vergessen, dass am Ende der Kette die Summe der Profite der Summe der Mehrwerts entsprechen muss! Der Profit ist dabei die einzig greifbare oder zählbare Maßeinheit, verkörpert aber in dieser Erscheinungsform immer den realisierten Mehrwert in Summe. Jeder Profit braucht somit eine reale Wurzel (auch wenn diese nur mittelbar und indirekt ist).6

Im historischen Verlauf stieg die Rolle und Macht der Handels- und Bankkapitalisten an, die historisch früher entstandenen Produktionskapitalisten müssen im Verlauf der Entwicklung einen größeren Teil des Mehrwerts an die anderen abtreten. Dies resultiert unter Anderem aus der größeren Bedeutung des Massenkonsums, da Massenkonsum eine aufwendigere Verteilung beinhaltet. Eine einzelne Maschine kann ohne Zwischenhändler direkt verkauft werden, die Verbringung (Verteilung) eines Liters Milch von der Molkerei zum Endverbraucher ist jedoch mengenmäßig so klein, dass mehrere Ebenen dazwischen erforderlich sind (Groß- und Einzelhändler -> Supermärkte).

Die logische Tendenz, nach der die Händler und Banken einen gegenüber den Anfängen des Kapitalismus gestiegenen Mehrwertanteil erhalten, ist immer wieder Ansatzpunkt für reaktionäre oder faschistische Propaganda, die Produktion und Handel teilen und in gutes „schaffendes“ Kapital (Produktion) und schlechtes/schädliches „raffendes“ Kapital (Banken und Handel) unterscheiden. Leider setzen auch manche - teils durchaus fortschrittlich und kapitalismuskritisch gemeinte - Aussagen von Linken an diesem Punkt an. Dies ist politisch hart abzulehnen, weil es uns in die Verbindung mit einem Teil der Kapitalisten bringt. Sich mit einem Teil seiner Feinde irgendwie zu verbünden, zumindest aber die Feinde derart zu differenzieren, bringt einen in Teufels Küche. Unabhängig davon ist der Ansatz aber auch ökonomischer Unsinn, weil Banken und Handel zunächst einmal notwendig sind, bzw. im Kapitalismus ihre heute erlangte Funktion benötigt wird. Überdies ist es aufgrund der Verschmelzung von Bank-, Industrie- und Handelskapital zum Finanzkapital ohnehin faktisch untrennbar. Zu der Bedeutung der monopolistischen Verschmelzung im fortgeschrittenen Kapitalismus (Imperialismus) und seiner Bedeutung für die Neuverteilung des Mehrwerts wird weiter unten in Kapitel VI noch Stellung genommen.

Zur Ausführung der Neuverteilung des Mehrwerts zwischen den Gruppen von Kapitalisten ebenfalls ein Auszug aus dem Lehrbuch Politische Ökonomie (Kapitel XIV, S. 226-228):

Die Verteilung des Nationaleinkommens. Jeder Produktionsweise entsprechen historisch bestimmte Verteilungsformen. Die Verteilung des Nationaleinkommens im Kapitalismus wird dadurch bestimmt, dass das Eigentum an den Produktionsmitteln in den Händen der Kapitalisten und Grundeigentümer konzentriert ist... Infolgedessen wird das Nationaleinkommen nicht im Interesse der Werktätigen, sondern im Interesse der Ausbeuterklassen verteilt.

Im Kapitalismus gelangt das durch die Arbeiter erzeugte Nationaleinkommen zuerst in die Hände der industriellen Kapitalisten (einschließlich der kapitalistischen Unternehmer in der Landwirtschaft). Die industriellen Kapitalisten, die die erzeugten Waren realisieren, erhalten die Gesamtsumme des darin enthaltenen Wertes, darunter den Betrag des variablen Kapitals und des Mehrwerts. Das variable Kapital verwandelt sich in Arbeitslohn, den die industriellen Kapitalisten den in der Produktion beschäftigten Arbeitern zahlen. Der Mehrwert bleibt in Händen der industriellen Kapitalisten; aus ihm bilden sich die Einkommen aller Gruppen der Ausbeuterklassen. Ein Teil des Mehrwerts verwandelt sich in den Profit der industriellen Kapitalisten. Einen Teil des Mehrwerts treten die industriellen Kapitalisten den Handelskapitalisten als kommerziellen Profit und den Bankiers als Zins ab. Einen Teil des Mehrwerts geben die industriellen Kapitalisten den Grundeigentümern als Grundrente.

