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Montag, 11.02.2008:
Rollenspiel

(Eigener Bericht) - In Gesprächen mit dem Ministerpräsidenten Israels führt Berlin in diesen Tagen seine Verhandlungsserie über die nah- und mittelöstlichen Krisengebiete fort. Gegenstand sind Bemühungen, Kräfte niederzuringen, die westlicher Hegemonie widerstreben, und sie zur Einordnung in die deutschen Herrschaftspläne zu veranlassen. So müsse Syrien seinen Einfluss im Libanon preisgeben, es dürfe dafür jedoch "auf Berücksichtung" seiner langfristigen Interessen hoffen, teilt das Auswärtige Amt mit. Die Anreize, die Berlin Damaskus für einen Rückzug aus Beirut bietet, führen den nahöstlichen Staat in enge Abhängigkeit von der EU. Ähnliches gilt für Iran. Kurz vor der Münchner Sicherheitskonferenz, bei der am vergangenen Wochenende unter anderem auch über das westliche Drohpotenzial gegen Teheran gesprochen wurde, schloss der deutsche Energiekonzern RWE seinen Einstieg beim Pipeline-Konsortium "Nabucco" formal ab. Die Erdgasröhre soll in wenigen Jahren iranische Energierohstoffe in die EU leiten, sie bindet das mittelöstliche Land direkt in die globalen Zuliefernetze der westeuropäischen Zentren ein. Berlin nutzt im Iran, aber auch im Libanon weiterhin die Drohkulisse der Vereinigten Staaten und Israels, um sich als gemäßigter Mittler zu profilieren. Dies ermöglicht die Stärkung der deutschen Position im Nahen und Mittleren Osten.



Freitag, 08.02.2008:
Rückzugsperspektive

Die Informationen zur Deutschen Außenpolitik (german-foreign-policy.com) werden von einer Gruppe unabhÀngiger Publizisten und Wissenschaftler zusammengestellt, die das Wiedererstarken deutscher Großmachtbestrebungen auf wirtschaftlichem, politischem und militÀrischem Gebiet kontinuierlich beobachten. german-foreign-policy.com erscheint mehrsprachig, um die kritische Berichterstattung Ìber hegemoniale Taktiken und Strategien des vereinigten Deutschland einem internationalen Leserkreis zu eröffnen.

Webseite von www.german-foreign-policy.com besuchen
(Eigener Bericht) - Drohungen mit einer Spaltung der NATO und Erwägungen über einen Rückzug der Besatzungstruppen aus Afghanistan begleiten die Eskalation des deutsch-amerikanischen Streits beim aktuellen NATO-Gipfel in Vilnius. Hintergrund der Auseinandersetzungen, die auch die diesjährige Münchner Sicherheitskonferenz am Wochenende prägen werden, ist die deutsche Forderung nach größerem Einfluss auf das Kriegsgeschehen. Der Bundesverteidigungsminister teilt mit, auch die "Quick Reaction Force" der Bundeswehr, die in Nordafghanistan stationiert wird, dürfe in den Krieg im Süden eingreifen - aber nur nach Genehmigung durch ihn. Jüngste Berichte über die Entwicklung am Hindukusch bestätigen, dass das westliche Militär die Kontrolle über die Lage verliert. Demnach müssen die für das kommende Jahr vorgesehenen Präsidentenwahlen, bei denen Hamid Karzai als Leiter der Kabuler Marionettenregierung bestätigt werden soll, womöglich abgesagt werden - eine Folge des Erstarkens der Aufstände seit den Wahlen im Jahr 2004. Während eine in Zusammenarbeit mit Berliner Regierungsstellen erarbeitete Studie behauptet, das "Engagement" in Afghanistan sei "erfolgreicher als gedacht", stellt die Debatte über einen Rückzug tatsächlich nicht mehr nur eine taktische Drohung dar, sondern beschreibt eine realistische Perspektive.



