I.a) Entstehung von Mehrwert Der Mehrwert ist der Teil des Arbeitstags, der für den Arbeiter unbezahlt ist, den sich der Kapitalist einverleibt. Der Mehrwert ist die einzige Einkunftsquelle für den Kapitalisten. Der Mehrwert entsteht bei der Schaffung von Waren, die zur Bedürfnisbefriedung dienen. Dies geschieht vornehmlich in der Produktion von materiellen (bildlich gesprochen: anfassbaren) Dingen, aber auch bei sogenannten Dienstleistungen, soweit sie der Befriedigung menschlicher Bedürfnisse dienen (dies betrifft zum Beispiel auch den Genuss eines Theaterstücks oder einer Sportveranstaltung usw., sofern die Darsteller von einem Kapitalisten mit der Absicht der Mehrwertaneignung angestellt sind!). Die Entstehung des Mehrwerts ist mit der Fertigstellung der Ware erfolgt und abgeschlossen. Damit hat der Kapitalist sich den Mehrwert zunächst angeeignet, aber noch nicht realisiert. Die Realisierung ist erst bei der Einnahme des Geldes (= G') geschehen. In dieser zeitlichen Differenz zwischen Entstehung und Realisierung liegt ein umfangreicher, komplexer und teils verwirrender Prozess, in welchem die Neuverteilung des Mehrwerts zwischen den Kapitalisten geschieht und der Mehrwert zu Profit wird. Marx nennt den Profit auch die verwandelte Form des Mehrwerts. Der entstandene Mehrwert wird in hartem Ringen zwischen den Kapitalisten verteilt und in Gestalt des Profits realisiert (= auf dem Konto eingefahren). Zur Vollständigkeit sei darauf hingewiesen, dass immer auch ein (in der Höhe schwankender) Teil des Mehrwerts nicht realisiert wird, weil Rechnungen nicht bezahlt werden oder die Ware auf Lager bleibt und nicht abgesetzt werden kann (Kapitalvernichtung). Der entstandene Mehrwert, der in die Verteilung kommt und zu Profit wird, unterliegt in dieser Verteilung (bis zur Realisierung) drei wesentlichen Gesetzmäßigkeiten, die die Verteilung bewirken: - Die Neuverteilung zwischen den Produktionssphären in der Industrie aufgrund der Durchsetzung der Durchschnittsprofitrate.
- Die Neuverteilung zwischen den ökonomischen Sphären durch die kapitalistische Arbeitsteilung in Industrie-, Handels- und Bankkapital.
- Im imperialistischen Stadium des Kapitalismus (= monopolistischem Kapitalismus) tritt als Verteilungskomponente der Monopolprofit hinzu.
I.b) Umverteilung in der IndustrieAls die Zentralisation des Kapitals in der Mitte des 19. Jahrhunderts eine erste Stufe erreicht hatte, entstand die Möglichkeit, Kapital von einer Produktionssphäre in eine andere zu übertragen. Damit stellte sich für die anfangs jeweils nur in einem Zweig tätigen Kapitalisten zwangsläufig die Frage, ob ein Wechsel des Produktionszweigs (oder die Erweiterung in einen zweiten Bereich) rentabel sein würde (Mach ich weiter in Textilien oder lieber in Maschinenbau?). Dies ist der Ursprung zur Bildung der Durchschnittsprofitrate. Für dieses Element der Neuverteilung (Umverteilung) des Mehrwerts wird davon ausgegangen, dass die Mehrwertrate gleich ist, also nicht von anderen Gesetzmäßigkeiten und Vorgängen beeinflusst wird. Dieses Vorgehen ist einerseits modellhaft, andererseits aber zwingend richtig, weil nur so die Einzelwirkung einer Gesetzmäßigkeit verdeutlicht (quasi: herausgeschält) werden kann. Im praktischen kapitalistischen Alltag wirken natürlich alle Gesetzesmäßigkeiten zeitgleich und teilweise auch konkurrierend aufeinander, entsprechend kommt die Wirkung einer Gesetzmäßigkeit nicht immer in voller Klarheit zum Tragen, sondern in der Regel tendenziell (=> sie wirkt erkennbar in einer Tendenz, ist aber nicht der alleinige, einzige wirkende Vorgang). So wirken allein in der Frage Neuverteilung des Mehrwerts - wie nachstehend gezeigt wird - bereits drei wesentliche Elemente zeitgleich aufeinander. Zur weiteren Erläuterung der Neuverteilung des Mehrwerts zwischen den Produktionssphären hier ein Auszug aus dem Lehrbuch Politische Ökonomie (Kapitel XI, S. 182-186): " Die Konkurrenz zwischen den Produktionssphären ist die Konkurrenz zwischen den Kapitalisten verschiedener Produktionszweige um die gewinnbringendste Kapitalanlage. Die in den verschiedenen Produktionszweigen angelegten Kapitale haben eine ungleiche organische Zusammensetzung. Da Mehrwert nur durch die Arbeit der Lohnarbeiter geschaffen wird, wird in den Unternehmen jener Zweige, wo eine niedrige organische Zusammensetzung des Kapitals überwiegt, bei gleich großem Kapital eine verhältnismäßig größere Masse Mehrwert erzeugt. In Unternehmen mit höherer organischer Zusammensetzung des Kapitals wird eine relativ geringere Mehrwertmasse produziert. Der Konkurrenzkampf zwischen den Kapitalisten verschiedener Zweige führt jedoch dazu, dass sich die Höhe des Profits auf gleiche Kapitale ausgleicht.