Schematisch kann diese Verteilung des Nationaleinkommens auf die verschiedenen Klassen der kapitalistischen Gesellschaft folgendermaßen dargestellt werden (in Milliarden Dollar oder Mark):

Zur Verteilung gelangt auch jener Teil des Nationaleinkommens, der im gegebenen Zeitabschnitt durch die Arbeit der Bauern und Handwerker geschaffen wurde. Einen Teil davon bekommen die Bauern und Handwerker selbst, einen anderen die Kapitalisten (Großbauern, Aufkäufer, Kaufleute, Bankiers usw.), einen dritten die Grundeigentümer.

Das Einkommen der Werktätigen beruht auf ihrer individuellen Arbeit und ist Arbeitseinkommen. Die Quelle für das Einkommen der Ausbeuterklassen ist die Arbeit der Arbeiter sowie der Bauern und Handwerker. Das Einkommen der Kapitalisten und Grundeigentümer beruht auf der Ausbeutung fremder Arbeit und ist nicht erarbeitetes Einkommen.

Im Prozess der weiteren Verteilung des Nationaleinkommens wird das nicht erarbeitete Einkommen der Ausbeuterklassen noch vergrößert. Ein Teil des Einkommens der Bevölkerung, in erster Linie der werktätigen Klassen, wird mittels des Staatshaushalts neu verteilt und im Interesse der Ausbeuterklassen verwendet. So verwandelt sich der Einkommensteil der Arbeiter und Bauern, der in Gestalt von Steuern in den Staatshaushalt fließt, in zusätzliches Einkommen der Kapitalisten und in das Einkommen der Beamten. Die den Werktätigen von den Ausbeuterklassen aufgebürdete Steuerlast wächst rapide.

[...]

Die Neuverteilung des Nationaleinkommens mittels des Haushalts und der hohen Preise für Dienstleistungen verstärken die Verelendung der Werktätigen.

Im Ergebnis des gesamten Verteilungsprozesses zerfällt das Nationaleinkommen in zwei Teile: 1. das Einkommen der Ausbeuterklassen und 2. das Einkommen der Werktätigen sowohl in den Zweigen der materiellen Produktion als auch in den nichtproduzierenden Zweigen.

Zur Verdeutlichung des aktuellen Stands der Verteilung des Nationaleinkommens in Deutschland, haben wir - angelehnt an die obige Verteilungsgrafik - eine entsprechende Verteilung für 2007 nachstehend ermittelt. Hierbei ist aus verschiedenen Gründen keine absolute Genauigkeit erreichbar, teilweise müssen wir auf Schätzungen zurückgreifen. Die Übersicht gibt somit einen groben Überblick über die jeweiligen Verhältnisgrößen in dem Untersuchungsgebiet und -zeitraum. (alle Zahlenangaben in Mrd. Euro)


weiter zu 5. Kapitel - Fall der Profitrate


Anmerkungen:
1 Allerdings sind in seltenen, speziellen Fällen Ausnahmen von dieser Regel denkbar. - Anm. d. Verf.
2 Karl Marx, „Das Kapital“, Dritter Band, in MEW, Band 25, S. 177f.
3 Alle Hervorhebungen durch die Verfasser.
4 Daneben ist insbesondere noch die Gruppe der Kapitalisten zu erwähnen, die Eigentum an Grund und Boden sowie an Gebäuden besitzt.
5 Der Vollständigkeit halber sei noch auf die Bergwerksrente hingewiesen. Diese Einkunftsart des Kapitals, dieser Teil des Mehrwerts fällt heute insbesondere den Energie- und Rohstoffkonzernen zu, die beispielsweise Öl und Gas fördern.
6 Die Gleichung Mehrwert = Profit mag dabei vorübergehend einmal nicht voll aufgehen, der Profit weicht also geringfügig vom Mehrwert nach oben oder unten ab, er schwankt um den Mehrwert. Dies muss sich jedoch in der Summe wieder anpassen, notfalls über die Kapitalvernichtung in großem Stil.