Donnerstag, 07.02.2008:
Kupferkrieg

(Eigener Bericht) - Deutsch-österreichische Machtkämpfe prägen aktuelle Auseinandersetzungen um die führende Rolle in der europäischen Kupferproduktion. Gegenstand des Streits ist das größte deutsche Kupferunternehmen, die Norddeutsche Affinerie; die Firma ist der größte Kupferproduzent Europas und der bedeutendste Kupferrecycler weltweit. Sie will den belgischen Cumerio-Konzern übernehmen und damit ihre Position in der globalen Konkurrenz stärken, wird aber durch heftigen Streit mit einem österreichischen Anteilseigner bislang daran gehindert. Der Österreicher, Mehrheitseigner eines der bedeutendsten Wiener Konzerne, verlangt Mitsprache bei der Norddeutschen Affinerie und Beteiligung an der Macht. Um die alleinige nationale Kontrolle über das Unternehmen zu sichern, greifen staatliche deutsche Stellen ein. Die Auseinandersetzung betrifft einen eminent wichtigen und hochprofitablen Markt. Die Kupferpreise sind seit 2001 dramatisch gestiegen und versprechen den Produzenten beispiellose Gewinne. Vor allem aber ist Kupfer ist ein unersetzlicher Rohstoff für die deutsche Industrie, die mehr als ein Zehntel des globalen Marktvolumens beansprucht. Das Metall besitzt daher für Berlin strategische Bedeutung.



Mittwoch, 06.02.2008:
Weltmacht-Theorie

(Eigener Bericht) - Neue Theorien zur Legitimation von Aufstandsbekämpfung und Krieg werden in außen- und militärpolitischen Führungszirkeln in der deutschen Hauptstadt diskutiert. Dabei handelt es sich um Erklärungsmuster, die Armutsrevolten und Aufstände gegen Besatzungsherrschaft mit Hilfe der Demografie zu deuten suchen. Demnach sei die Ursache für Unruhen in der islamischen Welt und in Afrika in der Altersstruktur der dortigen Bevölkerung zu finden, die einen relativ hohen Anteil junger Männer im Alter zwischen 15 und 25 Jahren aufweist. Konflikte seien in den betroffenen Ländern unvermeidlich und könnten allenfalls mit militärischen Eingriffen regional begrenzt werden. Entsprechende Theoriemodelle ("Youth Bulge") sind Gegenstand von Tagungen der Bundesakademie für Sicherheitspolitik, der bedeutendsten außen- und militärpolitischen Einflussbehörde der Bundesrepublik. Sie werden zunehmend auch in Analysen weiterer deutscher Polit-Institute angewandt. In zugespitzter Form lassen sie Kriege als sinnvoll und notwendig erscheinen. In die Debatte eingeführt wurden sie 1995 in Washington.



Dienstag, 05.02.2008:
Kriegspartner

(Eigener Bericht) - Trotz schwerwiegender Vorwürfe gegen die Regierung Ruandas trifft Bundespräsident Köhler am morgigen Mittwoch zu einem Besuch in Kigali ein. In dem zentralafrikanischen Land sind Menschenrechtsorganisationen zufolge "Folter, außergerichtliche Tötungen und lang anhaltende Inhaftierungen ohne Prozess" an der Tagesordnung. Die Regierung "denunziert und verfolgt jede Form von Opposition im Lande gnadenlos", heißt es in einem Brief kirchlicher Hilfswerke an den Bundespräsidenten. Versuche, staatsunabhängige Organisationen zu gründen, werden "bis zur Selbstaufgabe" behindert, schreibt das Hamburger Institut für Afrika-Studien, das Ruanda als "Autokratie" einstuft. Das Land wurde 2001 zum "Schwerpunktpartnerland" des deutschen Entwicklungsministeriums aufgewertet und bekommt einen besonders hohen Pro-Kopf-Betrag aus dessen Etat. Polizei und Justiz Ruandas erhalten unmittelbare Unterstützung aus Deutschland. Kigali, das maßgebliche Verantwortung für den mörderischen Krieg im Ostkongo trägt, stellt in erheblichem Umfang Soldaten für Interventionen gegen die islamistische Regierung des Sudan bereit und entspricht damit langfristigen Konzepten Berlins.



