Am 30. Januar jährte sich zum 75. Mal der Beginn der faschistischen Herrschaft in Deutschland. Wenige Tage vorher begingen wir den Gedenktag 27. Januar, denn an diesem Tag vor 63 Jahren hat die Rote Armee die noch überlebenden Häftlinge des Vernichtungslagers Auschwitz befreit.Beide geschichtlichen Tage werden hierzulande von offizieller Seite nicht richtig ernst genommen. Sonst könnte es nicht geschehen, dass in Großstädten am 27. Januar Faschingsumzüge stattfinden. Roland Koch dachte gar, er könnte an diesem Tag erneut mit einer rassistischen Kampagne zum hessischen Ministerpräsidenten gewählt werden. Das ging schief. Ob sich die Zusammensetzung der Stammtische mit den neuen Nichtraucherschutzbestimmungen verändert hat? Nicht verändert hat sich die Politik der Kanzlerinnenpartei. Die hat sich hinter Roland Koch und auch die grundgesetzfeindlichen Pläne von Überwachungsstaatsminister Schäuble und Kriegsminister Jung gestellt. Und sie weigert sich, die NPD zu verbieten und sagt: Wir sollen uns mit ihr "politisch" auseinandersetzen. So wie Herr Koch, indem die NPD kopiert wird?
Verfassungsschutzämter ließen rechtzeitig zum 27. und 30. Januar vor dem "systemfeindlichen", weil kapitalismuskritischen Antifaschismus warnen. Das kann aber vergessliche Antifaschisten nicht davon abhalten, an beiden Tagen auf die verhängnisvolle Politik des deutschen Konservatismus hinzuweisen, die von Leuten wie Koch wiederbelebt werden sollte. Der von den Nazis und den heutigen Medien so genannte Tag der Machtergreifung vor 75 Jahren war ein Tag der Machtübertragung. Hitler hätte die Macht nie erlangt, wenn sie ihm nicht von dem Reichspräsidenten Paul von Hindenburg auf Wunsch und Drängen der politischen und ökonomischen Eliten übertragen worden wäre.
Wer an den 27. Januar erinnert, muss stets den 30. Januar mitdenken, auch in Jahren, in denen dieser Tag sich nicht rund jährt. In Auschwitz wurden am 27. Januar 1945 auch die Arbeiten am und im Buna-Benzin- und Gummi-Werk der IG Farben eingestellt. 30 000 Zwangarbeiter wurden dort durch Arbeit umgebracht; wer nicht mehr arbeiten konnte, wurde vergast. Dies hatte eine Vorgeschichte, die mit dem 30. Januar 1933 zusammenhängt. Die für den Angriffskrieg unabdingbare Autarkie der deutschen Wirtschaft - z. B. bei Öl und Gummi - versprachen die IG Farben den Nazis schon im Herbst 1932. Die Industrie verdiente dann am Holocaust und am Krieg unermessliche Summen.
Wir gedenken in diesen Tagen nicht nur der Opfer, wir klagen auch auf die Täter und die Profiteure an. Nichts und niemand ist vergessen.
Ulrich Sander ist Bundessprecher der VVN/BdA