Nehmen wir an, dass in der Gesellschaft drei Zweige vorhanden sind - Lederindustrie, Textilindustrie und Maschinenbau - mit Kapitalen gleicher Größe, doch verschiedener organischer Zusammensetzung. Die Größe des vorgeschossenen Kapitals sei in jedem dieser Zweige gleich 100 Einheiten. Das Kapital in der Lederindustrie bestehe aus 70 Einheiten konstanten Kapitals und 30 Einheiten variablen, das Kapital in der Textilindustrie aus 80 Einheiten konstanten und 20 Einheiten variablen und das Kapital des Maschinenbaus aus 90 Einheiten konstanten und 10 Einheiten variablen Kapitals.
Die Mehrwertrate sei in allen drei Zweigen gleich und betrage 100 Prozent. Dann werden in der Lederindustrie 30 Einheiten Mehrwert, in der Textilindustrie 20 und im Maschinenbau 10 produziert.
Der Wert der Waren wird im ersten Zweig 130, im zweiten 120, im dritten 110 und in allen drei Zweigen zusammen 360 Einheiten ausmachen.
Werden die Waren zu ihrem Wert verkauft, so wird die Profitrate in der Lederindustrie 30 Prozent, in der Textilindustrie 20 Prozent und im Maschinenbau 10 Prozent betragen. Diese Verteilung des Profits erweist sich als äußerst vorteilhaft für die Kapitalisten der Lederindustrie (Anm. d. Verf.: welche mit weniger konstantem Kapital, insbesondere Maschinen, agieren!), doch als sehr unvorteilhaft für die Kapitalisten des Maschinenbaus. Unter diesen Umständen werden die Unternehmer des Maschinenbaus eine vorteilhaftere Anlage für ihr Kapital suchen. Diese Anlage für ihr Kapital finden sie in der Lederindustrie. Es kommt zu einer Übertragung von Kapital aus der des Maschinenbaus in die Lederindustrie. Dadurch wird die in der Lederindustrie hergestellte Warenmenge wachsen, die Konkurrenz wird sich unweigerlich verschärfen, und die Unternehmer dieses Zweigs werden gezwungen, die Preise für ihre Waren herabzusetzen. Umgekehrt im Maschinenbau. Hier wird sich die Menge der erzeugten Waren verringern, und das veränderte Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage wird den Unternehmern ermöglichen, die Preise für ihre Waren heraufzusetzen.
Das Fallen der Preise in der Lederindustrie und das Steigen der Preise im Maschinenbau werden sich solange fortsetzen, bis die Profitrate in allen drei Zweigen annähernd gleich groß ist. Das wird dann eintreten, wenn die Waren aller drei Zweige zu 120 Einheiten (120 = (130+120+110):3 = 360:3) verkauft werden. Der Durchschnittsprofit wird unter diesen Bedingungen in jeder Sphäre gleich 20 Einheiten sein. Der Durchschnittsprofit ist der gleiche Profit auf gleich große Kapitale, die in verschiedenen Produktionssphären angelegt sind.
Es erfolgte die Übertragung von 10 Einheiten M von der Lederindustrie auf den Maschinenbau:
Demnach bewirkt die Konkurrenz zwischen den Produktionssphären eine Ausgleichung der unterschiedlichen Profitraten in den verschiedenen Zweigen der kapitalistischen Produktion zu einer allgemeinen (oder Durchschnitts-) Profitrate. Diese Ausgleichung geschieht dadurch, dass Kapital (und folglich auch Arbeit) aus den einen Zweigen in andere übertragen wird.
Mit Herausbildung der Durchschnittsprofitrate gehen die Kapitalisten der einen Produktionszweige (in unserem Beispiel der Lederindustrie) eines Teils des von ihren Arbeitern geschaffenen Mehrwerts verlustig. Dafür realisieren die Kapitalisten der anderen Zweige (in unserem Beispiel der Maschinenbau) einen zusätzlichen Mehrwert. Das bedeutet, dass die ersten ihre Waren zu Preisen unter dem Wert, die zweiten zu Preisen über dem Wert verkaufen. Der Preis für die Waren jedes Zweigs wird jetzt aus dem Kostpreis (100 Einheiten) und dem Durchschnittsprofit (20 Einheiten) gebildet.
Der Preis, welcher gleich ist dem Kostpreis plus dem Durchschnittsprofit, ist der Produktionspreis. In den einzelnen Unternehmen eines Produktionszweigs bestehen infolge unterschiedlicher Produktionsbedingungen verschiedene, individuelle Produktionspreise, die durch die individuellen Kostpreise plus den Durchschnittsprofit bestimmt werden. Doch werden die Waren im Durchschnitt zu einem allgemeinen, gleichen Produktionspreis realisiert.
Die Bildung der Durchschnittsprofitrate und des Produktionspreises lässt sich durch folgende Tabelle veranschaulichen:
Produktions- zweig | Konstantes Kapital | Variables Kapital | Mehrwert | Warenwert | Durchschnitts- profitrate in % | Produktions- preis der Waren | Abweichung des Produktions- preises vom Wert | Lederindustrie Textilindustrie Maschinenbau | 70 80 90 | 30 20 10 | 30 20 10 | 130 120 110 | 20 20 20 | 120 120 120 | -10 gleich +10 | insgesamt | 240 | 60 | 60 | 360 | 20 | 360 |
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Die Waren aus allen drei Zweigen werden zu je 120 Einheiten verkauft. Aber der Wert der Waren in der Lederindustrie beträgt 130 Einheiten, in der Textilindustrie 120 und im Maschinenbau 110 Einheiten. Zum Unterschied von der einfachen Warenproduktion werden die Waren im Kapitalismus schon nicht mehr zu Preisen, die ihren Werten, sondern zu Preisen, die den ProduktionspreiseÀµ,&V | |