Montag, 04.02.2008:
Kampfeinsätze

(Eigener Bericht) - Politische Machtkämpfe zwischen Berlin und Washington führen zu ersten Spekulationen hochrangiger Militärs über einen Rückzug der westlichen Besatzungstruppen aus Afghanistan. Die NATO müsse "auch darüber nachdenken, sich ganz aus Afghanistan zurückzuziehen", zitiert die deutsche Presse einen ehemaligen Leiter des Planungsstabes im Verteidigungsministerium, Vizeadmiral a.D. Ulrich Weisser. Anlass für die Forderung sind anhaltende Streitigkeiten zwischen den beiden wichtigsten Mächten des westlichen Kriegsbündnisses über Einsatzstrategien und die Stellung von Truppenkontingenten. In den kommenden Tagen werden die Auseinandersetzungen beim Treffen der NATO-Verteidigungsminister in Vilnius (7./8. Februar) und bei der Münchner Sicherheitskonferenz (9./10. Februar) fortgeführt. Während Berlin sich weiterhin weigert, deutsche Einheiten in Südafghanistan unter US-Kommando kämpfen zu lassen, steht die Entsendung einer Schnellen Eingreiftruppe in die deutsche Besatzungszone im Norden des Landes bevor. Die Bundesregierung hat die Voraussetzungen für eine verschärfte Kriegführung längst geschaffen: Der aktuelle Verteidigungsetat übersteigt den Vorjahreshaushalt um über eine Milliarde Euro. Die neuen Mittel kommen auch neuen Waffensystemen für künftige Kampfeinsätze zugute.



Freitag, 01.02.2008:
Ansprechstellen

(Eigener Bericht) - Im Schatten des Streits um Online-Durchsuchung und Passagierdatenspeicherung treibt die Bundesregierung die Durchdringung ziviler Gesellschaftsbereiche durch Polizei und Geheimdienste voran. Zu den aktuellen Schwerpunkten gehört die Anbindung von Wirtschaftsunternehmen an die Repressionsbehörden und ihre Einbindung in staatliche Verteidigungskonzepte; damit bereitet sich Berlin auf mögliche gewalttätige Angriffe durch irreguläre Kräfte oder feindliche Armeen vor. Erst vor wenigen Tagen hat der Staatssekretär im Bundesinnenministerium August Hanning einen neuen "Leitfaden" vorgestellt, der dem "Schutz Kritischer Infrastrukturen" gewidmet ist und Privatfirmen auffordert, Vorsorge gegen mögliche Anschläge zu treffen. Als zukünftig drohende Gefahren werden ausdrücklich Naturkatastrophen, Terrorattentate und Kriege genannt. Laut verschiedenen "Checklisten" aus dem Bundesinnenministerium sollen Unternehmensleitungen Geheimdienste zu Rate ziehen und ihre Angestellten "überprüfen". Mit dem "Schutz Kritischer Infrastrukturen" gegen feindliche Angriffe befasst sich die Bundesregierung schon seit 1997 - vier Jahre vor den Anschlägen des 11. September. Das Vorhaben unterwirft ohne förmliche Regelung zentrale Wirtschaftsbereiche permanenter staatlicher Kontrolle und erschließt den Repressionsbehörden den Zugang zu bislang zivilen Segmenten der Gesellschaft.



