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Am 28. August 2003, wenige Wochen nach seinem 75. Geburtstag, der ihm Lob (häufig von der falschen Seite), Kritik und Tadel (von der gleichen, diesmal richtigen Seite) einbrachte, starb Peter Hacks nach langer Krankheit in Berlin.

Am 21. März 1928 wurde er als Sohn eines Anwalts in schlesischen Breslau (heute polnisch: Wroclaw) geboren. Nach dem Weltkrieg zog die Familie nach Westdeutschland, zuerst nach Wuppertal, dann nach Dachau. Hacks studierte in München Soziologie, Philosophie, Literatur und Theaterwissenschaft und promovierte 1951 mit der Arbeit "Das Theaterstück des Biedermeier (1815-1840)". Anfang der fünfziger Jahre arbeitete er für den Rundfunk, für Kabaretts und Kleinbühnen. 1954 gewann er den "Wettbewerb für junge Autoren der Stadt München". Das prämierte Stück "Eröffnung des indischen Zeitalters" wurde an den Münchner Kammerspielen uraufgeführt. Es beeindruckte Bertolt Brecht so sehr, dass er Peter Hacks nach Ost-Berlin holte und zur Mitarbeit für das "Berliner Ensemble" gewann. Hacks schrieb dort und für Brechts Ensemble eine vielbeachtete Übersetzung des Kultstückes "Der Held der westlichen Welt" des irischen John Millington Synge.

Trotz der Einladung durch Bert Brecht wurde er nicht - wie viele andere - zu dessen Epigonen, sonder stritt sich mit B.B. über dessen Dramentheorie. 1955, als angeblich sensible und verfolgte Autoren "aus dem Osten in den Westen rübermachten", machte er es umgekehrt und übersiedelte endgültig in die DDR. Er arbeitete mit Wolfgang Langhoff am Deutschem Theater zusammen, wo u.a. die Stücke "Die Schlacht bei Lobositz" (1956) und "Der Müller von Sanssouci" (1958) uraufgeführt wurden. Obwohl seine dramatische Konzeption von einer "sozialistischen Klassik" sowohl in der DDR als auch in der BRD auf viel Kritik, wenn auch unterschiedlicher Ausrichtung stieß, wurden seine folgenden Stücke sowohl im Westen "Die schöne Helena" (1964), "Polly oder Die Bataille am Bluewater Creek" (1965), "Moritz Tasso" (1965), "Schuhu oder Die fliegende Prinzessin" (1966), "Das Volksbuch vom Herzog Ernst oder Der Held und sein Gefolge" (1967), "Amphitryon" (1968), "Margarete in Aix" (1969) und "Omphale" (1970) als auch im Osten erfolgreich gespielt. Somit avancierte er in den 60er und 70er Jahren zu den meist gespielten deutschsprachigen Bühnenautoren. Seine Theorie von der sozialistischen Klassik, dass es um eine neue Literatur gehe, weil der Sozialismus gesiegt habe und die gesellschaftlichen Widersprüche nun andere als im Kapitalismus seien, stieß nicht zuletzt bei Heiner Müller auf Widerspruch. Die beiden dramatischen Konkurrenten schenkten einander nichts. In einem von Hacks späteren Epigrammen heißt es: Alle abscheulichen Stücke / Schrieb Heiner Müller bereits, alle erhabenen ich.

Hacks verstand sich als überzeugter Kommunist, dennoch oder gerade deswegen geriet er auch mit der Staatsmacht mehr als einmal in Konflikt: So wurde sein 1962 uraufgeführtes Stück "Die Sorgen und die Macht" beispielsweise, anlässlich der Ostberliner Festtage von Wolfgang Langhoff am Deutschen Theater inszeniert, Anfang 1963 wieder abgesetzt, da es nach (völlig falscher) Auffassung von SED-Kulturpolitikern die Arbeiterklasse verunglimpfe. In Wahrheit hatte er den Weg der "Bitterfelder Konferenz" des DDR-Schriftstellerverbandes, wonach die Schriftsteller aus dem prallen Leben der Arbeiter, aus der Sphäre der Produktion berichten sollten, besser verstanden als die meisten seiner KollegInnen und die meisten der DDR-Kulturverantwortlichen.

Zu seinen international bekanntesten Stücken zählen die Komödien "Adam und Eva" (1972), "Das Jahrmarktsfest zu Plundersweilern" (1975) sowie vor allem das Schauspiel "Ein Gespräch im Hause Stein über den abwesenden Herrn von Goethe" (1976). Seit Anfang der 80er Jahre wurden Stücke von Peter Hacks kaum noch aufgeführt, diese verschärfte sich nach der Konterrevolution von 1989 zu einem regelrechten politischen Boykott.

Am 31. 12. 1989 schrieb Hacks: »Die Konterrevolution langweilt nicht nur mich, sie langweilt inzwischen auch das Volk selbst. Nicht nur Heym, die Hälfte aller Weißen der ersten Stunde steht, nun es zu spät ist, wie das Kind beim Drecke. Es ist drollig: Wenn es nach dem Willen der DDR-Nation ginge, hätten wir schon den Honecker wieder. Es geht aber nicht nach dem Willen der DDR-Nation.«

Spöttische Verse wie "Wer war der, der vom meisten Blute troff? / Wars Churchill, Hitler oder Gorbatschow?" wollte man ihm genauso wenig verzeihen wie seinen Mangel an Wendehalsigkeit. Die danach entstandenen Stücke "Genovefa", "Der Maler des Königs" oder "Die Höflichkeit der Genies" sind daher einem breiteren Publikum kaum bekannt.

Zehn Jahre nach dem Ende der DDR besang der nunmehrige Provokateur der BRD-Literatur entgegen political correctness die Berliner Mauer und träumt von den heroischen Zeiten des Kommunismus:

Wer kann die Pyramiden überstrahlen?
Den Kreml, Sanssouci, Versailles, den Tower?
Von allen Schlössern, Burgen, Kathedralen
Der Erdenwunder schönstes war die Mauer.
Mit ihren schmucken Türmen, festen Toren.
Ich glaub, ich hab mein Herz an sie verloren.


 
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