Donnerstag, 31.01.2008:
Die Klimaschutz-Gewinner

(Eigener Bericht) - Die Bundesregierung gibt hohe Umsatzerfolge der "Exportinitiative Erneuerbare Energien" bekannt und kündigt die Fortführung ihres Umweltfirmen-Förderprogramms an. Wie Bundeswirtschaftsminister Michael Glos mitteilt, ist es mit der Initiative gelungen, die Absatzmärkte für deutsche Unternehmen der Energiebranche beträchtlich auszuweiten. Die Exportquote der beteiligten Firmen ist demnach "im Schnitt um 50 %, zum Teil aber sogar bis weit über 100 %" gestiegen. Die Maßnahme ist Teil umfangreicher politischer Aktivitäten Berlins, die Deutschland den Rang des "Exportweltmeisters in der Umwelttechnik" (Umweltminister Gabriel) verschafft haben - bei einem geschätzten Weltmarktvolumen von 2.200 Milliarden Euro im Jahr 2020 ein lukrativer Titel. Experten vermuten, dass die Umweltindustrie im Jahr 2020 mehr Umsatz erzielt als die traditionellen deutschen Schwerpunktbranchen Kraftfahrzeug- und Maschinenbau. Bis 2030 soll sie sogar 16 Prozent an der gesamten deutschen Industrieproduktion erreichen - das Vierfache des gegenwärtigen Werts. "Die deutsche Industrie", heißt es, "muss keine Angst vor einem verschärften Klimaschutz haben". Vielmehr entwickelt sich hier eine neue Wachstumsbranche mit weltweiter Spitzenstellung, deren Milliardenpotenzial mehrere traditionelle Industriezweige in den Schatten stellt.



Mittwoch, 30.01.2008:
Land ohne Flüchtlinge

(Eigener Bericht) - Mit einem einheitlichen EU-Grenzüberwachungssystem soll die von Berlin forcierte europäische Flüchtlingsabwehr perfektioniert werden. Dies bestätigte EU-Innenkommissar Franco Frattini am gestrigen Dienstag beim elften Europäischen Polizeikongress in der Bundeshauptstadt. Mit dem neuen System können nach Europa eingereiste Bürger von Nicht-EU-Staaten, die nicht pünktlich mit Ablauf ihres Visums ausreisen, EU-weit zur Fahndung ausgeschrieben werden. Das Projekt soll die Zahl von Flüchtlingen in Europa weiter reduzieren. Die Pläne des Brüsseler EU-Kommissars entsprechen der harten Linie der deutschen Migrationspolitik. Sie ergänzen das gegenwärtige Migrationsregime, das Flüchtlinge mit bürokratischen Tricks aus den kerneuropäischen Zentren in die Randstaaten der EU verdrängt und die Flüchtlingstragödien an den dortigen Außengrenzen verschärft. Deutschland bleibt dabei zunehmend von unerwünschten Migranten frei. Tatsächlich gehen in der Bundesrepublik, die mit ihrer ausschließlich am wirtschaftlichen Nutzen ausgerichteten Migrationspolitik maßgebliche Verantwortung für die humanitären Katastrophen an den EU-Außengrenzen trägt, die Flüchtlingszahlen stark zurück. Jüngste Asylstatistiken des Bundesinnenministeriums lassen ein weitestgehend von Flüchtlingen entleertes Deutschland als nicht mehr ausgeschlossen erscheinen.



Dienstag, 29.01.2008:
Eigenständige Präsenz

(Eigener Bericht) - Berliner Regierungsberater ziehen einen Einsatz der Bundesmarine vor der Küste von Gaza in Betracht. Die Erfahrungen, die die deutschen Kriegsschiffe vor der Küste des Libanon gesammelt hätten, könnten als "Präzedenzfall" für "ähnliche maritime Einsätze" dienen, heißt es in einer neuen Publikation der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). Dies betreffe etwa das Mittelmeer vor dem Palästinensischen Autonomiegebiet. Die Äußerung aus Berlin legt die Stoßrichtung des Libanon-Einsatzes offen, der als geeigneter Einstieg in eine umfangreichere militärische Präsenz im Nahen Osten betrachtet wird. Mit Polizeieinheiten sind deutsche Repressionsbehörden bereits in den Palästinensischen Autonomiegebieten aktiv. Die polizeilich-militärische Einflussarbeit der Bundesregierung zielt mittelfristig darauf ab, im Umfeld Israels Kräfte an die Macht zu bringen, die dem Westen gegenüber kooperationsbereit sind. Wie die DGAP urteilt, muss Berlin dabei darauf achten, Tel Aviv nicht unmittelbar zuzuarbeiten - sonst sei der Erfolg in den arabischen Staaten gefährdet. Die damit angedeutete Strategie, sich als "Mittler" zwischen Israel und der arabischen Welt zu positionieren, sichert langfristig eine eigenständige deutsche Machtposition im Nahen Osten.



 
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